Lebensdaten
1803 – 1890
Geburtsort
Ingolstadt
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Technologe ; Geologe ; Montanist ; Musiktheoretiker
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 119167972 | OGND | VIAF: 57418966
Namensvarianten
  • Schafhäutl, Karl Emil Franz von (seit 1873)
  • Schafhäutl, Karl Emilian Franz (bis 1873)
  • Pellisov, Carl (Pseudonym)
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Zitierweise

Schafhäutl, Karl Emil von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119167972.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Franz Xaver (1752–1806), Dr. med., bayer. Rgt.chirurg, zuletzt in Neumarkt (Oberpfalz), S d. Sebastian Schafheutle, schwarzenberg. Beamter in Tiengen/Oberrhein, u. d. Maria Lienhart;
    M Maria Magdalena (1768–1814), T d. Karl Philipp v. Wink(h)ler (Reichsadel 1733), fürstl. oettingenwallerstein. Hofrat, Reg.dir. in Baldern, u. d. Franziska Druna; ledig.

  • Biographie

    S. besuchte zwei Jahre das Gymnasium in Neuburg/Donau, ging bei verschiedenen Handwerkern in Ingolstadt in die Lehre und wurde schließlich bei der „Ingolstädter Zeitung“ als Buchdruckerlehrling eingestellt. Seine weitreichenden Kenntnisse auf naturwissenschaftlich-technischem Gebiet erwarb er autodidaktisch und verfaßte zusätzlich Gedichte, Erzählungen und Theaterstücke. 1827 kam S. als Skriptur an die Universitätsbibliothek nach München. Hier lernte er den Flötisten und Instrumentenbauer Theobald Böhm (1794–1881) kennen, den er mit akustischen Berechnungen bei der Entwicklung der „Böhmflöte“ unterstützte. Mit Böhm fuhr er 1834 wegen eines Patentprozesses im Klavierbau nach England, erforschte die dortige Roheisenerzeugung und erhielt nach kurzer Zeit ein Patent zur Verbesserung der Stahlgewinnung. Er entdeckte den Arsenikgehalt des engl. Roheisens und konnte die verheerenden Dampfkesselexplosionen auf die Verwendung schwefelreicher Kohle zur Beheizung der Kessel zurückführen. Außerdem erfand er eine Maschine zur Verbesserung des Puddelverfahrens, für die er in England ebenfalls ein Patent bekam. Weitere Erfindungen waren ein Schallstärkemesser, ein Lichtstärkemesser, eine Torfpresse und ein Aräometer zur Überprüfung der Bierqualität.

    S. kehrte erst 1841 nach Deutschland zurück. Schon in England hatte er sich bei der Beschäftigung mit Kohlen- und Erzlagerstätten mit den Problemen der Geologie, denen in Bayern fortan sein Hauptaugenmerk galt, vertraut gemacht. 1843 wurde er zum ao., 1844 zum o. Professor für Geognosie, Bergbau und Hüttenkunde in München ernannt. Er war damit der erste Professor für Geologie in Deutschland. Durch den angesehenen Chemiker und Mineralogen Johann Nepomuk Fuchs (1774–1856) wurde S. 1845 o. Mitglied der Bayer. Akademie der Wissenschaften. Er organisierte die geologische Aufnahme Bayerns, erforschte selbst v. a. das Voralpengebiet und gründete die geologische Staatssammlung. Zum besseren Verständnis der Erdgeschichte führte er chemische Analysen von Mineralien durch. Als führendes Mitglied (seit 1841) des 1815 gegründeten „Polytechnischen Vereins“ in München überprüfte er seit 1852 als Mitglied von dessen Kommission zur Überwachung der Dampfkessel (e. Vorläufer d. TÜV) Tausende von Dampfmaschinen.

    Sein ganzes Leben lang beschäftigte sich S. immer wieder intensiv mit Musik, als Musikkritiker, als Biograph oder auch als Sammler alter Kompositionen. Er förderte den Komponisten Josef Gabriel Rheinberger (1839–1901), setzte sich besonders für die Pflege|der Kirchenmusik ein und war als Gutachter beim Bau neuer Orgeln tätig. Seit 1849 war S. auch Oberbibliothekar der Universitätsbibliothek München, deren Bestände er auf allen Wissensgebieten erweiterte und erstmals den gesamten Buchbestand durch Kataloge erschloß.|

  • Auszeichnungen

    Silberne Telford-Medaille d. Royal Institution of Civil Engineers (1841);
    Rr.kreuz d. Verdienstordens v. Hl. Michael (1851), d. franz. Ehrenlegion (1855) u. d. Verdienstordens d. Bayer. Krone (1873);
    preuß. Roter-Adler-Orden IV. Kl. (1855).

  • Werke

    Geognost. Unterss. d. südbayer. Alpengebirges, 1851;
    Topische Gesch. d. Univ. Ingolstadt, 1856, gedr. 1995;
    Süd-Bayerns Lethaea geognostica, 1863;
    Der aechte gregorian. Choral in seiner Entwickelung bis z. Kirchenmusik unserer Zeit, 1869, erw. Aufl. u. d. T. Ein Spaziergang durch d. liturg. Musikgesch. d. kath. Kirche, 1887;
    Theobald Böhm, Ein merkwürdiges Künstlerleben, in: Allg. musikal. Ztg. 17, 1882, Nr. 28-36, Nachdr. in: Drei Theobald-Böhm-Biogrr., hg. v. L. Böhm, 1986;
    Abt Georg Joseph Vogler, 1888, Nachdr. 1979;
    zahlr. Aufss. in Fachzss.

  • Literatur

    ADB 53;
    C. v. Voit, in: SB d. Kgl. Bayer. Ak. d. Wiss., Math.-Physikal. Kl. 20, 1890, S. 397-415;
    K. A. v. Zittel, Gesch. d. Geol. u. Paläontol. bis Ende d. 19. Jh., 1899, S. 220, 247, 525 f., 702, 748;
    L. Hartmann, K. E. v. S., e. Darst. seines Lebens u. seiner physikal. Forschungen, in: Hist.-Pol. Bll. f. d. kath. Dtld., 1921, S. 559-70, 595-607;
    V. Zeiler, Über d. Entwicklung d. Eisen- u. Stahlerzeugung im 19. Jh. unter d. Aspekt d. Anwendung d. Prinzips d. Spektralanalyse, 1983, S. 134-57, 216-67, 372-74;
    K. Ventzke u. E. Tremmel, C. E. (v.) S. (1803-1890), Grundriß e. Biogr., in: Augsburger Jb. f. Musikwiss. 1989, 1990, S. 127-48;
    W. Ernst, K. E. v. S., Ein bayer. Universalgenie d. 19. Jh., 1994 (W-Verz., L. P);
    MGG.

  • Porträts

    Büste v. J. Halbig (Stadtmus. Ingolstadt).

  • Autor/in

    Ilse A. Ernst
  • Zitierweise

    Ernst, Ilse A., "Schafhäutl, Karl Emil von" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 544-545 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119167972.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Schafhäutl: Karl Emil Sch., geboren am 16. Februar 1803 zu Ingolstadt, war früh verwaist. Seine erste wissenschaftliche Erziehung erhielt er im Studienseminar zu Neuburg, das er aber 1816, ohne es absolvirt zu haben,|verließ. Weiteren Studien lag er an der Universität Landshut ob, aber, wie es scheint, ohne rite dort immatrikulirt zu sein. Durch seine belletristischen und physikalisch-experimentellen Arbeiten erregte er schon von seinem 16. Lebensjahre an ein gewisses Aufsehen, und um seine musikalischen Neigungen besser befriedigen zu können, ging er nach München, wo er 1827 eine Stelle als Scriptor an der Universitätsbibliothek erhielt. Gemeinsam mit dem Silberarbeiter und Flötenvirtuosen Theobald Böhm arbeitete er an Verbesserungsplänen für die Fabrikation des Pianoforte und der Flöte, und dies führte beide 1834 nach England, wo Schafhäutl's experimentelle Erfindungsgabe durch den Umstand mächtig angeregt wurde, daß es dort noch nicht gelungen war, aus dem einheimischen Rohmaterials den vorzüglichen englischen Gußstahl herzustellen, sondern daß dazu Erze aus Schweden und Ruhland bezogen werden mußten. Wirklich gelang es ihm, Methoden zu erfinden, die diesem Uebelstande abhalfen, und die sieben Jahre, die er, mit solchen Arbeiten beschäftigt, in England zubrachte, gehörten jedenfalls zu den glücklichsten und erfolgreichsten seines Lebens. Zugleich erwarb er sich in Dublin zuerst 1835 den philosophischen und 1838 auch den medicinischen Doctorgrad. Reicher an wissenschaftlichen als an geschäftlichen Erfolgen kehrte er 1841 nach München zurück, wo er jedoch gegen Ueberlassung seiner verbesserten Puddlingsmethode für 20 Jahre eine Rente von 1600 fl. vom Staate erhielt, auf Vorschlag von Nepomuk Fuchs 1842 zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften erwählt wurde und 1843 an der staatswissenschaftlichen Facultät der Universität eine Professur für Geognosie, Bergbaukunst und Hüttenkunde erhielt.

    Damit sah er sich im Alter von 40 Jahren unversehens vor eine ganz neue Aufgabe gestellt, nämlich Vorlesungen über Geologie zu halten. Er war dazu fast ganz unvorbereitet, und ohne Zweifel verdankte er diese Ernennung hauptsächlich seinem Gönner N. Fuchs und seinen extrem-neptunistischen Anschauungen, durch die beide Männer sich vereinigt, aber auch nach außen isolirt sahen.

    Mit großem Eifer ging Sch. an sein neues Arbeitsgebiet heran, und um eine Sammlung und zugleich eine Basis für seine Vorlesungen zu gewinnen, benutzte er „jede freie Stunde zum Studium der bairischen Alpen“, bis 1849 eine Commission zur wissenschaftlichen Untersuchung Baierns, darin eine geologische Section mit einer jährlichen Subvention von 300 fl. geschaffen und er zu deren Vorstand ernannt wurde.

    Das Ergebniß einer siebenjährigen Thätigkeit waren die "Geognostischen Untersuchungen des südbairischen Alpengebirges“, worin neben zahlreichen vortrefflichen Beobachtungen doch in stratigraphischer und paläontologischer Hinsicht so viel Seltsamkeiten stehen, daß es keiner weiteren Aufklärung bedarf, warum 1853 die Leitung der geognostischen Landesuntersuchung ihm entzogen und dem jüngeren Gümbel übertragen wurde. Zwar hat Sch. weiterhin die von ihm gesammelten und zum Theil recht werthvollen Versteinerungen in eingehender Weise in seiner „Lethaea bavarica“ (2 Bde. 1863) beschrieben und abgebildet; aber er konnte auch da keinen großen Erfolg erzielen, denn er hatte sich auf ein Gebiet hinausgewagt, auf dem er nicht zu Hause war. Als nun gar erfahrene Paläontologen, wie Oppel 1860 und Zittel 1866 ihre Vorlesungen an der Universität und später auch Gümbel an der technischen Hochschule mit vielem Erfolg abzuhalten begannen, da erlahmte seine Lehr- und Forschungsfreude rasch, und er wandte sich mit erhöhtem Eifer dem Studium der Musik und ihrer Theorien zu. In den letzten 25 Jahren seines Lebens hat er thatsächlich auf die akademische Lehrthätigkeit ganz verzichtet, und die Studenten erfuhren von seinem Dasein nichts, außer wenn sie etwa ins Examen gingen.|Da stellte er ihnen mit Vorliebe Fragen über den Vulkanismus, und wenn auch immer wieder die Antworten nicht im Sinne seines schroffen Neptunismus ausfielen, so horchte er doch hin, als ob er die Hoffnung noch nicht aufgegeben hätte, daß endlich einer käme mit seinen Anschauungen. Trotzdem er fast 50 Jahre lang Professor der Geologie gewesen war, so hat er doch keinen einzigen Schüler groß gezogen. Aber alle diese Mißerfolge reichten nicht hin, ihn mißvergnügt oder vergrämt zu machen. Sein frommes Gemüth fand Trost in der Beschäftigung mit der Musik; hier hatte er ebenso wie früher in der Technik Erfolg und Anerkennung gehabt. Beiträge zur Geschichte der Kirchenmusik lieferte er in „Der echte gregorianische Choral in seiner Entwicklung bis zur Kirchenmusik unserer Zeit“ (1869), „Ein Spaziergang durch die liturgische Musikgeschichte der katholischen Kirche“ (1887) und in seiner „Biographie des Abtes Vogler“ (1888). Im Hause seines musikalischen Freundes Böhm fand er bis zu seinem am 25. Februar 1890 erfolgten Tode ein friedliches Heim. In seinem Kirchenstuhl neben dem Chor der Michaeliskirche sah man die charakteristische Gestalt des originellen Mannes im Hochamt jeden Sonn- und Festtag. Dem früh Verwaisten hatte die Stütze des Elternhauses und die strenge Zucht der Schule gefehlt. Frühzeitige Erfolge führten zur Zersplitterung seiner großen geistigen Kräfte, und als mehr ein äußerer Zufall als der innere Drang den 40jährigen Mann zur Geologie führte, konnte er es darin nicht weiter als zu einem gelehrten Dilettantismus bringen.

  • Autor/in

    Rothpletz.
  • Zitierweise

    Rothpletz, August, "Schafhäutl, Karl Emil von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 53 (1907), S. 729-731 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119167972.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA