Lebensdaten
1657 – 1742
Geburtsort
Schloß Königsberg bei Gießen
Sterbeort
Laubach
Beruf/Funktion
Theologe ; Kirchenhistoriker ; geistlicher Dichter, Schriftsteller ; Übersetzer ; Lexikograph
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118797425 | OGND | VIAF: 23149368781685980004
Namensvarianten
  • Sinoldt genannt von Schütz, Philipp Balthasar
  • Faramont, Ludwig Ernst von (Pseudonym)
  • Creutzberg, Amadeus (Pseudonym)
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Zitierweise

Sinold genannt von Schütz, Philipp Balthasar, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118797425.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus verzweigter hess. u. fränk. Adelsfam.;
    V Johann Helwig (1623–77), hessen-darmstädt. Oberamtmann, Prof. d. Staatsrechts in Gießen, Reichshofrat in Wien, seit 1670 braunschweig-lüneburg. Kanzler u. Minister in Celle, Mitgl. d. „Fruchtbringenden Ges.“ (s. ADB 34), S d. Justus (1592–1657), JUD, hess. Kanzler, Prof. d. Staatsrechts in Marburg u. Gießen, 1650 Kanzler d. Univ., GR (s. ADB 34), u. d. Anna Margarethe Vietor (1601–70);
    M Anna Barbara (1634–93), T d. Philipp Ludwig Fabricius v. Westerfeld (v. Fabrice) (1599–1666), Dr. iur., hessendarmstädt. GR u. Kanzler, u. d. Maria v. Münthen (1604–79);
    Ov Johann Philipp (um 1635–98, Dipl., nassau. Comitialgesandter b. RT in Regensburg, 1689 sachsen-eisenach. Rat u. Vizekanzler;
    Om|Weipart Ludwig Fabricius v. Westerfeld (v. Fabrice) (1640–1724), Pol., Dipl., braunschweig-lüneburg. Min. u. Vizekanzler, Oberappellationsger.präs. in Celle (s. NDB IV);
    2 B Valentin Justus (1652–81), braunschweig-lüneburg. GR, Dipl. in Wien u. im Haag, Ludwig Justus ( 1709), braunschweig.-lüneburg. GR, Dipl. in London, 1 Schw Jeannette Lucie (1653–1706, Andreas Gottlieb Frhr. v. Bernstorff, 1649–1726, Pol., Dipl., als Nachf. v. Johann Helwig Sinold gen. v. Schütz, s. o., braunschweig-lüneburg. WGR u. Kanzler in Celle, dann hann. WGR, 1705 Premiermin. Kg. Georgs I. in London, s. NDB II; Oxford DNB);
    1708 Maria Elisabeth (1684–1742), T d. Daniel v. Poser u. Groß-Naedlitz u. d. Helene Rosine v. Gutthäter;
    T u. a. Johanna Wilhelmine.

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Gymnasium illustre in Weißenfels, wo S. 1674 unter dem Rektor Christian Weise über Karl d. Großen disputierte, studierte er die Rechte in Jena. Nach kurzem Hofmeisterdienst beim Landgrafen von Hessen-Darmstadt führte ihn die Kavalierstour 1681 nach Italien, aber nicht wie üblich an Universitäten und Bibliotheken; vielmehr diente der junge Adelige 1683–85 als Gardekavallerist des Großherzogs von Toskana in Florenz. Um 1686 kehrte S. nach Deutschland zurück und lebte als Schriftsteller in Erfurt, Halle und Leipzig, wo er Mitglied der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ wurde (Gesellschaftsname „Faramund“). Die Zuschreibung einiger politisch-,curieuser` Journale und kurzlebiger Fortsetzungswerke, die seit 1697 anonym oder unter S.s Namen erschienen, ist unsicher. Gesichert sind dagegen die Gründung und Herausgabe des Journals „Die europ. Fama ( . . . )“ (1702–33, wohl nur in den ersten Jahren unter S.s Leitung), das Nachrichten und Dokumente zur europ. Politik enthielt und auf ein adliges Publikum zielte. In die Geschichte des Journalismus und der Lexikographie ging S. mit der Gründung des „Realen Staats-, Zeitungs- und Conversations-Lexicons“ ein (zuerst anonym 1704, mit e. Vorrede v. J. Hübner, unter dessen Namen zahlreiche verbesserte u. erw. Aufll. bis 1844; Microfiche-Ausg. 1993). Es richtete sich an ein breites Publikum (,gebildet`, aber nicht ,gelehrt`) und enthält Namen und Terminologie aus den in der Zeitungspresse behandelten Sachgebieten (Geographie, Politik, Geschichte u. ä.) sowie Erklärungen von Fremdwörtern und fremdsprachigen Wendungen.

    Um 1703/04 muß S. eine geistige Neuorientierung vollzogen haben; er beendete seine Laufbahn als Journalist und begab sich in den Dienst an Höfen des Landadels, die unter dem Einfluß Philipp Jakob Speners und des Halleschen Pietismus (A. H. Francke) standen: Vielleicht schon 1704 wurde er Haushofmeister und Lehendirektor des Heinrich Gf. von Reuß-Köstritz, 1705 ging er nach Forst (Lausitz) an den Hof der Herzogin von Sachsen-Merseburg. Seit 1711 amtierte S. als Regierungsrat in Bernstadt (Schlesien), das zum Hzgt. Württemberg-Oels gehörte, seit 1718 als Geheimer Rat beim Grafen von Hohenlohe in Pfedelbach (b. Öhringen) und als Aufseher über die Kollegien. Seit 1727 wirkte S. im hess. Laubach im Dienste des Grafen von Solms.

    Unter den Vorzeichen seiner pietistischen und kirchenkritischen Orientierung nach seiner Leipziger Zeit erzielte S. literarische Erfolge in unterschiedlichen Genres. So trat er als Erbauungsschriftsteller (meist unter d. Ps. Amadeus Creutzberg), als Historiograph (Schles. Kirchenhistorie, 2 Bde., 1708/09, Ps. Irenicus Ehrencron), als Übersetzer besonders franz., lat. und engl. Texte (u. a. Bellegarde, Fénelon, J. Esprit, wahrscheinlich T. I v. B. Graciáns Roman „Criticón“ nach d. franz. Version v. G. de Maunory, H. Grotius, J. Addison u. R. Steele) sowie als Verfasser satirischer Schriften hervor. Sein noch heute bekanntestes Werk, der utopische Roman „Die glückseeligste Insul auf der gantzen Welt, oder das Land der Zufriedenheit“ (1723, 1728, Neuausg. 1970, Ps. L. E. v. Faramond), ist eine pietistisch ausgerichtete Tugend-Utopie, in der Brüdergemeinschaften als Tugendkommunen zur verinnerlichten Pflege schlichter Frömmigkeit dargestellt werden. Ebenso bemerkenswert ist auch S.s Roman „Das unchristliche Christenthum“ (2 T., 1715, Neuausg. 1718, Ps. Faramond), der in vorgeblicher Übersetzung aus dem Chinesischen den Briefwechsel eines in Europa reisenden Chinesen mit seinem Freund bietet. Dieses Schema der Kritik an der eigenen Kultur (hier v. a. d. christl. Rel. u. d. Kirchen) in einer fiktiven exotischen Optik wurde wenig später durch Montesquieus „Lettres persanes“ (1721) zu einer literarischen Mode im Europa der Aufklärung.

  • Werke

    Weitere W Discursus politicos de Carolo Magno ( . . . ) (praes. Ch. Weise), 1674;
    Die Regeln d. bürgerl. Lebens, 1709;
    Der weise u. tugendhaffte Epictetus in d. Sauer-Brunnen-Cur zu Schwalbach, 1719;
    Kurtze u. erbaul. Lebens-Regeln ( . . . ), nebst d. Bildniß e. Christl. Regenten, 1719;
    Amadeus Creutzbergs geistl. u. andere erbaul. Poesien, Lieder, Sonnette u. Epigrammata, 1720;
    Heilige (auch: gottseelige) Betrachtungen auf alle Tage d. gantzen J., 2 Bde., 1728;
    Das Reich d. Eitelkeit u. Thorheit, 1731, Nachdr. 1733;
    Seltsame aber wohlmeinende Gedancken über d. Eitelkeit der Welt, u. absonderlich über d. im 18. Jh. täglich zunehmenden Thorheiten, 1731, Nachdr. 1732;
    Die Wiss. zu leben, welche e. jeden vernünfftigen Menschen, noch mehr aber e. wahren Christen lehret, wie er d.|Wohlstand in Worten u. Wercken gegen andere Menschen beobachten solle, 1739;
    Aufrichtiges Protocoll d. Unterredungen einiger vertrauter Freunde, welche einander alles sagen, was sie denken, 1740;
    Überss.:
    Schrr. d. Abts v. Bellegarde, 4 Bde., 1709–23;
    J. Esprit, Falschheit derer menschl. Tugenden, 1710;
    Der getreue Hofmeister ( . . . ), oder einige Discurse über d. Sitten d. gegenwärtigen Zeit, welche unter d. Namen Guardian v. Herrn Addison, Steele u. a. Vf. d. Spectateur in engl. Sprache vorgestellet worden, 1725;
    Fénelon, Die seltsamen Begebenheiten d. Telemach, 1733;
    zugeschriebene, ungesicherte Werke u. Hg.schaften:
    Des träumenden Pasquini kluge Staats-Phantasien, 1697;
    Des unermüdeten Pasquino mit seinem getreuen Compagnon Marforio nächtl. Unterredungen, 1698/99;
    Der fliehende Passagier durch Europa, 1698–1701, Das courieuse Caffee-Haus zu Venedig, 1698;
    Der Europ. Niemand, 1717–21.

  • Literatur

    ADB 34;
    F. W. Barthold, Die Erweckten im prot. Dtld. während d. Ausgangs d. 17. u. d. ersten Hälfte d. 18. Jh., bes. d. frommen Gf.höfe, in: Hist. Taschenb, hg. v. F. v. Raumer, 3, 1852, S. 129–320, 4, 1853, S. 169–390, Neudr. 1968;
    F. Brüggemann, Utopie u. Robinsonade, 1914;
    M. Blassneck, Frankr. als Vermittler engl.-dt. Einflüsse im 17. u. 18. Jh., 1934;
    C. v. Faber du Faur, German Baroque Literature, 1958, S. 417;
    H. Brunner, Die poet. Insel, 1967;
    H. Wagener, Faramonds Glückseeligste Insul, in: Symposium 26, 1972, S. 78–89;
    M. Winter, Compendium Utopiarum 1, 1978, S. 161–65;
    L. Stockinger, Ficta Respublica, Gattungsgeschichtl. Unterss. z. utop. Erz. in d. dt. Lit. d. frühen 18. Jh., 1981, S. 185–304;
    W. Braungart, Die Kunst d. Utopie, 1989, S. 211–16;
    G. Müller, Gegenwelten, Die Utopie in d. dt. Lit., 1989, S. 63–70;
    Gesch. d. Pietismus, 4 Bde., hg. v. M. Brecht, 1993–2004, bes. Bd. 1;
    Nassau. Biogr.;
    Killy;
    Quellenlex. z. dt. Lit.gesch. 29;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    H. Jaumann, Hdb. Gel.kultur d. Frühen Neuzeit, 2004 (W, L);
    - zur Fam.: L. v. Lehsten, Die hess. RTgesandten im 17. u. 18. Jh., II, 2003, bes. S. 190.

  • Autor/in

    Herbert Jaumann
  • Zitierweise

    Jaumann, Herbert, "Sinold genannt von Schütz, Philipp Balthasar" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 465-467 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118797425.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Sinold: Philipp Balthasar S. gen. v. Schütz, entstammte dem alten berühmten Adelsgeschlechte der Sinolde von Schütz und wurde am 5. Mai 1657 auf dem hessisch-darmstädtischen Schlosse Königsberg bei Gießen geboren, wo sein Vater damals hessischer Oberamtmann war, der nachmals als lüneburgischer Minister und Kanzler starb (s. o.). Der Sohn erhielt seine Vorbildung auf dem Gymnasium zu Weißenfels, das damals der Rector Christian Weise leitete, und studirte dann in Jena die Rechte. Darauf führte ihn eine längere Reise durch Italien, und hier trat er zu Florenz in die Gardecavallerie des Herzogs von Toscana ein, in der er fast zwei Jahre Kriegsdienste that. Heimgekehrt nach Deutschland, weilte er mehrere Jahre in Leipzig als Privatgelehrter und gab hier eine Zeitschrift „Die europäische Fama“ (1704) heraus, in der er die Politik vom christlichen Standpunkte aus beleuchtete. Fortsetzungen dieser Zeitschrift von Anderen erschienen später als „Neue europäische Fama“ (Leipzig 1735 ff.) und „Neueste europäische Fama“ (Gotha 1760 ff.). Im Jahre 1704 lieferte er auch die erste Ausgabe des bekannten „Zeitungs-Lexikons“, das später von Hübner in Hamburg, von Jäger, Mannert u. A. vielfach umgearbeitet worden ist. In demselben Jahre war S. mit dem Titel eines Raths nach Köstritz berufen worden als Haushofmeister des jungen Grafen von Reuß-Köstritz und als Lehendirector für sämmtliche reußische Lande; doch schon im folgenden Jahre trat er als Hofmeister in die Dienste der verwittweten Herzogin von Sachsen-Merseburg zu Forst in der Lausitz, und blieb hier bis 1711. Dann nahm er eine Stelle als Regierungsrath bei dem Herzoge Karl von Württemberg-Oels zu Bernstadt in Schlesien an und schrieb während seiner hiesigen Amtsthätigkeit unter dem Namen Irenicus Ehrenkron seine noch jetzt geschätzte „Schlesische Kirchenhistorie“ (II, 1715). Im Jahre 1718 berief ihn der Graf von Hohenlohe-Pfedelbach zum Geheimrath und Präsidenten aller seiner Collegien nach Pfedelbach bei Oehringen im Württembergischen, von wo er 1727 als gräflich Solms’scher Geheimrath nach Laubach kam. In diesem Amte verblieb er 15 Jahre lang, bis er als 85jähriger Greis am 6. März 1742 von dieser Erde schied. S. war auch Mitglied der fruchtbringenden Gesellschaft, in der er den Namen „Faramond“ führte. Als solches hat er eine ganze Reihe satyrischer Schriften verfaßt, in denen er mit heiligem Ernste die Thorheiten seiner Zeitgenossen geißelte. Bedeutender ist er als erbaulicher Schriftsteller, und als solcher führte er den Namen Amadeus Creutzberg. Von seinen zwölf Erbauungsschriften haben besonders die „Gottseligen Betrachtungen auf alle Tage des ganzen Jahrs“ (1729), ein Buch, das dem Könige Friedrich Wilhelm I. von Preußen zur täglichen Lectüre diente, ihren Werth bis in die Neuzeit hinein|behauptet und sind 1856 abermals neu herausgegeben worden. Wie in diesen Erbauungsschriften, so offenbart sich auch in den poetischen Arbeiten Sinold's der Einfluß Spener's, und man zählt deshalb S. gern dem pietistischen Dichterkreise zu. Eine Sammlung von 143 seiner Lieder gab er während seiner Amtsthätigkeit in Pfedelbach heraus unter dem Titel „Amadei Creutzbergs geistliche und andere erbauliche Poesien, Lieder, Sonette und Epigrammata“ (1720); acht davon erlangten durch Aufnahme in Gesangbücher weitere Verbreitung.

    • Literatur

      Koch, Geschichte des Kirchenliedes etc. Bd. V, S. 404 ff. — W. Stromberger, die geistliche Dichtung in Hessen. Darmstadt 1886.

  • Autor/in

    Franz Brümmer.
  • Zitierweise

    Brümmer, Franz, "Sinold genannt von Schütz, Philipp Balthasar" in: Allgemeine Deutsche Biographie 34 (1892), S. 400-401 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118797425.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA