Lebensdaten
1796 – 1856
Geburtsort
Gotha
Sterbeort
Hildburghausen
Beruf/Funktion
Verleger ; Gründer des Bibliographischen Instituts
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118783610 | OGND | VIAF: 35252533
Namensvarianten
  • Meyer, Joseph
  • Meyer, Carl J.
  • Meyer, Carl Joseph
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Zitierweise

Meyer, Joseph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118783610.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    B Heinrich August Wilhelm (s. 1);
    Maßbach 1825 Hermine (1804–74), T d. Johann Salomo Grobe (1770–1837), Pfarrer u. Pädagoge, u. d. Sophia Ernestine Henriette Christiana Lasch (1776–1820);
    1 S, 1 T, Herrmann Julius (s. 3), Meta (1832–75, Franz Bornmüller, 1825–90, Schriftleiter am Bibliogr. Inst., s. NDB II*);
    E Hans (s. 4), Josef Bornmüller (1862–1948), Botaniker (s. NDB II).

  • Biographie

    M. absolvierte 1810-13 eine kaufmännische Lehre in Frankfurt/Main. Anschließend leitete er bis 1817 eine vom Vater gegründete Textilwarenhandlung in Gotha. 1817-20 arbeitete M. in London zunächst als Handlungsgehilfe im Exportgeschäft, später war er dort als selbständiger Börsenmakler tätig. Nach fehlgeschlagenen Spekulationen kehrte er nach Thüringen zurück und leitete 1820-23 die „Frhrl. v. Boyneburgischen Gewerbs- und Hülfsanstalt zu Weilar“. 1825-26 war M. in Gotha als Englischlehrer tätig, übersetzte Shakespeare und Walter Scott und gab 1824-28 ein „Correspondenzblatt für Kaufleute“ heraus.

    Am 1.8.1826 gründete M. in Gotha einen Verlag, der unter dem Namen „Bibliographisches Institut“ nominell seiner Frau gehörte. Mit einem im deutschen Buchhandel zu dieser Zeit ungewöhnlichen Erfindungsreichtum für neue Wege des Vertriebs und der Werbung verlegte M. eine Klassikerbibliothek in Lieferungen als Subskriptionsausgabe zu sensationell günstigem Preis. Die Texte waren zumeist nicht gemeinfrei, doch M. exkulpierte sich mit dem Hinweis auf den Anthologiecharakter seiner Ausgabe. In den Vertrieb schaltete er Kaufleute verschiedener Branchen und selbst Privatleute als Subskriptionssammler ein (Begründung der systematischen Kolportage). Trotz eines weitgehenden Boykotts durch den traditionellen Buchhandel und unter Umgehung von Vertriebsverboten in zahlreichen Ländern des Deutschen Bundes verbreitete M. seine Idee, daß Klassiker-Ausgaben zu günstigem Preis allen Schichten des Volkes zugänglich sein sollten. 1828 verlegte er sein Unternehmen nach Hildburghausen und gliederte ihm einen sich rasch ausweitenden technischen Betrieb, eine Stahlstichanstalt und ein kartographisches Institut an. 1830 war seine Druckerei schon die sechstgrößte in Deutschland. An weiteren Buchserien verlegte er eine „Bibliothek deutscher Canzelberedsamkeit“, Bibeln, Atlanten und Stahlstichfolgen. M. krönte sein verlegerisches Lebenswerk mit der Herausgabe eines „Großen Conversations-Lexikons für die gebildeten Stände“ in 55 Bänden, das 1839-55 gleichfalls in Lieferungen erschien. Zahlreiche Beiträge hatte M. selbst geschrieben. Dieses Konversationslexikon war das umfangreichste, das je in deutscher Sprache vollständig erschienen ist.

    Seine liberal-demokratische Einstellung ließ M. auch zum politischen Publizisten werden. „Der Hausfreund“, 1832 herausgegeben mit Ph. J. Siebenpfeiffer, wurde schon nach Vorliegen der ersten Nummer verboten, „Der Volksfreund“ brachte es vom Mai 1832 bis zum Verbot im September auf 35 Ausgaben. Um die Zensur zu umgehen, brachte er seit 1833 „M.s Universum oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten … auf der ganzen Erde“ in Lieferungen heraus. Deklariert als geographisch-historische „Bildergalerie für alle Stände und jedes Alter“, war das reich mit Stahlstichen ausgestattete „Universum“ doch überwiegend als politisches|Aufklärungswerk zu verstehen. Die Beiträge schrieb M. ausnahmslos selbst. Bis zu seinem Tode wurden 17 Bände mit 2800 Seiten und 710 Stahlstichen aufgelegt. Übersetzungen erschienen in zahlreichen Sprachen.

    M.s Interesse galt auch schon früh dem Eisenbahnwesen. 1836 arbeitete er im Auftrag der sachsen-meining. Regierung an einer Denkschrift über den Eisenbahnbau, entwickelte 1837 den Plan einer „Hanseat.-süddeutschen Central-Eisenbahn“ und sicherte sich die Konzession für deren thüring. Teilstrecke in einer Länge von 200 km. Gleichzeitig erwarb er in Sachsen-Meiningen die Konzession zur Erschließung und Ausbeutung vorhandener Kohle- und Erzlagerstätten in einem Gebiet von 25 000 Hektar und gründete 1845 eine „Deutsche Eisenbahnschienen-Compagnie“. Mit beiden Unternehmen hoffte er, den deutschen Eisenbahnbau von teuren engl. Zulieferungen unabhängig zu machen. Diese als Aktiengesellschaften gegründeten Industrieunternehmungen, in die M. in zehn Jahren auch etwa 600 000 Gulden eigenen Kapitals investiert hatte, gingen nach der Wirtschaftskrise 1847-49 in Konkurs, doch es gelang ihm, seinen Verlag aus dem Zusammenbruch zu retten.

    M. war ein frühkapitalistischer Unternehmer, den lebhafte und vielseitige geistige Interessen zum Verleger werden lieben. Durch sein verlegerisches und journalistisches Eintreten für eine geistige Emanzipation („Bildung macht frei!“) und für konstitutionell abgesicherte Freiheiten des Volkes wurde er zum geistigen Führer der Demokraten in Sachsen-Meiningen und nahm die Gefährdung vieler seiner Unternehmungen und sogar Inhaftierungen (1848 und 1851) in Kauf. Nach M.s Tod wurde das Bibliographische Institut von seinem Sohn Herrmann Julius weitergeführt.

  • Werke

    Weitere W u. a. M.s British Chronicle, a Universal Review of British Literature, wöchentl. 1827-30;
    M.s Contor-Hdb., 1827 f. (in Lieferungen, nicht abgeschlossen);
    Dt. Parlaments-Chronik, 1848/49 (in Lieferungen). – Zahlr. Geleitworte zu Klassiker-Ausgg. u. zum „Großen Conversations-Lex.“ seines Verlages. – Ausgew. Aufsätze, 2 Bde., o. J. (ca. 1912).

  • Literatur

    ADB 21;
    A. Human, C. J. M. u. d. Bibliogr. Inst. v. Hildburghausen-Leipzig, 1896;
    J. Hohlfeld (Hrsg.), Aus J. M.s Wanderjahren, Eine Lebensepisode in Briefen, 1817–20, 1926;
    ders., Das Bibliogr. Inst., FS z. seiner Jh.feier, 1926 (P);
    A. Marsch, M.s Universum, 1972;
    H. Wagenblass, Die Dt. Eisenbahnschienen-Compagnie u. ihr Gründer C. J. M., in: ZUG, Zs. f. Firmengesch. 17, 1972, S. 233-55;
    H. Sarkowski, Das Bibliogr. Inst., Verlagsgesch. u. Bibliogr. 1826-1976, 1976 (P).

  • Porträts

    Pastell v. E. Kramer, 1833 (im Bes. d. Bibliogr. Inst., Mannheim), Abb. b. Sarkowski (s. L), S. 23;
    Zeichnung v. E. Fischer, 1844, Abb. b. J. Hohlfeld (s. L), n. S. 150.

  • Autor/in

    Heinz Sarkowski
  • Zitierweise

    Sarkowski, Heinz, "Meyer, Joseph" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 296-297 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118783610.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Meyer: Joseph M., geb. den 9. Mai 1796 in Gotha als der Sohn eines Schuhmachers, lernte in Frankfurt a. M. als Kaufmann und kehrte nach beendigter Lehrzeit in seine Heimath zurück, um hier die kaufmännische Leitung des väterlichen Geschäfts, das inzwischen zu einer fabrikmäßigen Ausdehnung gediehen war, zu übernehmen. Seines Bleiben- war indessen hier nicht lange; der Drang nach einem größeren Wirkungskreise trieb ihn in die Ferne, einer vielbewegten, an Erfolgen wie an Enttäuschungen reichen Zukunft entgegen. In London, wohin er sich zunächst wandte (1816), nahm er anfangs Stellung in einem Handelshause, betrieb aber bald Speculationsgeschäfte für eigene Rechnung, bis er sich nach drei Jahren in Folge widriger Conjuncturen von Schulden überhäuft sah, die zu decken der Vater sein Vermögen opfern mußte. Nicht|glücklicher war M. mit seiner nächsten Unternehmung, einer auf den Gütern des Herrn von Boyneburg in Hessen gegründeten „Gewerbs- und Hülfsanstalt“, welche den Zweck hatte, der in der Gegend ansässigen verarmten Weberbevölkerung neue Erwerbsquellen zu eröffnen, aber nach dreijährigem Bestande durch die Ungunst äußerer Umstände wieder einging. Als ein Schiffbrüchiger, aber unerschüttert in seinem Muth und Selbstvertrauen kehrte M. in seine Vaterstadt zurück, versuchte es hier mit der Herausgabe eines „Correspondenzblattes für Kaufleute“, das rasch Beifall und Verbreitung fand, und ward so auf das Feld litterarischer Unternehmungen geführt. Es folgte zunächst im Hennings’schen Verlag zu Gotha eine deutsche Bearbeitung Shakespeares (für die M. jedoch nur „Macbeth", „Othello" und „Der Sturm“ lieferte, die Fortsetzung des Werkes Andern überlassend), sowie eine Uebertragung Scott’scher Romane ("Waverley“ und „Ivanhoe"), während er gleichzeitig (1825) eine englische belletristische Zeitschrift: „Meyer's British Chronicle“, und ein „Handbuch für Kaufleute“ im eigenen Verlag erscheinen ließ. Der ungemeine Erfolg, den diese Publicationen hatten, beruhte, außer dem ungewohnt billigen Preise, hauptsächlich darauf, daß M. eine bis dahin in Deutschland unbekannte (seitdem allgemein adoptirte) buchhändlerische Vertriebsmethode: das lieferungsweise Erscheinen größerer Werke und somit das Subscriptionswesen zuerst in Anwendung brachte, und er erweckte in ihm die Idee, ein großes Verlagsgeschäft auf diesen Principien zu begründen. So entstand das „Bibliographische Institut", als dessen erste Erzeugnisse vier verschiedene Ausgaben der älteren deutschen Classiker in zweckentsprechender Auswahl, mit Porträts und Biographien, zu nennen sind. Man muß sich jene Zeit vergegenwärtigen, da die Werke der vaterländischen Litteratur dem großen Publicum noch verschlossene, nur schwer zu erlangende Schätze waren, um zu begreifen, mit welcher Begierde man nach diesen Meyer’schen Classikerbändchen griff: Hunderttausende von Exemplaren wurden abgesetzt. Diesen Werken schlossen sich zunächst eine „Bibliothek der Kanzelberedtsamkeit“ und ein Andachtsbuch: „Der Familientempel“ an. Im Herbst 1828 siedelte M., auf Einladung des Herzogs von Meiningen, mit seinem Geschäft nach Hildburghausen über, wo er seitdem seinen Wohnsitz behielt. Das sturmvolle Jahr 1830 rief ihn, der an den öffentlichen Angelegenheiten den regsten Antheil nahm, auf das politische Gebiet, und er gründete eine Zeitung: „Der Volksfreund“, die jedoch ihrer freisinnigen Ansichten wegen nach kurzem Bestand unterdrückt wurde. Nicht lange darauf (1833) rief er ein neues Werk ins Leben, das er fortan zum Organ für seine Gedanken- und Empfindungswelt machte und das durch die Gewalt seiner Sprache, die Kraft und Originalität der vorgeführten Ideen und Schilderungen bald weltbekannt wurde: das periodisch erscheinende Bilderwerk „Meyer's Universum“. Dieses Werk, das M. bis an seinen Tod fortführte, die glänzenden Artikel unter einer stets wachsenden Last von Sorge und Arbeit wie spielend aufs Papier hinwerfend, zählte in den dreißiger Jahren über 80 000 Abonnenten und erschien zeitweilig in 12 Sprachen. Durch Censur und Verbote wurde dieser Absatz wol geschmälert, aber den Geist, der dasselbe, in Opposition zu den damals herrschenden Staatsmaximen, beseelte, vermochte keine Macht zu unterdrücken. Sonstige Unternehmungen des Bibliographischen Instituts waren: Ausgaben griechischer und römischer Classiker (unvollendet), die verschiedensten Ausgaben der Bibel, die M. in Millionen von Exemplaren verbreitete, neue und erweiterte Ausgaben der Classiker ("Familienbibliothek", „Nationalbibliothek", „Groschenbibliothek"), die Sammelwerke „Volksbibliothek für Naturkunde" und „Geschichtsbibliothek“ und das „Große Konservationslexikon“, das 1840—55 in 52 starken Octavbänden erschien. Nebenher liefen mehrere geographische Werke, große und kleine Kartensammlungen und ein mit besonderer Liebe gepflegter reichhaltiger|Kunstverlag, der das Ziel verfolgte, die classischen Kunstwerke älterer und neuerer Zeit in vorzüglichen Stichen (von Amsler, K. Barth, Fr. Müller, Felsing, Lorrichon, Krüger, Neureuther, Rahl, Schuler, Wagner u. a.) ebenso zum Gemeingute des Volks zu machen, wie es M. mit den classischen Schriftwerken gelungen war. Ein neues Feld der Thätigkeit eröffnete sich M. gegen Ende der dreißiger Jahre, als das Interesse am Eisenbahnbau in Deutschland erwachte. Mit der ganzen Energie seines Wesens der Sache sich bemächtigend, erfaßte er damals die Idee eines „Centraldeutschen Eisenbahnnetzes“, und die Ausführung des großartigen Planes war 1837 durch Actienzeichnung thatsächlich gesichert, als das Ganze an der Concessionsverweigerung einer der betheiligten Regierungen (Hannover) scheiterte. Der industriellen Thätigkeit einmal zugewandt, strebte nun M. zunächst, durch Aufdeckung von Mineralschätzen im Bereich seines thüringischen Heimathlandes dessen gesunkene Industrie neu zu beleben, und es gelang seiner Energie und Ausdauer, durch langwierige und kostspielige Versuche reichhaltige Kohlenlager, Eisen-, Kupfer- und Silberminen, Kobalt- und Nickelgruben nachzuweisen und zu erwerben. Nachdem er 1842 ein langes und schweres Krankenlager, die Folge übermäßiger Anstrengungen, glücklich überstanden, faßte er ein neues großartiges Unternehmen ins Auge, das ihm der patriotische Gedanke eingab, die deutsche Eisenindustrie von der damals mächtigen Herrschaft des Auslandes zu emancipiren und Thüringen zum Ausgangspunkt dieses Industrieaufschwungs zu machen. Nachdem sorglich alle Vorbereitungen getroffen und alle zur Ausführung seiner Absicht erforderlichen Factoren in seiner Hand vereinigt waren, trat er 1845 mit dem Plane der Neuhäuser „deutschen Eisenbahnschienencompagnie“ an die Oeffentlichkeit und begann, seinem Genius vertrauend, den Bau der Neuhäuser Eisen- und Kohlenwerke. Das Unternehmen war halb fertig, als es durch die Revolution von 1848 ins Stocken gerieth. Die materiellen Nachtheile, die daraus erwuchsen, waren enorm; nichtsdestoweniger fand die deutsche Erhebung in M. einen ihrer begeistertsten Anhänger, und er war es, der zuerst die Wünsche des Volks in einer „Reformadresse“ an den Landesherrn zum Ausdruck brachte. In den folgenden Jahren der Reaction gehörte auch M. zu den Verfolgten, und ein Preßvergehen hatte er im Gefängniß zu büßen. Um jene Zeit griff er noch den Plan der Werrabahn auf, dessen Ausführung zu den erwähnten Unternehmungen in engster Beziehung stand. Wiederum gelang es ihm, die erforderlichen Mittel zu beschaffen, als der Plan selbst seinen Händen entrungen ward, um von andern ausgeführt zu werden. Schon seit längerer Zeit schlagflußähnlichen Anfällen ausgesetzt, erlag er einem solchen am 27. Juni 1856. — Es lag in der Natur dieses weitblickenden Geistes, im Erkennen wirthschaftlicher Keime seiner Zeit um ein Menschenalter voraus zu sein; daher das augenblickliche Mißlingen der Mehrzahl seiner industriellen Unternehmungen, während im Großen und Ganzen seine grundlegenden Ideen von einer spätern Zeit thatsächlich zur Ausführung gebracht worden sind. So entspricht die heutige Wirthschaftspolitik in ihrer Begründung und Durchführung ganz dem Programm, welches M. mit seinem Freunde Fr. List, dem Schöpfer des deutschen Zollvereins, in den dreißiger Jahren aufgestellt und der vom Engländer Cobden importirten Freihandelstheorie gegenüber mit der ganzen Wucht seiner Feder vertheidigt hat. Die manchesterliche Strömung ging indessen über ihn hinweg und mußte sich erst ausleben, bis ihre für die nationale Arbeit und Wohlfahrt verderblichen Wirkungen voll erkannt wurden. Ebenso bezeichnend ist es für die Richtigkeit der Meyer’schen Eisenbahnentwürfe, daß dieselbe Regierung, deren Starrsinn sich der Culturbedeutung derselben verschlossen hielt und sie zu Fall brachte, zwanzig Jahre später die von M. projectirten Linien selbst zur Ausführung zu bringen sich gezwungen sah. Auch auf dem engeren|Gebiete seines heimathlichen Wirkens, in Thüringen, steht man jetzt die bergbaulichen und metallurgischen Unternehmungen, für welche M. die natürlichen Quellen erschlossen hatte, fast wortgetreu nach seinen Plänen zu gedeihlichster Ausführung gebracht. Eine ganze Reihe blühender Industrien hat sich auf dem ehemals Meyer’schen Montanbesitz angesiedelt, und weiteren steht eine hohe Entwickelung bevor, wenn die noch kurz vor seinem Tode von ihm geplanten Eisenbahnübergänge über den Thüringer Wald, wie jetzt bevorsteht, ebenfalls zum Durchbruch gelangt sein werden. M. hatte eben mit allen vorgeschrittenen Geistern in einer in kleinlichen Interessen und Vorurtheilen befangenen Zeit das Loos zu theilen, daß ihr sanguinisches Hoffen auf eine Wandlung solcher Zeit und das Vertrauen auf ihre vereinzelte Kraft bitterer Täuschung erliegen mußte. Parteihaß, Mißgunst und Unverstand haben M. denn auch im Leben wie noch nach dem Tode mit Verunglimpfungen nicht verschont; aber seine geniale Begabung und unerschöpfliche Thatkraft hat Niemand zu leugnen vermocht, und die Macht seiner Persönlichkeit wie sein reiner, allem Gemeinen angewandter, bei aller Energie und Strenge tief humaner Charakter verfehlten auf Niemand, der mit ihm in Berührung kam, ihre Wirkung, selbst nicht auf seine Gegner.

  • Autor/in

    F. B.
  • Zitierweise

    B., F., "Meyer, Joseph" in: Allgemeine Deutsche Biographie 21 (1885), S. 602-605 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118783610.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA