Lebensdaten
erwähnt um 1170 , gestorben 2. Hälfte 12. Jahrhundert
Beruf/Funktion
Dichter
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118709747 | OGND | VIAF: 100959610
Namensvarianten
  • Heinrich der Glîchezaere
  • Heinrich der Glichsenere
  • Heinrich
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Heinrich der Glichezare, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118709747.html [29.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Unter dem Namen dieses sonst nicht bekannten Mannes geht ein mittelhochdeutsches Reimpaargedicht von 2266 Versen mit dem Titel „Reinhart Fuchs“, das in drei Handschriften überliefert ist: fragmentarisch in der ältesten Handschrift S (um 1200) und durch eine anonyme Bearbeitung aus dem 13. Jahrhundert in P und K (s. W). Aus dem Dialekt von S, der Erwähnung eines auch urkundlich zwischen 1153 und 1156 bezeugten Walthers von Horburc (Horburg bei Colmar) in Vers 1024 und dem Vorkommen der Abtei Erstein (zwischen Straßburg und Schlettstadt) in Vers 2123, was allerdings auf einer Konjektur Jacob Grimms beruht (P und K haben ersten), hat man geschlossen, daß der Autor Elsässer gewesen sei. Für die Datierung werden neben dem sprachlichen, metrischen und reimtechnischen Befund von S vor allem Vers 1024 und Vers 2101-16 (Belehnung des Elefanten mit Böhmen und seine Vertreibung von dort) herangezogen; doch da die böhmischen Wirren mit mehrfacher Absetzung beziehungsweise Vertreibung des jeweiligen Herzogs von 1173 bis 1189 andauerten, ist eine genaue Fixierung nicht möglich. Der befremdliche Name des Autors (Glichezare = Gleisner) erscheint an zwei Stellen: im Epilog versichert der anonyme Bearbeiter, daß der Glichesere her Heinrich der Verfasser des Gedichtes sei (Vers 2249–52); ähnlich äußert er sich Vers 1784–90. S, das den letztgenannten Passus ebenfalls enthält, ist an dieser Stelle weitgehend zerstört, so daß eine eindeutige Entscheidung darüber, ob bereits in S Glichesere Cognomen des Autors ist oder sich auf den Fuchs bezieht – was dann vom Bearbeiter mißverstanden worden wäre –, nicht mehr möglich ist.

    Der „Reinhart Fuchs“ steht in der mittelalterlichen Tradition der Tierdichtung, insbesondere haben einzelne Branchen des „Roman de Renart“ dem Autor als Vorlage gedient. Doch zeigt er an verschiedenen Stellen eine bemerkenswerte Originalität der Erfindung, so in der Belehnung des Elefanten mit Böhmen und des Kamels mit einer Abtei (= Erstein?) sowie dem grausamen Tod des Königs Vrevel (Vers 2097-2248), die sonst nirgends begegnen. Im Gegensatz zum „Roman de Renart“ hat der „Reinhart Fuchs“ eine geschlossene epische Komposition: Die Erzählung steigert sich von den anfänglichen Mißerfolgen des Fuchses über seine listig bestandenen Abenteuer während seiner „Freundschaft“ mit dem Wolf Isegrim bis zu seinem Triumph über alle seine mächtigen Feinde und den König selbst. Parodie und Satire, die der Tierdichtung allgemein eigen sind, kennzeichnen den „Reinhart Fuchs“ in besonderem Maße. H. ergießt seinen beißenden Spott gleicherweise über den Hof (Friedrichs I.?), das Lehnswesen, den Adel und die hohe Minne, den geistlichen Stand und kirchliche Gepflogenheiten. Er ist ein vorzüglicher Kenner beider Rechte und der zeitgenössischen Literatur, der mit skeptischem Blick seine Welt mustert. Nachwirkung war dem Werk H.s allerdings versagt. Alle spätere deutsche Dichtung über den Fuchs Reinhart (Reineke) bis zu Goethes „Reineke Fuchs“ geht auf den mittelniederländischen „Reinaert“ zurück.

  • Werke

    Hss.: Landesbibl. Kassel, 8º Ms.poet. 1, um 1200 (umfaßt etwa 1 Drittel d. Gesamttextes, eingeklebt u. -geheftet in 1 Exemplar v. J. Grimms Sendschreiben, s. Ausgg.), = S;
    Univ.-Bibl. Heidelberg, Cpg 341, 1. Drittel 14. Jh., = P;
    Metropolitanbibl. Kalocsa/Ungarn, Cod. 1, 1. Drittel 14. Jh., = K (Verbleib ungewiß;
    Abschr. aus Beginn d. 20. Jh. im German. Seminar d. Univ. Hamburg);
    - Ausgg.: Koloczaer Cod. altdt. Gedichte, hrsg. v. J. N. Gf. Mailáth u. J. P. Köffinger, Pest 1817 (Reinhart Fuchs S. 357-420);
    J. Grimm, Reinhart Fuchs, 1834 (Text nach Hs. P unter Heranziehung v. Hs. K, S. 25-114);
    ders., Sendschreiben an Karl Lachmann üb. Reinhart Fuchs, 1840 (Text nach Hs. S, S. 13-52);
    Reinhart Fuchs, hrsg. v. K. Reissenberger 1886, 1908 (Hss. P u. S unter Heranziehung v. Hs. K);
    H.s d. G.s Reinhart Fuchs, hrsg. v. G. Baesecke, mit e. Btr. v. K. Voretzsch, 1925 (Hss. P u. S unter Heranziehung v. Hs. K);
    Das mittelhochdt. Gedicht v, Fuchs Reinhart nach d.Casseler Bruchstücken u. d. Heidelberger Hs. Cod.pal.germ. 341, hrsg. v. G. Baesecke, 2. Aufl. besorgt v. I. Schröbler, 1952 (ebenfalls unter Heranziehung v. Hs. K);
    Teildr. mit Einführung u. Inhaltsangabe d. nicht abgedr. Partien in: Dt. Nat.-Lit. II: Die Spielmannsdichtung, 1. T.: Die reine Spielmannsdichtung, bearb. v. P. Piper, [1887], S. 230-315. - Übers.: Reinhart Fuchs, Das älteste dt. Tierepos aus d. Sprache d. 12. Jh. in unsere übertragen v. G. Baesecke, 1926.

  • Literatur

    ADB IX;
    M. G. v. Kovachich, in: Dt. Mus. 4, 1813, S. 402-23 (Beschr. v. Hs. K);
    Kleinere mittelhochdt. Erzz., Fabeln u. Lehrgedichte III: Die Heidelberger Hs. Cod. Pal. germ. 341, hrsg. v. G. Rosenhagen, 1909, S. I-XLI (Beschreibung v. Hs. P);
    ders., Beschreibung v. Hs. K, 1911 (ungedr.), 108 Bll. (Dt. Ak. d. Wiss. zu Berlin, Inst. f. dt. Sprache u. Lit.);
    Die Landesbibl. Kassel 1580-1930, hrsg. v. W. Hopf, 1930, S. 39-41 (Beschreibung v. Hs. S);
    Ehrismann II, 2,2;
    de Boor-Newald II;
    U. Schwab, Zur Datierung u. Interpretation d. Reinhart Fuchs, Neapel 1967;
    Vf.-Lex. d. MA II.

  • Autor/in

    Irmgard Meiners
  • Zitierweise

    Meiners, Irmgard, "Heinrich der Glichezare" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 408-409 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118709747.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Glichezaere: Heinrich der G., verfaßte um 1170 im Elsaß nach einer noch erhaltenen französischen Quelle ein deutsches Gedicht aus dem Kreise der Thiersage, welchem er den Namen „Isingrînes nôt“ gab. Leider ist die ursprüngliche Gestalt desselben nur in dürftigen Bruchstücken auf uns gekommen; vollständig besitzen wir es in einer Umarbeitung des 13. Jahrhunderts, welche die Reime zu glätten, alterthümliche Ausdrücke und Formen zu beseitigen, hin und wieder auch den Fluß der Erzählung gleichmäßiger zu gestalten strebte, im ganzen aber bei zahlreichen Flickwörtern und Mißverständnissen das in kraftvoller Sprache und im herben aber wirkungsvollen Stile des 12. Jahrhunderts abgefaßte Original entschieden verschlechtert hat. — Heinrich war ein fahrender Mann, wie sein Beiname, wenn auch dessen specielle Beziehung bisher streitig ist, seine formelhafte Redeweise und der einmal begegnende Hinweis auf seinen Lohn bezeugen. Seine Bedeutung liegt darin, daß er der erste war, welcher in deutscher Sprache einen in sich abgerundeten Abschnitt der Fuchssage poetisch bearbeitete und diese seine Bearbeitung auch schriftlich fixirte.

    • Literatur

      Vollständige Litteratur bei Scherer, Geschichte der deutschen Dichtung im elften und zwölften Jahrhundert (Straßburg 1875) S. 111 ff.

  • Autor/in

    Steinmeyer.
  • Zitierweise

    Steinmeyer, Elias von, "Heinrich der Glichezare" in: Allgemeine Deutsche Biographie 9 (1879), S. 236 unter Glîchezaere [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118709747.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA