Lebensdaten
1830 – 1871
Geburtsort
Frankfurt/Main
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Maler ; Zeichner ; Historienmaler
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118585231 | OGND | VIAF: 22933959
Namensvarianten
  • Müller, Victor
  • Müller, Viktor
  • Müller, Victor
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Zitierweise

Müller, Viktor, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118585231.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Valentin Christian (1793–1852), Dr. med., seit 1820 Arzt in F., S e. Tischlers;
    M Charlotte (1801–90), T d. Gottlieb Schmid (1753–1824), Dr. iur., Advokat, Bgm. in F., u. d. Luise Friederike Pfeiffer ( 1849) aus Pfullingen b. Reutlingen;
    Tante-m Maria Cleophea Schmid (1793–1875, Christian Bansa, 1792–1855, Bankier u. Weinhändler in F.), Schriftst. (s. Frankfurter Biogr.; NDB 18*); Cousine Luise Marianne Cleophea Bansa (1824–1913, Carl Morgenstern, 1811–93, Maler, s. NDB 18);
    Frankfurt/M. 1868 Ida (1837–1900), T d. Lehrers Johann Christof Schulderer ( v. 1868) u. d. Maria Emilie Kiefhaber ( v. 1868);
    S Otto Victor (1870–1922), Dr. med., Arzt in F.

  • Biographie

    Aufgewachsen in einem großbürgerlichen, musisch interessierten Elternhaus, besuchte M. zunächst das Gymnasium, anschließend 1845-48 das Städelsche Kunstinstitut, wo er u. a. von Jakob Becker, J. D. Passavant, F. M. Hessemer und J. N. Zwerger unterrichtet wurde. Die Arbeiten der Nazarener und Peter v. Cornelius' schätzte er, Moritz v. Schwind und Alfred Rethel kannte er auch persönlich, schloß sich jedoch – entsprechend seinem koloristischen Interesse – der neuen Bewegung der Naturalisten an. Im Herbst 1848 ging er nach Antwerpen, wo er indes von Rubens und van Dyck stärker als von den zeitgenössischen Malern beeindruckt wurde. Von der „Geistlosigkeit“ des Akademiebetriebs enttäuscht, siedelte er im März 1850 in die Kunstmetropole Paris über, immer auf der Suche „nach einer frischen poetischen Richtung“. Beeindruckt von Raffael, Tizian, Veronese, Rubens und Fetti, deren Werke er im Louvre studierte, aber auch durch Zeitgenossen wie Delacroix, Millet und besonders Courbet, begann M., sich von formaler Befangenheit zu lösen und zu einer großzügigeren Malweise überzugehen. Es entstanden brauntonige Farbskizzen, aber auch Kopf- und Landschaftsstudien, die durch die franz. Avantgarde, insbesondere die Schule von Barbizon beeinflußt waren. M. selbst bezeichnete seine Pariser Jahre als die der Reife. 1855 beteiligte er sich an der Weltausstellung mit dem Bild „L'homme, le sommeil, le rève“ (verschollen).

    1858 kehrte M. nach Frankfurt zurück, ohne jedoch seine Verbindungen nach Frankreich abreißen zu lassen. Wahrscheinlich auf seine Anregung kam Courbet noch im selben Jahr für einen längeren Aufenthalt nach Frankfurt. Dabei malte dieser u. a. ein „Bild auf Frankfurt am Main“ (1858), wie umgekehrt M. durch den Besuch Courbets inspiriert wurde, deutlich sichtbar in der „Alten Mainbrücke im Winter“ (um 1860), „une affaire des tons“. In den 60er Jahren schuf M. zudem eine Reihe malerisch qualitätvoller Bildnisse von denen einige 1867 im Pariser Salon ausgestellt wurden. Großes Aufsehen und widersprüchliche Kritik erregte M. mit der großformatigen „Waldnymphe“ (1863) wegen seines „Nur-Anspruchs auf gute Malerei“. Das große, querformatige Gemälde „Hero und Leander“ nach Grillparzers „Des Meeres und der Liebe Wellen“ entstand nach einer Hollandreise 1865 (Scheveningen, Amsterdam, Den Haag) und unter starkem Eindruck der Werke Rembrandts.

    1865 siedelte M. nach München über. Hier entstanden u. a. zwei monumentale Bilder mit Darstellungen aus dem Leben des Ritters Hartmut („Abschied von seiner Familie“ und|„Gespräch mit dem Schweizer Reformator Oecolampadius“, heute Städelsches Kunstinst.), außerdem ein Shakespeare-Zyklus im Auftrag des Verlegers Bruckmann. Der Hell-Dunkel-Kontrast und der pastose Farbauftrag wichen nun einer helleren, detailgetreueren Malweise, die auch engl. Vorbilder voraussetzt. 1869 wurde M. Mitglied der Jury für die Münchner Internationale Ausstellung und sorgte in dieser Funktion für eine starke Vertretung der franz. Malerei; in seinem Haus verkehrten Leibl, Scholderer, Eysen, Thoma und Trübner. Sein letztes datiertes Gemälde „Blumenmädchen“ (1871) wirkt wie eine Zusammenfassung aller seiner künstlerischen Absichten nach einer Synthese aus Romantik und Realismus, Naturstudium und literarischer Thematik.

  • Werke

    u. a. Dame mit Federhut u. Fransentuch, Anfang d. 60er J., Rote Marie, 1861 (beide Städelsches Kunstinst., Frankfurt);
    Bertha Gerson, 1863, Julius Stiebel, 1863 (beide Städelscher Mus.ver., Frankfurt);
    Kinderbildnis mit Hund, 1863 (Stiftung Oskar Reinhart, Winterthur). |

  • Nachlass

    Nachlaß: 560 Zeichnungen, 16 Skizzenbücher (verschollen), Briefe (Städt. Gal. u. Städelsches Kunstinst., Frankfurt).

  • Literatur

    ADB 22;
    E. Lehmann, Der Frankfurter Maler V. M. 1830-1871, 1976 (W-Verz., L, P);
    V. M., Gem. u. Zeichnungen, Ausst.kat. Frankfurt/Main 1973;
    Courbet u. Dtld., Ausst.kat. Frankfurt/Main 1979;
    W. Leibl z. 150. Geb.tag, Ausst.kat. München/Köln 1994;
    Die Städelschule Frankfurt am Main v. 1817-1995, hrsg. v. H. Salden, 1995;
    ThB;
    Frankfurter Biogr. II (P).

  • Porträts

    Selbstbildnis, 1861 (Städelsches Kunstinst., Frankfurt), Abb. b. E. Lehmann (s. L).

  • Autor/in

    Evelyn Lehmann
  • Zitierweise

    Lehmann, Evelyn, "Müller, Viktor" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 478-479 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118585231.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Müller: Victor M., Historienmaler, geb. zu Frankfurt a. M. 1829, in München am 21. December 1871. Ein koloristisches Talent ersten Ranges wie mir es in Deutschland zu den seltensten rechnen dürfen, hatte er anfangs die Schule des Städel’schen Instituts in seiner Vaterstadt besucht, wo er zugleich mit Schreyer und dem Engländer Leighton, jetzigem Director der Londoner Akademie, Steinle's Unterricht genoß. Indeß konnte dessen katholische Romantik seinem realistischen Sinn in keiner Weise zusagen und so ging er denn 1849 erst an die Antwerpener Akademie, ungefähr gleichzeitig mit Feuerbach und Lindenschmit, um indeß auch diese bald mit Couture's Atelier in Paris zu vertauschen. Feuerbach, den er auch dort traf, ist auf seine Entwicklung keineswegs ohne Einfluß geblieben, obwohl er dessen spätere idealere Richtung nicht|mehr theilte, sondern sich ganz auf die Coloristik warf. Eben deshalb schloß er sich in Paris bald noch mehr an den ihm auch an Charakter und Persönlichkeit vielfach verwandten Courbet an, dessen der Couture’schen diametral entgegengesetzte Technik er ziemlich vollständig adoptirte und sich durch die Einführung dieser, alle Lasuren oder sonstigen Hülfsmittel verschmähenden, nur mit sehr pastoser Farbe operirenden soliden Malart später in Deutschland ein unbestreitbar großes Verdienst erwarb, das er allerdings mit Lindenschmit theilt. Im Jahre 1858 kehrte er nach Deutschland zurück und ließ sich zunächst in seiner Vaterstadt nieder, wo er nun nacheinander die Aufmerksamkeit durch eine ganze Reihe Bilder auf sich lenkte. So durch einen mit Wagner in tiefer Dämmerung auf öder Haide spazierengehenden Faust, der den Pudel gewahrt, ein vortreffliches landschaftliches Stimmungsbild. Dann eine schlafende Waldnymphe, die bei allem derben Courbet’schen Naturalismus der Zeichnung doch durch großen Reiz des Tons fesselte; endlich durch eine Hero, die sich über den Leichnam des Leander geworfen hat. Es war das ein düsteres Bild von ungewöhnlich packender Kraft die durch eine bei aller Großartigkeit doch ganz realistisch schonungslose Auffassung und Individualisirung der Charaktere noch mächtig verstärkt wurde und ob ihrer Vereinigung von an Spagnolett erinnernder Kühnheit der Farbe mit rhythmischem Aufbau der Composition großes Aufsehen machte. Für das an die sentimentale und zahme Auffassung der damaligen Düsseldorfer Schule gewöhnte Publicum der alten Reichsstadt waren das freilich keine Bilder, sie flößten dem gebildeten Philister eher Schrecken und Abscheu als Bewunderung ein, was die ungestüme Persönlichkeit des Künstlers nicht zu verringern geeignet war. Deshalb verlegte Victor M. 1866 seinen Wohnsitz nach München, wo man dergleichen wild und revolutionär auftretende aber ächte Kunst immer noch eher zu würdigen wußte. In der That machte der mit der ganzen Kühnheit und Rücksichtslosigkeit eines gesunden aber einseitigen Talentes ausgestattete Künstler hier bald entschieden Schule mit seiner auf größere Einfachheit, Wahrheit und Energie ausgehenden Coloristik. Er malte nun zunächst einige Bilder aus dem Leben des Ritters Hardtmuth von Kronenberg, welche besonders durch die meisterhafte Behandlung der Landschaft fesselten, nicht minder durch das tiefe Eingehen auf den Zeitcharakter in den Figuren, wobei indeß von einer platten und nüchternen Modellmalerei entfernt nicht die Rede sein konnte. Diesen Bildern folgte ein Shakespeare-Cyclus, von dem ein Hamlet in der Kirchhofsscene sowohl durch die eigenthümlich realistische Auffassung des Helden, noch mehr aber durch die auffallend schöne und doch unheimlich traurige Stimmung des Ganzen ungewöhnlich anzog und in jedem Detail bewies, wie tief der Künstler seine Vorwürfe durchdachte. Ist eine ihm folgende Ophelia am Wasser weniger gelungen, so imponirte um so mehr die Balkonscene aus Romeo und Julie sowohl durch ihre die ganze Gluth des Südens athmende Auffassung und Charakteristik der Figuren als durch die außerordentliche Gediegenheit und Schönheit der Farbenbehandlung und Stimmung. Unstreitig war das eine Leistung, die man ganz wohl dem Delacroix an die Seite setzen konnte, mit dessen wilder Romantik sie, wenngleich ganz deutsch empfunden, am meisten Verwandtschaft zeigte. Obwohl auch hier von einer Nachahmung nicht entfernt die Rede sein kann, da Victor M. schon früh seinen eigenen Charakter in den Kunstwerken auszuprägen verstanden hat. Leider setzte gerade jetzt, wo er sich zu seiner gediegensten und in jedem Sinne bedeutendsten Leistung aufgeschwungen, der Tod dieser so glänzend begonnenen Laufbahn ein viel zu frühes Ziel. Nichtsdestoweniger hat M. nicht nur als Colorist sehr nachhaltig auf die Münchener Schule gewirkt, in deren Malerei er das Element des Tones eigentlich erst einführte, sondern er hat auch auf die Auffassung historischer Charaktere bei den|Jüngeren großen Einfluß geäußert, sie vom theatralischen Wesen, das der älteren Münchener Schule seit Kaulbach anklebte, loslösen und zu einer gesunderen Naturbeobachtung hindrängen, kurz, den Sieg des Realismus vollenden helfen, indem der sich nie genügende Mann durch sein Beispiel zeigte, wie ernsthaft man es mit der Kunst auch als Colorist nehmen kann und soll.

  • Autor/in

    Fr. Pecht.
  • Zitierweise

    Pecht, Friedrich, "Müller, Viktor" in: Allgemeine Deutsche Biographie 22 (1885), S. 679-681 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118585231.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA