Lebensdaten
1762 – 1807
Geburtsort
Hirschberg (Schlesien)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Chemiker
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 11651230X | OGND | VIAF: 2579447
Namensvarianten
  • Richter, Jeremias Benjamin
  • Richther, Jeremias Benjamin

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Richter, Jeremias Benjamin, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11651230X.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V N. N., Kaufm.;
    M N. N.;
    Ov N. N., Stadtbaumeister u. Hptm. in Breslau.

  • Biographie

    R. trat nach dem Besuch des Gymnasiums 1778 in das preuß. Ingenieurkorps ein. 1785-89 studierte er Philosophie und Mathematik|in Königsberg, u. a. bei Immanuel Kant (1724–1804). 1789 erfolgte seine Promotion mit der Schrift „De Usu Matheseos in Chymia“. Diese stark vom Denken Kants beeinflußte Dissertation ist charakteristisch für R.s Auffasung vom Wesen der Chemie als einer prinzipiell mathematischen Wissenschaft. Nach Schlesien zurückgekehrt, war R. als Landmesser in Ober-Groß-Tschirnau, dann als Gutachter und Übersetzer chemischer Literatur und als Instrumentenbauer tätig. 1794 wurde er Bergsekretär, 1796 „Bergprobirer“ beim schles. Oberbergamt in Breslau, 1800 Assessor der Bergwerks- und Hüttenadministration in Berlin. Dort war R. auch als „ Arcanist“ bei der kgl. Porzellanmanufaktur beschäftigt. Mit chemischen Untersuchungen befaßte er sich ausschließlich nebenberuflich, seine praktisch-chemischen Kenntnisse erwarb er autodidaktisch.

    Anknüpfend an Arbeiten von Torben Olof Bergmann (1735–84), Richard Kirwan (ca. 1733–1812) und Henry Cavendish (1731–1810), der 1767 den Begriff der „äquivalenten“ Menge prägte, begründete R. die von ihm „Stöchiometrie“ genannte Lehre. Bei seinen Versuchen entdeckte er, daß bei der gegenseitigen Zersetzung zweier Neutralsalze wiederum zwei neutrale Verbindungen entstehen. Dies führte ihn zu der Annahme, „daß es bestimmte Größenverhältnisse zwischen den Bestandtheilen der neutralen Salze geben müsse“, d. h. daß eine bestimmte chemische Verbindung stets gleich zusammengesetzt ist und sich mit anderen Verbindungen in gleichbleibenden Gewichtsproportionen umsetzt. R. untersuchte weiter, in welchen Proportionen sich Basen und Säuren gegenseitig neutralisieren, und erstellte Tabellen, die die jeweils notwendigen Gewichtsmengen für unterschiedliche Säuren bzw. Basen enthielten.

    1791 formulierte R. sein „Neutralitätsgesetz“, das heute als „Gesetz der äquivalenten Proportionen“ bekannt ist. Danach vereinigen sich Elemente stets im Verhältnis bestimmter Äquivalentgewichte oder ganzzahliger Vielfacher davon zu chemischen Verbindungen (Über d. neueren Gegenstände d. Chemie, 1. Stück [von 11], 1791). Dieses Gesetz geht über die 1797 bzw. 1803 von Louis Joseph Proust (1754–1826) und John Dalton (1766–1844) formulierten Gesetze der einfachen und multiplen Proportionen hinaus und schließt diese ein. Von der Überzeugung getragen, daß „Gott alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet“ habe, versuchte R. die Neutralitätsreihen der Basen als arithmetische, die der Säuren als geometrische Progression darzustellen, was sich später als unzutreffend erwies. R.s Arbeiten wurden von seinen Zeitgenossen wenig beachtet und waren weder Proust noch Dalton bekannt. Jöns Jakob Berzelius sprach die Entdeckung des Neutralitätssatzes fälschlich Karl Friedrich Wenzel (1740–93) zu; erst Germain Henri Hess (1802–50) machte auf die Arbeiten und die Priorität R.s aufmerksam (Über J. B. R.s Arbeiten, in: Journal f. prakt. Chemie 24, 1841, S. 420-38).

    In der Auseinandersetzung um Sauerstofflehre Antoine Laurent Lavoisiers (1743–94) nahm R. eine vermittelnde Position zwischen dieser und der Phlogistontheorie Georg Ernst Stahls (1660–1734), indem er die Bedeutung des Sauerstoffs für Verbrennungsprozesse anerkannte und zugleich dem „Phlogiston“ eine neue Rolle als „Lichtstoff“ bzw. „Brennstoff“ zuschrieb. Seine eigentümliche und schwerverständliche Terminologie, seine berufliche Außenseiterposition sowie seine kritische Haltung gegenüber der antiphlogistischen Chemie Lavoisiers waren für die Nichtbeachtung von R.s Arbeiten mitverantwortlich; dazu kam noch die Theorie chemischer Verbindungen von Claude Berthollet (1748–1822), die derjenigen R.s entgegengesetzt war und zunächst viel Anerkennung fand, bis sie sich als unzutreffend herausstellte und durch Daltons Lehre abgelöst wurde.

  • Werke

    u. a. Anfangsgründe d. Stöchyometrie oder Moßkunst chymischer Elemente, 3 T. 1792–94, Neudr. 1968.

  • Literatur

    ADB 28;
    J. R. Partington, J. B. R. and the law of reciprocal proportions, in: Ann. of science 7, 1951, S. 173-98, 9, 1953, S. 289-314;
    C. Priesner, J. B. R. u. d. Entdeckung d. Stöchiometrie, in: Paxis d. Naturwiss., Chemie 35, 1986, H. 5, S. 7-17 (P);
    M. Durner, Theorien d. Chemie, in: Wiss.hist. Ber. zu Schellings naturphil. Schrr. 1797-1800, 1994, S. 31-33 u. 81-83;
    Ch. Poggemann, J. B. R.s „Anfangsgründe d. Stöchiometrie“, Ableitung d. R.schen Stöchiometriebegriffs aus christl.-platon. Physikotheol., in: Physics and Geophysics with historical case studies, Mitt. d. Arbeitskreises Gesch. d. Geophysik, 16, 1997, H. 2-5;
    Pogg. II;
    W. Herz, in: Schles. Lb. IV, 1931, S. 235-40;
    DSB XI: Kosch. Lit.-Lex.³, Erg.bd.;
    Killy;
    Lex. Naturwiss.

  • Autor/in

    Stefan Büttner
  • Zitierweise

    Büttner, Stefan, "Richter, Jeremias Benjamin" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 532-533 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11651230X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Richter: Jeremias Benjamin R., Chemiker, geboren am 10. März 1762 zu Hirschberg in Schlesien, am 4. April 1807 zu Berlin. Er Promovirte 1789 als Doctor der Philosophie in Königsberg mit der Dissertation: „De usu matheseos in chymia“, lebte zuerst als Bergsecretär und Bergprobirer zu Breslau, dann als Assessor der Bergwerksadministration und Arcanist an der Porcellanfabrik zu Berlin.

    R. darf als einer der Begründer der heutigen Chemie betrachtet werden und zwar durch die Entdeckung des Neutralitätsgesetzes, wonach bei der gegenseitigen Zersetzung zweier Neutralsalze die Neutralität erhalten bleibt. Er hat dadurch die Erkenntniß des Begriffs Aequivalenz angebahnt und hat durch seine Arbeiten über die Zusammensetzung der Neutralsalze die Aequivalente von Säuren und Basen, durch seine Untersuchungen über Metallfällungen die Aequivalente von einigen Metallen festgestellt. Durch diese Arbeiten kann er als ein Vorläufer Dalton's angesehen werden und er hat schon vor Proust das Gesetz der konstanten Proportionen erkannt. Von ihm rührt auch die Einführung des Begriffs Stöchiometrie her (von στοιχεῖον und μετρεῖν), der die Bestimmung der Größenverhältnisse, in denen sich die Körper verbinden, bedeutet. Uebrigens haben Richter's Schriften auf seine Zeitgenossen sehr geringen Einfluß ausgeübt, es hat sehr lange gedauert, bis man ihn gewürdigt hat. Es rührt dies offenbar aus verschiedenen Gründen her. Zunächst hat sich R. einer sehr unklaren und unschönen Sprache bedient, dann blieb er noch Anhänger der Phlogistontheorie zu einer Zeit, als sich Lavoisier's Ansichten bereits Bahn gebrochen hatten, endlich verquickte er seine wichtigen Lehrsätze und Resultate mit einer Reihe von durchaus unrichtigen Hypothesen, die er in sehr weitläufiger Art zu erweisen suchte. Er hatte nämlich die Ansicht, daß die Aquivalente oder wie er sie nannte. Massen- oder Neutralitätsreihen der Vasen eine arithmetische, die der Säuren eine geometrische Progression bilden. Für die Anerkennung Richter's war es auch von großem Nachtheil, daß Berzelius einem Vorgänger Richter's, Wenzel, mit Unrecht das Verdienst dessen zuschrieb, was R. geleistet hatte. Die wichtigsten Schriften Richter's sind: „Ueber die neueren Gegenstände der Chemie“ in 11 Stücken, Breslau 1791—1802 und „Anfangsgründe der Stöchiometrie“. Breslau 1792—1794.

    • Literatur

      Kopp, Geschichte der Chemie. — Ladenburg, Entwicklungsgeschichte der Chemie.

  • Autor/in

    Ladenburg.
  • Zitierweise

    Ladenburg, Albert, "Richter, Jeremias Benjamin" in: Allgemeine Deutsche Biographie 28 (1889), S. 466-467 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11651230X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA