Lebensdaten
1872 – 1946
Geburtsort
Eppingen bei Heilbronn
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Jurist ; Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 106535018X | OGND | VIAF
Namensvarianten
  • Kuenzer, Hermann Otto Emil
  • Kuenzer, Hermann
  • Kuenzer, Hermann Otto Emil
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Quellen(nachweise)

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Zitierweise

Kuenzer, Hermann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd106535018X.html [28.04.2024].

CC0

  • Hermann Emil Kuenzer war von 1920 bis 1929 Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung, einer Behörde, in der alle Informationen über Umsturzbewegungen und Aktivitäten links- und rechtsextremistischer Parteien und Organisationen gegen die Weimarer Republik gesammelt und ausgewertet wurden. Kuenzer gehörte damit zu den intimsten Kennern der Inneren Sicherheit des Deutschen Reichs in den 1920er Jahren.

    Lebensdaten

    Geboren am 18. April 1872 in Eppingen bei Heilbronn
    Gestorben am 25. Juni 1946 in Berlin
    Konfession evangelisch
  • Lebenslauf

    18. April 1872 - Eppingen bei Heilbronn

    ca. 1882 - 1891 - Karlsruhe

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Humanistisches Gymnasium

    1891 - 1892 - Tübingen

    Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger

    7. Württembergisches Infanterieregiment

    1891 - 1895 - Tübingen; Berlin; Heidelberg

    Studium der Rechtswissenschaften (Abschluss: Erste Juristische Staatsprüfung)

    Universität

    1895 - 1898

    Rechtsreferendar (Abschluss: Zweite Juristische Staatsprüfung)

    1898 - 1900 - Karlsruhe

    Amtsanwalt

    Staatsanwaltschaft

    1900 - 1903 - Pforzheim; seit 1903 Mannheim

    Amtsrichter

    1903 - 1906 - Waldshut (Baden)

    Staatsanwalt

    1906 - 1908

    Landgerichtsrat

    1908 - 1914 - Mannheim; seit 1909 Karlsruhe

    Staatsanwalt

    1908 - 1914 - Karlsruhe

    Lehrer für Kriminalistik

    Gendamerieschule

    vor 1914

    Mitglied

    Nationalliberale Partei

    1914 - 1918

    Kriegsdienst (Kompanieführer, seit 1915 Kommandeur)

    1. Badisches Leib-Grenadier-Regiment Nr. 109

    1918

    Mitglied

    Deutsche Demokratische Partei

    1919 - Karlsruhe

    Kommandeur

    Badische Landespolizeitruppe

    April 1920 - Juli 1929 - Berlin

    Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung

    Reichsministerium des Innern

    1920 - 1929 - Berlin

    Leiter der Polizeiabteilung und der politischen Abteilung

    Reichsministerium des Innern

    1923 - 1929 - Wien

    deutscher Vertreter

    Internationale kriminalpolizeiliche Kommission

    1933 - 1940 - Berlin

    Versetzung in den endgültigen Ruhestand; Rückzug aus der Öffentlichkeit

    1940 - 1945 - Berlin

    Major d. R.

    Gericht der Kommandantur Berlin; Zentralgericht des Heeres

    1945 - Berlin-Ost

    Mitglied

    Liberal-Demokratische Partei Deutschlands

    1946 - 1946 - Berlin-Ost

    Abteilungsleiter

    Deutsche Zentralverwaltung der Justiz

    25. Juni 1946 - Berlin
  • Genealogie

    Vater Emil Kuenzer 1837–1883 Oberförster
    Großvater väterlicherseits Philipp Kuenzer 1802–1857 Amtmann
    Großmutter väterlicherseits Franziska Kuenzer, geb. Lechleitner 1813–1869
    Mutter Emma Katharina Kuenzer, geb. Wittmer 1851–1917
    Großvater mütterlicherseits Jakob Wittmer 1817–1891 Politiker; 1879–1882 Mitglieder der Badischen Ständeversammlung
    Großmutter mütterlicherseits Katharina Wittmer, geb. Gebhard 1826–1905
    Bruder Philipp Jakob Heinrich Kuenzer 1871–1871
    Bruder Otto Heinrich Karl Kuenzer 1873–1913
    Bruder Emil Philipp Jakob Kuenzer 1875–1875
    Schwester Mathilde Anna Elisa Kuenzer 1878–1878
    Heirat 24.6.1901 in Waldshut (Baden)
    Ehefrau Alexandrine Dolores Mathilde Clara Kuenzer, geb. Sprenger geb. 1882
    Schwiegervater Georg Friedrich Maximilian Albert Heinrich Sprenger 1852–1911
    Schwiegermutter Maria Paula Sprenger, geb. Frank geb. 1848
    Tochter N. N. geb. 1903
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Kuenzer, Hermann (1872 – 1946)

    • Vater

      Emil Kuenzer

      1837–1883

      Oberförster

      • Großvater väterlicherseits

        Philipp Kuenzer

        1802–1857

        Amtmann

      • Großmutter väterlicherseits

        Franziska Kuenzer

        1813–1869

    • Mutter

      Emma Katharina Kuenzer

      1851–1917

      • Großvater mütterlicherseits

        Jakob Wittmer

        1817–1891

        Politiker; 1879–1882 Mitglieder der Badischen Ständeversammlung

      • Großmutter mütterlicherseits

        Katharina Wittmer

        1826–1905

    • Bruder

      Philipp Jakob Heinrich Kuenzer

      1871–1871

    • Bruder

      Otto Heinrich Karl Kuenzer

      1873–1913

    • Bruder

      Emil Philipp Jakob Kuenzer

      1875–1875

    • Schwester

      Mathilde Anna Elisa Kuenzer

      1878–1878

    • Heirat

      in

      Waldshut (Baden)

      • Ehefrau

        Alexandrine Dolores Mathilde Clara Kuenzer

        geb. 1882

  • Biografie

    Nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule in Eppingen bei Heilbronn erhielt Kuenzer 1891 das Abitur auf dem Humanistischen Gymnasium in Karlsruhe und studierte danach bis 1895 Rechtswissenschaften an den Universitäten Tübingen, Berlin und Heidelberg. In Tübingen trat er der schlagenden Studentenverbindung Corps Franconia bei. Nach dem Referendariat und der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 1898 war Kuenzer von 1900 bis 1903 Amtsrichter in Pforzheim und Mannheim, anschließend bis 1914 Staatsanwalt in Waldshut (Baden), Mannheim und Karlsruhe, wo er zugleich seit 1908 an der Gendarmerieschule Kriminalistik lehrte. Von 1914 bis 1918 leistete Kuenzer als Kompanieführer, dann als Kommandeur eines badischen Grenadier-Regiments Kriegsdienst. Direkt nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde er Mitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei und diente 1919 als Kommandeur eines badischen Gendarmeriekorps in Karlsruhe.

    Im April 1920 wurde Kuenzer auf Empfehlung des badischen Innenministers Adam Remmele (1877–1951) und auf Weisung des Reichsinnenministers Erich Koch-Weser (1875–1944) zum Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung (RKO) mit Sitz in Berlin berufen. Zuvor hatten sich die Pläne der Reichsregierung zerschlagen, ein Reichskriminalpolizeiamt einzurichten, als dessen Leiter Kuenzer vorgesehen war.

    Vor dem Hintergrund des gescheiterten Kapp-Putsches neu geschaffen, hatte der dem Reichsministerium des Innern (RMI) unterstellte RKO die Aufgabe, rechts- und linksradikale Aktivitäten, u. a. jene der NSDAP und KPD, zu beobachten und mögliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit frühzeitig aufzudecken. Die gesammelten Informationen wurden in sog. Lageberichten für die Reichsregierung, verschiedene Reichsbehörden und die Länderregierungen aufbereitet. Darüber hinaus gehörte die Erfassung von Spionageaktivitäten, Separationsbestrebungen und Bewegungen, die den Umsturz der Republik zum Ziel hatten, zu Kuenzers Aufgaben.

    Unterstützt von rund 40 Mitarbeitern, formierte Kuenzer seine Behörde zu einer professionellen und effektiven Dienststelle, welche die Entscheidungsträger auf Reichs- und Landesebene über die Gefahren republik- und verfassungsfeindlicher politischer Strömungen informierte. Kuenzer verstand es, seine Dienststelle gegen den preußischen Staatskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung, Robert Weismann (1869–1942), zu behaupten und seine Kompetenzen gegenüber den Landesbehörden auszubauen. Mit der Einrichtung von Nachrichtenkonferenzen und v. a. der Erstellung von Lageberichten verbesserte er die Kommunikation zwischen den verschiedenen Landesbehörden, die zuvor nur wenig von ihren jeweiligen Tätigkeiten wussten.

    Noch 1920 wurde Kuenzer zusätzlich Leiter der Abteilung VI (Polizeiabteilung) im RMI. Im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen die französisch-belgische Ruhrbesetzung wurde er 1923 vom Reichsminister des Innern, Rudolf Oeser (1858–1926), zum „Regierungskommissar zur Durchführung der Verordnung zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 17. April 1923“ ernannt. Ziel dieser Verordnung war es, den Zuzug von Personen in das besetzte Gebiet zu verhindern, von denen eine Unterstützung der Besatzungsmacht zu erwarten war.

    Seit 1923 war Kuenzer einer der Vertreter Deutschlands in der Internationalen kriminalpolizeilichen Kommission, später als Interpol bekannt. 1929 wurde das RKO durch den Reichsminister des Innern, Carl Severing (1875–1952), aufgelöst und Kuenzer in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme bekleidete er bis 1939 keine öffentlichen Ämter und wurde nicht Mitglied der NSDAP. Seit 1940 diente Kuenzer beim Gericht der Kommandantur Berlin, später beim Zentralgericht des Heeres. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs trat er der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands bei und war von 1946 bis zu seinem Tod kurzzeitig „Dirigent in der Deutschen Zentralen Justizverwaltung für das Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone“, was einem Abteilungsleiter entsprach. Diese Berufung ging auf die Bekanntschaft Kuenzers mit dem ehemaligen Reichsjustizminister Eugen Schiffer (1860–1954) zurück, der von 1945 bis 1948 im Auftrag der sowjetischen Militäradministration die Zentralverwaltung der Justiz in der Sowjetischen Besatzungszone leitete.

  • Auszeichnungen

    1923 Mitglied der Internationalen kriminalpolizeilichen Kommission
    1935 Ehrenmitglied des Corps Franconia Tübingen
  • Quellen

    Nachlass:

    nicht bekannt.

    Weitere Archivmaterialien:

    Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, DP/1 20 090 (Personalakte); R 43 I (Akten der Reichskanzlei); R 1507 (Akten des Reichskommissars für Überwachung der öffentlichen Ordnung).

    Quellenedition:

    Lageberichte (1920–1929) und Meldungen (1929–1933). Bestand R 134 des Bundesarchivs, Koblenz, Microfiche-Ausg., 2 Bde., hg v. Ernst Ritter, 1979.

  • Literatur

    Carl Severing, Mein Lebensweg, Bd. 2, 1950, S. 164.

    Corps Franconia Tübingen. Tübinger Frankenzeitung. Tübingen Nr. 27, 1927; Nr. 156, 1976; Nr. 157, 1976.

    Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 6, 1981, S. 649.

    Hermann Wentker, Justiz in der SBZ/DDR 1945–1953. Transformation und Rolle ihrer zentralen Institutionen, 2001, S. 65.

    Carsten Dams, Staatsschutz in der Weimarer Republik. Die Überwachung und Bekämpfung der NSDAP durch die preußische politische Polizei von 1928 bis 1932, 2002.

    Joachim Rott, „Ich gehe meinen Weg ungehindert geradeaus“. Dr. Bernhard Weiß (1880–1951). Polizeivizepräsident in Berlin. Leben und Wirken, 2010.

    Dirk Emunds, Vom Republikschutz zum Verfassungsschutz? Der Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung in der Weimarer Republik, 2017.

  • Onlineressourcen

  • Porträts

    Fotografie, undatiert, Verein für corpsstudentische Geschichtsforschung. (Onlineressource)

  • Autor/in

    Dirk Emunds (Jülich)

  • Zitierweise

    Emunds, Dirk, „Kuenzer, Hermann“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/106535018X.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA