Lebensdaten
1832 – 1895
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Schauspielerin ; Hochstaplerin
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 119388987 | OGND | VIAF: 22950258
Namensvarianten
  • Spitzeder, Adelheid Luise
  • Vio, Luise (seit etwa 1876)
  • Spitzeder, Adele
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Zitierweise

Spitzeder, Adele, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119388987.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joseph (1794/96–1832, 1816 Henriette Schüler geb. Schütz, 1800–28, aus Dessau, Opernsängerin, Sopran, s. Kutsch-Riemens), aus Kassel oder Bonn, Schausp., Opernsänger (Bassbuffo) in Wien, B. u. M. (s. ADB 35; ÖBL; Kutsch-Riemens), S d. Johann Baptist (* um 1769), aus Wien, 1789 Mitgl. d. kfl. Nat.theaters in Bonn, später u. a. auch in Kassel, Weimar, Wien, Bamberg u. Nürnberg;
    M Elisabeth (Betty) (1808–72), aus Lübeck, Opernsängerin (s. Kosch, Theater-Lex.; Kutsch-Riemens), T d. Francesco Vio ( 1813), aus Mailand, Opernsänger, u. d. Elise Dupont ( n. 1813, 2] 1840–41? Franz Maurer, Fabr. in Wien); 6 Stief-Geschw; – ledig; Verwandte Christoph Fries (1787–1857), aus Nürnberg, Opernsänger, Baßbariton, Bassist, Schausp., Dekorations- u. Freskomaler, Vorstand d. Dekorationswesen d. Hoftheaters in M., Amalie Fries (1823–87), aus Bremen, Opern- u. Operettensängerin, Mezzosopran, am Dt. Theater in Prag engagiert (beide s. Kutsch-Riemens).

  • Biographie

    Nach dem frühen Tod des Vaters in München und dem Umzug mit der Mutter nach Wien besuchte S. dort seit 1840 eine Höhere Mädchenschule und wechselte im Jahr darauf in ein klösterliches Internat. 1844 übersiedelte sie erneut nach München und absolvierte|dort 1848–50 ein Institut für Höhere Töchter. Anschließend begann sie eine Gesangsausbildung, beschloß dann aber, Schauspielerin zu werden, und nahm Unterricht bei den Münchner Hofschauspielerinnen Constanze Dahn (1814–94) und Charlotte v. Hagn (1809–91). Nach einem Debüt am Coburger Hoftheater 1857 folgten Gastspielaufenthalte und kurze Engagements in Mannheim, München, Brünn, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt/M., Bern, Zürich, Mainz, Karlsruhe und Altona. Ein dauerhafter Bühnenerfolg blieb ihr jedoch verwehrt.

    Nach dem Scheitern der Theaterkarriere kehrte S. 1868 mittellos nach München zurück. Aufgrund ihrer chronischen Finanznot kam sie dort in Kontakt mit professionellen Geldverleihern und begann 1869 mit eigenen Finanzgeschäften. Gegen eine Verzinsung von 10 % (später 8 %) im Monat nahm sie Einlagen entgegen, vergütete den Zins für zwei Monate im voraus und stellte den Einlegern Wechsel mit dreimonatiger Laufzeit über die Einlagesumme sowie die dritte Monatsrate aus. Das Konzept dieses Geschäfts basierte auf einem ununterbrochenen Zustrom neuer Einlagen, um die fälligen Zinszahlungen der vorangehenden zu leisten und die abgelaufenen Wechsel zu bedienen. Durch ein Netz von provisionsbeteiligten Agenten und Vermittlern entfachte S. einen Massenzulauf von Anlegern (v. a. Dienstboten, Tagelöhner, Handwerker u. Bauern) aus München und ganz Altbayern. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung 1871 verbuchte das im Volksmund als „Dachauer Bank“ – die ersten Kunden stammten aus der Dachauer Gegend – bezeichnete S.’sche Institut tägliche Zuflüsse von über 60 000 Gulden. Einen Teil der Gelder investierte S. in Immobilien und einen luxuriösen Lebensstil. Allmählich aufkeimender öffentlicher Kritik von Presse und Behörden an ihren Geschäften begegnete sie mit ostentativer Volkstümlichkeit und Frömmigkeit, mit großzügigen Spenden und karitativen Einrichtungen für die ärmere Bevölkerung sowie einer gezielten Pressebeeinflussung.

    Im Nov. 1872 brach das System zusammen, als auf behördlichen Druck hin 40 Gläubiger gleichzeitig ihre Forderungen präsentierten. Das eingeleitete Konkursverfahren ergab eine Überschuldung von über 8 Mio. Gulden, mindestens 30 000 Anleger verloren ihre Einlagen. Wegen betrügerischen Bankrotts wurde S. 1873 zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt, die sie im Bezirksgefängnis München verbüßte. Nach der Haftentlassung 1876 veröffentlichte sie ihre Memoiren und fristete in der Folgezeit als Volkssängerin in München bis zu ihrem Tod ein von der Öffentlichkeit kaum mehr beachtetes, von Armut geprägtes Leben.

  • Werke

    Geschichte meines Lebens, ³1878, Neudr. 1996 (P).

  • Literatur

    L R. Vonkirch, Die große Räuberbank in München oder A. S. u. ihre schwarzen Cumpane, Ein Btr. z. Culturgesch. unserer Zeit, 1872;
    A. S., Erzschwindlerin mit ihrer Dachauerbank, Zum Fange habsüchtiger Gimpel, zuerst in Saus u. Braus, u. zuletzt in Criminalhaft, ca. 1872;
    A. S., in: Gartenlaube 20, 1872, Nr. 49, S. 804–08;
    K. Roehrer, Eine lesb. Schwindlerin (A. S. 1869–72), in: Mschr. f. Kriminalpsychol. u. Strafrechtsref. 20, 1929, S. 101–13;
    D. Schumann, Der Fall A. S. 1872, in: ZBLG 58, 1995, S. 991–1025;
    C. Baumann-Oelwein, A. S., Die größte Schwindlerin ihres Jh., in: Charivari 21, 1995, Nr. 10, S. 35–38 (P);
    F. Jungmann-Stadler, Die Hypo-Bank u. d. Abschluß d. S.schen Gant, in: ZBLG 59, 1996, S. 961–64;
    C. Bachmann, Die „Dachauer Bank“ d. A. S., in: M. Farin (Hg.), Polizeireport München 1799–1999, Ausst.kat. Münchner Stadtmus. 23. April -22. Aug. 1999, 1999, S. 64–77 (P);
    M. Valmy, Münchner Köpfe, 2000, S. 69–71 (P);
    M. Geier-Boruvka, A. S., Gutgläubige Anleger drängten ihr Millionen auf u. hatten d. Nachsehen, in: D.-R. Moser u. C. Raffelsbauer (Hg.), Geachtet & geächtet, Bayer. Volkshelden in kulturhist. Skizzen, 2007, S. 55–63;
    M. A. Panzer u. E. Plößl, Bavarias Töchter, 1997, S. 226–32 (P);
    Eisenberg;
    Kosch, Theater-Lex.;
    Kutsch-Riemens;
    Qu:
    Ein Convolut v. Schrr., welche die v. A. S. gegründete Bank betreffen, München 1872;
    Film:
    P. Raben, A. S., 1972.

  • Porträts

    Photogr., 1872/73 (StadtA München).

  • Autor/in

    Richard Winkler
  • Zitierweise

    Winkler, Richard, "Spitzeder, Adele" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 717-718 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119388987.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA