Lebensdaten
1919 – 2016
Geburtsort
Wien
Sterbeort
London
Beruf/Funktion
Diplomat ; Journalist ; Verleger ; Philanthrop
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 11927776X | OGND | VIAF: 161217173
Namensvarianten
  • Weidenfeld, George
  • Weidenfeld, Arthur Georg (eigentlich)
  • Weiden, George (Pseudonym)
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Biografische Lexika/Biogramme

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Weidenfeld of Chelsea, Lord George (seit 1976), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11927776X.html [26.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Max (Mordche) W. (1889–1967), aus Wiesnitz b. Cernowitz (Vyzhnytsya, Chernivets’ka oblast, Ukraine), Klass. Philol., Mitgl. im Aufsichtsrat e. Vers. ges. in W., 1938 inhaftiert, emigrierte 1939 mit seiner Frau n. England, S d. Jakob (um 1868-um 1926) u. d. Jetty Adele Hauptmann (1868–1942), aus Wiesnitz, zunächst n. Theresienstadt, dann in e. Vernichtungslager deportiert;
    M Rosa Eisenstein-Horowitz ( 1983), T d. N. N. u. d. Laura N. N. ( 1942 KZ in Riga);
    Ov Josef (1893–1941), Dr. med., Augenarzt, Dionys (Duny) (1892 / 97–1976), emigrierte n. Großbritannien;
    1) 1952 o/ o 1955 Jane, T d. Joseph Edward (Teddy) Sieff (1905–82), aus Salford (Lancashire), Untern., Leiter v. Marks & Spencer, Zionist, Ehrenvizepräs. d. British Zionist Foundation, u. d. Maisie Marsh (1905–53), 2) 1956 1961 Barbara (1916–96, 1] 1950–56, Cyril Connolly, 1903–74, Lit.kritiker d. „The Sunday Times“, 1939 Gründer d. Lit.mag. „Horizon“, s. Oxford DNB, 3] Derek Jackson, Ztg.erbe), Schriftst. (s. Oxford DNB), T d. Eric George Skelton, Major im westind. Rgt., u. d. Eveline Ada Williams, 3) 1966 1976 Sandra Helen (1926–2004, 1] William Blair Meyer, 1925–86), T d. Charles Shipman Payson (1898–1985), RA, Untern. in Lexington (Kentucky, USA), u. d. Joan Whitney (1903–75), Untern., Kunstsammlerin, Mäzenin, 4) Jerusalem 1992 Annabelle Whitestone (* 1946, Arthur Rubinstein, 1887–1982, Pianist), Konzertmanagerin, unterstützte A. Rubinstein b. Schreiben d. 2. Bd.s seiner Autobiogr. „My Many Years“ (1980);
    1 T aus 1) Laura (* 1953, Christopher Barnett, Dir. e. Privatschule), Klass. Philol.;
    Cousine Margaret (Gretel) (1921–2010, 1] Johann Ferdinand [Hans] Beer, 1916–82, RA in L., S d. Oskar Beer, 1883–1968, Dr. iur., RA in W.), aus W., seit 1939 in England, Autorin v. Koch- u. Reisebüchern, Ed. d. „Women’s Page“ d. „The Daily Telegraph“, in d. Werbe- u. Medienbranche tätig, T d. Dionys (Duny) Weidenfeld (Ov, s. o.), u. d. Regina (Gina) Pisk (1891–1927);
    Om d. 3. Ehefrau John Hay Whitney (1904–82), Untern., Verl., Dipl., Mäzen, Botschafter d. USA in Großbritannien.

  • Biographie

    W., einziges Kind jüd. Wiener Großbürger, besuchte 1929–37 das Piaristengymnasium seiner Heimatstadt. 1937 begann er ein Jurastudium an der Univ. Wien und gleichzeitig eine Ausbildung an der Konsularakademie zur Vorbereitung auf den österr. diplomatischen Dienst. Mit Hilfe seines Kommilitonen Kurt Waldheim (1918–2007), der ihm Mitschriften der Vorlesungen überließ, die er als jüd. Student nicht mehr besuchen durfte, konnte er hier noch 1938 das Examen ablegen. Die später erinnerte „sonnige Jugend“ fand mit dem „Anschluss“ Österreichs ein abruptes Ende; nach der Festnahme seines Vaters floh W. Ende Juli mit einem – auf drei Monate begrenzten – Transitvisum nach England. In London wurde von der christl. Familie Smythe aufgenommen und erhielt ein Studienstipendium für Jura. Im Sommer 1939 erreichte er mit knapper Not die Einreise auch für seine Eltern.

    1939–42 arbeitete W. zunächst im Abhördienst der BBC, später als Leiter einer speziellen Abteilung, die einen Überblick über dt. Nachrichten unter dem Titel „Germany Day by Day“ sendete, teils authentisch, teils fiktiv. Ab 1942 war er Kommentator der BBC von Nachrichten aus Europa in Richtung brit. Empire und USA. Diese Tätigkeit brachte W. Erfahrung und Verbindungen; er kam in Kontakt mit verschiedenen europ. Exilregierungen in London, u. a. mit Charles de Gaulle, Edvard Bene š und später auch Josip Broz Tito. 1946 gründete W. das „Contact Magazine and Books“, das die Völkerverständigung nach dem 2. Weltkrieg fördern sollte.

    Seit 1947 brit. Staatsbürger, gründete W. 1948 mit Nigel Nicolson (1917–2004) den Verlag „Weidenfeld & Nicolson“. Es folgte 1949 ein Jahr diplomatische „Entwicklungshilfe“ für den kurz zuvor ins Leben gerufenen Staat Israel im Beraterstab des ersten Staatspräsidenten Chaim Weizman – Ausgangspunkt eines lebenslangen Engagements für die Sache des Zionismus in Europa und den USA.

    1950 kehrte W. nach England zurück, wo er sich, auch mit finanzieller Hilfe von Nigels Vater Harold Nicolson (1886–1968) und dessen familiären Verbindungen, als Verleger zu etablieren begann, zunächst v. a. mit Quellenmaterialien über das „Dritte Reich“ (z. B. Hitlers Table Talk 1941–1944, hg. v. H. R. Trevor-Roper, 1953). Er erwarb die Rechte u. a. an den Memoiren von Joachim v. Ribbentrop (ersch. 1954) und Albert Speer (ersch. 1970) und brachte zahlreiche Übersetzungen heraus, so von Joachim Fest (Das Gesicht des Dritten Reiches, 1970; Hitler, 1974), Karl-Dietrich Bracher (Die deutsche Diktatur, 1971) und Sebastian Haffner (Anmerkungen zu Hitler, 1979). Von Anfang an bildeten Memoiren einen Schwerpunkt des Verlags, u. a. von Charles de Gaulle, Konrad Adenauer, Harold Wilson, Golda Meir, Lyndon B. Johnson, Mosche Dajan, Henry Kissinger und Schimon Peres. Geschichtswissenschaft, wie W. sie verstand, war v. a. Erzählung – nicht ohne subtile politische Agenda. Diese umfaßte die Annäherung von Christen und Juden, die unbedingte Unterstützung des Staates Israel in seinen von Europa geprägten Ausdrucksformen, die atlantische Allianz und die europ. Einigung.

    Nach Isaiah Berlins Tolstoi-Essay „Der Fuchs und der Igel“ (1954) gelang W. 1959 mit „Lolita“ von Vladimir Nabokov ein Welterfolg (der Skandal allerdings kostete Nigel Nicolson seinen Sitz im Unterhaus); weitere Autoren von Rang waren Mary McCarthy, Saul Bellow, Norman Mailer; zudem verlegte W. auch Wolfgang Koeppen und Heinrich Böll.

    Ab 1974 spielte W. als Berater des brit. Premiers Harold Wilson in Europa- und Nahost-Fragen eine diskrete Außenseiterrolle, die durch die Erhebung zum Mitglied des House of Lords als „Life Peer“ sichtbar gewürdigt wurde.

    1985 gelang es W., zusammen mit Ann und Gordon Getty, auf dem amerik. Markt zu reussieren. Schon zuvor oftmals im Verbund mit dt., franz. und ital. Verlagen, entwickelte sich der Verlag nun zum globalen Akteur. 1991 wurde „Weidenfeld & Nicolson“ an die Orion-Gruppe verkauft (1998 an die franz. Gruppe Hachette) – während W. sich erneut einer Vielzahl von diplomatischen Initiativen zuwandte.

    Seit langem bemüht um die Rehabilitation Deutschlands – das ihm mehr Heimat war als Österreich – , trat W. zu Zeiten der Wende 1989 / 90 öffentlich für die dt. Einheit ein. Auf Einladung von Bundeskanzler Helmut Kohl (1930–2017) intensivierte er mit diesem den dt.-jüd. Austausch („Dt.-Jüd. Dialog“ d. Bertelsmann-Stiftung, 1992 ff.). Die freundschaftlichen Beziehungen zuerst zu Kohl, später auch zu Angela Merkel (* 1954) waren mehr politisch als persönlichen Ursprungs. Mitte der 1990er Jahre gründete W. den „Club of Three“ mit führenden Vertretern des politischen, kulturellen und öffentlichen Lebens aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland; daraus ging 2006 das „Institute for Strategic Dialogue“ hervor, als dessen Präsident W. bis zu seinem Tod amtierte.

    In Großbritannien zu leben, ohne geborener Brite zu sein, sah W., immer Insider und Outsider zugleich, als Vorteil. Legendär waren seine Dinner, die hochrangige Gäste aus Politik und Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zusammenführten. Seine Memoiren „Remembering my Good Friends“ (dt. u. d. T.: Von Menschen u. Zeiten, 1995) wurden als autobiographisches Meisterwerk gefeiert. Aus der Fülle der von W. angeregten bzw. ins Leben gerufenen Gesprächskreise, Foren und Stiftungen ragt das Europaeum hervor, eine Organisation von zwölf führenden Universitäten Europas (gegr. 1992; Inst. f. Europ. Studien der Univ. Oxford „European Studies at Oxford“). Ihm zu Ehren wurden 2015 die Oxford-Weidenfeld and Hoffmann Scholarships and Leadership Programme der Univ. Oxford gestiftet.

    Bis zuletzt rastlos tätig in Fragen der Völkerverständigung, organisierte W. noch 2014 / 15 umfangreiche finanzielle Hilfen für in Syrien und im Irak verfolgte christl. Familien („Weidenfeld-Fund“). Als er hochbetagt starb, wurde er gerühmt als „Verlegerlegende“ (FAZ) und „Brückenbauer“ (Welt), als ein „Großer des 20. Jahrhunderts” (Jüd. Allg.) und „Weltbürger“ (SZ).

  • Auszeichnungen

    |Knight Bachelor (1969);
    Honorary Fellow d. St Peter’s College, Oxford, d. St Anne’s College, Oxford u. d. King’s College London;
    Honorary D. Litt. (Exeter;
    Oxford 2010);
    Ehrensenator d. Univ. Bonn (1996);
    Gr. BVK mit Stern u. Schulterbd. (1991);
    Österr. Ehrenkreuz f. Wiss. u. Kunst (2002);
    Goldenes Ehrenzeichen f. Verdienste um d. Land Wien (2003);
    Großoffz. d. ital. Verdienstordens (2005);
    Lifetime Achievement Award for Internat. Publishing d. London Book Fair (2007);
    Verdienstorden d. Landes Baden-Württ. (2008);
    poln. Bene Merito (2011);
    Teddy Kollek Life Achievement Award (2009);
    Knight Grand Cross d. Order of the British Empire (GBE) (2011).

  • Werke

  • Literatur

    |M. A. Hamilton, Remembering my good friends, 1944;
    W. J. Siedler, Die Schönen, Reichen u. Wichtigen, G. W. erinnert sich an seine u. uns an e. versunkene Welt, in: FAZ v. 9. 11. 1995 (P);
    G. Thomas, Der Querbänker, ebd. v. 13. 9. 1999 (P);
    dies., Brit. Verleger mit Weitblick, ebd. v. 25. 4. 2007 (P);
    Jüd. Portraits, Photogrr. u. Interviews v. H. Koelbl, 1998, S. 355–59 (P);
    N. Nicolson, A Long Life, Memoirs, 1998 (P);
    O. Marre, A man whose life has been an open book, in: The Observer v. 28. 6. 2009;
    A. Seibel, Lord W. u. d. Who’s Who d. Lit., in: Die Welt v. 13. 9. 2014;
    Lord W., It’s far easier being 95, in: The Jewish Chronicle v. 23. 7. 2015;
    Nachrufe: Th. Kielinger, Der gr. Brückenbauer, Lord W. ist tot, in: Die Welt v. 20. 1. 2016 (P);
    A. Menden, Ein Weltbürger, in: SZ v. 20. 1. 2016;
    T. Gross, A marvellous conversationalist who befriended them all, in: The Jewish Chronicle v. 20. 1. 2016 (P);
    M. Schudel, G. W., British publisher of ‚Lolita‘, politicos & a pope, dies at 96, in: The Washington Post v. 20. 1. 2016;
    A. Cowell, G. W., British Publisher of ‚Lolita‘ and London Fixture, Dies at 96, in: The New York Times v. 21. 1. 2016;
    George, Baron W., publisher and philanthropist, in: The Economist v. 27. 1. 2016;
    R. S. Lauder, „Ein Großer des 20. Jahrhunderts“, in: Jüd. Allgemeine v. 28. 1. 2016 (P);
    – G. Henkel, Die Zeit ist e. Augenblick, Erinnerungen, 2017;
    BHdE I;
    Munzinger.

  • Porträts

    |zahlr. Abb. in: Von Menschen u. Zeiten, 1995;
    Photogr. v. H. Koelbl, Abb. in: Jüd. Portraits (s. L), S. 357;
    – G. W. im Gespräch mit Georg Stefan Troller, ZDF, 1997;
    M. Döpfner, Mein Freund G. W., Fernsehdok., ARD, 2009.

  • Autor/in

    Michael Stürmer
  • Zitierweise

    Stürmer, Michael, "Weidenfeld of Chelsea, Lord George" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 573-575 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11927776X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA