Lebensdaten
1838 – 1914
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Königsberg (Preußen)
Beruf/Funktion
Physiologe
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118896512 | OGND | VIAF: 27869919
Namensvarianten
  • Hermann, Ludimar
  • Hermann, L.
  • Hermann, Ludimarus
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Hermann, Ludimar, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118896512.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Samuel (1810–89), Druckereibes. in B., S d. Warenhändlers Samuel Abraham in Heinrichs b. Erfurt;
    M Jeanette Freund;
    ⚭ Fanny Cohn (1848–88);
    4 K.

  • Biographie

    Bereits während seines Studiums der Medizin und der Naturwissenschaften in Berlin wurde H. von E. Du Bois-Reymond angeregt, sich mit Problemen der Nerven- und Muskelphysiologie zu beschäftigen (Promotion 1859). An Du Bois' Theorie der bioelektrischen Phänomene weiterzuarbeiten befriedigte H. jedoch nicht, da er jede Hypothese ablehnte, die nicht durch exakte physikalischchemische Analyse experimentell beweisbar war. Bald nach seiner Habilitation (1865) sah sich H. daher genötigt, provisorisch in der Druckerei seines Vaters ein eigenes Laboratorium einzurichten. Allen äußeren Schwierigkeiten zum Trotz gelang ihm in dieser Zeit die Entdeckung der Nachpotentiale bei der Nervenerregung sowie die wichtige Feststellung, daß zwischen unerregten Punkten der unverletzten Membranoberfläche von Nerven- und Muskelfasern kein Strom fließt. Lebhafte Diskussion bewirkten seine Untersuchungen über den Muskelstoffwechsel, die zur Entdeckung der anaeroben Kontraktion führten. Schon seit 1863 war H. international bekannt durch die Gründung des „Zentralblattes für die medizinischen Wissenschaften“ und durch seinen „Grundriß der Physiologie des Menschen“ (1863, 141911, viele Übersetzungen). 1868 wurde er als Nachfolger von A. Fick nach Zürich berufen, wo er sich einem Kreis an Kunst, Wissenschaft und Politik Interessierter um Gottfried Keller anschloß. Von Zürich aus besuchte H. fast alle europäischen Länder; hier begann er die Herausgabe des berühmten „Handbuches der Physiologie“ (1879-83), das für den Fortschritt der Physiologie wie für alle biologisch-medizinischen Disziplinen außerordentlich anregend wirkte. H.s experimentelle Untersuchungen in Zürich galten vor allem der Elektrophysiologie („Kernleiterprinzip“), den Erregungsvorgängen an Nerven, Muskeln und Drüsen. Er stellte fest, daß die zentralen Synapsen nur in einer Richtung Erregungen zu übertragen vermögen. Aber auch Arbeiten zur Stoffwechselphysiologie fallen in diese Zeit; er erkannte, daß „die Verdauung durchweg aus hydrolytischen Spaltungen besteht, welche die Resorption ermöglichen“. Andere Untersuchungen betrafen die Physiologie des Blutes und der Atmung. Von 1873 ab hat H. 40 Jahre hindurch die „Jahresberichte der Physiologie“ herausgegeben. 1884 folgte er dem Ruf an die Universität Königsberg, wo ihm die Einrichtung eines für seine Zeit vorbildlichen, sehr großräumigen Instituts ermöglicht wurde. Die elektrophysiologischen Arbeiten wurden mit zahlreichen Mitarbeitern fortgeführt („Strömchentheorie“ der Erregungsleitung, Längs- und Querwiderstandsmessungen bei Nerven- und Muskelfasern, „unpolarisierbare Elektroden“). Physiologische Optik und Akustik traten nun hinzu (Augenlinse, schiefer Strahleneinfall; Schwingungsanalyse von Tönen). Später wurde die Physiologie der Stimme und Sprache H.s bevorzugtes Gebiet, auf dem er die wichtigsten Grundlagen für die weitere Forschung schuf („phono-photographische Registrierung“ der Sprachlaute, Darstellung der Formanten der Vokale, ihre Entstehungsmechanismen und ihre künstliche Synthese; Kurvenanalyse der Konsonanten). H. galt allgemein als einer der führenden Physiologen seiner Zeit; er wirkte weit über das deutsche Sprachgebiet hinaus bahnbrechend für eine moderne Gestaltung des akademischen Unterrichts (mehrmals Rektor und Dekan in Zürich und Königsberg).|

  • Auszeichnungen

    Dr. h. c. (Oxford 1894, Dublin 1896, Königsberg 1913);
    Ehrenmitgl. d. Naturforsch. Ges. Zürich (1896), Société de Biologie Paris (1911), Brit. Physiological Society London (1911), ausw. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1910), Royal Society London (1893), American Ac. of Arts und Science Boston (1893), Ac. dei Lincei, Rom (1900), Ac. Royale de Médicine, Brüssel (1912).

  • Werke

    Weitere W u. a. Unterss. z. Physiol. d. Muskeln u. Nerven, 1867 f.: Ein Beitr. z. Verständnis d. Ernährung u. Verdauung, 1868;
    Über d. Krämpfe bei Circulationsstörungen im Gehirn, in: Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. 3, 1870, S. 3 (mit Th. Escher);
    Weitere Unterss. üb. d. Ursache d. electromotor. Erscheinungen an Muskeln u. Nerven, ebd., S. 15, u. 4, 1871, S. 149;
    Über elektr. Reizversuche an d. Großhirnrinde, ebd. 10, 1875, S. 77 (mit v. Borosnyai, Luchsinger, Steger u. Pestalozzi);
    Ein Btr. z. Kenntnis d. Hämoglobins, ebd., S. 86 (mit Th. Steger);
    Unterss. üb. d. Actionsströme d. Muskels, ebd. 16, 1878, S. 191;
    Über d. Secretionsströme u. d. Secretreaction d. Haut bei Fröschen, ebd. 17, 1878, S. 291;
    Über Brechung b. schiefer Incidenz, mit bes. Berücksichtigung d. Auges, ebd. 18, 1878, S. 443, 20, 1879, S. 370, u. 27, 1882, S. 291;
    Unterss. üb. d. Actionsströme d. Nerven, ebd. 18, 1878, S. 574, u. 24, 1881, S. 246;
    Über sog. secundär-elektromotor. Erscheinungen an Muskeln u. Nerven, ebd. 33, 1884, S. 103;
    Zur Frage nach d. Betrage d. Residualluft, ebd. 43, 1888, S. 236 (mit B. Jacobson);
    Phonophotogr. Unterss., ebd. 45, 1889, S. 582, 47, 1890, S. 44 u. 347, u. 53, 1893, S. 1;
    Die Curven d. Consonanten, ebd. 58, 1894, S. 255 (mit F. Matthias);
    Über d. Entwicklung d. Elektrotonus, ebd. 71, 1898, S. 237 (mit O. Weiß);
    Die Irreziprozität d. Reflexübertragung, ebd. 80, 1900, S. 41;
    Über Nervenerregung durch Wechselströme u. d. Theorie d. Nervenerregung, ebd. 83, 1901, S. 353;
    Über Synthese v. Vokalen, ebd. 91, 1902, S. 135;
    Btrr. z. Physiol. u. Physik d. Nerven, ebd. 109, 1905, S. 95;
    Neue Unterss. üb. d. Natur d. Kombinationstöne, ebd. 122, 1908, S. 419;
    Neue Btrr. z. Lehre v. d. Vokalen u. ihrer Entstehung, ebd. 141, 1911, S. 1;
    Die theoret. Grundlagen f. d. Registrierung akust. Schwingungen, ebd. 150, 1913, S. 92;
    Allg. Muskelphysik, in: Hdb. d. Physiol, hrsg. v. L. Hermann, I, 1, 1879;
    Allg. Nervenphysiol., ebd. II, 1, 1879.

  • Literatur

    H. Boruttau, in: Dt. Med. Wschr., 1914, S. 1529;
    Erinnerungen v. L. H., hrsg. v. Hanna Hermann [T], 1915 (W, P);
    O. Frank, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss., 1915, S. 105-14;
    P. Jensen, in: Nachrr. v. d. Ges. d. Wiss. z. Göttingen, Geschäftl. Mitt., 1915;
    K. Rothschuh, Gesch. d. Physiol., 1953 (P);
    Pogg. III-VI;
    DBJ I (Tl. 1914, L);
    BLÄ.

  • Autor/in

    Dietrich Trincker
  • Zitierweise

    Trincker, Dietrich, "Hermann, Ludimar" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 662-664 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118896512.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA