Lebensdaten
1912 – 1939
Geburtsort
Charkow (Ukraine)
Sterbeort
Konzentrationslager Buchenwald
Beruf/Funktion
Schriftsteller
Konfession
-
Normdaten
GND: 118822896 | OGND | VIAF: 27227275
Namensvarianten
  • Soyfer, Jurij (eigentlich)
  • West, Walter (Pseudonym)
  • Noll, Norbert (Pseudonym)
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Zitierweise

Soyfer, Jura, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118822896.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wladimir (1876–1951), Industr. in Ch.;
    M Ljubov (1887-Anfang d. 1960er J.); ledig.

  • Biographie

    S. wuchs in Charkow in einer großbürgerlichen russ.-jüd. Familie auf, die 1920 vor der Revolution über Istanbul nach Wien floh. Während seiner Schulzeit am Realgymnasium Hagenmüllergasse in Erdberg (seit 1923) schloß er sich 1927/28 der „Vereinigung Sozialistischer Mittelschüler“ an und arbeitete seit 1929 am „Politischen Kabarett“ der Sozialdemokratischen Partei mit. Nach der Matura studierte er 1931–35 Germanistik und Geschichte an der Univ. Wien. Zeitgleich betätigte er sich als regelmäßiger Mitarbeiter der „Arbeiter-Zeitung“, in der er 1930 mit|dem Prosazyklus „Menschen der Landstraße“ sein literarisches Début gegeben hatte, und schrieb seit 1933 satirische Beiträge für die sozialdemokratische Illustrierte „Der Kuckuck“. Nach den Februarkämpfen 1934 arbeitete S., enttäuscht von der sozialdemokratischen Parteiführung, für die (illegale) Kommunistische Partei Österreichs. Im Nov. 1937 wurde er deswegen verhaftet, im Febr. 1938 aber aufgrund einer Generalamnestie wieder entlassen. Unmittelbar nach dem „Anschluß“ wurde S. bei dem Versuch, in die Schweiz zu gelangen, festgenommen, in das Polizeigefängnis Innsbruck überstellt, im Juni in das KZ Dachau eingeliefert und im Herbst in das KZ Buchenwald überführt. Zwar beschafften ihm seine Eltern ein Ausreisevisum in die USA, doch wurde S. kurz vor der vorgesehenen Freilassung Opfer einer Typhusepidemie.

    S.s umfangreiches Werk, von dem etliche Texte als verschollen gelten müssen, umfaßt journalistische Arbeiten – u. a. Reportagen aus Deutschland von 1932, die eindringlich vor der nationalsozialistischen Bedrohung warnen –, literatur- und theaterkritische Studien, die bezeugen, welche Traditionslinien S. fortsetzte (u. a. François Villon, Ludwig Börne und v. a. Johann Nepomuk Nestroy), Kurzgeschichten, Gedichte (Dachaulied, 1938) und Briefe. Zudem ist das heute als S.s Hauptwerk geltende Romanfragment „So starb eine Partei“ über die Vorgeschichte des Febr. 1934 erhalten. Es ist S.s Abgesang auf die österr. Sozialdemokratie und die Agonie der Ersten Republik.

    Große Beachtung finden seit den 1980er Jahren S.s pseudonym veröffentlichte Arbeiten für die legendären Wiener Kleinkunstbühnen der Zwischenkriegszeit (u. a.Lit. am Naschmarkt“, „ABC“). Mit z. T. im Dialekt verfaßten parodistischen Stücken wie „Der Weltuntergang“ (1936), „Der Lechner Edi schaut ins Paradies“ (1936), „Astoria“ (1938), „Vineta“ (1937) und „Broadway-Melodie 1492“ (1937) orientierte sich S. – ebenso wie Jimmy Berg, der seine Lieder vertonte – an der Programmatik der zeitgenössischen Tendenzliteratur, die sich entschieden vom bürgerlichen Theater- und Kulturbetrieb abwandte, um die Opposition gegen den Faschismus zu stärken. Zudem sind Einflüsse des Alt-Wiener Volkstheaters erkennbar, mit denen S. „das Fragmentarische und Beschränkte des Alltagsdenkens, die Restriktionen der Phantasie im Alltag“ aufdecken und überwinden, „zugleich aber den Alltag der Massen, seine Entfremdungsformen und den individuellen wie kollektiven Kampf gegen sie, als Gegenstand und eigentlichen Inhalt von Literatur und Theater zu behaupten“ wollte (G. Scheit).

    Nach 1945 traten Schauspieler wie Otto Tausig, Helmut Qualtinger, Leon Askin und Kollegen wie Hans Weigel, der S. in seinen Erinnerungen würdigte, zunächst vergeblich für die Wiederentdeckung dieser „Mittelstücke“ ein, die im Kabarett gewöhnlich von Einzelnummern, Chansons oder Sketches eingerahmt wurden. Erst seit der ersten „Gesamtausgabe“ seiner Werke (hg. v. H. Jarka, 1980) wird S. zu den bedeutenden österr. Dramatikern des 20. Jh. gezählt; seine Schriften sind inzwischen in zahlreiche Sprachen übersetzt.

  • Auszeichnungen

    J.-S.-Str. (Wien, seit 1981);
    J.-S.-Theater (Wien-Spittelberg, seit 1983);
    J.-S.-Ges. (seit 1988), seit 1989 mit d. Zs. „J. S.“ (seit 2008 ausschließl. im Internet).

  • Werke

    Weitere W Vom Paradies z. Weltuntergang, Dramen u. Kleinkunst, bearb. u. hg. v. O. Tausig, 1947;
    Die Ordnung schuf d. liebe Gott, Eine Auswahl, hg. v. W. Martin unter Mitarb. v. R. Links u. W. Kroupa, 1979;
    Das Gesamtwerk, 3 Bde., hg. v. H. Jarka, 1984;
    Sturmzeit, Briefe 1931–1939, hg. v. H. Jarka, 1991;
    Werkausg., 4 Bde., hg. v. H. Jarka, 2002;
    Nachlaß:
    J.-S.-Slg., Dok.archiv d. österr. Widerstandes Wien.

  • Literatur

    F. Herrmann, J. S., Die Anfänge e. volksverbundenen österr. Dichters, Diss. Wien 1949;
    P. Langmann, Sozialismus u. Lit., J. S., 1986;
    H. Jarka, J. S., Leben, Werk, Zeit, 1987;
    G. Scheit, Theater u. revolutionärer Humanismus, Eine Studie zu J. S., 1988;
    H. Arlt, J. S., Eine literarhist. Studie, Diss. Salzburg 1988;
    ders. u. a. (Hg.), Die Welt d. J. S., 1. Internat. S.-Symposion, 1991;
    ders. u. E. Deutsch-Schreiner (Hg.), J. S. u. Theater, 1992;
    ders. (Hg.), J. S., Europa, multikulturelle Existenz, 1993;
    ders. u. K. Manger (Hg.), J. S. (1912–1939) zum Gedenken, 1999;
    ders., (Hg.), Die Lebendigkeit J. S.s, 2008;
    J.-M. Winkler (Hg.), J. S., 1994;
    D. G. Daviau (Hg.), J. S. and his time, 1995;
    J. Doll, Theater im Roten Wien, Vom soz.demokrat. Agitprop z. dialekt. Theater J. S.s, 1997;
    H. Weigel, In d. weite Welt hinein, Erinnerungen e. krit. Patrioten, 2008;
    J. Riedl (Hg.), Wien, Stadt d. Juden, 2004 (P);
    Kosch, Theater-Lex.;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Metzler Lex. dt.-jüd. Lit. (P);
    Metzler Kabarett Lex. (P);
    Hdb. Exiltheater;
    Weniger, Bühne;
    Killy;
    ÖBL;
    Hist. Lex. Wien;
    Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft.

  • Autor/in

    Johann Holzner
  • Zitierweise

    Holzner, Johann, "Soyfer, Jura" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 607-608 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118822896.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA