Lebensdaten
1868 – 1935
Geburtsort
Kolberg (Pommern)
Sterbeort
Nizza (Frankreich)
Beruf/Funktion
Sexualwissenschaftler ; Sexualreformer
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118815237 | OGND | VIAF: 24616710
Namensvarianten
  • Ramien (Pseudonym)
  • Hirschfeld, Magnus
  • Ramien (Pseudonym)
  • mehr

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Zitierweise

Hirschfeld, Magnus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118815237.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Herrmann (1825–1885), aus armer jüd. Fam., Dr. med., Sanitätsrat, prakt. Arzt in K., wo er f. philantrop. Tätigkeit u. Verdienste um Stadt u. Bad Kolberg ein Denkmal erhielt;
    M Friederike Mann;
    Schw Franziska Mann (1859–1927) Schriftstellerin (s. Kosch, Lit.-Lex.).

  • Biographie

    H. nahm 1887 in Breslau das Studium der Philosophie und der neueren Sprachen auf. 1888 ging er in Straßburg zu medizinischen und naturwissenschaftlichen Studien über, die er in München, Heidelberg und Berlin fortsetzte. In Berlin wurde er 1892 auf Grund einer von Emanuel Mendel angeregten Arbeit „Über Erkrankungen des Nervensystems im Gefolge der Influenza“ promoviert; 1893 legte er in Würzburg das medizinische Staatsexamen ab. Auf ausgedehnte Reisen unter anderem nach Amerika und Nordafrika folgte 1894 zunächst der Eintritt in die Leitung eines Sanatoriums zu Magdeburg, 1896 die Aufnahme einer allgemeinen Praxis in Berlin-Charlottenburg. Nach längeren Aufenthalten in Paris und London ließ H. sich 1910 als Facharzt für nervöse und psychische Leiden in Berlin nieder.

    H.s wissenschaftliches Interesse war schon im Münchner Kolleg Karl von Kupffers auf das Phänomen der intersexuellen Varianten gelenkt worden. Dieses seiner Hinneigung zu den entwicklungsgeschichtlichen Theorien Ernst Haeckels wie einer selbst empfundenen Disposition entsprechende Thema rückte alsbald in den Mittelpunkt seiner Forschungen. In zahlreichen Abhandlungen hat H. die Kenntnis von Übergängen zwischen männlichem und weiblichem Geschlechtstypus bedeutend vermehrt; manche Phänomene – wie der Transvestitismus – sind von ihm erstmals eingehend untersucht worden. Die Erforschung von Anomalien des Geschlechtstriebs förderte H. als Herausgeber des „Jahrbuchs für sexuelle Zwischenstufen“ (1899-1925). 1908 gründete er mit Hermann Rohleder und Friedrich S. Krauß die erste „Zeitschrift für Sexualwissenschaft“; 1913 rief er in Verbindung mit Iwan Bloch, Albert Eulenburg und Heinrich Körber die „Ärztliche Gesellschaft für Sexualwissenschaft“ ins Leben. Seine auf Erfahrungen einer großen Praxis gestützte Ansicht über das Wesen der Sexualität legte H. in einer „Zwischenstufentheorie“ nieder, wonach es zwischen Mann und Weib zahlreiche körperlich-seelische Mischformen („Varietäten“) gebe, die aus der zweigeschlechtlichen Anlage des Embryos resultierten Demgemäß betrachtete er insbesondere die Homosexualität als eine Spielart der Natur, die ausschließlich anlagebedingt und deshalb weder heilbar noch strafwürdig sei. Zur Popularisierung dieser hinsichtlich der Vernachlässigung von Umwelteinflüssen stark umstrittenen Lehre gründete er das „Wissenschaftlich-humanitäre Kommitee“, welches seit 1897 mehrere von H. verfaßte und von zahlreichen Persönlichkeiten unterzeichnete Petitionen zur Aufhebung des § 175 Reichsstrafgesetzbuch an den Deutschen Reichstag richtete. Für die Besserung der rechtlichen und sozialen Lage des von ihm so genannten „Dritten Geschlechts“ hat H. auch durch umfangreiche populäre Vortragstätigkeit, als Dozent an der Humboldt-Volkshochschule in Berlin und als Präsident der mit August Forel und Havelock Ellis gegründeten „Weltliga für Sexualreform“ gewirkt. Als Sachverständiger ist er in mehreren Sensationsprozessen – so in dem Prozeß gegen den Primaner Krantz – hervorgetreten. 1918 gründete er das Berliner „Institut für Sexualwissenschaft“, welches zahlreichen Homophilen ärztlichen Rat erteilte, Gutachten in Strafsachen erstellte und die erste deutsche Eheberatungsstelle unterhielt (1919 von Preußen übernommen). Durch sein unermüdliches Eintreten für eine in breiten Volksschichten diskriminierte und strafrechtlich verfolgte Minderheit zog H. sich die heftigsten Anfeindungen konservativ-bürgerlicher und antisemitischer Kreise zu; 1920 wurde er in München nach einem Vortrag brutal zusammengeschlagen. 1933 emigrierte er nach Frankreich. Sein Institut war am 6.5.1933 Ziel einer „Säuberungsaktion“ der Berliner Studentenschaft; seine Werke wurden beschlagnahmt und öffentlich verbrannt. 1934 wurde H. die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Er starb als Arzt in Nizza.

  • Werke

    Weitere W u. a. Der urnische Mensch, 1903;
    Geschlechtsübergänge, 1905;
    Le troisième sexe, 1910;
    Die Transvestiten, 1910, ²1925;
    Der sexuelle Infantilismus, 1913 (mit E. Burchard);
    Die Homosexualität d. Mannes u. d. Weibes, 1914, ²1920;
    Sexualpathol., 3 Bde., 1917-19, ²1921-28;
    Geschlechtskde., 5 Bde., 1926-30;
    Sexualkatastrophen, 1926 (mit Lehnerdt, Levy-Lenz, Werthauer, Goldmann);
    Liebesmittel, 1926 (mit R. Linsert);
    Sexualgesch. d. Menschheit, 1929 (mit B. Götz);
    Das erot. Weltbild, 1929 (mit B. Götz);
    Geschlechtsanomalien u. Perversionen, 1955. -
    Hrsg.: Sittengesch. d. Weltkrieges, 2 Bde., 1930.

  • Literatur

    R. Seidel, Sexologie als positive Wiss. u. soz. Anspruch, Zur Sexualmorphol. v. M. H., med. Diss. München 1969;
    Fischer;
    Rhdb. (P).

  • Autor/in

    Christian Helfer
  • Zitierweise

    Helfer, Christian, "Hirschfeld, Magnus" in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 226-227 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118815237.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA