Lebensdaten
1849 – 1932
Geburtsort
Kleinheubach/Main
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Jurist ; Politiker der DVP ; Mitglied des Evangelischen Kirchenausschusses
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 11877655X | OGND | VIAF: 42633880
Namensvarianten
  • Kahl, Wilhelm
  • Kahl, Ernst Petrus Wilhelm
  • Kahl, W.
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Zitierweise

Kahl, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11877655X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich (1806–91), Dr. iur., Bez.gerichtsdir. in Schweinfurt, S d. fürstl. Hofrats Christoph Ludw. Gottlieb in Wertheim u. d. Friederike Christine Zeiß;
    M Ottilie (1815–92), T d. Friedrich Hallwachs (1779–1836), Landrat in Darmstadt, 1832 Kreisrat in Wimpfen, u. d. Louise Kath. Karoline Hallwachs;
    Groß-Ov Wilhelm Hallwachs (1786–1860), Präs. d. hess. Staatsrats;
    Groß-Tante-m Auguste Wilhelmine Hallwachs ( Jakob Frdr. v. Weishaar, 1775–1834, württ. Innenmin.);
    Pfullingen 1874 Bertha (1852-n. 1935), T d. Papierfabr. Adolf Laiblin in Pfullingen u. d. Bertha Auguste Finckh;
    1 S, 3 T.

  • Biographie

    Nach Schulbesuch in Heilbronn und Schweinfurt studierte K. seit 1867 Rechtswissenschaft in Erlangen und München. Zu seinen Lehrern zählten J. W. von Planck, A. von Scheurl und B. Windscheid. Nach der Promotion in Erlangen (1873) habilitierte er sich 1876 an der Universität München mit einer Schrift über die Temporaliensperre. 1879 wurde er Professor in Rostock, 1883 in Erlangen und 1888 in Bonn. 1895 folgte er einem Ruf nach Berlin, wo er bis zu seiner Emeritierung 1921 den zuvor von Gneist verwalteten Lehrstuhl innehatte (Rektor 1908/09). Sein Lehrauftrag umfaßte neben dem Kirchen-, Staats- und Verwaltungsrecht auch das Straf- und Strafprozeßrecht. Außerhalb des Universitätsbereichs bekleidete K. zahlreiche Ämter. Seit 1902 war er Mitglied des im selben Jahr unter Vermittlung des Reichsjustizamts zusammengetretenen Komitees zur Vorbereitung einer Strafrechtsreform. 1911 wurde er Mitglied – später Vorsitzender – der beim Reichsjustizamt gebildeten Strafrechtskommission, die den Auftrag hatte, den Entwurf zu einem Strafgesetzbuch zu erarbeiten. 1927 wurde er Vorsitzender des Strafrechtsausschusses des Reichstages, der sich in diesem Jahr der Strafrechtsreform annahm. K. war auch Präsident des 32.-35. Deutschen Juristentages (1921–28).

    Seit etwa 1874 gehörte K. der Nationalliberalen Partei an, nach dem 1. Weltkrieg dann der Deutschen Volkspartei. In beiden Parteien war er Mitglied des Zentralvorstandes. 1919 wurde er in die verfassunggebende Nationalversammlung gewählt, in der er dem Verfassungsausschuß angehörte. Von 1920 bis zu seinem Tode war er Mitglied des Reichstages. Seit 1919 war K. Vorsitzender aller Parteitage der Deutschen Volkspartei; 1930 war er sogar als Vorsitzender einer vereinigten liberalen Partei im Gespräch.

    Zu den politischen kamen kirchliche Ämter. K. war Mitglied der Rheinischen und der Brandenburgischen Provinzialsynode, der Preußischen Generalsynode und, seit 1922, des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses, der leitenden Behörde des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes.

    In seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen beschäftigte K. sich bis zu seiner Berufung nach Berlin nahezu ausschließlich mit Fragen des Kirchen- und Staatskirchenrechts. Seine Teilbearbeitung der 8. Auflage des Lehrbuchs des katholischen und evangelischen Kirchenrechts von Ä. L. Richter gilt noch heute als vorbildlich. Das 1894 veröffentlichte „Lehrsystem des Kirchenrechts und der Kirchenpolitik“ hat zwei Schwerpunkte: die Darstellung des Verhältnisses von Staat und Kirche, in deren Mittelpunkt die Verteidigung der überkommenen Verhältnisordnung steht, sowie den Versuch einer Widerlegung der These R. Sohms, daß eine ausgebildete kirchliche Rechtsordnung im Widerspruch zum Wesen der Kirche stehe. Im Rahmen seiner kirchenpolitischen Betätigung gewann K. maßgeblichen Einfluß auf die Abfassung des stark umstrittenen, 1909 verabschiedeten „Irrlehregesetzes“ der altpreußischen Landeskirche. Das Gesetz ersetzte das bei Lehrabweichungen bis dahin durchgeführte Disziplinarverfahren durch ein objektives Feststellungsverfahren, welches unter Ausschaltung der Begriffe Schuld und Strafe lediglich prüfte, ob eine weitere Wirksamkeit des Geistlichen innerhalb der Landeskirche mit seiner Lehre vereinbar sei. Die Abfassung der staatskirchenrechtlichen Bestimmungen der Weimarer Verfassung beeinflußte K. im Sinne einer weitgehenden Erhaltung der bestehenden Verhältnisordnung von Staat und Kirche.

    K.s hauptsächliches wissenschaftliches Verdienst liegt auf dem Gebiet des Strafrechts und der Strafrechtsreform, mit dem er sich seit seiner Berufung nach Berlin in zahlreichen Arbeiten beschäftigte. Sein Ansehen als Kriminalist begründete ein 1902 in der Deutschen Juristen-Zeitung veröffentlichter Aufsatz, mit dem es ihm gelang, das im strafrechtlichen Schulenstreit liegende Hindernis für eine Reform zu überwinden. K., der der klassischen Schule angehörte, bekannte sich zu der Auffassung, daß eine Entscheidung des Schulenstreits nicht Voraussetzung der|Strafrechtsreform sei; dieser müsse vielmehr bei den Reformarbeiten ausgeklammert werden. Hiermit war der Weg zur Überbrückung scheinbar unversöhnlicher Gegensätze gewiesen. F. von Liszt, der Repräsentant der modernen Schule, schloß sich K.s Auffassung ausdrücklich an. – Als „Führer der Strafrechtsreform“ genoß K. in den letzten Jahren seiner Parlamentszugehörigkeit überparteiliches Ansehen, zumal er als Politiker von früheren naiv nationalistischen Standpunkten immer mehr abrückte. Das Urteil von Zeitgenossen, die ihn mit Savigny und Windscheid auf eine Stufe stellten, kann jedoch trotz großer und vielfältiger Verdienste nicht bestätigt werden.|

  • Auszeichnungen

    D. theol. (Bonn 1895), Dr. med. h. c. (Erlangen 1910), Dr. rer. pol. h. c. (Berlin 1923).

  • Werke

    Über d. Temporaliensperre bes. nach bayer. Kirchenstaatsrecht, 1876;
    Die dt. Amortisationsgesetze, 1879;
    Lehrsystem d. Kirchenrechts u. d. Kirchenpol., 1894;
    Ebenbürtigkeit u. Thronfolgerecht d. Grafen zur Lippe-Biesterfeld, 1896;
    Eine Vorfrage z. Revision d. Strafgesetzbuches, in: Dt. Juristenztg., 1902, S. 301-03;
    Kirchenrecht, in: Kultur d. Gegenwart II, 8, 1906, S. 237-92;
    Rel.-vergehen, in: Vgl. Darst. d. dt. u. ausländ. Strafrechts, Bes. T., Bd. 3, 1906, S. 1-104;
    Geminderte Zurechnungsfähigkeit, ebd., Allg. T., I, 1908, S. 1-78;
    Der Rechtsinhalt d. Konkordienbuches, in: Festgabe f. O. Gierke, 1910, S. 305-53;
    Ehescheidung wegen objektiver Ehezerrüttung, in: Btrr. z. Erl. d. dt. Rechts 67, 1925, S. 1-15;
    Über d. Verhältnis v. Staat u. Kirche in Vergangenheit u. Gegenwart, in: Recht u. Staat im neuen Dtld. I, 1929, S. 353-89.

  • Literatur

    J. Goldschmidt, K., d. Kriminalist, in: Dt. Juristenztg., 1923, Sp. 186;
    O. Liebmann, W. K. als Mensch, ebd., Sp. 190;
    Riesser, K. als Parlamentarier, ebd., Sp. 188;
    E. Sehling, K. als Kirchenrechtler, ebd., Sp. 187;
    R. v. Frank, K., der Kriminalist, ebd. 1929, Sp. 800;
    G. Stresemann, K., d. Politiker u. Parlamentarier, ebd., Sp. 799;
    O. Liebmann, ebd. 1932, Sp. 703;
    Wunderlich, ebd. 1932, Sp. 697;
    R. v. Hippel, Dt. Strafrecht I: Allg. Grundlagen, 1925;
    M. Alsberg, W. K., 1929 (P);
    W. K. z. Gedächtnis, 1932;
    F. v. Liszt u. E. Schmidt, Lehrb. d. dt. Strafrechts I, 261932;
    E. Schmidt, Die Reform d. Strafrechts im Rückblick auf Berliner Impulse in d. Gesch. d. modernen Kriminalpol., Festvortrag (41. Juristentag), o. J.;
    ders., Einführung i. d. Gesch. d. dt. Strafrechtspflege, ³1965;
    H. Liermann, in: Fränk. Lbb. 3, 1969, S. 312-26 (L, P);
    K. Achenbach, Recht, Staat u. Kirche b. W. K., Diss. Regensburg, 1972 (W-Verz.);
    Rhdb. (P).

  • Autor/in

    Klaus Achenbach
  • Zitierweise

    Achenbach, Klaus, "Kahl, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 21-22 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11877655X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA