Lebensdaten
1894 – 1963
Geburtsort
Zittau (Oberlausitz)
Sterbeort
Lugano (Kanton Tessin)
Beruf/Funktion
Schriftstellerin ; Märchenerzählerin
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118756540 | OGND | VIAF: 95161266
Namensvarianten
  • Tetzner, Elise (geborene)
  • Tetzner, Therese Pauline Elise
  • Tetzner-Kläber, Lisa (verheiratete)
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Verknüpfungen auf die Person andernorts

Aus dem Register von NDB/ADB

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Tetzner, Lisa (geborene), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118756540.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Arthur (1866–1949), Dr. med., prakt. Arzt, Wundarzt in Z., Sanitätsrat;
    M Frida (1873–1955), T d. Theodor Held, Großdestillationsbes., u. d. Juliane Pauline N. N.;
    B Oskar Johannes-Leopold (Hanns-Leo) (1897–1969), Kinderarzt in Z. u. Wolfsburg;
    Düsseldorf 1924 Kurt (Ps. Kurt Held) (1897–1959), Schriftst., kommunist. Funktionär (s. NDB XI; BHdE II; HLS; W), S d. Hermann Kläber, Werkmeister in Jena; kinderlos.

  • Biographie

    T. verbrachte ihre Kindheit in Zittau und im Sommerdomizil in Jonsdorf im Zittauer Gebirge. 1905 erkrankte sie an Keuchhusten und in der Folge an einer Kniegelenksentzündung, die zur Versteifung des Knies führte und T. bis 1908 bettlägerig machte. Nach dem Besuch der Höheren Töchterschule I in Zittau 1909–12 und des Mädchenpensionats „Ilsenhof“ in Dresden absolvierte T. 1913–17 eine Ausbildung zur Fürsorgerin an der Sozialen Frauenschule in Berlin. Seit 1916 belegte sie an Max Reinhardts Schauspielschule und an der Univ. Berlin, u. a. bei Emil Milan (1859–1917), dem Lektor für Vortragskunst, zusätzlich Kurse in den Fächern Sprecherziehung und Stimmbildung.

    1918–21 reiste T. als Märchenerzählerin durch Mittel- und Süddeutschland, das Ruhrgebiet und das Rheinland. Ihre Erfahrungen verarbeitete sie in „Vom Märchenerzählen im Volke“ (1919), „Aus Spielmannsfahrten und Wandertagen“ (1923) und „Im Land der Industrie zwischen Rhein und Ruhr“ (1923). Unterstützt wurde sie in dieser Zeit von Eugen Diederichs (1867–1930) und seiner Frau, Lulu v. Strauß und Torney (1873–1956), die zu T.s engsten Freunden zählten. Auf ihren Wanderungen schloß sich T. u. a. dem Schauspieler Gottfried Haaß-Berkow (1888–1957) und seinen Mysterien-Spielern an. 1918 beteiligte sie sich als Leiterin der Abteilung „Märchenerzählen“ und Lektorin für Vortragskunst am Aufbau der von Albrecht Leo Merz (1884–1967) gegründeten „Führerschule“. T.s Begegnung mit der „Neuen Schar“ des Mystikers Friedrich Muck-Lamberty (1891–1984), mit der sie einige Wochen durchs Land zog, bereitete ihre grundsätzliche Abkehr von der Jugendbewegung vor. Ihr Band „Im Land der Industrie …“, der auch als eine topographische Sozialtypologie der Rhein- und Ruhrgesellschaft gelesen werden kann, dokumentiert das Ende ihrer Wanderzeit.

    1921 erkrankte T. an einer Hüftgelenksentzündung, die trotz jahrelanger ärztlicher Behandlung (bis 1924) zur dauerhaften Versteifung des Gelenks führte. Nach überstandener Krankheit zog sie 1924 mit ihrem Ehemann, Kurt Kläber, den sie 1919 kennengelernt hatte, nach Düsseldorf und 1926 weiter nach Berlin. Die Sommermonate verbrachte das Paar seit 1924 in der Schweiz. Seit 1927 improvisierte T. beim Berliner Rundfunk mit einer Kindergruppe („Spielschar“) Hörspiele und besprach Märchen. Durch diese Arbeit verlagerte sich T.s schriftstellerisches Interesse vom Märchen zum literarischen Kinderbuch. Ihre ersten eigenen Kinderbücher (z. B. Hans Urian, 1931) weisen trotz deutlicher Hinwendung zu sozialen Themen noch stark märchenhafte Elemente auf. Auch spätere Werke (Der kl. Su aus Afrika, 1952; Su u. Aglaia, 1953; Das Mädchen in d. Glaskutsche, 1957) bedienen sich märchenhafter Motive.

    1933 wurde Kläber wegen angeblicher Beteiligung am Reichstagsbrand verhaftet. Nach der Entlassung floh er über die Tschechoslowakei in das Tessin, wohin ihm T. im März 1933 folgte. 1935 wurden ihre Bücher in Deutschland verboten, 1938 ihr die dt. Staatsbürgerschaft aberkannt. In der Schweiz hatte sie anfangs Berufs- und Veröffentlichungsverbot. Aufgrund der Fürsprache von Traugott Vogel, Hans Oprecht u. a. wurde das Berufsverbot zunächst gemildert, später aufgehoben. Das Ehepaar empfing in seinem Wohnsitz in Carona verfolgte Schriftsteller, u. a. Bertolt Brecht. 1937–53 war T. Sprecherzieherin am Kantonalen Lehrerseminar in Basel, später Dozentin für Stimmbildung an der Univ. Basel. Seit 1948 war sie Schweizer. Staatsbürgerin. In den Kriegs- und frühen Nachkriegsjahren organisierte sie mit Kläber Hilfsaktionen und Lebensmittelsammlungen für dt. Intellektuelle.

    T. engagierte sich als Förderin der phantastischen Kinderliteratur, v. a. von Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ (1945). 1951 nahm sie am von Jella Lepman (1891–1970) organisierten Kongreß des Internationalen Kinder- und Jugendbuchs in München teil und gehörte zu den Mitbegründern des Internationalen Kuratoriums für das Jugendbuch. 1955 zogen T. und Kläber in die von ihnen als „Künstlerhaus“ entworfene Casa Pantrovà in Carona, die – testamentarisch so verfügt – bis heute als Arbeitsstätte für Künstler dient und deren Einrichtung fast gänzlich erhalten ist.

    Als eines der frühesten Jugendbücher zum Thema „Kinder und Nationalsozialismus“ gilt T.s international bekanntes Werk „Erlebnisse und Abenteuer der Kinder aus Nr. 67, Odyssee einer Jugend“, das die Wurzeln des Faschismus, seine Entwicklung und Folgen aus Kinderperspektive erzählt (9 Bde., 1933–49, Bd. 1 u. 2 verfilmt 1980, Regie: U. Barthelmeß-Weller u. W. Meyer). Unter T.s Namen erschien das Buch „Die schwarzen Brüder“ (2 Bde., 1940/41), das als Gemeinschaftsprojekt des Paares T.-Kläber anzusehen ist, allerdings thematisch und stilistisch eher auf die umfangreichen Romane verweist, die Kläber später u. a. wegen seines Publikationsverbots unter dem Pseudonym „Kurt Held“ veröffentlichte. 1957 übersetzte T. den ersten Band der „Chroniken von Narnia“ des im dt.sprachigen Raum noch unbekannten brit. Autors C. S. Lewis (1898–1963) ins Deutsche. T. sammelte und edierte zeitlebens Märchen aller Völker. Bis heute in zahlreichen Neuauflagen durchgesetzt hat sich ihre erste Sammlung „Die schönsten Märchen der Welt für 365 und einen Tag“ (1926). Mit vielen ansprechenden Bildern von Maria Braun und einer vielfältigen internationalen Textauswahl ist die Sammlung als „Märchenbuch für Generationen“ konzipiert.

  • Auszeichnungen

    A Gedenkplatte am Geb.haus, Zittau (1994);
    L.-T.-Schulen in Barsinghausen, Schloß Holte-Stukenbrock, Berlin-Neukölln (1974, mit biogr. Dauerausst.) u. Zittau (1993).

  • Werke

    Weitere W Dt. Rätselbuch, Aus alten u. neuen Qu. ges., 1924;
    Guck heraus, heißt mein Haus, 1925;
    Das Märchen v. dicken, fetten Pfannkuchen, 1925, 1928;
    Im blauen Wagen durch Dtld., Gedanken u. Plaudereien über Landschaft u. Volk, 1926;
    Der Gang ins Leben, Erz. e. Kindheit, 1926, 1954, 1957;
    Vom Märchenbaum d. Welt, 1929, 1956;
    Der Fußball, Kindergesch. aus Großstadt u. Gegenwart, 1932;
    Erwin u. Paul, 1933;
    … was am See geschah, Die Gesch. v. Rosmarin u. Thymian, 1935 (verfilmt 1956, Regie: W. Schleif);
    Die Reise n. Ostende, 1936;
    Die schwarze Nuß, Gesch. u. Märchen v. Indianern, Negern u. Insulanern, 1952;
    Das Töpflein mit d. Hulle-Bulle-Bäuchlein, Märchen z. Vorlesen u. Selberlesen, 1953;
    Das Füchslein u. d. zornige Löwe, Tiermärchen aus aller Welt, 1958;
    Das war Kurt Held, Vierzig J. Leben mit ihm, 1961 (P);
    Nachlaß: Christiane Dornheim-Tetzner, Frankfurt/M.;
    Förderver. Casa Pantrovà e. V., Lausanne;
    DLA Marbach/Neckar;
    Fritz-Hüser-Inst., Dortmund;
    Geheeb-Archiv, Ecole d’Humanité, Hasliberg Goldern;
    Schweizer. Inst. f. Kinder- u. Jugendmedien, Zürich;
    StA Aargau.

  • Literatur

    L I. Weber, Zum epischen Werk L. T.s f. Kinder u. Jugendliche, Diss. Zwickau 1983;
    G. Weinkauff, Eine kinderlit. Chron. d. NS, L. T.s „Kinderodyssee“ u. d. Lit.päd., in: Dt.unterr. 49, H. 5, 1996, S. 303–13 (P);
    G. Bolius, L. T., Leben u. Werk, 1997 (P);
    E. Geus, „Die Überzeugung ist d. einzige, was nicht geopfert werden darf“, L. T. (1894–1963), Lebensstationen, Arb.felder, 1999;
    A. Messerli, Vom Thüringer Wald z. Berliner Funk-Stunde, Die Märchenerzählerin L. T. zw. primärer u. sekundärer Oralität, in: Ch. Schmitt, Erzählkulturen im Medienwandel, 2008, S. 55–74;
    D. Wrobel, L. T., Die Kinder aus Nr. 67, Dilemmagesch. aus d. Vorkriegs-Berlin, in: Vergessene Texte d. Moderne, Wiederentdeckungen f. d. Lit.unterricht, 2010, S. 177–91;
    Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Lex. sozialist. Lit. (P);
    BHdE II;
    HLS;
    Wedel, Autobiogrr. Frauen;
    Ausst.: Biogr. Dauerausst., L.-T.-Schule, Berlin-Neukölln;
    „Aus unserem Leben in d. Freiheit“, L. T. u. Kurt Kläber, Leben u. Werk, kuratiert v. W. Apfeld u. C. Parau, Kulturraum „die flora“, Gelsenkirchen 2011; – Radiofeature: S. Tenta, L. T., Schriftst., WDR 5, 8. 4. 2004.

  • Porträts

    P Aquarell v. P. Heinelt, 1899 (Slg. d. Städt. Museen Zittau).

  • Autor/in

    Cristina Parau
  • Zitierweise

    Parau, Cristina, "Tetzner, Lisa" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 53-55 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118756540.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA