Lebensdaten
um 1480 – 1561
Geburtsort
Altorf bei Nürnberg
Sterbeort
Joachimsthal (Böhmen)
Beruf/Funktion
Kirchenlieddichter ; Kantor
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118703668 | OGND | VIAF: 67260143
Namensvarianten
  • Herman, Nikolaus
  • Her., Nicolaus
  • Herman, Nicholas
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Zitierweise

Herman, Nikolaus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118703668.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    B Hans H. zu Weingarten, Mitbürger zu Altorf (an ihn gerichtet die pädagogische Schrift H.s „Ein gestreng Urteil Gottes …“, 1526);
    1 S, 2 T.

  • Biographie

    Über den Bildungsgang H.s ist nichts bekannt. Um 1518, bald nach der Gründung der Bergstadt, wurde er Kantor und Lehrer an der Lateinschule in Joachimsthal. Früh schloß er sich der Reformation an; eine persönliche Verbindung zu Luther ist durch Luthers Brief an H. vom 6.11.1524 bezeugt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die wahrscheinlich konfessioneller Art waren, hat H. in jahrzehntelangem Zusammenwirken mit dem Rektor und späteren Pfarrer Johannes Mathesius die Erfüllung seiner religiösen und pädagogischen Lebensaufgabe in Joachimsthal gefunden. Mit dem „Mandat Jesu Christi“ beteiligte er sich 1524 in der Form des Himmelsbriefs an der protestantischen Flugschriftenliteratur: Christus fordert seine Getreuen auf, das verlorene Schloß des wahren Glaubens zurückzuerobern und bis zu seiner Wiederkunft gegen die papistischen Bedränger zu verteidigen. Seine Erziehungslehren suchte H. in der Schrift „Ein gestreng Urteil Gottes über die Kinder und ihre Eltern“ (Erfurt 1526) aus der Bibel herzuleiten. Das Lat. Lehrgedicht über Ehe, Kinderzucht und christliche Haushaltung „Öconomia“ von J. Mathesius übertrug er in deutsche Reimpaare. Für die Joachimsthaler Agende schrieb er lateinische gereimte Prosen auf der Grundlage der Perikopentexte. H.s Lieddichtung entstand erst in seinen späteren Lebensjahren, vornehmlich im Alter. Die „Sonntags-Evangelia“ (1560), zu denen Paul Eber eine Vorrede geschrieben hat, sind seinen beiden Gönnern Florian Griesbeck von Griesbach und Christoph von Gendorf gewidmet. Volkstümlich-meistersingerisch in der Strophenform, der Reimart und der silbenzählenden Metrik, folgen sie den Sonn- und Festtagen des ganzen Kirchenjahrs vom 1. Advent bis zum 27. Sonntag nach Trinitatis. Mit ihrem erzählenden Charakter, der das Leben und die Gleichnisse Jesu zum Hauptthema des evangelischen Kirchenlieds machte, bezeichnen sie den Beginn der zyklischen Perikopendichtung. Ihre Wirkung reicht bis zu den „Sonntags- und Festevangelia“ (Leipzig u. Breslau 1636) von Johann Heermann. In den „Historien von der Sintflut, Josef, Mose …“ (Wittenberg 1562) hat H. die gleiche poetische Technik auch auf die Geschichten des Alten Testaments und auf nicht in den Perikopen vorkommende neutestamentliche Texte angewandt. Obgleich er seine Lieder nur für die Kinder und zum häuslichen Gebrauch bestimmte, sind zahlreiche von ihnen in den Gemeindegesang eingegangen, unter anderem das Weihnachtslied „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“, das Osterlied „Erschienen ist der herrlich Tag“, der Morgensegen „Die helle Sonn leucht jetzt herfür“, der Abendsegen „Hinunter ist der Sonnen Schein“ und das Sterbelied „Wenn mein Stündlein vorhanden ist“. Die eigenen Melodien H.s gehen zum Teil auf Antiphone zurück, häufiger jedoch lassen sie sich als Kontrafakturen von Volksliedern, besonders von Bergreihen und Abendreihen, erkennen.

  • Werke

    Weitere W Eyn Mandat Jhesu Christi an alle seyne getrewen Christen, Straßburg 1524, 271613, Neudr. in: Dt. Lit. in Entwicklungsreihen, R. Ref. II, hrsg. v. A. E. Berger, 1931, S. 271-80;
    Die Sontags Euangelia vnd v. d. fürnemsten Festen vber d. gantze Jr., In Gesenge gefasset f. Christl. Haußueter vnd jre Kinder, Wittenberg 1560, ²1561, Neudr. Die Sontags-Evangelia, hrsg. v. R. Wolkan, 1895 (P);
    Die Haustafel, darin eim jeden angezeigt wird, wie er sich in s. stand verhalten sol, ebd. 1562;
    - Textausw.: N. H.s u. Joh. Mathesius' geistl. Lieder in e. Ausw. nach d. Originaltext hrsg. u. mit e. Einl. versehen v. K. F. Ledderhose, 1855;
    Ph. Wackernagel, Das dt. Kirchenlied v. Martin Luther bis auf N. H. u. Ambrosius Blaurer, 1841, S. 395-414;
    ders., Das dt. Kirchenlied v. d. ältesten Zeit b. z. Anfang d. XVII. Jh. III, 1870, S. 1161-1243.

  • Literatur

    ADB XII;
    Koch I, S. 390 ff.;
    R. Wolkan, Gesch. d. dt. Lit. in Böhmen u. in d. Sudetenländern, 1925, S. 21 f. (P);
    ders., in: Sudetendt. Lb. I, 1926, S. 100 ff. (P);
    R. Stübe, Der Himmelsbrief, e. Btr. z. allg. Rel.gesch., 1918;
    K. Olbrich, Dt. Himmelsbriefe, in: Mitt. d. Schles. Ges. f. Volkskde. 19, 1919;
    G. Loesche, Zur Agende v. Joachimsthal, in: Siona, 1892, S. 163-70, 183-92;
    H. Sievers, „Erschienen ist d. herrlich Tag“ u. s. gregorian. Vorlage, in: Musik u. Kirche 7, 1935, S. 73 ff.;
    W. Blankenburg, Der Ursprung v. N. H.s Weise „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“, ebd. 18, 1948, S. 139 ff.;
    H. Sturm, Die St. Joachimsthaler Lateinschulbibl. a. d. 16. Jh., in: Forschungen z. Gesch. u. Landeskde. d. Sudetenländer, 1964;
    Ph. Wackernagel, Bibliogr. z. Gesch. d. dt. Kirchenliedes im 16. Jh., 1855, S. 303-06, 322-24;
    Goedeke II, S. 167-70 (W);
    PRE;
    RGG³;
    W. Blankenburg, in: MGG VI, Sp. 219-21 (W, L);
    Kosch, Lit.-Lex.

  • Porträts

    Ölgem., 1560 (Nürnberg, Altstadtmus., Fembohaus).

  • Autor/in

    Adalbert Elschenbroich
  • Zitierweise

    Elschenbroich, Adalbert, "Herman, Nikolaus" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 628 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118703668.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Herman: Nicolaus H., der fromme Cantor zu Joachimsthal, als Liederdichter der Reformationszeit noch heute allgemein bekannt. Aus seinem Leben wissen wir wenig. Da er am 3. Mai 1561 in hohem Alter gestorben ist, so mag er noch im 15. Jahrhundert geboren sein; ob die Angabe, daß er 1480 geboren sei, sich genügend beweisen läßt, scheint fraglich zu sein. Sein Geburtsort ist unbekannt. Auch wann er sein Amt in Joachimsthal angetreten habe,|läßt sich wol nicht sicher feststellen; vielleicht 1518; jedenfalls vor dem Jahre 1524, denn vom 6. Novbr. 1524 ist ein noch vorhandener Brief Luther's an ihn datirt, in welchem derselbe ihm den Rath ertheilt, in seiner Stellung zu Joachimsthal auszuhalten; H. hatte nämlich dort Unannehmlichkeiten gehabt und Luther durch einen Mag. Stephan fragen lassen, ob er von Joachimsthal fortgehen solle; nicht unwahrscheinlich ist es, daß der derzeitige Rector in Joachimsthal, Philipp Eberbach, ihm irgendwie seine Stellung verleidet hatte. Wie Eberbach, hatte sich H. damals schon entschieden der Reformation zugewandt; gerade im J. 1524 hatte er auch seinen Aufruf zum Kampf wider Rom, wie man mit Recht seine Schrift „Ein Mandat Jesu Christi an alle seine getreuen Christen“ genannt hat, zum ersten Male ausgehen lassen. Dieses Büchlein, welches zuerst anonym, dann aber bald unter Herman's Namen erschien, und allein im J. 1524 wenigstens acht mal, hernach wieder 1525, 1546 (zwei mal), 1547, 1556, 1613 und vielleicht noch öfter gedruckt ist, auch 1530 in niedersächsischem Dialect herauskam, enthält ein Aufgebot, das der Herr Christus, dem es persönlich in den Mund gelegt wird, an alle seine Getreuen ergehen läßt, die starke Veste, sein heilig Wort, die der Teufel jetzt eingenommen habe, nun wieder zu erobern. Das „Mandat“ hat sicher seinen Zweck erreicht, Christen zum Kampfe für das Evangelium zu ermuntern; daß es Beifall gefunden, zeigen die wiederholten Auflagen. — Vom J. 1532 an wirkte in Joachimsthal neben unserm H., erst als Rector der Schule und hernach als Prediger, Johannes Mathesius. Mit diesem ward H. eng befreundet; die Predigten desselben begeisterten ihn zu geistlichen Liedern. Seine Gedichte zeichnen sich durch Einfachheit und Innigkeit aus; in ihrer Naivität erinnern sie, namentlich diejenigen, in welchen er biblische Geschichten erzählt, an Hans Sachs; er selbst wollte sie nur für Kinder- und Hauslieder ausgeben und meinte, daß wer sie in die Kirchen einführe, das auf eigene Gefahr hin thue. Die meisten seiner Lieder verfertigte er in seinem Alter, nachdem er sich wegen Podogra hatte pensioniren lassen müssen. Zu manchen Liedern hat er auch die Melodien selbst gemacht. Seine Lieder, die zuerst einzeln erschienen, liegen dann besonders in zwei Sammlungen vor, deren erste „Die Sonntags-Evangelia ... in Gesänge verfasset für die Kinder und christliche Hausväter“ zuerst 1560 mit einer Vorrede von Paul Eber erschien: die andere, „Die Historien von der Sündfluth, Joseph, Mose, Elia, Elisa und der Susanne sammt etlichen Historien aus den Evangelisten ... für christliche Hausväter und ihre Kinder", erschien erst nach seinem Tode im J. 1562; beide sind dann oft wieder gedruckt. Wackernagel hat seinem großen Werke 103 Lieder Herman's einverleibt. Die zwei noch bekanntesten sind das Weihnachtslied: „Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich“ und das Sterbelied: „Wenn mein Stündlein vorhanden ist“, Lieder, welche die deutsche evangelische Kirche sich wol nicht aus ihren Gesangbüchern wird rauben lassen. Früher war eine weit größere Anzahl seiner Lieder in den Gemeindegesangbüchern verbreitet; im J. 1587 wurden „seine Lieder aus den Evangelien sehr fleißig von den Schulknaben zu Leipzig auf der Gasse gelungen“.

    • Literatur

      Vgl. De Wette, Luther's Briefe, II. Bd. S. 561 (und dazu: Corpus Reformatorum vol. I. Spalte 698). — Ueber das Mandat Jesu Christi: Doedes in den theolog. Studien und Kritiken, 1878, S. 303—313; ferner Emil Weller, Repertorium, Nr. 2909 ff. — K. F. Ledderhose, Nikolaus Herman's und Johannes Mathesius' geistliche Lieder, Halle 1855 (das 4. Heft von Schircks' geistlichen Sängern). —
      Goedeke, S. 165 ff. —
      Koch, Geschichte des Kirchenliedes u. s. f., 3. Aufl. Bd. I. S. 390 ff. —
      Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied, Bd. III. S. 1161 ff. —
      Wangemann in Herzog und Plitt, Theol. Realencyklopädie, Bd. VI. S. 6 f. — Im Jahre|1857 erschien in Berlin (bei Wiegandt und Grieben) ein Lebensbild Herman's von E. Pfeifer. Außerdem ist in den Lebensbeschreibungen des Mathesius auch von Herman's Wirksamkeit in Joachimsthal die Rede. Vgl. auch G. Döring, Choralkunde, an vielen Stellen, besonders S. 43 f.

  • Autor/in

    Bertheau.
  • Zitierweise

    Bertheau, Carl, "Herman, Nikolaus" in: Allgemeine Deutsche Biographie 12 (1880), S. 186-188 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118703668.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA