Lebensdaten
1932 – 1998
Geburtsort
Leverkusen
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Maler ; Bildhauer ; Happeningkünstler
Konfession
keine Angabe
Namensvarianten
  • Schäfer, Wolf (bis 1952)
  • Vostell, Wolf
  • Schäfer, Wolf (bis 1952)
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Zitierweise

Vostell, Wolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz137794.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hubert Schäfer (1896–1980), aus L., Eisenbahnschaffner, 1939 in Komotau (Böhmen);
    M Regina V. (1901–76), aus L.;
    1 jüngere Schw;
    Cáceres (Estremadura) 1959 Mercedes Guardado Olivenza (* 1933), aus Ceclavín b. Cáceres, Volksschullehrerin, Mitarb. v. V., nach dessen Tod künstler. Dir. d. Museo Vostell in Malpartida de Cáceres (Estremadura) (s. L);
    2 S David (* 1960), Komp., Filmregisseur, Rafael (* 1965), Kulturmanager in Bad Nauheim, alle Verw. v. „The Wolf Vorstell Estate“.

  • Biographie

    T., dessen Eltern 1939 nach Komotau gezogen waren, verbrachte hier seine Kindheit. Seit 1945 besuchte er die Schule in Leverkusen. Nach einer Lehre als Photolithograph studierte er 1954–57 in Wuppertal an der Werkkunstschule, an der Pariser École Nationale Supérieure des Beaux-Arts und an der Kunstakademie Düsseldorf Malerei und experimentielle Typographie. Sein in den 1950er Jahren beginnendes Werk war früh erfüllt von der Skepsis gegenüber einer auf Werbung und dann auch auf dem Medium Fernsehen basierenden Realität der Bilder; dieser stellte V. seine eigene Bildwelt entgegen. Er überzeichnete Photos und benutzte Plakatabrisse, Berichte aus Illustrierten und Müll, die er zu neuen Bildern zusammensetzte. Das Prinzip der „dé-coll/ age“ (Abriß) wurde zu V.s Lebens- und Schaffensmaxime im Sinne eines Prozesses, der Verborgenes und Verhülltes, soziale Mechanismen und politische Prozesse offenlegt und überkommene Seherwartungen attackiert. V.s Antwort auf das Mißtrauen gegenüber dem klassischen Bild waren den traditionellen Kunstbegriff erweiternde Aktionen und Happenings, in denen er grenzüberschreitend bildende Kunst mit Musik, Theater und Literatur zu verbinden suchte. Sein 1958 veranstaltetes Happening „Das Theater ist auf der Straße“ war das erste seiner Art in Europa überhaupt.

    1959 nach Köln zurückgekehrt, schloß sich V. der Fluxus-Bewegung an und bereitete 1962 zusammen mit George Maciunas und Nam June Paik das „Festum Fluxorum“ im Museum in Wiesbaden vor, das den Ausgangspunkt seiner Aktion „Kleenex“ bildete, die er bei allen folgenden wichtigen Fluxus-Konzerten aufführte. Im Bewußtsein, daß Leben „dé-coll/ age“ sei, vereinte V. in seinen Aktionen gemäß seiner Devise „Kunst ist Leben, Leben ist Kunst“ Leben und Kunst und schuf dafür die besondere Form des Happenings, bei der das Publikum aktiv beteiligt wurde. Das am 7. 11. 1964 veranstaltete Happening „In Ulm, um Ulm und um Ulm herum“ bot dem Besucher während einer ganztätigen Busfahrt die Gelegenheit, 24 Lebensorte der Stadt auf neu gestaltete Weise kennenzulernen, z. B. fand ein „Konzert“ mit Düsenjägern auf dem Flugplatz und ein „Essen“ in einem Schlachthof statt.

    Berühmt wurde V. mit seiner Aktion „Ruhender Verkehr“, als er 1968 in der Kölner Innenstadt einen Opel Kapitän einbetonierte. Das Auto als Inbegriff von Fortschritt und Freiheit wurde in der Folge bis zum Beton-Cadillac-Denkmal in Berlin (1987) zu einem wichtigen Arbeitsmittel, ebenso wie auch ein anderes Symbol des Fortschritts, der Fernseher. Bereits 1958 hatte V. sein Gemälde „Deutscher Ausblick“ mit einem Fernsehmonitor bestückt („Zyklus Schwarzes Zimmer“: Dt. Ausblick, Auschwitz-Scheinwerfer, Treblinka, Berlin. Gal.) und im Mai 1963 erstmals in Amerika ein TV-Environment ausgestellt („TV-dé-coll/ agen“, New York, Smolin Gallery), das zum Ausgangspunkt für viele TV-Skulpturen wie den „Desastres“ wurde. Sie sind Klassiker der Videokunst und zeugen vom Einfluß der Medien, die V. bereits früh für eigene Zwecke nutzte. Neben dem Kunstwerk entstand gleichzeitig immer dessen Dokumentation, besonders eindrucksvoll bereits 1965 mit „Happenings. Fluxus, Pop Art, Nouveau Realisme“.

    Auch in den 1970er und 1980er Jahren, inzwischen in Berlin, blieb V. seinem sozialutopischen und aufklärerischen Verständnis von Kunst treu. In seinen Montagen werden die tägliche Verkehrsflut (Drive in Museum Berlin, 1972) und die Betonierung der Städte (Paris in Beton, 1971, Paris, Musée d’art moderne) angeprangert, der Holocaust (Holocaust Memorial, 1988, Kunsthandel) und die Berliner Mauer (9. November 1989, 1989, Slg. d. Künstlers) sowie der Golfkrieg (Fine del Golfo, 1991) thematisiert. Zunehmend finden sich in seiner Malerei auch Parabeln auf Gemälde alter Meister (Carlos V nach Tizian, 1976, Privatbes.; Die Schlacht v. Anghiari, 1982, Berlin. Gal.; Schule v. Athen, 1988, Rhein. Landesmus. Bonn), doch blieb die gesellschaftskritische Funktion seiner Kunst bis zuletzt V.s Anspruch – besonders in der im Sept. 1993 in Marl installierten Skulptur „La Tortuga“ (Skulpturenmus. Glaskasten), die V. als Sinnbild der Situation Deutschlands am Ende des 20. Jh. verstanden wissen wollte.

    Neben seiner künstlerischen Tätigkeit hat V. seit 1974 zusammen mit seiner Frau Mercedes in Malpartida de Cáceres (Estremadura) nördlich von Madrid ein Fluxus-Archiv aufgebaut, aus dem das „Museo Vostell“ hervorging, das nach seinem Tod eröffnet wurde. Dort befindet sich eine ständige Sammlung von Werken der 1970er bis 1990er Jahre und das Wolf-Vostell-Archiv mit einem Bestand von grafischen Arbeiten.

    Eine ständige Sammlung im Museum Morsbroich Leverkusen zeigt insgesamt 23 Werke V.s, weitere befinden sich u. a. in der Berlin. Galerie und der Neuen Nationalgalerie in Berlin sowie im Museum Fluxus Plus in Potsdam, im German. Nationalmuseum Nürnberg, im Museo Reina Sofia Madrid, im Musée d’art moderne de la Ville de Paris, in der Fondazione Mudima in Mailand, auf öffentlichen Straßen und Plätzen sowie in weiteren Museen und privaten Sammlungen weltweit.

  • Auszeichnungen

    |Doz. an d. Internat. Sommerak. Salzburg (1981);
    Premio Pablo Iglesias (Madrid 1982);
    Medaille de Paris (1990);
    Prof.titel (Berlin 1992);
    Mitgl. d. Europ. Ak. f. Wiss. u. Kunst (1993);
    Berliner Bär (1996);
    Hannah-Höch-Preis (1997);
    Medalla de Extremadura (1998 postum);
    Ehrenbürger v. Malpartida de Caceres, Spanien (1998 postum);
    Gedenktafel am Wohnhaus in Berlin, Giesebrechtstr. 12;
    Paseo W. V. in Malpartida de Caceres (1998);
    W.-V.-Str. in Leverkusen (2001).

  • Werke

    Weitere W u. a. Coca-Cola, 1961, Dé-coll/ age (Köln, Mus. Ludwig);
    6 TV Dé-coll/ age, 1963, Environment mit TV (Madrid, Museo Reina Sofia);
    Mythos-Berlin, 1987, Assemblage, Leinwand mit TV (Malpartida, Museo Vostell);
    Auto-TV-Hochzeit, 1991, Skulptur mit TV (Karlsruhe, Zentrum f. Kunst u. Medientechnologie);
    Berlinerin 1994, Bronze-Skulptur mit TV (Potsdam, Mus. Fluxus Plus).

  • Literatur

    | V. Retrospektive 1958–1974, Neuer Berliner Kunstver. 1975;
    V., Das Plast. Werk 1953–87, Mit e. Einf. v. J. Schilling, 1987;
    V., hg. v. R. Wedewer, Ausst. kat. Rhein. Landesmus. Bonn, 1992;
    W. V. – Die Druckgrafik, hg. v. d. Städt. Gal. Villa Zanders in Zus.arb. mit d. Galerie + Schloßver. e. V. Bergisch Gladbach 2005;
    G. Uelsberg (Hg.), W. V., Meine Kunst ist d. ewige Widerstand gegen d. Tod, Ausst. kat. Rhein. Landesmus. Bonn 2007;
    M. Heinzelmann u. J. A. Agúndez García (Hg.), Das Theater ist auf d. Straße, Die Happenings v. W. V., Mus. Morsbroich, Leverkusen, Museo Vostell, Malpartida, 2010;
    Mercedes Guardado Olivenza, Mi vida con V., Un artista de vanguardia, 2011;
    Mercedes Vostell, V. – ein Leben lang, Eine Werkbiogr., 2012 (P);
    Kosch, Theater-Lex.;
    Kölner Personenlex.;
    Filme: u. a. W. V., v. P. Karalus, WDR 1968;
    W. V., Berlin-Fieber, Happening f. ADA 1, Dok., v. U. Ottinger, 1973;
    Traumziele, Zw. Berlin u. Malpartida – auf d. Spuren v. W. V., v. W. Filmer u. E.-M. Wingens, WDR 1994.

  • Autor/in

    Peter Prange
  • Zitierweise

    Prange, Peter, "Vostell, Wolf" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 136-137 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz137794.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA