Lebensdaten
1818 – 1882
Geburtsort
Merseburg
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Jurist ; Kriminalist ; preußischer Polizeidirektor
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118618083 | OGND | VIAF: 52482367
Namensvarianten
  • Stieber, Johann Carl Wilhelm Eduard
  • Stieber, Wilhelm
  • Stieber, Johann Carl Wilhelm Eduard
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Zitierweise

Stieber, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118618083.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Carl August (1791–1874, aus B., 1816–20 preuß. Reg.registrator in M., 1820 Geh. Sekr. im Min. d. geistl. Unterr. u. Kultusangelegenheiten in B., S d. Carl (1763–1839), preuß. Bauconducteur, u. d. Sophie Catharina Gilson (1766–1846);
    M Friederike (1794–1868), T d. Johann Georg Breithaupt (1770–1834, Geh. Kanzleidir. in M., HR, u. d. Johanne Charlotte Friedrike Schondorff ( v. 1803);
    Berlin 1848 Marie (1828–83), T d. Eduard Komitsch († 1839/48) u. d. Friederike Sophie Henriette Schaffner (1792–1869, aus Breslau, Hofschausp. in B., mind. 17 K u. a. 1 vorehel. S, 6 weitere S (2 früh †) u. a. N. N., Marineoffz., Paul (1856–1944, Elsbeth Biermann, 1861–1940), Jur., 1887 Stadtrat in Wandsbek, Gründer v. Heilstätten, 1. Dir. d. Norddt. Knappschafts-Pensionskasse, Gründer, Geschäfts- u. Schriftführer d. Ver. z. Bekämpfung d. Schwindsucht in d. Prov. Sachsen u. d. Hzgt. Anhalt, Ehrenmitgl. dess., Organisator d. Bergkonzerte in Halle/Saale, Mitgl. d. Kr.synode ebd., 10 T (1 früh †) u. a. N. N. (⚭ Leopold Auerbach, Journalist, Schriftst., s. L);
    E Hans (1886–1969), Komp., Dirigent, 1948 Prof. an d. Musikhochschule in Halle/Saale (s. Kosch, Theater-Lex.; Kulturlex. Drittes Reich), Walter (Ps. Paul S.-Walter, Paul Devrient) (1890–1973), Opernsänger (s. Kutsch-Riemens).

  • Biographie

    Nach dem Abitur am Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin 1838 studierte S. Rechts- und Kameralwissenschaften an der Univ. Berlin. 1841 legte er hier das erste jur. Staatsexamen ab, 1848 wurde S. in Jena zum Dr. iur. promoviert. 1841–43 arbeitete S. als Auskultator am Stadtgericht Berlin; nach kurzer Tätigkeit als Kriminalkommissar war er 1844 als Referendar am Kammergericht tätig. Nachdem er als Spezialermittler in Schlesien im Febr./März 1845 eine in ihrer Bedeutung umstrittene politische Verschwörung im Hirschberger Tal aufgedeckt hatte, betätigte er sich in den folgenden Jahren als Journalist, Schriftsteller und Strafverteidiger; u. a. publizierte S. anonym die (anschließend zeitweilig verbotene) Schrift „Die Prostitution und ihre Opfer“ (1846, Nachdr. 2010), die erste kriminalistische Untersuchung dieses|Gegenstands in Deutschland. 1848/49 nahm S. eine politisch zwiespältige Haltung ein; zeitweilig galt er als Sympathisant der Revolution, und im Rahmen eines politischen Prozesses verteidigte er 1849 u. a. Lothar Bucher (1817–92) und Hermann Schulze-Delitzsch (1808–83).

    Auf persönlichen Wunsch Kg. Friedrich Wilhelms IV. wurde S. 1850 zum Polizeiassessor bei der „Sicherheits-Polizei“ ernannt; 1851 stieg er zum Polizeirat, 1853 zum Polizeidirektor auf. In den folgenden Jahren ermittelte er im In- und Ausland (London, Brüssel, Warschau); bekannt wurde seine Beteiligung am Kölner Kommunistenprozeß, dessen Ankläger er mit z. T. gefälschten Dokumenten belieferte. Seit 1854 leitete er im Berliner Polizeipräsidium die neu geschaffene, landesweit ermittelnde 70köpfige Abt. VII („Kriminalpolizeisachen“). 1855/56 war S. maßgeblich an der Aufklärung einer großes Aufsehen erregenden Spionageaffäre, des „Potsdamer Depeschendiebstahls“, beteiligt. Immer wieder wegen Amtsmißbrauchs (u. a. zu lange Inhaftierung von Verdächtigen) gerügt, wurde S. im April 1860 auf Betreiben des Berliner Oberstaatsanwalts Schwarck verhaftet und angeklagt. S. brachte eine Gegenklage in Gang. Der in ganz Deutschland stark beachtete „Schwarck-Stieber-Prozeß“ endete im Sept. 1860 in einem Skandal, da S. nachweisen konnte, daß die von ihm angewandten kriminalpolizeilichen Praktiken in den 1850er Jahren in Preußen allgemein üblich gewesen und von der Regierung gedeckt worden waren. S. und Schwarck wurden daraufhin in den einstweiligen Ruhestand versetzt, Justizminister Louis Simons (1803–70) trat zurück.

    1861–66 stand S. zeitweilig in vertraulichen Diensten der russ. Regierung; seit 1863 besaß er Verbindungen zu Bismarck. Am Krieg 1866 nahm er als erster preuß. „Feldpolizeidirektor“ im Großen Hauptquartier in Böhmen teil; im Krieg gegen Frankreich war er zwischen Juli 1870 und März 1871 in gleicher Funktion für die Sicherheit des Königs und dessen Begleitung sowie für Informationsbeschaffung und Nachrichtenermittlung zuständig. Schließlich leitete er 1866–73 ein kleines „Central-Nachrichten-Bureau“ beim Preuß. Staatsministerium, das aus Bismarcks „Reptilienfonds“ finanziert wurde und sich der Überwachung vermeintlicher „Staatsfeinde“ („Welfenumtriebe“, „Ultramontane“, Sozialdemokraten) widmete. Diese Einrichtung gilt als Keimzelle für die Entwicklung staatlicher Geheimdienste in Deutschland. Seit dem Winter 1874/75 litt S. an einer schweren Gichterkrankung und blieb bis zu seinem Tod arbeitsunfähig.

  • Auszeichnungen

    A braunschweig. Hausorden Heinrichs d. Löwen (1854);
    russ. St. Stanislaus-Orden 2. Kl. (1855, mit Stern 1870) u. St. Annen-Orden 2. Kl. (1864, mit Brillanten 1866);
    Erinnerungskreuz f. Nichtkombattanten im Krieg v. 1866 (1867);
    E. K. f. Nichtkombattanten (1871).

  • Werke

    Weitere W Die Communisten-Verschwörungen d. neunzehnten Jh., 2 Bde., 1853/54, Nachdr. 1969 (mit C. G. Wermuth);
    Pract. Lehrb. d. Criminal-Polizei, 1860, Nachdr. 1983;
    Fälschung:
    Spion d. Kanzlers, Die Enthüllungen v. Bismarcks Geheimdienstchef, 1978 (P), Neuausg. 1981, engl. u. franz. 1979, hierzu: J. H. Schoeps, Davon stimmt kein Wort, in: Der Spiegel, H. 40, 1978, S. 244–49;
    Teilnachlaß:
    BA Berlin.

  • Literatur

    Denkwürdigkeiten d. Geh. Reg.rathes Dr. S., Aus seinen hinterlassenen Papieren bearb. v. Leopold Auerbach, 1884, Nachdr. in Binder, 2010 (s. u.);
    L. Henning, Das Wesen u. d. Entwicklung d. pol. Polizei in Berlin, in: Mitt. d. Ver. f. d. Gesch. Berlins 42, 1925, S. 88–92;
    W. Horn, Abwehrspionage in d. Ära Bismarcks, in: P. v. Lettow-Vorbeck (Hg.), Die Weltkriegsspionage, 1931, S. 566–72;
    W. Obenaus, Die Entwicklung d. preuß. Sicherheitspolizei bis z. Ende d. Reaktionszeit, 1940, Nachdr. 1978;
    E. R. Huber, Zur Gesch. d. pol. Polizei im 19. Jh., in: ders., Nat.staat u. Vfg.staat, Stud. z. Gesch. d. modernen Staatsidee, 1965, S. 144–67;
    J. H. Schoeps, Agenten, Spitzel, Flüchtlinge, W. S. u. d. demokrat. Emigration in London, in: H. Schallenberger u. H. Schrey (Hg.), Im Gegenstrom, Für Helmut Hirsch z. Siebzigsten, 1977, S. 71–104;
    H. Höhne, Der Krieg im Dunkeln, Macht u. Einfluß d. dt. u. russ. Geheimdienstes, 1985;
    W. Siemann, „Dtld.s Ruhe, Sicherheit u. Ordnung“, Die Anfänge d. pol. Polizei 1806–1866, 1985;
    W. Brenner, S., 1997 (Roman);
    P. Collin, „Wächter d. Gesetze“ oder „Organ d. Staatsreg.“?, Konzipierung, Einrichtung u. Anltg. d. Staatsanwaltschaft durch d. preuß. Justizmin., Von d. Anfängen bis 1860, 2000;
    H. Bleiber, Vormärzliches aus Schlesien, W. S., Friedrich Wilhelm Schlöffel u. seine Kinder, in: St. Jordan u. P. T. Walter (Hg.), Wiss.-gesch. u. Gesch.wiss., 2002, S. 292–308;
    St. Weiß, W. S. u. Bismarck, in: W. Krieger (Hg.), Geheimdienste in d. Weltgesch., 2003, S. 126–37 u. 357 f.;
    ders., W. S., August Schluga v. Rastenfeld u. Otto v. Bismarck, in: Francia 31/3, 2004, S. 87–112;
    M. Binder, Dr. W. S., Der preuß. loyale Staatsagent, Feldpolizeidir. & Geheimdienstchef Fürst Bismarcks, u. seine Denkwürdigkeiten, 2010 (P).

  • Autor/in

    Hans-Christof Kraus
  • Zitierweise

    Kraus, Hans-Christof, "Stieber, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 319-320 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118618083.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA