Lebensdaten
1884 – 1950
Geburtsort
Stuttgart
Sterbeort
Mainz
Beruf/Funktion
Historiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118561499 | OGND | VIAF: 41924173
Namensvarianten
  • Kern, Fritz
  • Kerun, Furittsu
  • Cern, Fritz
  • mehr

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Zitierweise

Kern, Fritz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118561499.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hermann v. K. (württ. Personaladel, 1854–1932), Dr. phil. h. c., Ministerialdir. im württ. Min. f. Kirchen- u. Schulwesen, zuletzt Vorstand d. Verwaltungsgerichtshofs, Staatsrat u. Mitgl. d. I. Kammer, S d. Oberlandesgerichtspräs. Max (1813–87) u. d. Karoline Weber;
    M Marie (1860–1944), T d. Senatspräs. Ludwig v. Hufnagel (württ. Personaladel, 1825–1900) u. d. Luise Deusch;
    1) Berlin 1909 ( 1941) Bertha (* 1886), T d. Philosophen Eduard v. Hartmann ( 1906, s. NDB VII), 2) Überlingen 1941 Elisabeth Charlotte (* 1904), T d. Sanitätsrats Dr. Reinhold Ahrens in Remscheid u. d. Anna Spennemann;
    1 S, 2 T aus 1), 1 S aus 2).

  • Biographie

    Nachdem K., der Familientradition nachgebend, in Lausanne 2 Semester Rechtswissenschaft studiert hatte, führten 6 Semester historischen Studiums den hochbegabten, noch nicht 22jährigen zur Promotion (Berlin 1906) und schon 2½ Jahre später zur Habilitation als Privatdozent in Kiel. 1914 wurde er als ordentlicher Professor der Mittleren und Neueren Geschichte an die neue Universität Frankfurt/Main berufen, 1922 nach Bonn versetzt (1947 emeritiert). Vielfach unterbrochen wurde die wissenschaftliche Tätigkeit durch zeitgeschichtlich und wesensgemäß bedingte politische Aktivität: Dienst für das Auswärtige Amt und den Generalstab in Berlin 1914–18, Mitarbeit an den Veröffentlichungen des Großadmirals von Tirpitz (1918/19, 1924-26), journalistische Tätigkeit in Berlin („Grenzboten“ 1920/21), Waffenbeschaffung bei der Reichswehr für studentische Separatistenabwehr („Schlacht im Siebengebirge“) 1923, in der Brüningkrise 1931/32 wissenschaftspolitischer und publizistischer Versuch, „das große Abzugsventil für das Unglück“ eines NS-Regimes in Deutschland zu schaffen durch Einsatz für eine „politische Gesamtlösung mit Frankreich“ (und eventuell mit Polen), Abseitsstehen in „innerer Emigration“ des als Systemgegner Verdächtigen 1933–44, seit Herbst 1944 Mitarbeit an Berliner Widerstandsgruppe, die den Krieg abkürzen wollte durch Anbahnung der Kapitulation abtrünniger SS-Führer bei USA-Kontaktpersonen in Bern; in der Hektik des Kriegsendes in Bregenz unter dem Eindruck, daß die Sache entdeckt und „die Lebensgefahr in der letzten Exekutionswelle größer als die beim Überschreiten der schwer bewachten Grenze“ am 27.4.1945 Flucht in die Schweiz; dort infolge allgemeinen Verbots der Wiedereinreise durch die Besatzungsbehörden mehr als dreijähriges entbehrungsreiches Exil (bis zur französisch-deutschen Historikertagung in Speyer im August 1948).

    Zunächst als Helfer K. Zeumers, dann als freier Privatgelehrter begann K. in der Tradition der „Monumenta Germaniae“ mit dem Aufspüren und Herausgeben von Urkunden des Hohen Mittelalters und einer daraus hervorgehenden Darstellung der „Anfänge der französischen Ausdehnungspolitik“ (1910). Nach eindringlichen Dantestudien fand er sein eigentliches Arbeitsgebiet in vergleichender Rechts- und Verfassungsgeschichte. Das Hauptwerk „Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter“ (Vorwort 1914) und die begleitenden Aufsätze waren bahnbrechend, wie die englische Ausgabe „Kingship and Law“ (1939) und die deutschen Neuausgaben seit 1954 bezeugen. Hier waren die Anschauungen des Mittelalters echt erfaßt und nicht durch naives Hineintragen der Begriffe des 19./20. Jahrhunderts entstellt. Entscheidend aber für die Gedankenwelt K.s wurde die Erkenntnis, daß das europäische Mittelalter bei unverwechselbarer Individualität den gleichen strukturellen Modellcharakter aufwies wie alle bei Alleinherrschaft einer Erlösungsreligion mit Absolutheitsanspruch auftretenden „Mittelalter“ der Weltgeschichte. Lebensziel wurde ihm fortan die Arbeit an einer Universalgeschichte der Menschheit, die ohne starre Schematisierung die jeweilige individuelle Eigenständigkeit und Vielschichtigkeit zugleich mit der kulturstufenbedingten Struktur erfassen sollte. Dabei galt sein Interesse nicht so sehr den wenigen Jahrtausenden der vielerforschten Hochkulturen und der sie unterbauenden Bauernkultur als den Jahrzehntausenden der sogenannten Tiefkulturen der höheren Jäger, der Pflanzer und Hirten und vor allem den Jahrhunderttausenden der quellenmäßig so schwierig zu erschließenden Grundkultur der „Wildbeuter“. Noch sein nachgelassenes letztes Buch „Der Beginn der Weltgeschichte“ (1953) rang mit dieser Problematik und führte ihn zu der geschichtsphilosophischen These, daß in dieser „Urzeit“ im Zusammenleben der Menschen ein humanes Naturrecht eher verwirklicht gewesen sei als in den späteren Entwicklungsstufen. Die Ablehnung des evolutionistischen Fortschrittsglaubens bestimmte sein Denken in den letzten Lebensjahren.

    Das Programm dieses Zeitgenossen Spenglers und Toynbees erforderte enge Zusammenarbeit von Spezialisten ähnlicher Gesamtzielsetzung und setzte ein ruhiges Arbeitsklima über lange Jahre hinweg voraus, während K. selbst viel Kraft und Zeit der Wahrnehmung seines Lehrauftrags für neuere Geschichte widmen mußte und sich in der Unruhe des Zeitalters zu immer erneutem politischen Einsatz veranlaßt sah. So blieb es bei zahlreichen Ansätzen, Anregungen und Bruchstücken. Das Erscheinen des 1., noch von ihm selbst konzipierten Bandes der von ihm geplanten 10bändigen „Historia mundi“ (1952) hat K. nicht mehr erlebt, ebensowenig wie die Eröffnung des von ihm 1949 angeregten „Instituts für Europäische Geschichte“ in Mainz, dessen universalgeschichtliche Abteilung er selbst übernehmen wollte.

  • Werke

    Weitere W Acta Imperii Angliae et Franciae ab a. 1267 ad a. 1313, Dokumente vornehml. z. Gesch. d. auswärt. Beziehungen Dtld.s, in ausländ. Archiven ges., 1911;
    Die Reichsgewalt d. dt. Königs nach d. Interregnum, Zeitgenöss. Theorien, in: HZ 106, 1910. Neudr. 1959, 1964;
    Humana Civilitas (Staat, Kirche u. Kultur), Eine Dante-Unters., 1913;
    Gottesgnadentum u. Widerstandsrecht im früheren MA, Zur Entwicklungsgesch. d. Monarchie, 1914, Neuausg. hrsg. R. Buchner, 1954, ⁶1973;
    Dante, 4 Vorträge z. Einführung in d. Göttl. Komödie, 1914;
    Recht u. Vfg. im MA, in: HZ 120, 1919, Neuausg. hrsg. v. E. Anrich, 1952/58/72;
    Die großen Schritte d. Kultur, Akadem. Rede Bonn, 1926;
    Stammbaum u. Artbild d. Deutschen u. ihrer Verwandten, 1927;
    Naturgott u. Gewissengott, in: Festschr. Walter Goetz, 1927;
    Der dt. Staat u. d. Pol. d. Römerzuges, in: Aus Pol. u. Gesch., Gedächtnisschr. f. G. v. Below, 1928;
    Die Welt, worein d. Griechen traten, in: Anthropos 24/25, 1929/30;
    Die Anfänge d. Weltgesch., Ein Forschungsber. u. Leitfaden, 1933;
    Friedrichs d. Gr. schlimmstes J., 1940;
    Der Ruhrkrieg, 1941;
    Gesch. u. Entwicklung (Evolution), 1952;
    Der Beginn d. Weltgesch., 1953;
    Aśoka, Kaiser u. Missionar, 1956;
    Skizzen z. Kriegsausbruch im J. 1914, hrsg. v. H. Hallmann, 1968. -
    Hrsg. (mit H. Hallmann): Btrr. z. Gesch. d. nachbismarck. Zeit u. d. Weltkrieges, H. 1-46, 1927-40.

  • Literatur

    K. J. Narr, Die Fülle d. Gesch., Zum Lebenswerk F. K.s, in: Rhein. Merkur v. 16.9.1955;
    P. E. Hübinger, Das hist. Seminar d. Rhein. Frdr.-Wilh.-Univ. zu Bonn, 1963 (P);
    H. Hallmann, in: Bonner Gel. Btrr. z. Gesch. d. Wiss. in Bonn, Gesch.wiss., 1968, S. 351-75 (P).

  • Autor/in

    Hans Hallmann
  • Zitierweise

    Hallmann, Hans, "Kern, Fritz" in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 519-520 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118561499.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA