Lebensdaten
1812 – 1875
Geburtsort
Bonn
Sterbeort
Paris
Beruf/Funktion
Sozialist
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118550373 | OGND | VIAF: 12309844
Namensvarianten
  • Hess, Moses
  • Gess, M.
  • Hes, Mosheh
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Zitierweise

Hess, Moses, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118550373.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V David (1790–1851), Kaufm. in Köln, S d. Kaufm. Nathan in B. (S d. Rabbiners David in Mannheim), u. d. Schebeh Wetzlar;
    M Johanna (1785–1825), T d. Rabbiners Moses Floersheim in Bockenheim b. Frankfurt u. d. Jette N. N.;
    1841 Sibylle (1823–1903, kath.), T d. Jos. Pesch in Schmidtheim/Eifel u. d. Helene Trierscheid;
    N Adele Gerhard geb. de Jonge ( 1956), Romanschriftstellerin (s. NDB VI).

  • Biographie

    H. war Autodidakt: Er besuchte keine deutsche Schule, erhielt aber eine traditionelle jüdische Erziehung. Im Jünglingsalter arbeitete er in dem Kolonialwarengeschäft seines Vaters in Köln. Schon sein erstes, anonym veröffentlichtes Buch, „Die heilige Geschichte der Menschheit“ (1837), enthält kommunistische Elemente. Sein zweites, ebenfalls anonymes Werk, „Die europäische Triarchie“ (1841), in dem er der Zensur wegen den Gedanken des Sozialismus in ein mystisches Gewand hüllte, propagierte die Bildung des Dreibundes (Deutschland, England, Frankreich), der zur Regenerierung Europas führen sollte. 1841 half er, die „Rheinische Zeitung“ zu gründen, an der er als Redakteur (1842) und später als Pariser Korrespondent (1843) wirkte. Nach der Unterdrückung des Blattes durch die Zensur (31.3.1843) schrieb H. zahlreiche Aufsätze für radikale und kommunistische Periodica in Deutschland und im Auslande. Der von ihm gegründete „Gesellschaftsspiegel, Organ zur Vertretung der besitzlosen Klassen und zur Beleuchtung der gesellschaftlichen Zustände der Gegenwart“ erschien 1845/46 in Elberfeld. 1845-48 war H. in der deutschen kommunistischen Bewegung in Brüssel und Paris tätig. Nach dem Ausbruch der Revolution von 1848 kam er für einige Wochen nach Köln, wo er vergeblich die „Rheinische Zeitung“ zu erneuern versuchte. Von Mai 1848 bis April 1849 wirkte er in Paris als Journalist und Präsident des „Deutschen Vereins“. Dann flüchtete er in die Schweiz, lebte eine Zeitlang in Belgien und zog 1853 nach Paris, wo er, mit Unterbrechungen, bis zu seinem Lebensende verblieb. 1851 erbte er von seinem Vater ein kleines Vermögen, das ihm eine sehr bescheidene, aber unabhängige Existenz ermöglichte.

    Nach dem Staatsstreich Napoleons III. vom 2.12.1851 wandte sich H., immer sein sozialistisches Ziel im Auge behaltend, den Naturwissenschaften zu. Seine Studien auf diesem Gebiete veröffentlichte er im „Jahrhundert“, in der „Natur“ und in der „Revue philosophique et religieuse“. Seit dem italienischen Kriege (1859) kehrte er zur Politik zurück und schloß sich den Nationalitätsbewegungen an. Er korrespondierte für die Augsburger „Allgemeine Zeitung“ und die Genfer „Espérance“ (1859-60). Die Amnestie von 1861 ermöglichte ihm die Rückkehr nach Preußen. 1862 erschien sein berühmtes zionistisches Werk „Rom und Jerusalem, die letzte Nationalitätsfrage“. 1863 war er Bevollmächtigter des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins in Köln. Dann ging er wieder nach Paris und korrespondierte für den „Social-Demokraten“, die „Rheinische Zeitung“, den „Volksstaat“ und die „Illinois Staats-Zeitung“ (1865-70). Beim Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges wurde er als preußischer Staatsbürger aus Frankreich ausgewiesen. Nach einem einjährigen Aufenthalt in Brüssel, wo er eine antipreußische Broschüre, „Une Nation déchue, Coalition de tous les peuples contre l'Allemagne prussifiée“, drucken ließ, kehrte er nach Paris zurück. In den letzten Jahren seines Lebens widmete er sich hauptsächlich naturwissenschaftlichen Studien.

    Der junge H. stellte den Kommunismus als die logische Konsequenz der modernen Philosophie dar. Seine philosophische Begründung des Kommunismus beruht auf der Verbindung der Feuerbachschen Begriffe des Gattungswesens mit den Ideen des französischen Sozialismus. Er dehnte den Feuerbachschen Begriff der Entfremdung vom religiösen und philosophischen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Gebiet aus. Der Kommunismus ist für H. eine freie Gesellschaftsordnung, in der das Individuum als wahres Gattungswesen sich betätigen und alle seine Fähigkeiten entfalten kann. H. bekämpfte die egalitären Kommunisten, deren Bestreben, Arbeit und Konsumtion gleich zu verteilen, der Menschheit, wie er meinte, nichts mehr als eine bequeme Stallfütterung sichern würde. H. appellierte an die Vernunft, nicht an die Gewalt, hob aber hervor, daß, wenn die Vernunft versagen sollte, die Revolution zu einer Notwendigkeit werden könnte. Mitte der 40er Jahre entfachte er eine bedeutende Bewegung in Deutschland, die von den Zeitgenossen als „philosophischer Sozialismus“ bezeichnet wurde. H. verließ rasch das spekulativ-philosophische Gebiet, um dem Ziele seines Strebens auf sozialökonomischem und politisch revolutionärem Wege näher zu rücken. Er hat|sich den Ideen von Marx und Engels genähert, ist aber nie ein wahrer Marxist geworden. H. hat den jungen Marx beeinflußt und Engels für den Kommunismus gewonnen. Beide brachen mit ihm indessen noch vor 1848. Mit Lassalle dagegen stand er in sehr guten Beziehungen.

    H. ist der erste Sozialist, der sich für die jüdische Nationalidee eingesetzt und fest an ihre Verwirklichung geglaubt hat. In seinen Anfängen war er für die Assimilation der Juden, spätere Erfahrungen und Studien machten ihn aber zu einem Verfechter der Idee des Judenstaates. Dieser müsse nach H. auf sozialdemokratischer Basis organisiert sein. Das Judentum trenne nirgends das Individuum von der Nation und die Nation von der Menschheit. Es sei keine passive Religion, sondern „eine aktive Erkenntnis“, organisch mit der jüdischen Nationalität verwachsen. Der Geist des Judentums sei ein sozialdemokratischer von Haus aus. Um die Mission des Judentums zu erfüllen, brauchten die Juden wieder ihr eigenes Land, ein Aktionszentrum, um das sich ein Kern jüdischer Männer scharen könne. Ihre Zahl sei nicht von Belang, denn die Juden seien nie ein zahlreiches Volk gewesen.

  • Werke

    Weitere W Jugement dernier du vieux monde social, 1851;
    Rechte d. Arbeit, 1863;
    La Haute Finance et l'Empire, 1869;
    Dynam. Stofflehre I, Kosm. T., 1877 (P);
    Jüd. Schrr., hrsg. v. T. Zlocisti, 1905;
    Sozialist. Aufsätze 1841–47, hrsg. v. dems., 1921;
    Briefwechsel, hrsg. v. E. Silberner, 1959 (P);
    Phil. u. sozialist. Schrr. 1837–50, e. Ausw., hrsg. v. A. Cornu u. W. Mönke, 1961.

  • Literatur

    T. Zlocisti, M. H., der Vorkämpfer d. Sozialismus u. d. Zionismus, ²1921 (P);
    G. Lukács, M. H. u. d. Probleme d. idealist. Dialektik, in: Archiv f. d. Gesch. d. Sozialismus u. d. Arbeiterbewegung 12, 1926, S. 105-55;
    I. Goitein, Probleme d. Ges. u. d. Staates b. M. H., 1931;
    K. Mielcke, Dt. Frühsozialismus, Ges. u. Gesch. in d. Schrr. v. Weitling u. H., 1931;
    H. Hirsch, Denker u. Kämpfer, 1955, S. 83-110;
    E. Silberner, Der junge M. H. im Lichte bisher unerschlossener Qu., in: Internat. Review of Social History 3, Amsterdam 1958, S. 43-70, 239-68;
    E. Silberner, The Works of M. H., An Inventory of his Signed and Anonymous Publications, Mss. and Correspondence, Leiden 1958;
    ders., Der „Kommunistenrabbi“ u. d. „Ges.spiegel“, in: Archiv f. Soz.gesch. 3, 1963, S. 87-102;
    ders., M. H. als Begründer u. Redakteur d. Rhein. Ztg., ebd. 4, 1964, S. 5-44;
    ders., M. H. u. d. Internat. Arbeiterassoziation, ebd. 5, 1965, S. 83-146;
    I. Berlin, The Life and Opinions of M. H., 1959;
    J. Weiss, M. H., the Utopian Socialist, 1960;
    E. Silberner, La cor. M. H. -
    Louis Krolikowski 1850–53, in: Annali dell'-Istituto Giangiacomo Feltrinelli 3, 1960;
    Heinr. Graetz' Briefe an M. H., ebd. 4, 1961;
    Btrr. z. literar. u. pol. Tätigkeit v. M. H. 1841-43, ebd. 6, 1963;
    Sozialisten z. Judenfrage, 1962, S. 180-97, 333-36;
    E. Silberner, Zur H.-Bibliogr., in: Archiv f. Soz.gesch. 6, 1966;
    M. H., Gesch. s. Lebens, 1966.

  • Porträts

    Ölgem. v. G. A. Köttgen, ca. 1845 (Düsseldorf, Stadtgeschichtl. Mus.);
    v. G. Poppe, 1853 (Jerusalem, Jüd. Nat.fonds).

  • Autor/in

    Edmund Silberner
  • Zitierweise

    Silberner, Edmund, "Hess, Moses" in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 11-12 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118550373.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA