Lebensdaten
1829 – 1915
Geburtsort
Grabenstetten (Landkreis Reutlingen, Württemberg)
Sterbeort
Hohenwittlingen bei Urach (Württemberg)
Beruf/Funktion
Naturwissenschaftler ; Zoodirektor ; Jugendbuchautor
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Weinland, Christoph David Friedrich
  • Weinland, David
  • Weinland, Christoph David Friedrich

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Zitierweise

Weinland, David, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz139970.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V August Johann Friedrich (1778–1857), Pfarrer in Esslingen, S d. Eberhard Friedrich (1745–1812), Oberforstmeister in Esslingen;
    M Sophie Klingler (um 1800–93), T e. Bauern;
    10 Geschw (4 früh †);
    Frankfurt/M. 1862 Anna (* 1827), Malerin, T d. Rudolf Burnitz (1788–1849), Architekt, Oberbaurat in Frankfurt/M., u. d. Sophie Saltzwedel (* 1788);
    4 S Carl (1864–91), Kolonialarzt, Botaniker, sammelte Pflanzen in Papua-Neuguinea (s. Henze, Entdecker), Rudolf Friedrich (1865–1936), Pharmazeut, 1902 Prof. f. Chemie in Tübingen, 1920 in Würzburg (s. Pogg. IV–VI; Dt. Apotheker-Biogr. II), Gustav (1866–1938), Oberarzt an d. psychiatr. Anstalt Weissenau, 1913 Dir. d. staatl. Heilanstalt f. Geisteskranke in Weinsberg (heute Klinikum am Weissenhof) (s. Kreuter, Neurologen), Ernst (1869–1932), Zool., 1913 Prof. f. Physiol. in Erlangen (s. Erlanger Professoren II);
    Schwager Rudolf Heinrich Burnitz (1827–80), Architekt in Frankfurt/M. (s. ADB 47; Die neue Bürgerstadt, Das Frankfurt d. Architekten Burnitz, hg. v. R. Steinberg, 2013);
    E Helene (1914–2005), ao. Prof. f. physiol. Chemie in Erlangen (s. Pogg. VII a; Erlanger Professoren II).

  • Biographie

    W. besuchte 1840–43 die Lateinschule in Nürtingen und 1843–47 das ev.-theol. Seminar Maulbronn, bevor er 1847–51 Theologie|am Tübinger Stift studierte. Ein zweisemestriges naturwissenschaftliches Studium an der Univ. Tübingen schloß er 1852 mit der Dissertation „Geschichte der Lehre von der Generatio spontanea bis auf Ehrenberg“ (nicht erhalten) ab. Die darin diskutierte Annahme, daß sich alle Lebewesen aus einer Urform der unbelebten Materie entwickelt haben könnten, behielt W. bei. Mit den Kommilitonen Albert Günther (1830–1914), Gustav Jäger (1832–1917) und Eduard v. Martens (1831–1904), später auch mit Alfred Brehm (1829–84), teilte W. seine zoologischen Interessen. Er vertiefte diese 1852–55 als Assistent am Zoologischen Museum Berlin, wo er über Reptilien arbeitete und im Labor des Physiologen Johannes Müller (1801–58) mikroskopierte.

    Auf Einladung des schweizer. Geologen und Zoologen Louis Agassiz (1807–73) übernahm W. 1855 die Leitung des mikroskopischen Laboratoriums an der Harvard Univ. in Cambridge (Massachusetts), wo Agassiz 1859 das Museum für Vergleichende Zoologie begründete. Reisen an die Großen Seen Kanadas 1856 und nach Haiti 1857 nutzte W. zu völkerkundlichen Forschungen sowie zur Erkundung der Landschnecken und Korallen im karib. Raum. Gesundheitliche Beschwerden zwangen ihn 1858 zur Rückkehr nach Deutschland. 1859 wurde W. Wissenschaftlicher Sekretär der Zoologischen Gesellschaft in Frankfurt/M. und noch im selben Jahr Wissenschaftlicher Direktor des 1858 eröffneten Zoologischen Gartens. Mit der Redaktion der Zeitschrift „Der Zoologische Garten“, die W. seit 1859 im Auftrag der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft herausgab und die seit 1863 als „Centralorgan der zoologischen Gärten in Deutschland“ fungierte, schuf er ein Sprachrohr für die Zoobewegung und wissenschaftliche Tierzucht. Eine chronische Halskrankheit zwang W., sich 1863 von seinen Frankfurter Aufgaben und einem Lehrauftrag am Senckenbergischen Museum zurückzuziehen, wo er die Abteilung für wirbellose Tiere geleitet hatte. W. führte fortan ein Dasein als Privatgelehrter und freier Schriftsteller auf dem von ihm bewirtschafteten Familienbesitz Hohenwittlingen. Seit 1870 lebte er in Urach, 1876–83 in Esslingen und danach in Baden-Baden.

    W. publizierte populärwissenschaftliche Arbeiten zur Ur- und Frühgeschichte der Schwäb. Alb, in denen naturwissenschaftliche Kenntnisse mit ethnologischen und archäologischen Interessen verschmolzen. Diese Entwicklung kulminierte in „Rulaman“ (1878), einer umfangreichen, auf der Schwäb. Alb verorteten „Naturgeschichtlichen Erzählung aus der Zeit der Höhlenmenschen und der Höhlenbären“, die W. aus Geschichten für seine Söhne über die fiktiven, jungsteinzeitlichen „Aimat“-Menschen entwickelt hatte. „Rulaman“ stellt die Entwicklung des Höhlenjungen Rulaman vom Kindes- bis zum Mannesalter dar und ist einer der ersten Versuche, die Natur- und Vorgeschichte eines späteren dt. Sprachraums zu literarisieren. Manche von W.s Annahmen, z. B. zur Evolution des Baumbestands der Schwäb. Alb, haben sich als überholt erwiesen, andere wurden von der frühgeschichtlichen Forschung bestätigt. Seine Vergleiche zwischen historischen Bevölkerungsgruppen beruhten auf Annahmen über die biologischen und kulturellen Eigenschaften menschlicher „Rassen“, die heute unhaltbar sind.

    Versehen mit Illustrationen von Heinrich Leutemann (1824–1905), wurde „Rulaman“ zu einem Bestseller der Jugendbuchliteratur.

    Die Erzählung wurde in viele Sprachen übersetzt und bis heute über eine halbe Mio. Mal nachgedruckt. Noch Theodor Heuss (1884–1963) verglich sie mit Daniel Dafoes „Robinson Crusoe“. Dieser Erfolg gründet auf der Verknüpfung von Kindheitserzählung, heimatlicher Verankerung und dramatisch inszenierter Frühgeschichte der Menschheit. Sie verband sich im ausgehenden 19. Jh. mit der Suche nach identitätsstiftenden Ursprüngen der dt. Nation, wie sie Gustav Freytags (1816–95) Werke verkörperten. W.s zweites Hauptwerk, „Kuning Hartfest, Ein Lebensbild aus der Geschichte unserer deutschen Ahnen, als sie noch Wuodan und Duonar opferten“ (1879, zahlr. Neuaufll.), handelte von den Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern, erzielte allerdings keinen dem „Rulaman“ vergleichbaren Erfolg.

    W.s Ruhm als naturwissenschaftlich fundierter Heimatschriftsteller und Jugendbuchautor überschattete andere Aspekte seines Schaffens. W. hinterließ Arbeiten zur Vogel- und Höhlenkunde, zur Akklimatisation von Tieren in domestizierten Umgebungen, zu Bandwürmern, Weichtieren (v. a. Landschnecken) und Schildkröten, deren vergleichende Anatomie er für Agassiz’ „Contributions to the Natural History of the United States“ (Bde. 1–2, 1857) bearbeitete. Mit seinem Engagement für den Zoologischen Garten in Frankfurt/M., der damit einhergehenden Förderung der Akklimatisationsforschung und der Tierzucht sowie seiner literarischen Verzahnung von Natur- und Menschheitsentwicklung trug W. dazu bei, die Idee von Evolution zu dynamisieren, in einem regionalen Fokus einzufangen und in die bürgerliche Vorstellungswelt zu integrieren. Seine zoologische Kompetenz wurde auch außerhalb Deutschlands anerkannt.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. u. a. d. Freien Dt. Hochstifts, d. American Ac. of Arts and Sciences (1857) u. d. Leopoldina (1860);
    Ehrenmitgl. d. Ver. f. Natur- u. Altertumskde. Urach (1896) u. d. Schwäb. Höhlenver. (1899);
    „Jubiläumsdipl.“ d. Univ. Tübingen z. Erneuerung d. Dr.dipl. (1902);
    Württ. Gr. Medaille f. Kunst u. Wiss. (1905);
    Gedenktafel am ehem. Wohnhaus, Esslingen;
    Rulaman-Weg, W.-Linde (1955 gepflanzt) u. Gedenkstein mit Bronzetafel, Urach (2015 enthüllt).

  • Werke

    Weitere W J. Baumann’s Naturgesch. f. Volksschulen, 1861 (Bearb.);
    Aus grauer Vorzeit, 1947, zuletzt 2004 (stark gekürzte Ausg. v. „Rulaman“);
    Hg.: Mschr. „Der Thiergarten“, 1864;
    Autobiogr. in: Württ. Forsch.reisende u. Geographen d. 19. Jh., FS z. Feier d. 25j. Reg.jubiläums Sr. Majestät d. Kg. Karl, 1889, S. 170–73;
    Qu Univ.archiv Tübingen.

  • Literatur

    |F. Berger, D. F. W., 1967 (W, P);
    H. Binder, D. F. W., 1977 (W, P);
    A. Daum, Wiss.popularisierung im 19. Jh., ²2002;
    Rulaman d. Steinzeitheld, Sonderausst. d. Biberacher Braith-Mali-Mus., Ausst.kat. hg. v. F. Brunecker, 2003;
    U. Albrecht, An Gott glauben, nicht ihn wissen, D. F. W. (1829–1915), in: ders., Himmelreich auf Erden, Ev. Pfarrer als Naturforscher u. Entdecker, 2007, S. 157–67;
    J. Grützmacher, in: Stiftsköpfe, hg. v. V. Henning u. a., 2012, S. 306–11 (W, P);
    Frankfurter Biogr.;
    Lb. Schwaben 13 (P);
    Doderer (W, P);
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L).

  • Porträts

    |Ölgem. v. L. v. Martens, 1870 (Privatbes. E. Weinland, Hohenwittingen), Abb. in: Rulaman d. Steinzeitheld, 2003, S. 16;
    Photogr., in: H. Binder, 1977, Vorsatzbl. (beides s. L);
    Bronzerelief, Eingang d. Falkensteiner Höhle b. Grabenstetten.

  • Autor/in

    Andreas , Daum W.
  • Zitierweise

    Daum, Andreas W., "Weinland, David" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 646-648 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz139970.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA