Lebensdaten
1910 – 1988
Geburtsort
Lemberg
Sterbeort
Zürich
Beruf/Funktion
Wirtschaftswissenschaftler ; Statistiker ; Thora-Gelehrter ; Schriftsteller
Konfession
jüdisch
Namensvarianten
  • Weinreb, Fryderyk
  • Weinreb, Efraim Fischl Jehoschua (eigentlich)
  • Weinreb, Friedrich
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Zitierweise

Weinreb, Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz139980.html [28.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus ostgaliz. jüd. Fam., Nachkomme chassid. Zaddikim;
    V Rabbi Chajim David ( 1931), aus Zalesciki/Dnjestr, Textilfachmann;
    M N. N. ( 1931), T d. Nathan Löwe Jamenfeld (* 1858, Treblinka), Zaddik;
    wohl Ur-Gvm Mordechai Efraim Fischl (1821–86), Rabbiner in Gyömöre, Sajószentpéter, Munkatsch u. zuletzt Pest;
    1936 Esther Gutwirth (* 1912), aus Antwerpen, aus chassid. Fam. in Wiznitz (Bukowina);
    2 S David (* 1941), Salomon Elimelech (* 1942), 3 T u. a. Hermine (* 1937), Hanna (* 1938).

  • Biographie

    Nach Beginn des 1. Weltkriegs flüchtete W.s Familie nach Wien, 1916 nach Scheveningen (Niederl.), wo eine große jüd. Gemeinschaft existierte. Im Anschluß an sein Abitur an der dortigen Höheren Bürger-Schule studierte er Nationalökonomie und Statistik und war 1932–42 anfangs als wiss. Mitarbeiter, später als Forschungsleiter und Dozent am Niederl. Ökonomischen Institut in Rotterdam tätig. Der Schriftsteller und jüd. Aktivist Nathan Birnbaum (1864–1937), dessen Vertrauter und Sekretär W. eine Zeit lang war, führte ihn in das orthodoxe Judentum ein.

    W.s Rolle während der dt. Besetzung der Niederlande ist bis heute umstritten. Er wurde der Kollaboration mit den Nationalsozialisten verdächtigt, während er nach eigener Aussage nur zum Schein mit diesen zusammengearbeitet und Angaben zu fingierten Personen, Briefen und Dokumenten gemacht hatte. Mit einer gefälschten „Liste“ erreichte er einen Aufschub der Deportation von vielen hundert Juden. Nach Aufdeckung dieses Betrugs wurde W. verhaftet, schwer mißhandelt und im Mai 1943 in das Lager Westerbork überstellt. Abermals im Schein der Kollaboration habe er hier den Abtransport vieler Juden nach Auschwitz verhindert. Er selbst ging 1944 in den Untergrund. Ende 1948 wurde er durch den „Besonderen Gerichtshof“ zu sechs Jahren Haft wegen Kollaboration verurteilt, die mit der Untersuchungshaft verrechnet wurden. In seinem Werk „Collaboratie en verzet 1940–1945“ (3 Bde., 1969 / 70, dt. Die langen Schatten d. Krieges, 1989) legte W. Rechenschaft über die NS-Zeit ab und erhielt 1971 für den ersten Band den Literaturpreis der Stadt Amsterdam.

    1952 folgte W. einem Ruf als Ordinarius für Ökonometrie und Statistik in das unabhängig gewordene Indonesien, wo er bei der Ausbildung der Elite helfen sollte. 1956 wechselte er nach Kalkutta und arbeitete hier am 2. Fünfjahresplan der Regierung Nehru unter Leitung des Kybernetikers Norbert Wiener (1894–1964) mit. Nach einem Zwischenaufenthalt in Rotterdam wurde er 1958 in Ankara Direktor des Department of Economics und 1959 auch Rektor der Technischen Universität. 1961 fungierte er für zwei UNO-Organisationen als Experte am Internationalen Arbeitsamt in Genf. Hier verfaßte W. sein Hauptwerk „De Bijbel als Schepping“ (dt. Kurzfassung u. d. T. „Der göttl. Bauplan der Welt“, 1966, ungekürzt u. d. T. „Schöpfung im Wort“, 1994), das das Ergebnis seiner seit 1949 veranstalteten Kurse und gehaltenen Vorträge zur Bibel enthält. Als Reaktion auf das Buch gründeten niederl. Freunde eine private Akademie als Forum für W.; die Gründung ähnlicher Gesellschaften folgte im dt.sprachigen Raum.

    1964 zog W. nach Den Haag, später nach Naarden. 1968 übersiedelte er nach Jerusalem, bevor er sich 1973 endgültig in Zürich niederließ, wo er regelmäßig Kurse zur Bibel, auch zum Neuen Testament, gab. Vorträge in kirchlichen und kulturellen Einrichtungen sowie in Rundfunkanstalten führten ihn durch ganz Europa.

    W.s Anliegen war es zu zeigen, daß die Bibel das „Modell“ für die Weltschöpfung als Einheit von Sichtbarem und Unsichtbarem, Erscheinung und Wesen ist. Ausgehend vom hebr. Urtext und der Doppelwelt der sinnlich-unsinnlichen Sprache wollte er den Blick „in eine andere Welt“ ermöglichen. W.s Bibeldeutung in der pythagoreisch-kabbalistischen Tradition ähnelt der kanonischen Exegese der Kirchenväter. Sie stößt bei historisch-kritisch arbeitenden Exegeten auf Ablehnung, findet aber Anklang bei Philosophen wie Ferdinand Ulrich (* 1931) oder dem in den USA lehrenden Eugen Baer (* 1937) sowie bei Künstlern wie Emil Wachter (1921–2012) und Dieter Franck (1909–80). Seit 1980 widmet sich die von Marian v. Castelberg (1926–2017) und W. gegründete „Friedrich Weinreb Stiftung“ in Zürich der Edition und internationalen Verbreitung von W.s Werk. In ihrem Archiv werden rund 3000 Tonmitschnitte von Vorträgen W.s öffentlich zugänglich aufbewahrt.

  • Werke

    |u. a. Buchstaben d. Lebens, Nach jüd. Überlfg. erz. v. F. W., 1979;
    Wunder d. Zeichen, Wunder d. Sprache, Vom Sinn u. Geheimnis d. Buchstaben, 1979;
    Die Astrol. in d. jüd. Mystik, 1982;
    Zahl, Zeichen, Wort, Das symbol. Universum d. Bibelsprache, 1986;
    Leiblichkeit, Unser Körper u. seine Organe als Ausdruck d. ewigen Menschen, 1987;
    Innenwelt d. Wortes im NT, Eine Deutung aus d. Qu. d. Judentums, 1988;
    Das Buch v. Zeit u. Ewigkeit, Der jüd. Kal. u. seine Feste, 1990;
    Die jüd. Wurzeln d. Matthäus-Evangeliums, 1991;
    Schöpfung im Wort, Die Struktur d. Bibel in jüd. Überlfg., 1994, ³2012;
    Vor Babel, Die Welt d. Ursprache, 1995, ²2014;
    Das Markus-Evangelium, Der Erlöser als Gestalt d. rel. Weges, 2 Bde., 1999;
    Der Weg durch d. Tempel, Aufstieg u. Rückkehr d. Menschen, 2000;
    Gern möchte ich vom Messias erz., Juden u. Christen unterwegs, 2000;
    Die Freuden Hiobs, Eine Deutung d. Buches Hiobs n. jüd. Überlfg., 2006;
    Das Opfer in d. Bibel, Näherkommen zu Gott, 2010;
    Auswahlausgg.: Die bewahrte Stimme, Über Hören u. Sprechen in d. mündl. Überlfg., Mit Inhaltsangaben u. vollst. Verz. d. Tonkassetten d. ISIOM W. Tonarchiv 1971, 1982, 1983;
    Ch. Schneider (Hg.), W. Lesebuch, Mit e. Lb. d. Autors, 1997;
    ders., Im Lehrhaus d. Wortes, Reden u. Aufss., F. W. z. hundertsten Geb.tag, 2010;
    Weitere Autobiogr.: Der Krieg d. Römerin, Erinnerungen 1935–1943, 2 Bde., 1981;
    Begegnungen mit Engeln u. Menschen, Mysterium d. Tuns, Autobiogr. Aufzeichnungen 1910–1936, 1988;
    Meine Rev., Erinnerungen 1948 bis 1987, 1990;
    Bibliogr.: Internetpräsenz d. F.-W.-Stiftung;
    Nachlaß: F.-W.-Stiftung, Zürich.

  • Literatur

    L I. Koren, F. W.s Deutung d. zwei Schöpfungsgesch. im Buch Genesis, 2001;
    E. Baer, Aufwachen zum Ewigen, F. W.s Gedanken über d. Umkehr, 2004;
    ders., Gott ist da, wo wir sind, F. W.s Gedanken über d. Alltag, 2006;
    ders., Der Abstieg zu Gott, F. W.s Gedanken über d. Leib, 2007;
    ders., Hier u. Dort, F. W.s Gedanken über d. Geheimnis d. Weges, 2008;
    ders., Alles ist Preisen vom Ewigen her, F. W.s Gedanken über d. Psalmen, 2009;
    ders., Ewiges Leben im Wort, Eine Einf. in Leben u. Werk v. F. W., 2009;
    K. W. Hälbig, Das Wunder d. Wortes, F. W. (1910–1988), Mystiker u. Thora-Gelehrter, in: Geist u. Leben 2, 2011, S. 148–70 (P);
    ders., Der Baum d. Lebens, Kreuz u. Thora in myst. Deutung, 2011;
    ders., Das Alphabet d. Offenbarung, Neubuchstabierung d. Glaubens im Licht jüd. Mystik, 2012;
    BWN IV, 1994;
    Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L).

  • Autor/in

    Klaus , Hälbig W.
  • Zitierweise

    Hälbig, Klaus W., "Weinreb, Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 648-649 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz139980.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA