Lebensdaten
1529 – 1581
Geburtsort
Usingen
Sterbeort
Udenheim
Beruf/Funktion
Bischof von Speyer
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 102322694 | OGND | VIAF: 34841913
Namensvarianten
  • Marquard
  • Hattstein, Marquard von
  • Marquard von Hattstein
  • mehr

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Zitierweise

Marquard von Hattstein, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd102322694.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus rhein. Rittergeschl.;
    V Conrad ( 1553), 1517-35 nassau. Amtmann zu Usingen, 1535-37 frankfurt. Amtmann, kurmainz, Vizedom, Marschall u. Hofrichter, 1542 kaiserl. Kommissar, kaiserl. (1544) u. kurtrier. Obrist, S d. Marquard ( 1514), nassau. Amtmann zu Usingen, u. d. Anna Wais v. Faurbach;
    M Agathe, T d. Johann Schenk zu Schweinsberg u. d. Guta v. Schwalbach, verw. v. Rheinberg;
    Groß-Ov Johann ( 1518), Domherr zu Mainz (s. NDB VIII);
    Ov Marquard (1488–1522), Domherr zu Mainz, Johann ( 1540). kurmainz. Amtmann zu Höchst;
    Vt Wolf ( 1566), Kämmerer zu Worms;
    N Wolf ( 1588), Jerusalemritter, Balthasar, 1570 Domherr zu Worms u. Speyer: Verwandte Gottfried ( 1517), Domherr zu Mainz, Johann ( 1546), Großprior d. Johanniter-Ordens, Fürst zu Heitersheim.

  • Biographie

    Schon früh für eine geistliche Laufbahn bestimmt, wurde M. 1544 in Speyer als Domizellar aufgeschworen; 1553 avancierte er zum Kanoniker, 1555 zum Domscholaster und 1558 zum Dompropst. Sein Vater und der Mainzer Erzbischof Daniel Brendel v. Homburg ( 1582) öffneten ihm auch den Weg in das Mainzer Domkapitel, wo er 1551 Domizellar, 1552 Kanoniker, 1558 Domkantor und 1568 schließlich Domkustos wurde. Als Amtmann von Bingen, wo er 1556 über den dortigen Schloßbau die Aufsicht führte, mußte M. jedoch wegen nachlässiger Amtsführung bald abgelöst werden. Seine Studien betrieb er 1549 in Löwen, 1551/52 in Mainz, wo er seit 1548 ein Kanonikat am Ritterstift St. Alban innehatte. Am 16.8.1559 wurde M. zum Koadjutor des geistig umnachteten Speyrer Bischofs Rudolf v. Franckenstein gewählt, jedoch entgegen der Praxis der Zeit ohne Recht der Nachfolge, weshalb am 18.7.1560 eine förmliche Bischofswahl stattfinden mußte. Die Priester- bzw. Bischofsweihe empfing er am 7. bzw. 8.9.1561 zu Bruchsal.

    Schon die Tradition des Vaters verwies M. auf Kaiser und Reich. 1554 zum kaiserl. Rat ernannt, wurde er wiederholt mit Missionen betraut (Fuldaer Kurfürstentag 1568, Frankfurter Reichsdeputationstag 1569). Bei der Krönung Kaiser Maximilians II., mit dem ihn zeitlebens Freundschaft verband, wirkte M. (zusammen mit dem Mainzer Erzbischof und dem Bischof von Würzburg) mit, ebenso bei der Verlobung bzw. Trauung der Kaisertöchter Elisabeth und Anna 1570 in Speyer. Die engen Beziehungen zum Kaiser wie auch zum Mainzer Erzbischof brachten M., nach der Resignation Graf Friedrichs von Löwenstein, 1569 als ersten einer Reihe Speyer. Fürstbischöfe in das Amt des Kammerrichters am Reichskammergericht zu Speyer (Prägung von Halbguldenstücken zum Amtsantritt). Nun besserte sich auch das gespannte Verhältnis zur prot. Reichsstadt Speyer. Gegenüber den weltlichen Nachbarterritorien betrieb M. eine vorsichtige Politik. Gegen die zahlreichen Klosteraufhebungen, die Durchsetzung der Reformation in Gemeinschaftsherrschaften und die Besetzung Speyer. Patronatspfarreien mit Protestanten erhob er kaum Widerspruch; ob sein Fernbleiben vom Augsburger Reichstag 1566 in diesem Zusammenhang gesehen werden muß, ist allerdings umstritten. Mit Kf. Friedrich III. von der Pfalz und dessen Sohn Johann Kasimir verband ihn Freundschaft, weshalb das Speyer. Territorium, im Gegensatz etwa zum Hochstift Worms, zu M.s Lebzeiten nicht behelligt wurde; der Fürstbischof konnte somit Hochstift und Diözese Speyer „über die schwierigste Stunde seit ihrem Bestehen“ (Stamer) hinüberretten.

    „Ein weltlich eingestellter Politiker“ (Stamer), verstand sich M. in erster Linie als Reichsfürst. Seinen ausgeprägten Sinn für fürstliche Repräsentation bezeugen der Ausbau der Residenz in Udenheim, wie auch die üppige Hofhaltung. Diese stand ebenso wie M.s (mit mangelhafter Rechnungskontrolle verbundene) schlechte Haushaltsführung wiederholt im Kreuzfeuer der Kritik des auf Sparsamkeit bedachten Domkapitels. Ansätze zu wirtschaftlichen Aktivitäten sind in der Bestellung eines „Werkmeisters“ für das neueröffnete Blei- und Silberbergwerk Bobenthal zu erkennen. M. regierte ohne ordnungsgemäße Ratsgremien und folgte bei der Auswahl seiner Ratgeber weitgehend persönlichen Präferenzen; in seiner Umgebung dominierten Häretiker sowie Parteigänger von Kurpfalz; Brüder und Schwäger M.s wurden auffallend bevorzugt, auch illegitime Hattsteinische Abkömmlinge erhielten Bestallungen.

    Von einer generellen Vernachlässigung seiner geistlichen Pflichten kann, angesichts von mehr als zwei Dutzend auf die Hebung des sittlichen Niveaus von Klerikern und Laien abzielender Synodalschreiben, schwerlich die Rede sein. Obwohl selbst Konkubinarier, ging M. gegen abgefallene und im Konkubinat lebende Priester mit Schärfe vor. Er veranlaßte Untersuchungen der Gebrechen der Speyrer „Nebenstifte“, setzte für die Kontrolle der bischöflichen Pfründen eigene „Kirchenbereiter“ ein und trat auch für das, wenn auch zunächst ungeliebte, Speyrer Jesuitenkolleg (seit 1571) gegenüber der Reichsstadt ein. Allerdings war es das Domkapitel unter seinem Dechanten Andreas von Oberstein, das sich als das eigentliche Rückgrat des Katholizismus in Hochstift und Bistum bewährte. Demgegenüber erscheint die Person des Fürstbischofs in weniger günstigem Licht. Dazu trägt einmal die (offenbar über politisches Zweckverhalten hinausgehende) Verbindung mit dem kurpfälz. Haus bei. Möglicherweise hat M. die Intervention Pfalzgraf Johann Kasimirs für die franz. Hugenotten begünstigt, wie er auch mehrmals den Hugenottenführer Condé beherbergt haben soll. Er trat in Heiratsverhandlungen mit Friedrich III. wegen dessen (dann 1569 mit Landgf. Philipp von Hessen-Rheinfels verehelichter) Tochter Anna Elisabeth und betrieb in diesem Zusammenhang weitgehend aus Eigenmitteln den Ausbau der Udenheimer Residenz. Bestrebungen des Nassauischen Grafenvereins nach einer Säkularisierung der rhein. Stifte scheint M. zuzeiten nicht abgeneigt gewesen zu sein. Es ist nicht auszuschließen, daß Pläne, das Herrschaftssystem zu verändern (verbunden mit einer Verehelichung mit seiner Konkubine Elisabeth Gummitz), lediglich an M.s zerrüttetem Gesundheitszustand gescheitert sind. Vollends rückt die erst von jüngster Forschung (Mielke) aufgedeckte Verbindung zu Lehre und Anhängerschaft Kaspar Schwenckfelds M. ins Zwielicht. In der Hattsteinschen Familienchronik als „großer Schwenckfeldianer“ bezeichnet, kam M. möglicherweise schon als junger Domherr mit diesen Kreisen in Berührung. Spätestens 1572, im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung durch die Geschwister Schleicher in Ulm, „der Schwenckfelderzentrale“ (Mielke), hat sich M. dieser Bewegung zugewandt, zu der auch sein Leibarzt Samuel Eisenmenger sowie eine Reihe weiterer Bediensteter gehörten. Die Schwenckfeldianer wurden durch M. gefördert; er stiftete ihnen eine Druckerei in Wimpfen und bedachte Anna Elisabeth Landschad v. Steinach, eine Verehrerin und Korrespondenzpartnerin Schwenckfelds, in seinem Testament. – Schon vor seiner Wahl von Krankheit gezeichnet (Podagra), war M. in seinen letzten Lebensjahren durch Lähmungen und Schlagflüsse weitgehend arbeitsunfähig. Als Universalerben setzte er seine Brüder Konrad und Georg ein; Elisabeth Gummitz mußte um das ihr zugedachte Legat vor dem Reichskammergericht streiten. Die Beurteilung des auch von seinen ev. Mitständen hochgeachteten M. hat sich mit der Erschließung neuer Quellen erheblich gewandelt. Die positive Würdigung durch Remling (1854) wurde durch die differenziertere, den Balanceakt zwischen nach außen zur Schau getragener Kirchlichkeit und innerer Neigung zur Häresie herausstellende Sicht Stamers (1955) abgelöst. M. der Schwenckfeldschen Richtung zugeordnet zu haben, ist das Verdienst Mielkes (1977).

  • Literatur

    F. X. Remling, Gesch. d. Bischöfe zu Speyer, 2 Bde., 1854;
    L. Stamer, KG d. Pfalz III, 1, 1955;
    G. Rauch, Das Mainzer Domkapitel in d. Neuzeit, Zu|Vfg. u. Selbstverständnis e. adeligen geistl. Gemeinschaft, in ZSRGK 61, 1975, S. 161-227, 62, 1976, S. 194-278, 63, 1977, S. 132-79;
    L. G. Duggan, Bishop and Chapter, The Governance of the Bishopricof Speyer to 1552, 1977;
    H. P. Mielke, Die Niederadeligen v. Hattstein, ihre pol. Rolle u. soz. Stellung. Zur Gesch. e. Fam. d. mittelrhein. Reichsritterschaft v. ihren Anfängen bis z. Ende d. 30j. Krieges mit e. Ausblick auf d. J. 1762, 1977;
    ders., Schwenckfeldianer im Hefstaat Bischof M.s v. Speyer (1560–81). in: Archiv f. mittelrhein. KG 28, 1976, S. 7-82.

  • Autor/in

    Günter Christ
  • Zitierweise

    Christ, Günter, "Marquard von Hattstein" in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 242-244 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd102322694.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA