Lebensdaten
1892 – 1963
Geburtsort
Gut Wredensitz (Preedi, Järvamaa, Estland)
Sterbeort
Bonn
Beruf/Funktion
Journalist ; Politiker
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 101561644 | OGND | VIAF: 161972355
Namensvarianten
  • Vries, Axel Hermann Werner de
  • Vries, Axel de
  • Vries, Axel Hermann Werner de
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Zitierweise

Vries, Axel de, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd101561644.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Franz (* 1863 / 64), aus Addila (Estland), Landwirt, seit 1905 Rr.gutsbes. u. Mitgl. d. estländ. LT (s. Album Academicum d. Ksl. Univ. Dorpat, bearb. v. A. Hasselblatt u. G. Otto, 1889);
    M Agnes (1864–1919), T d. Alexander (Axel) Boustedt (1827–81), Dr. med., 1857 Kirchspielsarzt in Dagden, Fabriksarzt in Kertel (Kärdla) auf Dagö, Staatsrat (s. Album Academicum d. Ksl. Univ. Dorpat, bearb. v. A. Hasselblatt u. G. Otto, 1889; Album Estonorum, 1939), u. d. Emilie (Emmy) Johanna Hensell (1843–1920);
    B Franz Werner Hermann (1890–1938), Schw Luise Dorothea (1894–1941);
    1918 Elisabeth (Else) (1891–1978), T d. Werner Zoege v. Manteuffel (1857–1926), 1899–1918 Prof. f. Chirurgie in Dorpat, 1925 Mitgl. d. Leopoldina (s. Dt.balt. biogr. Lex.; M. Fischer, Russ. Karrieren, Leibärzte im 19. Jh., 2010), u. d. Anna (Anita) de Vries (1864–1918);
    1 T Liselotte (1921–2011, Otto Windsor [?], 1913–86, Dr.);
    Gvm d. Ehefrau Franz Hermann de Vries (1809–83), aus Bremen, Kaufm. in St. Petersburg.

  • Biographie

    Nach Privatunterricht, dem Besuch des russ. Nikolai-Gymnasiums und der Estländ. Ritter- und Domschule in Reval (Tallinn) (Abitur 1910) studierte V. 1910 / 11 Medizin und 1912–18 – offenbar ohne Abschluß – Jura an der Univ. Dorpat (Tartu), wo er sich der dt.-balt. Studentenverbindung „Estonia“ anschloß. Seit 1914 war er Mitarbeiter der „Nordlivländ. Zeitung“ in Dorpat. 1917 ging er nach Deutschland, um als Kriegsfreiwilliger zu kämpfen. Er wurde vom preuß.-dt. Generalstab als Verbindungsmann zu den dt.-balt. Eliten in seiner Heimat eingesetzt, u. a. mit dem Auftrag, eine estländ. Delegation für die Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk zusammenzustellen. Im Jan. 1918 geriet er mit Geheimdokumenten in sowjetruss. Gefangenschaft, wurde aber nach erfolgtem Friedensschluß im März 1918 wieder freigelassen. Danach war V. bis 1920 Chef der Nachrichtenstelle im sog. Baltenregiment, einem Freikorps. 1920 / 21 war er Leiter der Saatzuchtstation des Estländ. Landwirtschaftlichen Vereins und – nach der Enteignung seines Familienguts – 1921–40 Hauptschriftleiter des „Revaler Boten“. 1921–23 war er Stadtverordneter in Reval, 1924–26 Abgeordneter des estn. Parlaments und 1925–33 Vorsitzender der „Deutschbaltischen Partei“.

    V. stand der Republik Estland grundsätzlich loyal gegenüber, unterstützte in den 1930er Jahren den autoritären Kurs des Staatsältesten Konstantin Päts (1874–1956) und galt trotz positiver Äußerungen zu Hitler nicht als Anhänger des Nationalsozialismus.

    Nach der Zwangsumsiedlung der Dt.-Balten als Folge des „Hitler-Stalin-Pakts“ 1939 bzw. der Annexion Estlands durch die Sowjetunion wurde V. im „Warthegau“ im besetzten Polen ein Bauernhof zugewiesen. Zur Wehrmacht eingezogen, war V. 1941–44 „landwirtschaftlicher Sonderführer“ im besetzten Weißrußland, wo er mutmaßlich an Maßnahmen zur Partisanenbekämpfung beteiligt war und Konzepte zur Vernichtung der weißruss. Juden entwickelte; 1942 wurde er Chefredakteur des Blatts „Der Landwirtschaftsführer“. Seit Jan. 1944 verantwortete er die Ansiedlung von drei Regimentern antisowjet. Kollaborateure (Kosaken, Kaukasier) als Wehrbauern.

    Nach seiner Flucht Anfang 1945 nach Westen faßte V. beruflich wieder Fuß als Journalist in der entstehenden Vertriebenenpresse: 1948 / 49 war er Chefredakteur der Zeitung „Dein Weg“ (Stuttgart), 1949–53 der „Ostdeutschen Zeitung, die Stimme der Vertriebenen“ (Hamburg). V. schloß sich der FDP an, für die er 1953 wenige Monate als Nachrücker dem Dt. Bundestag angehörte, doch blieb die Parteipolitik eine Episode. Er profilierte sich als Repräsentant der entstehenden Vertriebenenverbände: V. gehörte 1950 zu den Mitbegründern der „Deutsch-Baltischen Landsmannschaft in Baden-Württemberg“ und Ende der 1940er Jahre zu dem kleinen Kreis von Vertriebenenpolitikern, die die „Charta der Heimatvertriebenen“ ausarbeiteten. Seine Behauptung, daß er einer der Hauptautoren war, ist nicht belegbar. 1950–52 war V. Vorsitzender bzw. geschäftsführender Vorsitzender der „Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften“ (VOL), 1954–62 amtierte er als hauptamtlicher stellv. und seit 1962 als erster Sprecher der „Deutsch-Baltischen Landsmannschaft“. Die „Ostdeutsche Zeitung“ bot V. eine Bühne, meinungsbildend in der Vertriebenenpolitik zu wirken; er galt, auch wegen seiner Vernetzung in den Vertriebenenverbänden, als „graue Eminenz“. Anfang der 1950er Jahre hintertrieb er die Ambitionen von Linus Kather (1893–1983), Vorsitzender des „Zentralverbands vertriebener Deutscher“ (ZvD), einen einheitlichen Dachverband der Vertriebenenverbände unter dessen Führung zu schaffen und war beteiligt an der Entmachtung Kathers bei der Gründung|des „Bundes der Vertriebenen“ (BdV) 1957/58. V. selbst blieb, ohne im BdV ein formelles Amt innezuhaben, weiter einflußreich. Als Vertreter der Landsmannschaften bzw. des BdV nahm er als Beobachter an den Außenministerkonferenzen von Berlin 1954 und Genf 1956 und 1959 sowie den Gipfelkonferenzen in Genf 1955 und Paris 1960 teil.

    Bei Vernehmungen durch eine Sonderkommission der Kriminalpolizei Rheinland-Pfalz Anfang der 1960er Jahre bestritt V. seine Beteiligung an Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg.

  • Werke

    |Die Sowjetunion n. d. Tode Lenins, 1924 u. 1925;
    Das Dt.tum in Estland, 1928;
    Das Führerprinzip im Bolschewismus, Seine theoret. Grundlagen u. tatsächl. Auswirkungen, 1929;
    Grenzland in Not, Eindrücke v. e. Pressefahrt, 1931;
    Übers.: David Shub, Lenin, 1957 (mit M. Zedtwitz);
    zahlr. pol. Aufss. u. Btrr., v. a.: Neue Entwicklungen in Estland, in: Osteuropa 8, 1933–34, S. 157–65;
    Die Innenpol. Estlands im letzten J., in: Jb. d. Balt. Dt.tums 1928, S. 81 f.;
    Das letzte J. in d. Innenpol. Estlands., ebd., S. 80–82;
    Die ewige balt. Position, in: Balt. Mhh. 1933, S. 67–72.

  • Quellen

    |Nachlaß: BA Koblenz (N 1412); Niederschrift e. auf Tonband aufgenommenen Darst. d. Erlebnisse V.s in d. J. 1914–30 in Unterredungen mit Baron Wilhelm Wrangell in Bonn am 20. u. 21. 9. 1962 im Archiv d. Herder-Inst. Marburg (DSHI 140 Balt 232).

  • Literatur

    |F. Wertheimer, Von dt. Parteien u. Parteiführern im Ausland, ²1930;
    W. Baron Wrangell, A. de V. als Heimatpol. in Estland, in: Jb. d. Balt. Dt.tums 1964, S. 11–23 (P);
    M. Garleff, Dt.balt. Pol. zw. d. Weltkriegen, Die parl. Tätigkeit d. dt.balt. Parteien in Lettland u. Estland, 1976;
    Ch. Gerlach, Kalkulierte Morde, Die dt. Wirtsch.- u. Vernichtungspol. in Weißrußland 1941 bis 1944, 1999;
    M. Stickler, „Ostdt. heißt Gesamtdt.“, Organisation, Selbstverständnis u. heimatpol. Zielsetzungen d. dt. Vertriebenenverbände 1949–1972, 2004;
    ders., „Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache u. Vergeltung“, Die Stuttgarter Charta v. 5./ 6. Aug. 1950 als zeithist. Dok., in: „Zeichen d. Menschlichkeit u. d. Willens z. Versöhnung“, 60 J. Charta d. Heimatvertriebenen, hg. v. J.-D. Gauger u. H.-J. Küsters, 2011, S. 43–74;
    M. Schwartz, Funktionäre mit Vergangenheit, 2013;
    K. Maier, Dt.balt. Parl. in Estland in d. Zw.kriegszeit, in: B. Conrad u. a. (Hg.), Parl. d. dt. Minderheiten im Europa d. Zw.kriegszeit, 2015, S. 65–82;
    Dt.balt. Biogr. Lex.;
    M. O. Balling, Von Reval bis Bukarest, Statist.-Biogr. Hdb. d. Parl. d. dt. Minderheiten in Ostmittel- u. Südosteuropa 1919–1945, 2 Bde., 1991;
    Schumacher, M. d. B.;
    Biogr. Hdb. MdB.

  • Autor/in

    Matthias Stickler
  • Zitierweise

    Stickler, Matthias, "Vries, Axel de" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 141-142 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd101561644.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA