Lebensdaten
1867 – 1936
Geburtsort
Danzig
Sterbeort
Bennewitz bei Wurzen (Sachsen)
Beruf/Funktion
sozialdemokratischer Politiker ; Publizist
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 101422202 | OGND | VIAF: 71760545
Namensvarianten
  • Lipinski, Richard
  • Lipinski, R.
  • Lipinski, Rich.
  • mehr

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Zitierweise

Lipinski, Richard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd101422202.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann (1837–75), aus Tiegenhof, Arbeiter u. Balkenhauer;
    M Wilhelmine Schröder (1832–85) aus Stolp (Pommern);
    Kleinmiltitz (Sachsen) 1875 Selma Böttger adopt. Brause (1875–1960);
    3 S (1 ⚔), 5 T (2 früh †), u. a. Fritz (* 1915), Architekt, Lyriker.

  • Biographie

    Armut und Familientrennung kennzeichneten L.s Jugend in Danzig. Die beim Vater verbliebenen Geschwister waren zur Arbeit gezwungen – so auch L., der als Kind auf einer Schiffswerft arbeitete. An eine höhere Bildung über die Volksschule hinaus war nicht zu denken. Nach kurzfristiger Verdingung als Lohnarbeiter folgte Ende 1881 eine Handlungsgehilfenlehre (Materialwarengeschäft mit Branntweinausschank), die L. wegen Mißhandlung durch den Lehrherrn 1882 abbrach. Etwa 1885, als er seine Lehre in einem Geschäft der gleichen Branche beendet hatte, zog die Mutter mit den vier Kindern nach Leipzig. Hier betätigte sich L. als Verkäufer und dann als Buchhalter in einer Spiegel- und Rahmenfabrik. Von lebhafter Intelligenz und stets bemüht, sein Wissen autodidaktisch zu erweitern, war er mit den Ideen der in Leipzig sehr starken sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in Berührung gekommen. Nach dem Fall des Sozialistengesetzes (1890) schloß er sich auch offiziell der Sozialdemokratischen Partei an, wurde in der Gewerkschaftsbewegung aktiv und wandte sich dem Journalismus zu. 1890 entstand aufgrund seiner Initiative die Leipziger „Freie Vereinigung der Kaufleute“. 1897 gehörte er zu den Mitbegründern des Zentralverbandes der Handlungsgehilfen Deutschlands, aus dem später der Zentralverband der Angestellten hervorging. Seit 1891 arbeitete L. als Berichterstatter beim „Wähler“, der sich seit 1894 „Leipziger Volkszeitung“ nannte. Dieser neben dem „Vorwärts“ bedeutendsten Tageszeitung der deutschen Sozialdemokratie gehörte er bis 1901 als Redakteur an. 1898 gründete er eine eigene Verlagsbuchhandlung, die ihm eine relativ gesicherte Existenz verschaffte und in der er später auch zahlreiche Schriften veröffentlichte.

    L. hatte 1903-07 sein erstes Reichstagsmandat inne. In der Leipziger Arbeiterbewegung wurde er zu einer überragenden Integrationsfigur und war 1907-33 Vorsitzender des SPD-Bezirks Leipzig. Wohl kein anderer|regionaler Parteiführer in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie dürfte so oft in seinem Amt bestätigt worden sein. Parallel zu L.s journalistischer entwickelte sich seine schriftstellerische Tätigkeit. Sozialpolitische Themen (Arbeitsrecht u. ä.) standen anfangs im Vordergrund. Während des 1. Weltkriegs schloß er sich der USPD an, die in der Kriegsfrage eine von der Mehrheitssozialdemokratie abweichende Stellung vertrat. Es zeugt von seiner Führungspersönlichkeit, daß die Leipziger SPD 1917 fast geschlossen zur USPD übertrat. Im März 1918 wurde L. wegen Verdachts des „versuchten Hochverrats“ in Untersuchungshaft eingeliefert. Bevor der Prozeß beginnen konnte, brach die Revolution aus. Am 15.11.1918 wurde L. Sächs. (USPD-)Ministerpräsident. Die schwache Revolutionsregierung hielt sich bis zum 16.1.1919. Anschließend war L. Vizepräsident der Sächs. Volkskammer (25.2.1919-1.12.1920) und Innenminister des Freistaats Sachsen (1.12.1920-2.2.1923). Im Juni 1920 errang er für die USPD ein Mandat im Reichstag, dem er bis zum 22.6.1933 (Verbot der SPD) angehörte. Die Kommunisten, die erheblich dazu beigetragen hatten, daß das Kabinett, dem L. angehörte, gestürzt wurde, bildeten im Okt. 1923 zusammen mit der SPD die neue sächs. Landesregierung unter Erich Zeigner. L. (inzwischen wieder SPD-Mitglied) hatte vor einer Koalition mit der KPD gewarnt. Als jedoch die Reichsregierung die Reichswehr in Richtung Sachsen in Marsch setzte und die Regierung Zeigner absetzte, kritisierte er dieses Vorgehen als Bruch der Verfassung.

    Während der späteren Reichstagsarbeit galt L.s Engagement besonders der Sozialgesetzgebung, dem Mietrecht und der Verwaltungs- und Gemeindereform. L. war einer der Gründer der starken Berufsorganisation der sozialdemokratischen Journalisten, des „Vereins Arbeiterpresse“. In seinem letzten Jahrzehnt betätigte er sich vorwiegend als historischer Publizist. Seine zweibändige Geschichte der Sozialdemokratie „von ihren Anfängen bis zur Gegenwart“ (1927/28) war wegen ihrer übersichtlichen Darstellung sehr beliebt. Das Jahr 1933 brachte das Ende der politischen Laufbahn L.s. Er wurde von den Nationalsozialisten mehrfach mißhandelt und mußte mehrere Monate (Winter 1934/35) in Untersuchungshaft zubringen. Von den Folgen dieser Haft konnte er sich nie wieder richtig erholen. Trotz NS-Terror gab ihm eine riesige Menschenmenge das letzte Geleit.

  • Werke

    Weitere W u. a. Proletariers Kampfmittel (Festspiel f. Arbeitervereine), 1892;
    Friede auf Erden (Theaterstück), 1893;
    Der Arbeitsvertrag, 1894;
    Rechte u. Pflichten des Mieters, 1894;
    Das Recht u. d. Rechtshilfe d. Handlungsgehilfen, 1895;
    Arbeiterführer f. Leipzig, jährl. 1899-1932;
    Dtld.s Soz.pol., 1908;
    Das Reichsvereinsgesetz, 1908;
    Die Polizei in Sachsen, 1909;
    Heraus aus d. Kirche, 1919;
    Die Landgemeindeordnung in Sachsen, 1919;
    Der Kampf um d. pol. Macht in Sachsen, 1926;
    Die Gesch. d. Sozialist. Arbeiterbewegung in Leipzig, 1931.

  • Literatur

    Kürschners Dt. Reichstag, Biogr.-statist. Hdb., XI. Legislaturperiode 1903-08 (P) u. Legislaturperioden 1924, 1928, u. 1930 (P);
    Hdb. d. Ver. Arbeiterpresse, 3. Jg., 1914, S. 456;
    Hdb. d. Ver. Arbeiterpresse, 4. Folge, 1927, S. 442;
    Leipziger Volksztg., Nr. 36 v. 12.2.1932;
    F. Osterroth, Biogr. Lex. d. Sozialismus I, 1960, S. 201;
    W. Kosch, Biogr. Staatshdb. II, 1963, S. 774;
    Rhdb. (P);
    M. Schwarz, Biogr. Hdb. d. Reichstage, 1965, S. 705.

  • Porträts

    Phot. (Bonn, Friedrich-Ebert-Stiftung).

  • Autor/in

    Wolfgang Stärcke
  • Zitierweise

    Stärcke, Wolfgang, "Lipinski, Richard" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 643-644 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd101422202.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA