Lebensdaten
1896 – 1945
Geburtsort
Großeichen (Oberhessen)
Sterbeort
Berlin-Lichterfelde
Beruf/Funktion
technischer Physiker ; Werkstofforscher ; Maschinenbauer
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 139661832 | OGND | VIAF: 102523585
Namensvarianten
  • Lehr, Ernst

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Zitierweise

Lehr, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd139661832.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Julius (1863–1923), Pfarrer, S d. Lehrers Johann Adam u. d. Wilhelmine Zöller;
    M Mathilde (1863–1919), T d. Pfarrers Otto Kleberger (1822–80) u. d. Lina Koch;
    Hamburg-Blankenese 1922 Katharina (* 1898), T d. Carl-Friedrich Sachsse (1886–1946) u. d. Frieda Natalie Töpolt;
    1 S, 1 T.

  • Biographie

    L. besuchte das Humanistische Gymnasium in Friedberg und studierte anschließend an der TH Darmstadt Maschinenbau u. Elektrotechnik. Seine wichtigsten Lehrer waren Viktor Blaeß und Enno Heidebroek. Den 1. Weltkrieg machte er als Artillerieoffizier mit. 1922 legte er das Diplomexamen ab und trat in die Darmstädter Maschinenfabrik Carl Schenck AG als Entwicklungsingenieur ein. Hier arbeitete er auf den Gebieten Auswuchttechnik und Schwingungsantriebe. 1924 entwickelte er u. a. eine hochfrequente Zugdruckmaschine nach dem Resonanzprinzip, Dauerbiegemaschinen und Drehschwingmaschinen für die Dauerfestigkeitsprüfung. Angeregt von dieser Arbeit, bildete L. den neuen Begriff „Dauerfestigkeit“ als Grenzwert wechselnder Beanspruchung, die gerade noch beliebig lange bruchfrei ertragen werden kann. Er ermittelte auf seinen Dauerprüfmaschinen bei gestaffeltem Spannungsausschlag und gleichbleibender Mittelspannung die Anzahl der Lastspiele bis zum Bruch und nahm davon Wöhler-Kurven auf. Als Grenzspielzahl fand er für Stahl 10 Mill., für Leichtmetalle um 100 Mill. Lastspiele. In seinem Dauerfestigkeits-Schaubild von 1926 zeigte L. für jede Werkstoffart die Dauerfestigkeit bei Biegung, Zug-Druck und Verdrehung. Er konnte daraus zu jeder Mittelspannung den Spannungsausschlag ablesen und so die Konstruktionen auf Dauerbruch berechnen. L. fand aber auch, daß durch den Einfluß der Werkstoffgröße, der Oberflächenbeschaffenheit und der Formgebung die Dauerfestigkeit von Bauteilen sinken konnte. Diese neue Sicht der Festigkeitslehre war Thema seiner vielbeachteten Doktorarbeit von 1925.

    Vertraut mit der mathematischen Schwingungslehre, legte L. 1928 auf der Darmstädter Schwingungstagung seine erste Arbeit über Federn vor. Im weiteren Verlauf seiner Schwingungsforschung entdeckte er gemeinsame Gesetzmäßigkeiten bei mechanischen und elektrischen Schwingungen. L. verwendete diese Erkenntnisse auch bei der Erfindung von Meßgeräten, wie dem dynamischen Dehnungs- und dem elektrischen Feindehnungsmesser. Diese Geräte erlangten Bedeutung bei der Spannungsprüfung von betriebsfertigen Werkstücken wie Maschinengehäusen, Brücken oder Schiffen, aber auch von bewegten Bauteilen wie Kolbenstangen oder Kurbelwellen. Aus den dynamischen Dehnungsmessungen folgerte L. die Spannungsverteilung in den Konstruktionsteilen und fand, daß die höchste Spannung in einem Maschinenteil bis zum Fünffachen der übrigen Zonen erreichte. Neben der Prüfung mit Dehnungsmessern stützte sich L. 1932 auf das Reißlackverfahren von Otto Dietrich (1890–1942), mit dem beide beim Maybach Motorenbau in Friedrichshafen Versuche an Kurbelwellen, Aluminiumkolben und Pleuelstangen ausführten. 1935 berief das Staatl. (Preuß.) Materialprüfungsamt L. als Leiter der Abteilungen Maschinenbau und Mechanische Technologie nach Berlin-Dahlem. Hier erweiterte er seinen Forschungsbereich auf die praktische Ermittlung der Spannungsverteilung in schwierig geformten sowie den Kraftverlauf in rasch bewegten Maschinenteilen. Er befaßte sich theoretisch und im Versuch mit der Fahrzeugfederung und der Tragfähigkeit von Preßstofflagern. Gleichzeitig führte er Prüfungen für das Heereswaffenamt durch, betreute Berliner Laboratorien von Siemens und Borsig und wirkte als Privatdozent an der TH Berlin, wo er sich 1936 habilitierte.

    Auf Veranlassung des Entwicklungsingenieurs im Oberkommando der Kriegsmarine H. Waas kam L. 1938 zur MAN nach Augsburg, wo er für alle deutschen Schiffsmaschinen-Hersteller die „Forschungsanstalt für Mechanik und Gestaltung“ aufbaute und leitete, wozu er aus Berlin seine Mitarbeiter Fritz Ruef, Walter Willms, Heinz Brätsch und den Maschinenkonstrukteur Alfred Skiba mitbrachte. Als führender Schwingungsfachmann leitete er außerdem die „Forschungsanstalt für Gleiskettenfahrzeuge“ im MAN-Werk Nürnberg. In Augsburg baute er Prüfmaschinen von bisher nicht bekannter Größe, in Nürnberg erfand er die erste Torsionsstabfederung mit größten Federwegen für Schwerstfahrzeuge. Zuletzt also eingespannt in die Zweckforschung, arbeitete L. doch an den wissenschaftlichen Grundlagen seiner Festigkeits- und Schwingungslehre weiter. In seinem Wirken erwies er sich als Nachfahre von August Wöhler, Johann Bauschinger, Adolf Martens und Carl v. Bach. Zu einer Besprechung in das Heereswaffenamt nach Berlin gerufen, kam L. zusammen mit seinem Nürnberger Assistenten Ulrich Bertschinger bei einem Bombenangriff ums Leben. Sein Augsburger Laboratorium wurde 1946 demontiert und in die USA gebracht.

  • Werke

    u. a. Die Abkürzungsverfahren z. Ermittlung d. Schwingungsfestigkeit v. Materialien, 1925 (Diss. TH Stuttgart);
    Schwingungstechnik, 2 Bde., 1930/34 (Habilschr. TH Berlin);
    Spannungsverteilung in Konstruktionselementen, 1934;
    Die Federn, 1938 (mit S. Groß);
    Die Dauerfestigkeit, ihre Bedeutung f. d. Praxis u. ihre Ermittlung mittels neuartiger Prüfmaschinen, in: Glasers Ann. Bd. 99, 1926, H. 8, S. 109-14, H. 9, S. 117-22, H. 12, S. 177-80, Bd. 100, 1927, H. 3, S. 33-39;
    Schwingungsfestigkeit u. Ermüdungserscheinungen d. Werkstoffe unter bes. Berücksichtigung d. f. d. Maschinenkonstrukteur maßgebenden Gesichtspunkte, in: Die Werkzeugmaschine 31, 1927, H. 19, S. 400-08;
    Oberflächenempfindlichkeit u. innere Arbeitsaufnahme d. Werkstoffe bei Schwingungsbeanspruchung, in: Zs. f. Metallkde. 20, 1928, H. 2, S. 78-92;
    Erfahrungen beim Bau schwingender Arbeitsmaschinen, in: Zs. f. techn. Physik 9, 1928, Nr. 10, S. 404-11;
    Unters. d. erzwungenen Koppelschwingungen e. elektromechan. Systems unter Verwendung e. graph. Verfahrens, in: Archiv f. Elektrotechnik 24, 1930, S. 330-48;
    Schwingungsfragen d. Fahrzreugfederung, in: VDI-Zs. 74, 1930, Nr. 32, S. 1107, 1113-19;
    Stoffprüfung, ebd. 75, 1931, Nr. 46, S. 1401–09, 1473;
    Wege zu e. wirklichkeitsgetreuen Festigkeitsrechnung, ebd., Nr. 49, S 1473-78;
    Das Dehnungslinienverfahren, e. Mittel z. Bestimmung d. f. d. Bruchsicherheit b. Wechselbeanspruchung maßgebenden Spannungsverteilung (mit O. Dietrich), ebd. 76, 1932, Nr. 41, S. 973-82;
    Schwingungsmeßtechnik, ebd. Nr. 44, S. 1065-73;
    Die schwingungstechn. Eigenschaften d. Kraftwagens u. ihre meßtechn. Ermittlung, ebd. 78, 1934, Nr. 10, S. 329-35;
    Der Einfluß e. Flüssigkeitsdämpfung d. Fahrzeugfederung auf Bewegungsverlauf u. Stoßhaftigkeit, ebd., Nr. 23, S. 721-27;
    Geräte u. Verfahren f. stat. u. dynam. Dehnungsmessungen, in: Maschinenbau 10, 1931, Nr. 23, S. 711;
    Betrachtungen üb. Schwingungsdämpfer, in: Jb. d. Schiffbautechn. Ges., 37, 1936, S. 391-97;
    Spannungsverteilung in Federn, in: Forschungen Ingenieurwesen 8, 1937, Nr. 4, S. 161-69 (mit A. Weigand);
    Die Berechnung d. Kraftwagenfederung auf schwingungstechn. Grundlage, in: Automobiltechn. Zs. 40, 1937, H. 16, S. 401-14;
    Über d. Zusammenhang zw. Schwingungseigenschaften u. Fahreigenschaften v. Kfz, ebd. 48, 1946, S. 33-38, 49, 1947, S. 7-10, 21-26, 43-45, 75-79, 86-93 (mit U. Bertschinger);
    Messung d. unter d. Mitwirkung äußerer Kräfte in Konstruktionsteilen entstehenden Spannungen, in: Ergebnisse d. techn. Röntgenkunde VI, 1938;
    Prüfmaschinen f. schwingende Beanspruchung, in: E. Siebel (Hrsg.), Hdb. d. Werkstoffprüfung I, 1940, S. 174, 215, 229, 249;
    Progressive Federung v. Kraftwagen, Dt. Kraftfahrtforschung 1941, H. 58;
    Formgebung u. Werkstoffausnutzung, in: Stahl u. Eisen 61, 1941, Nr. 43, S. 965-75;
    Dauerprüfmaschine z. Ermittlung d. Drehwechselfestigkeit großer Konstruktionsteile, in: Motortechn. Zs. 5, 1943, Nr. 6/7, S. 175-82 (mit A. Skiba);
    Dauerfestigkeit, in: Klingelnberg, Techn. Hilfsbuch, 9-121939-41;
    Die wichtigsten Ergebnisse d. neueren Festigkeitsf., in: Der Maschinenschaden, 1937, H. 9, S. 136, u. 1938, H. 1, S. 1;
    8 Btrr. in: Archiv f. Techn. Messen, 1941-43;
    Btr. z. Frage d. Dauerhaltbarkeit d. Kurbelwellen v. Groß-Dieselmotoren, ebd. Nr. 11/12, S. 349-57 (mit F. Ruef);
    Versuche mit Preßstofflagern, in: Kunststoffe 27, 1937, Nr. 12, S. 311-26 u. 28, 1938, Nr. 7, S. 161-70. -
    DRP 413 964 v. 1923 (Bestimmung d. Ermüdungsgrenze fester Körper durch Schwingungsbeanspruchung);
    488 167 v.|1925 (dynam. Material-Prüfmaschine);
    518 352 v. 1929 (Opt. Anzeige d. elast. Hysteresis-Schleife);
    664 764 v. 1935 u. 717 402 v. 1940 (pneumat. Pulsator);
    698 141 v. 1937 (Schub-Meßgerät f. schwer zugängl. Stellen an Maschinenteilen);
    694 496 u. 756 162 v. 1939 (Schütteltische);
    726 836, 736 709 u. 741 022 v. 1940 (Dehnungsmesser).

  • Literatur

    H. Brätsch, in: Motortechn. Zs. 7, 1946, Nr. 1, S. 11 (P);
    E. Siebel, in: Die Technik 2, 1947, Nr. 6, S. 266;
    O. Föppl, E. Becker u. G. Stieler v. Heydekampf, Die Dauerprüfung d. Werkstoffe, 1929, S. 68-71, 76-78, 123 f.;
    O. Graf, Die Dauerfestigkeit d. Werkstoffe u. d. Konstruktionselemente, 1929, S. 16, 78-80;
    A. Thum, Dauerfestigkeit u. Konstruktion (Mitt. d. MPA TH Darmstadt, H. 1), 1932;
    Hdb. d. Werkstoffprüfung, hrsg. v. E. Siebel, II, 1939, ebd. ²II, 1958;
    H. Wiegand, Aus d. Gesch. d. Werkstoffprüfung, in: Ein Jh. Technik, 100 J. VDI, 1956, S. 174-81;
    F. Schmidt, Berechnung u. Gestaltung v. Wellen, Konstruktionsbücher 10, 1951, S. 17 f., 66-68;
    W. Ruske, 100 J. Materialprüfung in Berlin, 1971, S. 150 ff.;
    Pogg. VI, VII;
    Mitt. v. Dr. August Gutzer u. Frau Ursula Gutzer geb. Lehr;
    Archive d. MAN u. MTU.

  • Autor/in

    Hans Christoph Graf von Seherr-Thoß
  • Zitierweise

    Seherr-Thoß, Hans Christoph Graf von, "Lehr, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 110-112 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd139661832.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA