Lebensdaten
1915 – 1994
Geburtsort
Prödlitz bei Aussig
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Regisseur ; Drehbuchautor ; Filmproduzent
Konfession
-
Normdaten
GND: 138680965 | OGND | VIAF: 19631110
Namensvarianten
  • Thiele, Rolf
  • Thiele, Rolph

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Zitierweise

Thiele, Rolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd138680965.html [24.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Außerehel. V u. seit 1931 Adoptiv-V (?) Wilhelm Simmchen, Beamter;
    M Marie T., Dienstmädchen; 1) N. N., 2) 1961/62 Nicole Badal (* 1940), aus Den Haag, Schausp.;
    S.

  • Biographie

    T. wuchs bei Verwandten seiner Mutter auf, die Eltern heirateten erst 1931, das Verhältnis zum Vater blieb distanziert. Nach der Volks-, danach der Bürgerschule besuchte T. bis 1934 die Handels-Akademie in Aussig; 1937 meldete er sich zum Wehrdienst in der tschechoslowak. Armee, den er trotz einer Gehbehinderung antreten konnte. Im Okt. 1938 – nach dem Münchner Abkommen – wurde er wegen seiner dt. Nationalität entlassen und trat in die Wehrmacht ein, um seine Militärkarriere fortzusetzen. 1940 krankheitsbedingt beurlaubt, begann er ein Studium der Auslandswissenschaften und Philosophie in Berlin, das er 1943 in Prag fortsetzte. Eine von dem Philosophen Nicolai Hartmann betreute Dissertation vollendete er nicht. Noch in Berlin hatte er Bekanntschaft mit dem Juristen Hans Abich (1918–2003) geschlossen. Beide filmbegeistert, verfaßten sie nach Kriegsende das Manifest „Film gegen den Film“, ein Plädoyer für einen organisatorischen und konzeptionellen Neuanfang des dt. Films. 1946 gründeten sie, mit einer Lizenz der brit. Militärregierung versehen, in Göttingen die Produktionsfirma „Filmaufbau GmbH“; als deren erster Spielfilm entstand Wolfgang Liebeneiners „Liebe 47“ (1949), eine Adaption von Wolfgang Borcherts Schauspiel „Draußen vor der Tür“.

    T. war zunächst als Produzent tätig, erst 1951 führte er erstmals Regie bei dem Film „Primanerinnen“, einem konfliktbeladenen Melodram um die erste Liebe eines jungen Paars. Früh zeigte sich in der Ausgestaltung seiner Filme, zu denen er häufig auch das Drehbuch schrieb, ein Hang, die sozialkritische Tendenz seiner Stoffe nicht nur satirisch, sondern auch erotisch aufzuladen. Zudem entdeckte T. für den bundesdt. Film eine Reihe von Schauspielerinnen, wie etwa Nadja Tiller (* 1929) oder die Französin Marina Vlady (* 1938), deren sexuelle Laszivität in der Nachkriegszeit einen Tabubruch darstellte. Obwohl zunächst weiterhin als Produzent und Geschäftsführer mit der „Filmaufbau“ verbunden, aus der er sich erst 1958 zurückzog, arbeitete T. als Regisseur auch mit anderen Produktionsfirmen zusammen und realisierte eine Reihe von Filmen, die den propagierten Ansprüchen der „Filmaufbau“ kaum gerecht werden konnten. Eine Ausnahme bildete das Flüchtlingsdrama „Mamitschka“ (1955), wenn es auch das Zeitbezogene des Nachkriegsujets durch leichtfertig gesetzte Unterhaltungseffekte entwertete.|

    Mit „Das Mädchen Rosemarie“ (1958), Verfilmung von Leben und Tod der Frankfurter Prostituierten Rosemarie Nitribitt (1933–57), die auf einer Vorlage des Publizisten Erich Kuby (1910–2005) basierte, gelang T. auch international der Durchbruch als Regisseur – obwohl offizielle Stellen mehrfach versuchten, die Produktion wie auch die Vorführung des Films zu unterbinden. Die Aktualität des Stoffes, die hochkarätige und typengenaue Besetzung mit Nadja Tiller in der Titelrolle und die subtile, grelle kabarettistische Effekte nicht scheuende Inszenierung waren für den bundesdt. Film der 1950er Jahre aufsehenerregend. T. etablierte die filmische Satire, doch blieben seine weiteren Filme hinter diesem künstlerischen Aufbruch zurück. Was ihm vorschwebte, waren Sittenbilder, zeitverhaftet und zeitlos zugleich. „Die Halbzarte“ (1959) mit Romy Schneider (1938–82) blieb im Unverfänglichen einer erotisch angehauchten Komödie stecken, „Labyrinth“ (ebenfalls 1959) mit Nadja Tiller vermengte die nüchterne Studie einer alkoholkranken Frau mit psychoanalytisch verbrämter Nymphomanie.

    Zunehmend entwickelte T. als Regisseur eine Neigung, sein Talent zur satirischen Zeitkritik preziös zu verschnörkeln, ins Artifizielle abzuschweifen und den aufklärerischen Impetus durch extravagante Salondekadenz abzuwerten. „Lulu“ (1962) nach Wedekind und auch „Venusberg“ (1963) nach eigenem Drehbuch machen sich, so T., auf die Suche nach dem „wahren Ich“ der Frau, bedienen de facto aber vordergründig erotische und zuweilen sexistische Schauwerte. T.s Literaturverfilmungen für den Produzenten Franz Seitz (1921–2006), etwa „Tonio Kröger“ und „Wälsungenblut“ (beide 1964) nach Thomas Mann oder „Grieche sucht Griechin“ (1966) nach Friedrich Dürrenmatt, bewegen sich in den Konventionen des Genres. Die Kritik stempelte T. seit Mitte der 1960er Jahre als „Cheferotiker des deutschen Films“ ab, auch als ein „verlorenes Talent“, ohne Anschluß an den jungen Autorenfilm, den er mit dem Film „Ohrfeigen“ (1970) einmal zu persiflieren trachtete. T. wurde zu einem avancierten, aber nur rhetorisch kritischen Vertreter des Sexfilms Ende der 1960er Jahre: „Grimms Märchen von lüsternen Pärchen“ (1969) und „Gelobt sei, was hart macht“ (1972) legen schon im Titel Zeugnis ab vom künstlerischen Niedergang ihres Regisseurs. An die ambitionierten Anfänge seiner Karriere konnte T. nicht mehr anknüpfen, wenn ihm auch mit der Produktion des starbesetzten Films „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ (1978, Regie: David Hemmings, mit Marlene Dietrich in ihrer letzten Filmrolle) noch einmal eine kommerziell erfolgreiche Produktion gelang.

  • Auszeichnungen

    A Preis d. dt. Filmkritik (1958);
    Premio Pasinetti d. Internat. Filmfestspiele Venedig (1958);
    Regiepreis d. Internat. Filmfestspiele Mar del Plata (1959);
    Golden Globe, Best Foreign Language Film f. „Das Mädchen Rosemarie“ (1959);
    Ernst-Lubitsch-Preis f. „Das schwarz-weiß-rote Himmelbett“ (1963).

  • Werke

    Weitere W u. a. Geliebtes Leben, 1953;
    Sie, 1954;
    Die Barrings, 1955;
    Der tolle Bomberg, 1957;
    El Hakim, 1957;
    Der liebe Augustin, 1960;
    Man nennt es Amore, 1961;
    Das schwarz-weiß-rote Himmelbett, 1962;
    Moral 63, 1963;
    DM-Killer, 1964;
    Der Lügner u. d. Nonne, 1967;
    Die Ente klingelt um ½ 8/Siamo tutti matti?, 1968;
    Komm nach Wien, ich zeig Dir was!, 1969;
    Rosy u. d. Herr aus Bonn, 1971;
    Undine 74, 1974;
    Rosemaries Tochter, 1976;
    – Trotz Zeit, Tod u. Verwesung, sind wir noch alle beisammen, 1983 (Autobiogr.).

  • Literatur

    L u. a. J. Hembus, R. T. oder: Frühlingsmotive im Herbst, in: ders., Der dt. Film kann gar nicht besser sein, 1961, Neuaufl. 1981;
    H. Esser, Der Halbzarte, in: Konkret, 5, Mai 1963;
    H.-D. Roos, „Die Zeit der Ausreden ist langsam vorbei …“, Ein Gespräch mit R. T., in: Film, 2, Juni/Juli 1963, S. 7–10 u. 48;
    H. Stempel, Erotik als Konfektionsware, R. T. u. d. Frauen, in: Frankfurter Rdsch. v. 2. 6. 1963;
    S. Feldmann, Ein sanfter Zyniker, Der Filmregisseur R. T., in: Rhein. Post v. 16. 11. 1983;
    p. b. (P. Buchka), R. T. 70, in: SZ v. 7. 3. 1988;
    S. Fuhrmann, Der Halbseidene, Die Filme v. R. T., in: filmwärts, 22, Mai 1992, S. 5–24;
    P. Schloemp, Der faunische Genießer, Eine Erinnerung an R. T., ebd., S. 41;
    Nachrufe: göt (F. Göttler), Nicht nur Scherze, in: SZ v. 19. 10. 1994;
    Sei (Cl. Seidl), in: FAZ v. 20. 10. 1994;
    H. Abich, R. T., in: epd Film, 12, Dez. 1994, S. 8–10;
    – CineGraph; Munzinger.

  • Autor/in

    Wolfgang Jacobsen
  • Zitierweise

    Jacobsen, Wolfgang, "Thiele, Rolf" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 115-116 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd138680965.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA