Lebensdaten
1863 – 1923
Geburtsort
Prosmik (Prosmyky) bei Lobositz
Sterbeort
Brüx (Most, Böhmen)
Beruf/Funktion
Arzt ; deutsch-böhmischer Volkstumsorganisator
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 124988474 | OGND | VIAF: 30485349
Namensvarianten
  • Titta, Josef Wenceslaus
  • Titta, Wenzel
  • Titta, Wenceslaus
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Zitierweise

Titta, Josef Wenzel, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd124988474.html [24.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Mütterlicherseits aus Lehrerfam.;
    V Wenzel (* 1834), Bootsmeister in P., unehel. S d. Johanna T., Kleinbauern-T;
    M Maria Anna (* 1839), T d. Karl Lampel (1802/03–40), Lehrer, Hausbes. in P.;
    Lobositz 1889 Maria (1868–1927), T d. Eduard Löbel (1834–1902), Landwirt, Hausbes. in L.; kinderlos.

  • Biographie

    T. absolvierte die Volksschule in Prosmik. Während der Gymnasialzeit am Staatlichen Obergymnasium in Leitmeritz (Abitur 1881) legte er sich den zweiten Vornamen Josef zu. Als Student der Medizin in Prag 1881–89 schloß sich der nationalliberale T. 1881 der Burschenschaft Teutonia Prag an, trat bei dt. nationalen Kundgebungen auf und erlebte die nationale Teilung seiner Hochschule. 1889 wurde er an der Dt. Univ. Prag zum Dr. med. promoviert und erhielt die Stelle des Distriktsarzts des Lobositzer Bezirks mit Sitz in der mehrheitlich tschech.sprachigen Stadt Trebnitz.

    1889 gründete T. den „Deutschen Verein Germania für Trebnitz und Umgebung“ (Ehrenmitgl. 1909), der als nationale Schutzorganisation zum Ausgangspunkt eines dichten Netzwerks von Bildungs-, Kultur-, Wirtschafts- und Unterstützungsvereinen für die lokale dt.böhm. Bevölkerung wurde und u. a. 1892 das Dt. Haus und 1897 eine private dt. Knaben-Bürgerschule eröffnete sowie 1899 den Schulerhaltungsverein aufbaute. Zudem wirkte T. bei der Entstehung der „Deutschen Grund- und Heimstätten-Gesellschaft“ in Leitmeritz mit. Für Zeitgenossen galt er als einer der erfolgreichsten Organisatoren dt. Volkstums- und Minderheitenarbeit an der Sprachgrenze in Böhmen.

    1894 beteiligte sich T. an der Gründung des „Bundes der Deutschen in Böhmen“ und baute dessen Trebnitzer Ortsgruppe auf. 1896 Vertrauensmann des reichsdt. „Alldeutschen Verbands“, organisierte er in Böhmen Gedenkveranstaltungen für preuß. Gefallene des Kriegs von 1866. Im Zuge der „Los-vonRom“-Bewegung trat er zur luth. Konfession über, gründete die Trebnitzer Filialgemeinde und führte 1902 mit Unterstützung des „Gustav-Adolf-Vereins“ den Bau der dortigen ev. Christuskirche durch. Als Gründer und Vorsitzender der „Zentralstelle für deutsche Waisenpflege und Sozialfürsorge“ in Böhmen überführte er diese 1908 in die „Deutsche Landeskommission für Kinderschutz und Jugendfürsorge“ in Böhmen, deren Vorstandsmitglied er zugleich wurde.

    T. war politisch von der alldt. bzw. großdt. Richtung geprägt, lehnte jedoch ein parteipolitisches Engagement und die Übernahme politischer Ämter ab. Ausgehend von einem burschenschaftlichen Netzwerk (Ehrenbursche v. Albia-Wien, Arminia-Graz u. Cimbria-Dresden), baute er Kontakte zu Politikern und einflußreichen Persönlichkeiten in Wien und Deutschland auf. 1903 war er maßgeblich an der Entstehung des parteiübergreifenden „Deutschen Volksrates für Böhmen“ beteiligt, dessen Vorsitzender er 1904 wurde. Der Volksrat sollte auf Landesebene alle dt. politischen Parteien, Schutzvereine, die Presse, Städte, Bezirke sowie Wirtschafts- und Kulturkörperschaften vereinen. Neben einer Koordinationsfunktion nahm T. mit dem Volksrat v. a. zu Plänen einer administrativen Landesteilung, zu Sprach-, Beamten- und Schulfragen Stellung. Im Gegensatz zu dt.radikalen Positionen vertrat er die Interessen von ethnisch-nationalen Mischgebieten oder Bevölkerungsinseln und plädierte für Tschechischunterricht für alle Deutschen in Böhmen. Im Rahmen des Dt. Zweiteilungsausschusses leitete T. den Unterausschuß zur Bildung von böhm. Kreisregierungen. 1908 beteiligte er sich an der Gründung der|„Hauptstelle für deutsche Schutzarbeit“ in Wien und gehörte dessen Vorstand an. 1911 schuf der dt.böhm. Volksrat unter T.s Leitung die „Deutsche Wehrschaft für Böhmen“, einen Nationalfonds. Seit 1911 übernahm T. mehrfach bei dt. Volkstagen und Vollversammlungen von dt.böhm. Abgeordneten und Politikern den Vorsitz, behinderte mit Detailforderungen die dt.-tschech. Ausgleichsverhandlungen und entwickelte sich zu einem scharfen Gegner der Sozialdemokratie.

    1917/18 forderte T. den Zusammenschluß aller dt. Parteien Österreichs zu einer „Deutschen Partei“ bzw. später zu einer „Deutschen Gemeinschaft“. Im Herbst 1918 unterstützte er die Gründung eines Landes Deutschböhmen, scheiterte aber mit seinen Versuchen, in die Landesregierung berufen zu werden und in Nordböhmen dt. Nationalgarden aufzustellen. Seit Dez. 1918 hielt sich T. sicherheitshalber in Dresden auf, hatte im Frühjahr 1919 Kontakt mit der US-amerik. Friedensvorbereitungskommission in Wien und kehrte im Juni 1919 nach Böhmen zurück. Im Sommer 1919 in Theresienstadt und Prag in Untersuchungshaft, übergab er im Aug. 1919 in Reichenberg Leitung und Kanzlei des Volksrats an Rudolf Lodgman v. Auen (1877–1962) und kehrte als Landarzt nach Trebnitz zurück.

    T. blieb trotz seines Renommees in Böhmen eine Symbolfigur ohne politische Gestaltungsmöglichkeiten. Obwohl er die nationale Separation, aber keine dt. Herrschaft über Tschechen anstrebte, galt er in tschech. Medien bereits vor 1914 als dt.böhm. „Germanisator“ und Tschechenfeind. Auf sudetendt. Seite wurden die Bedeutung des Volksrats und T.s politischer Einfluß meist überschätzt. Die Prager Burschenschaft Teutonia bestand nach ihrer Selbstauflösung 1939 im Rahmen des NS-Studentenbunds als „Kameradschaft Josef Titta“ bis 1945 fort.

  • Auszeichnungen

    A Med.rat (vor 1917);
    Ehrenbürger v. Budweis (1906), Leitmeritz (1913), Aussig (1913), Theresienstadt, Liboch u. a. böhm. Gemeinden.

  • Werke

    W O. Kletzl (Hg.), Lebenserinnerungen Dr. T.s, in: Sudetendt. Jb. 3, 1927, S. 86–100;
    Hg.: Der nat. Kampf an d. Trebnitzer Sprachgrenze, in: Jb. d. Dt. Ver. Germania f. Trebnitz u. Umgebung 1 ff., 1890 ff. (belegbar bis Bd. 23, 1912);
    Zur nat. Frage, H. 1–3, 1908;
    Dt. Hochschulstimmen (seit 1916 Dt. Hochschulztg.), Bd. 1–15, 1909–23 (Mithg.);
    Qu Briefe u. Dok. z. Gesch. d. österr.-ungar. Monarchie unter bes. Berücksichtigung d. böhm.-mähr. Raumes, Der Vfg.treue Großgrundbesitz, hg. v. E. Rutkowski, Bd. 2 u. 3, 1991/2011, passim;
    E. Drašarová u. a., Promarněná šance, Edice dokumentu ˚ k česko-německému vyrovnání před první světovou válkou, Korespondence a protokoly 1911–1912 [Eine vertane Chance, Dok.ed. z. dt.-tschech. Ausgleich vor d. Ersten Weltkrieg, Korr. u. Prot. 1911–1912], 2 Bde., 2008, passim.

  • Literatur

    L Zehn J. Dt. Volksrat in Böhmen, in: Dt. Arb. 12, 1912/13, S. 483–88 (P), Separatdr. als Flugschr. d. Dt. Arb., Nr. 4, 1913;
    E. Heyne, Der nat. Kampf an d. Trebnitzer Sprachgrenze in Böhmen, Zum Gedenken an Dr. J. T., in: Btrr. z. Heimatkde. d. Elbetales 3, 1941, S. 1–8 (P), u. 3/3, 1941, S. 207–13;
    H. Münch, Böhm. Tragödie, 1949, S. 555 f.;
    H. Bachmann, Joseph Maria Baernreither u. d. nat. Ausgleichspol. d. österr. Reg. in Böhmen (1908–1914), in: Bohemia 7, 1966, S. 301–19;
    ders., Der dt. Volksrat f. Böhmen u. d. dt.böhm. Parteipol., in: Zs. f. Ostforsch. 14, 1965, S. 266–94;
    H. Kuhn, Einigkeit u. Recht u. Freiheit, Dtld., Hessen u. d. Sudetendt., 1981, S. 45 f. (P);
    E. Schmied, J. W. T. u. d. Dt. Volksrat f. Böhmen, in: Bohemia 26, 1985, S. 309–30;
    M. Cornwall, The Struggle on the Czech-German Language Border, 1880–1940, in: The Engl. Hist. Review 109, 1994, S. 914–51;
    Dějiny města Litoměřic [-Gesch. d. Stadt Leitmeritz], 1997, S. 415;
    M. Wladika, Hitlers Vätergeneration, 2005, S. 537 u. passim;
    E. Lehmann, in: DBJ V, S. 343–48 u. Tl.;
    Biogr. Enz. Med.; Biogr. Lex. Burschenschaft (P).

  • Autor/in

    Robert Luft
  • Zitierweise

    Luft, Robert, "Titta, Josef Wenzel" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 309-310 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd124988474.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA