Lebensdaten
geboren 1. Viertel 13. Jahrhundert
Sterbeort
wahrscheinlich Erfurt, Peterskloster
Beruf/Funktion
Dichter ; Geistlicher
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 119526506 | OGND | VIAF: 190346794
Namensvarianten
  • Nicolaus de Bibra
  • Occultus (genannt)
  • Occultus Erfordensis
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Nikolaus von Bibra, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119526506.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Eltern unbekannt; Bezug zum Geschl. derer v. Bibra ungeklärt.

  • Biographie

    1279 wird N. zusammen mit Gunther, Propst des Erfurter Neuwerksklosters, als Zeuge in einer Ichtershausener Urkunde genannt und als „Custos ecclesie Byberacensis“ (Stiftskirche in Bibra bei Merseburg an der Unstrut) bezeichnet. Hinweise auf die Vita N.s sind seinem zwischen 1281 und 1284 entstandenen „Carmen satiricum“ zu entnehmen. Als junger Mann reiste N. zu Studienzwecken mehrmals nach Italien, wo er um 1260 in Padua als Rechtslehrer seinen Landsmann Heinrich von Kirchberg kennenlernte, dem er zunächst freundschaftlich verbunden war. Sehr wahrscheinlich wurde er hier auch mit Heinrich von Würzburg bekannt, an dessen „Liber de statu curiae Romanae“ (Kuriengedicht) N. zumindest in den beiden ersten Teilen seines „Carmen satiricum“ anknüpft. Nach Deutschland zurückgekehrt, ist er in Erfurt als Geistlicher greifbar. N. besaß solide Kenntnisse antiker und christlicher Autoren und verfügte über umfassende, teilweise auf eigenen Erfahrungen an der röm. Kurie beruhende Rechtskenntnisse. Es spricht manches dafür, daß er die in seinem Gedicht ausgesprochene Absicht, Mönch zu werden, ausgeführt hat.

    Das umfangreiche, fast immer glossierte und mit einem Accessus ausgestattete „Carmen satiricum“ (2441 leoninische Hexameter) ist in 13 Handschriften und 5 Fragmenten erhalten. In der noch zu N.s Lebzeiten entstandenen Handschrift aus der Sammlung Uffenbach (Cod. theol. 2038, Staats- u. Univ.bibl. Hamburg) wird er, der sich selbst als „occultus“ bezeichnet, ausdrücklich als Verfasser genannt, und es wird erklärt, daß der in anderen Handschriften als Verfasser geltende,|gleichzeitig tätige „Cunradus versificator de Gitaene“ aus Bescheidenheit vorgeschoben sei – wohl wegen der scharfen Angriffe gegen den ehemaligen Freund Heinrich von Kirchberg. Die vier in sich geschlossenen, von den Glossatoren als „Distinktionen“ bezeichneten Teile, behandeln ein zentrales Ereignis der Erfurter Geschichte: Das 1279 vom Mainzer Erzbischof Werner v. Eppstein über die Stadt verhängte Interdikt, das erst im März 1283 aufgehoben wurde, und die Rolle, die Heinrich von Kirchberg, seit 1275 vereidigter Anwalt der Stadt Erfurt, dabei spielte; N. beschuldigte Heinrich, vorsätzlich zum Nachteil der Stadt gehandelt zu haben. Von besonderer Bedeutung ist die 3. (4.) Distinktion mit der lebensnahen, singulären Schilderung des Alltagslebens in Erfurt. Über die mittelalterliche Lokalgeschichte Erfurts und Thüringens hinaus ist das „Carmen satiricum“ als kultur- und rechtshistorische Quelle des 13. Jh. von herausragender Bedeutung. Das Werk fand schnell Verbreitung und wurde auch in den Schriftstellerkatalog des Johannes Trithemius aufgenommen (1494). Zu Beginn des 16. Jh. erfreute es sich im Kreise der Erfurter Frühhumanisten großer Beliebtheit.

  • Werke

    Nicolai de Bibera occulti Erfordensis Carmen satiricum, Eine Qu. d. 13. Jh., neu hg. u. erl. v. Th. Fischer, 1870;
    Der „Occultus Erfordensi“ d. N. v. B., Krit. Ed. mit Einf., Kommentar u. dt. Übers., hg. v. Ch. Mundhenk, 1997.

  • Literatur

    ADB II (unter Bibra);
    R. Schipke, N. de B. u. sein Carmen satiricum, Ein neuer Textfund in d. Stadtbibl. Dessau, in: Von d. Wirkung d. Buches, Festgabe f. H. Kunze z. 80. Geb.tag, 1990, S. 133-47;
    N. Krüger, Die theol. Hss. d. Staats- u. Univ.bibl. Hamburg, III (Cod. theol. 1751-2228), 1993, S. 121-23;
    Vf.-Lex. d. MA²;
    Lex. MA.

  • Autor/in

    Renate Schipke
  • Zitierweise

    Schipke, Renate, "Nikolaus von Bibra" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 269-270 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119526506.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Bibra: Nicolaus von B. (Bybera), der Zeit Kaiser Rudolfs von Habsburg angehörig. Wie neuestens nicht ohne einigen Grund vermuthet wird, war er zu Geithain im Königreich Sachsen geboren und scheint die frühere Zeit seines Lebens eine ziemlich bewegte gewesen zu sein. Vier Mal ist er in Rom gewesen, in Padua hat er sich, wahrscheinlich den Studien des Kirchenrechts obliegend, kürzere Zeit aufgehalten, dann wurde er Custos an der Kirche zu Bibra (jetzt ein Städtchen d. N. in der preußischen Provinz Sachsen, südlich der Unstrut und von Burgscheidungen, am sogenannten Saubache), lebte aber demungeachtet die meiste Zeit in Erfurt, wo er, wie mit Fug geschlossen wird, vielleicht Stiftsherr an der Marienkirche war und zuletzt sich als Mönch in das St. Peterskloster zurückzog und seine Tage beschloß. Seine Bedeutung liegt in dem Umstande, daß ihm, nach Allem mit Recht, den neuesten Forschungen zufolge die Urheberschaft eines höchst merkwürdigen Gedichtes, des sogenannten „Carmen satiricum occulti auctoris“ zugeschrieben wird, welches zuerst C. Höfler in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie (Bd. XXVIII.) und im J. 1870 Dr. Theobald Fischer in dem I. Bande der Geschichtsquellen der Provinz Sachsen mit kritisch berichtigtem Texte und mit sorgfältigen Erläuterungen herausgegeben hat. Der neueste Herausgeber bezeichnet das Gedicht mit Recht als eine „Quelle des 13. Jahrhunderts“, die zugleich nahezu einzig in ihrer Art ist. In wie wenig|günstigem Lichte auch der Verfasser selbst darin erscheint, er führt als Zeitgenosse die Feder, die er freilich gerne in Galle eintunkt, und darf durchschnittlich Glaubwürdigkeit für sich in Anspruch nehmen. Der Hauptwerth des Gedichtes ist in erster Linie ein sittengeschichtlicher in weiterem Sinne, und sind es zwar nicht ausschließlich, aber doch überwiegend die Verhältnisse Thüringens, namentlich Erfurts, auf die ein überraschend helles Licht fällt. Das Gedicht ist in (vier) „Distinctionen“ nach der Art von Rechtshandbüchern und juristischen Handschriften eingetheilt. Die erste Distinction ist eine beißende Satire auf M. Heinrich von Kirchberg, den juristischen Beistand der Stadt Erfurt gegen den Erzbischof von Mainz; die zweite ergeht sich mehr in allgemeinen bitteren Klagen über den Lauf der Welt, die Sittenlosigkeit der verschiedenen Berufsstände und die traurigen Zustände im Thüringer Lande. Die dritte Distinction beschäftigt sich mit Vorliebe mit den Verhältnissen und Einrichtungen der Stadt Erfurt, die in einem höchst günstigen Lichte erscheinen und die Nikolaus mit behaglichem breiten Pinsel malt. Dieses Stück ist leicht das werthvollste des Ganzen, weil jene Zeit so ziemlich nichts Aehnliches der Art aufzuweisen hat. Die vierte Distinction bietet an allgemein interessantem Inhalt weniger, der Dichter läßt hier mehr seine Person hervortreten und sucht den Lohn für seine Leistungen nur darin, sich mit seinen Mandanten aus einander zu setzen, denn er schrieb nicht, ohne von dritter Seite dazu veranlaßt zu sein. — Zu vergleichen die lehrreiche Einleitung Th. Fischer's zu seiner gediegenen Ausgabe des Carmen satiricum.

  • Autor/in

    Wegele.
  • Zitierweise

    Wegele, Franz Xaver von, "Nikolaus von Bibra" in: Allgemeine Deutsche Biographie 2 (1875), S. 613-614 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119526506.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA