Lebensdaten
1904 – 1993
Geburtsort
Kleinalmerode bei Kassel
Sterbeort
Princeton (New Jersey, USA)
Beruf/Funktion
Kunsthistoriker
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Weitzmann, Kurt
  • Weitzmann, Curt

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Zitierweise

Weitzmann, Kurt, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz140234.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm (1870–1948), aus Kassel, Dr. phil., Stadtschulrat in Gelsenkirchen, S d. Friedrich Ludwig (1843–1904), aus Rotenburg/ Fulda, u. d. Elisabeth Griesel (1844–1912), aus Kassel;
    M Antonie (1876 / 78–1965), aus Bad Hersfeld, Klavierlehrerin, T d. Gustav Wilhelm Gottfried Keiper u. d. Bertha Johannette Marie Windemuth;
    B Ludwig (1901–84, Ja[s]na, 1904–2003, aus Šibenik, Kroatien, T d. Ivo [Ivan] De Grisogono, 1871–1945, Pol.), Ing. im Reichsluftfahrtmin., bis 1950 in russ. Kriegsgefangenschaft, danach im Bundeswirtsch.min.;
    Berlin 1932 Josepha (1904–2000), aus Charlottenburg, Dr. phil., Kunsthist., Schülerin v. A. Goldschmidt, bis 1913 Assistentin v. F. Noack, 1931–38 v. G. Rodenwaldt am Archäol. Seminar d. Univ. Berlin, Angest. am Archäol. Inst. d. Dt. Reiches in Berlin, emigrierte 1938 mit ihrer M in d. USA, 1951 Assistentin v. P. Frankl am Inst. for Advanced Study in Princeton (s. Biogr. Hdb. Kunsthist.), T d. Michael Fiedler, aus Riga, Architekt, u. d. Paulina N. N., aus Polen,|studierte Med.;
    O d. Ehefrau Konstantin Korovin (1861–1939), russ. impressionist. Maler.

  • Biographie

    W. besuchte seit 1914 das humanistische Gymnasium in Gelsenkirchen. Nach dem Abitur 1923 studierte er Kunstgeschichte, klass. Archäologie und Geschichte in Münster, Würzburg und Wien, zuletzt in Berlin, wo ihn v. a. der Archäologe Ferdinand Noack (1865–1931) und der Kunsthistoriker Adolph Goldschmidt (1863–1944) prägten. 1929 wurde W. bei Goldschmidt mit einer Arbeit über die Elfenbeinkästen der mittelbyzantin. Zeit promoviert (gedr. 1930). Mit einem Reisestipendium des Dt. Archäologischen Instituts (DAI) unternahm er 1930 / 31 Reisen durch Griechenland zum Studium byzantin. Buchmalerei, u. a. auf dem Athos und auf Patmos. Bis 1951 suchte W. fünfmal, oft monatelang, die Klöster des Athos zum Studium und zum Photographieren der illustrierten Handschriften auf. 1931–35 in der Redaktion des DAI tätig, arbeitete W. daneben zusammen mit Goldschmidt am Corpusband der byzantin. Elfenbeinreliefs des 10.–13. Jh. (1934), und an einer geplanten Habilitationsschrift über byzantin. Buchmalerei des 9. und 10. Jh. (1935, ²1996). Ausgedehnte Forschungsreisen gingen u. a. nach Moskau und Istanbul. Die Habilitation kam jedoch nicht zustande, da der Berliner Ordinarius Albert Erich Brinkmann (1881–1951) keinen Goldschmidt-Schüler als Privatdozenten wünschte und W. nicht bereit war, an dem obligatorischen nationalsozialistischen Dozenten-Schulungslager in Kiel teilzunehmen. Im Herbst 1934 folgte er einer Einladung von Charles Rufus Morey (1877–1955) nach Princeton zur Mitarbeit an der Publikation der illustrierten Septuaginta-Handschriften. Im Febr. 1935 emigrierte W. in die USA; 1938 folgte ihm seine Ehefrau, ebenfalls promovierte Goldschmidt-Schülerin, zusammen mit ihrer Mutter, nach Princeton (1940 amerik. Staatsbürger). 1935–72 ständiges Mitglied des Institute for Advanced Study, seit 1945 auch des Institute for Art and Archaeology der Univ. Princeton, lehrte W. zunächst als Associate Prof., seit 1950 als Prof. (1972 em.). Gastprofessuren führten ihn nach Yale (1954 / 55), an das Oberlin College (1956), nach Alexandria (Ägypten, 1960) und Bonn (1962). Seit 1938 war W. regelmäßig engagierter Teilnehmer, Organisator, Präsident oder Adviser der Symposien im Dumbarton Oaks Center of Byzantine Art (Washington, D. C.), schrieb wiederholt in der Zeitschrift des Instituts und legte 1972 den Elfenbein-Katalog der Sammlung vor. Nach dem Krieg trat er wieder in ständigen Kontakt zu kunsthistorischen Institutionen, Kollegen und Freunden in Deutschland, das er auf zahlreichen, später jährlichen Reisen aufsuchte. Als besonders beglückend empfand er die Gastprofessur in Bonn 1962.

    W.s wissenschaftliches Œuvre umfaßt 20 gewichtige Monographien und rund 150 Aufsätze und Rezensionen. Neben der Würdigung der großen Meisterwerke der Makedonischen Renaissance des 10. Jh. standen v. a. Fragen der Entstehung der christl. Kunst und ihrer Kontinuität aus Spätantike und jüd. Tradition. 1947 legte W. mit „Illustrations in Roll and Codex, A Study of the Origin and Method of Text Illustration“ (²1970) sein methodisches Grundlagenwerk vor. Hier trat er dafür ein, in Analogie zur philologischen Textkritik die oft verderbten Bildzyklen der nur aus späterer Zeit fragmentarisch erhaltenen Handschriften auf ihre Vorlagen zu untersuchen und unter Einbeziehung der in andere Texte und Kunstgattungen „gewanderten Bilder“ einen möglichen Archetyp zu rekonstruieren. Es war W.s Grundüberzeugung, daß alle narrativen Zyklen letztlich auf Buchillustrationen zurückgehen. Im Gegensatz zur herrschenden Meinung, die christl. Kunst habe sich erst im 4. Jh. aus allgemeinen Symbolbildern entwickelt, postulierte er als Grundlagen christl. Kunst reich illustrierte alttestamentliche Bildzyklen, die in Anlehnung an die auf Papyrus-Rollen verbreiteten Homer- und Euripides-Illustrationen bereits im jüd.-hellenistischen Milieu Alexandrias im 3. Jh. v. Chr. entstanden seien. Dem Nachleben spätantiker und jüd. Bilder in der christl., v. a. byzantin. Kunst widmete er einen Großteil seiner wissenschaftlichen Arbeit. Im Rahmen des Septuaginta-Projekts publizierte er 1979 „The Miniatures of the Sacra Parallela“, eine seiner Meinung nach im 8. Jh. in Palästina entstandene Handschrift mit zahlreichen Text- und Bildzitaten aus älteren Vorlagen, 1986 „The Cotton Genesis“ (mit H. L. Kessler) und als Frucht jahrzehntelanger Forschung (mit M. Bernabò) „The Byzantine Octateuchs“ (postum 1999), sechs reich illustrierte byzantin. Handschriften des 11. bis 13. Jh., die nach seinem Verständnis in großem Umfang altjüd. und -christl. Bildgut überlieferten. Der jüd. Synagoge in Dura Europos aus dem 3. Jh. n. Chr., ihren alttestamentlichen Fresken und ihrer Vorbildfunktion für die christl. Kunst galt eine eigene Monographie (1990, mit H. L. Kessler).

    Ein gänzlich neues Forschungsgebiet eröffnete sich W. durch seine Teilnahme an den von den Universitäten Michigan und Princeton mit Unterstützung Alexandrias unternommenen Expeditionen auf den Sinai. Fünfmal| hielt sich W. zwischen 1956 und 1965 zum Studium der Handschriften und Ikonen im dortigen Katharinenkloster auf. Mit George Howard Forsyth (1901–91) publizierte er 1973 „The Monastery of Saint Catherine at Mount Sinai, The Church and Fortress of Justinian“ mit einer ausführlichen Untersuchung des bedeutenden Apsismosaiks des 6. Jh., zusammen mit George Galavaris die wichtigsten frühen Handschriften des Klosters „The Illuminated Greek Manuscripts, Bd. 1: From the Ninth to the Twelfth Century“ (1990). Mit der Entdeckung der vorikonoklastischen Ikonen des 6.-8. Jh. eröffnete W. der Kunstgeschichte ein bisher völlig unbekanntes Feld: „The Icons, Bd. 1: From the Sixth to the Tenth Century“ (1976). Mehrere Aufsätze widmete er auch späteren Ikonen aus der über 2000 Stücke umfassenden Sammlung des Klosters, u. a. aus der Kreuzfahrerzeit.

    Eine Quintessenz seiner Überlegungen zur Entwicklung der christl. Kunst aus der spätantiken Tradition legte W. 1977 in der großen Ausstellung des Metropolitan Museums in New York vor: „The Age of Spirituality, Late Antique and Early Christian Art, Third to Seventh Century“, deren wissenschaftliche Konzeption und Katalog er als Herausgeber verantwortete.

    Zu W.s großem Schülerkreis gehörten – neben Galavaris und Kessler – u. a. Paul Underwood, John Rupert Martin, Lorenz Eitner, Robert Koch, Thomas Hoving, Oleg Grabar, James Snyder, Robert Deshman, W. Eugene Kleinbauer und Robert P. Bergman.

  • Auszeichnungen

    |o. Mitgl. d. DAI (1953);
    Fellow d. American Ac. of Arts and Sciences (1978), d. Medieval Ac. of America (1945), d. American Philosophical Soc. (1964) u. d. British Ac. (1965);
    korr. Mitgl. d. Ak. d. Wiss. in Athen (1982), Göttingen (1965), Heidelberg (1970), d. Pontificia Acc. Romana di Archeologia (1974) u. d. Österr. Ak. d. Wiss. (1980);
    Dr. h. c. (Heidelberg 1967, Chicago 1968, FU Berlin 1982, Princeton 1993).

  • Werke

    Weitere W u. a. Der Pariser Psalter ms. grec. 139 u. d. mittelbyzant. Renaissance, in: Jb. f. Kunstwiss. 6, 1929, S. 178–94;
    The Joshua Roll, a work of the Macedonian Renaissance, 1948;
    Greek mythology in byzantine art, 1951;
    Die Ill. d. Septuaginta, in: Münchner Jb. d. bild. Kunst, 3, 1952 / 53, S. 96–120;
    Ancient Book Illumination, 1959;
    The Survival of Mythological Representations in Early Christian and Byzantine Art, in: Dumbarton Oaks Papers 14, 1960, S. 43–68;
    Geistige Grundlagen u. Wesen d. Makedon. Renaissance, 1963;
    Zur Frage d. Einflusses jüd. Bildqu. auf d. Ill. d. AT, in: Mullus, FS Theodor Klauser, 1964, S. 401–15;
    Frühe Ikonen, Sinai, Griechenland, Bulgarien, Jugoslawien, 1965;
    The iconography of the Carolingian ivories of the throne, in: La cathedra lignea di San Pietro, hg. v. M. Maccarone, 1971, S. 217–45;
    Cat. of the byzantine and early medieval antiquities in the Dumbarton Oaks collections, Bd. 3: Ivories and steatites, 1972;
    The ivories of the so-called Grado chair, in: Dumbarton Oaks Papers 26, 1972, S. 43–91;
    Loca sancta and the representational arts of Palestine, ebd. 28, 1974, S. 33–55;
    The Heracles Plaques of St. Peter’s Cathedra, in: Art Bull. 55, 1973, S. 1–37;
    Adolph Goldschmidt u. d. Berliner Kunstgesch., 1985;
    The frescoes of the Dura synagoge and Christian art, 1990 (mit H. L. Kessler);
    Aufs.slgg.: Studies in Classical and Byzantine Manuscript Illumination, 1971;
    Byzantine Book Illumination and Ivories, 1980;
    Byzantine Liturgical Psalters and Gospels, 1980;
    Classical Heritage in Byzantine and Near Eastern Art, 1981;
    Art and the Medieval West and its Contacts with Byzantium, 1982;
    Studies in the Arts at Sinai, 1982;
    Autobiogr.: Sailing with Byzantium from Europe to America, The Memoirs of an Art Historian, 1994 (Bibliogr., P);
    Nachlaß: Princeton Univ. Library;
    weitere Nachweise in: Personenlex. christl. Archäol. (s. L).

  • Literatur

    LFS: Illuminated Greek Manuscripts from American Collections, An Exhibition in Honor of K. W., hg. v. G. Vikan, Art Mus. Princeton Univ., 1973;
    Byzantine East, Latin West, Art-Hist. Studies in Honor of K. W., hg. v. D. Mouriki u. a., 1995 (Bibliogr., P.);
    Aufss. seiner Bonner Schüler zu Ehren v. K. W., in: Zs. f. Kunstgesch. 48, 1985, S. 29–86 u. 51, 1988, S. 1–146;
    D. H. Wright, The School of Princeton and the Seventh Day of Creation, in: Univ. Publishing (Berkeley) 9, Summer 1980, S. 7 f.;
    M. Bernabò, Una rivoluzione metodologica nello studio della miniatura medievale, K. W. e Illustrations in Roll and Codex, in: Miniatura 3–4, 1990–91, 1993, S. 109–12;
    P. u. H. L. Kessler, Il contributo di K. W. alla storia della miniatura medievale, ebd., S. 113–16;
    Nachrufe: H. L. Kessler, in: Dumbarton Oaks Papers 47, 1993, S. XIX–XXIII u. in: Jewish Art 19–20, 1993–94, S. 256 f.;
    H. Belting u. a., in: Speculum 69, 1994, S. 952 f.;
    E. Kitzinger, in: Proceedings of the American Philosophical Soc. 139, 1995, S. 205–09 (P);
    H. Fillitz, in: Alm. d. Österr. Ak. d. Wiss. 145, 1954–55, S. 545–53 (P);
    W. C. Loerke, K. W., Reflections on his student years, in: Pioneers of byzantine studies in America, hg. v. J. W. Barker, 2002, S. 277–83;
    Th. Steppan, K. W., Illustrations in Roll and Codex, in: Hauptwerke d. Kunstgesch.schreibung, hg. v. P. Naredi-Rainer, 2010, S. 489–93;
    M. Olin, The Émigré Scholars of Dura-Europos, in: Dura-Europos, Crossroads of Antiquity, hg. L. R. Brody u. G. L. Hoffmann, 2011, S. 71–93;
    BHdE II;
    Dict. of Art;
    Biogr. Hdb. Kunsthist. (W, L);
    Metzler Kunsthist. Lex., ²2007, S. 493–95 (P. H. Feist);
    Personenlex. christl. Archäol. (W, L, P).

  • Autor/in

    Rainer Kahsnitz
  • Zitierweise

    Kahsnitz, Rainer, "Weitzmann, Kurt" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 709-711 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz140234.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA