Lebensdaten
1868 – 1942
Geburtsort
Kirchberg (Hunsrück)
Sterbeort
Schönenberg/Sieg
Beruf/Funktion
Schriftstellerin
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 119147513 | OGND | VIAF: 37720195
Namensvarianten
  • Lambrecht, Anna (eigentlich)
  • Ruth, Alca (Pseudonym)
  • Lambrecht, Nanny
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Lambrecht, Nanny, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119147513.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joh. Michael (* in Spanien), Teilnehmer am amerikan. Bürgerkrieg gegen d. Südstaaten, Lederkaufm. in Boston (Niederlassung in K.), S d. Jacob, aus Thüringen, u. d. Rosina Schneider;
    M Anna Catharina, T d. Wilhelm Winn u. d. Margaretha Stiefenhofer; ledig.

  • Biographie

    Vom Vater wie ein Junge erzogen und bald selbst kritisch gegenüber dem geltenden weiblichen Rollenbild, erregte L. bereits in der Schule und im Lehrerinnenseminar wegen ihres Temperaments und ihrer nonkonformistischen Haltung Anstoß. 13 Jahre unterrichtete sie an der zweisprachigen utraquistischen Schule in Malmedy. Gesundheitliche Gründe führten zur Aufgabe des Lehrerberufs. Nach Reisen durch Holland, Belgien, die Schweiz, Italien und England lebte L. in Aachen, in der Wallonie und in Honnef.

    Die wallon. Eifel war der Raum, in dem ihre ersten seit 1904 veröffentlichten Erzählungen handeln. L.s Liebe zur Heimat zeigte sich im Engagement für Volkskunde, in der Gründung eines Theatervereins und dem Versuch, einen „Weltverein für Volkskunst“ ins Leben zu rufen. Von der das einfache Leben der Bauern oder des Mittelstands idealisierenden, antiintellektualistischen Heimatkunst bereits abzugrenzen ist ihr Roman „Statuendame, Roman einer Ehe und eines Volkes“ (1908), in dem sie, das politische Thema mit dem der Ehe verbindend, auf aktuelle Grenzland- bzw. Sprachprobleme der Wallonen im Deutschen Reich eingeht, wobei sie sowohl den deutschen wie den wallon. Fanatismus kritisiert. Germaine, Hauptfigur des Romans, hatte in einem kath. Pensionat als Mädchen gelernt, daß eheliche Hingabe sich nur durch die Geburt von Kindern legitimiere. Da ihre Ehe mit einem sinnlich brutalen Mann kinderlos bleibt, empfindet sie alles Sexuelle schließlich als Demütigung; sie entzieht sich der Ehe, widmet sich ganz der Förderung von Kirchen und wird zur gefühlskalten Stifterin von Heiligenfiguren.

    Ins öffentliche Bewußtsein rückte L. erst durch ihr Buch „Armsünderin, Roman aus dem Hunsrück“. Carl Muth druckte 1908/09 den Roman im „Hochland“ ab und verschärfte damit einen Literaturstreit mit der klerikalen und traditionsorientierten Zeitschrift „Der Gral“. L. prangerte in ihrem Buch die körper- und frauenfeindlichen Lehren sowie die mangelnde Zivilcourage des Klerus an und bezieht auch soziale Fragen aus dem Bauernmilieu ein.

    Nach der Aufhebung der Sozialistengesetze zählte L., angeregt durch den Naturalismus, zu den Schriftstellerinnen, die sich der gesellschaftlichen Rolle der Frau annahmen. In ihren Romanen stellt sie Frauengestalten aus den verschiedensten sozialen Schichten und mit den unterschiedlichsten Lebenshaltungen dar: Unterwürfige, Leichtlebige, Beherrschte, Aufopfernde, Grübelnde; mit besonderer Vorliebe beschäftigt sie sich mit selbstbewußten Kämpferinnen. Stets geht es ihr um die Korrektur der naturalistisch-biologistischen Vorstellung von der geschlechtlich bedingten Unterlegenheit der Frau und um eine Neuinterpretation ihrer Rolle auf dem Boden des christlichen Sittengesetzes. „Notwehr, Roman der Ungeborenen“ (1912) diskutiert sogar das Problem von Empfängnisverhütung und Abtreibung. Vom belg. Naturalisten Camille Lemonnier beeinflußt, läßt L. ihre Milieu- und Personendarstellungen aus kulturhistorischem Dokumentationsmaterial hervorgehen, faßt bis dahin ungeschriebene Dialekte in Schrift, bemüht sich um genaue psychologische Beobachtungen und stellt seelische Vorgänge in einfachen, knappen, oft unvollständigen Sätzen und Ausrufen dar. Sie arbeitet mit extremen Kontrastierungen, gehäuften Motiven des Schaurigen, ins Apokalyptische gewendeten Romanschlüssen, kühnen, teils manirierten Metaphern und unterbricht die Handlung durch Analysen und moralische Stellungnahmen. Nach 1914 stellte sich L. thematisch auf die neue Zeit ein und gestaltete ihre unmittelbaren Kriegserlebnisse auf dem Schlachtfeld der belg.-deutschen Grenzgebiete, konnte aber innerhalb der politischen und ästhetischen Polarisierungen der Zeit keinen Platz mehr finden. Auch ihre Dramen waren wenig erfolgreich. L.s Bedeutung liegt in der zeitgemäßen Darstellung von Christentum und Frauenemanzipation. Damit treten ihre Prosawerke deutlich aus dem Niveau der modischen Heimatdichtung ihrer Zeit heraus.

  • Werke

    Weitere W u. a. Romane: Das Haus im Moor, 1906;
    Das Land der Nacht, 1908;
    Die Suchenden, 1912;
    Die tolle Herzogin, 1913;
    Das Heiratsdorf,|1913;
    Die eiserne Freude, 1914;
    Die Fahne der Wallonen, 1915;
    Der Gefangene v. Beile-Jeanette, 1916;
    Der letzte Wallone, 1916;
    Die Hollaprinzeß, 1917;
    Das Lächeln d. Susanna, 1918;
    Vor d. Erwachen, 1920;
    Der heiml. Gast, 1920;
    Die Braune, d. Blonde, d. Schwarze, 1921;
    Die Kinder Kains, 1922;
    In zwölfter Stunde, 1924;
    Overstolz, 1927;
    Anne-Brigitte, 1935. -
    Slgg. v. Erzählungen: Was im Venn geschah, 1904;
    Bruder Mensch, 1910;
    Die Hölle, 1916. -
    Dramen: Die Mädchen, Schultragödie in 4 Aufzügen, 1910;
    Wie man seine Frau liebt, Komödie, 1912.

  • Literatur

    R. Kries, Der kath. Lit.streit, 1910;
    H. Cardanus, Aus d. Leben e. Redakteurs, 1912, S. 267-69;
    P. Hankamer, N. L., Versuch e. Charakteristik ihrer Persönlichkeit u. ihrer Kunst, 1914;
    D. H. Sarnetzki, N. L., in: Kölner Ztg. 294, 1942 (mit Autobiogr. L.s v. 1917);
    Brümmer;
    Kürschner, Lit.-Kal. 1932;
    Kosch, Lit.-Lex. (W, L);
    Lex. d. Frau II, 1954.

  • Porträts

    Phot. in: J. Nadler, Lit.gesch. d. dt. Volkes III, 1938, S. 686.

  • Autor/in

    Adalbert Wichert
  • Zitierweise

    Wichert, Adalbert, "Lambrecht, Nanny" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 442-443 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119147513.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA