Lebensdaten
1873 – 1938
Geburtsort
Essen
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Schriftsteller
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118773283 | OGND | VIAF: 15565613
Namensvarianten
  • zur Linde, Otto (zur ist kein Adelsprädikat)
  • Linde, Otto zur
  • zur Linde, Otto (zur ist kein Adelsprädikat)
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Linde, Otto zur, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118773283.html [24.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Karl ( 1907), Buchhalter in E., seit 1878 Gastwirt u. Kolonialwarenhändler in Gelsenkirchen;
    M Catharina Stromberg ( 1873/74);
    London 1900 Verena Reichenberger (* 1871).

  • Biographie

    L. wurde nach Studien in Berlin, Halle und Freiburg/Breisgau (u. a. Heinrich Rickert) 1898 mit der Arbeit „Heinrich Heine und die deutsche Romantik“ promoviert; auf das Motivarsenal von Heine, Brentano, Novalis greift sein frühes Werk zurück. Gegen den Widerstand des Vaters entschied er sich für den Beruf des freien Schriftstellers, ließ sich mit dem Studienfreund Humphrey Clarke in London als Korrespondent und Literaturkritiker (u. a. für die „Vossische Zeitung“) nieder, nach dem Zerwürfnis mit Clarke dann 1902 in Berlin. Großenteils noch in London war „Die Kugel, Eine Philosophie in Versen“ (1909, vollst. Ausg. 1923) entstanden; sie enthält die Grundzüge der Weltanschauung des „Selbstdenkers“ L., die mit dem prophetischen Anspruch eines Religionsstifters vorgetragen wird. – Zeittypisch ist an jener betont eigenständigen Gedankenwelt der Synkretismus aus Widersprüchen gegen die geistesgeschichtliche Tradition – von den Vorsokratikern über die Präexistenzlehre der Neuplatoniker und den scholastischen Gradualismus bis zu Nietzsche, dessen aristokratische Lehre vom „Übermenschen“ L. heftig bekämpft, weil er sie verallgemeinert sehen möchte. L. lehnt jegliches rationalistische „Tiertum“, wie es seit Aristoteles hervorgetreten sei, ab. Verwandt fühlt er sich dagegen den mathematischen Gottes-Spekulationen des Nikolaus von Cues und der Mystik eines Meister Eckhart sowie späteren pietistischen Erweckungslehren. Sein autobiographisches Romanfragment „Hans Bernhardt“ (1909) orientiert sich an Karl Philipp Moritz' „Anton Reiser“. Ausgehend von Kants erkenntnistheoretischem Dualismus, versucht L., den Identitätssatz ethisch zu fassen: Das Ich („Ego“) spaltet sich in „Subjekt und Objekt“, „Ipse und Tu“, so daß dem Denker aufgegeben ist, als neue Einheit das „Selbst“ zu verwirklichen; der „mystische Tod des Ipse“ verhilft dem empirischen Menschen zur „Selbsterlösung“ – denn das verbleibende „Tu-Selbst“ ist Funktion des früheren „Ego“ und zugleich der Inbegriff der objektiven Welt als der Gesamtheit „Aller-Seelen“. Entsprechend werdender menschliche Mikrokosmos und der Makrokosmos des Alls gleichermaßen in der „Raumfigur“ der Kugel begriffen. Wie es die Lebensphilosophie nahelegt, wird die Selbsterlösung als endlos wiederholte Auseinanderfaltung einer Einheit verstanden. Die Vorstellung des persönlichen christlichen Gottes aber behält L. bei, obschon dessen Attribute auf das „Selbst“ übertragen werden; dem Creationismus, wonach Gott unaufhörlich jeweils neue Seelen schaffe, begegnet unvermittelt die Lehre von der außerzeitlichen Präexistenz jeder Seele. Die späten „Religionsbücher“ bauen den „metaphysischen Atheismus“ aus, den L. im „Tao Te King“ vorgebildet fand; Gott steht unendlich fern, doch kann der „Pessimismus der Aktivität, des Ethos und der Treue“ die „Hölle“ der Menschenwelt in „das wiedergewonnene Paradies“ verwandeln (Pannwitz). – L.s Ideen verbreitete die 1904 gegründete Zeitschrift „Charon“; nach dem Ausscheiden des Mitherausgebers Rudolf Pannwitz übernahm L. 1906 allein die Redaktion, zog aber seit 1909 Karl Röttger hinzu; mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs stellte der „Charon“, zuletzt mit 9 000 Exemplaren Auflage, sein Erscheinen ein; Versuche, mit den „Charon Notheften: Der Kompass“ von 1920/22 die Zeitschrift wiederzubeleben, scheiterten. Seit 1924 zerfiel das gesamte „Charonwerk“. Der „Charonkreis“ war 1904 von L., Pannwitz und Rudolf Paulsen gegründet worden und zählte Salomon Friedländer, Max Friedlänler und Erich Bockemühl zu seinen Mitgliedern; man verzichtete, in polemischem Gegensatz zum George-Kreis, auf Exklusivität und strebte nach unmittelbarer Wirkung von Mensch zu Mensch, ohne Gesetze und Hierarchie. Im „Charon“ vorabgedruckte größere Werke erschienen im 1905 gegründeten, 1908 im Börsenverein aufgenommenen „Charon-Buchverlag“, so Pannwitzens programmatische Schrift: „Kultur, Kraft, Kunst. Charonbriefe an Berthold Otto“ (1906) und die zehnbändige Sammlung von L.s Lyrik, darunter der „Charontische Mythos“ (Ges. Werke, 1910–25, IV, 1913), in dem der kosmische antike Mythos mit dem Erlösungsmythos der Christen vereinigt wird, Charon mit Christus, dem anderen „Mittler zwischen zwei Welten“. Angeregt von Arno Holz, schuf sich L. einen „phonetischen Rhythmus“ und versuchte, als den sprachschöpferischen Ausdruck des Religionsstifters eine „Kunstnatur“ zu gestalten, die reine sprachliche Verwirklichung der Welt-„Seele“; Gedichte aus dem Band „Stadt und Landschaft“ (III, 1911; entstanden seit 1902) weisen Analogien zum Expressionismus auf. Als „Fenster nach außen“ diente dem Charonkreis „Die Brücke“, eine „Monatsschrift für Zeitinterpretation“, welche Röttger 1911-14 herausgab. Als Organisationsform verfügte L.s „Gemeinde“ über die Ortsgruppen (u. a. in Düsseldorf und München) der am 13.5.1911 in Berlin gegründeten „Stiftung der Charonfreunde“. Nachdem 1924 eine zweijährige Zusammenarbeit mit dem Piper-Verlag endgültig an L.s Widerwillen gegen die achtlose breite Öffentlichkeit gescheitert war, verzichtete L. seit Mai 1925 auf jedes dichterische Schaffen. Zunehmend an Depressionen leidend, wegen eines von Jugend an quälenden Augenleidens fast erblindet, lebte er kümmerlich von öffentlichen und privaten Zuwendungen.

  • Werke

    Weitere W Gedichte, Märchen u. Skizzen, 1901;
    Fantoccini, 1902;
    Arno Holz u. d. Charon, 1911;
    Die Hölle, = Charon Nothefte 1-13, 1920-22 (Teildr. aus: Die Hölle od. Die neue Erde im Nachlaß). -
    Hrsg.: Karl Phil. Moritz, Reisen e. Deutschen in England im J. 1782, 1903;
    Charon, Ausw. aus s. Gedichten, Einführung v. H. Hennecke, 1952;
    Prosa, Gedichte, Briefe, Ausw. u. Nachwort v. H. Röttger, 1974. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Archiv d. Heinrich-Heine-Inst., Düsseldorf, u. Archiv d. Ak. d. Künste d. DDR, Berlin (aus d. Bes. v. Verena zur Linde).

  • Literatur

    R. Paulsen, O. z. L., 1912;
    ders., Bll. u. Briefe v. O. z. L.s Grab, 1938;
    R. Pannwitz, in: O. z. L., Sechzig J., Hallesche Flugbll. 4, 1933 (P);
    M. Sadnikar, Die Sprache O. z. L.s, 1934;
    F. J. Fall, Die beiden gr. Erneuerungsbewegungen d. dt. Dichtung um die Jh.wende: Stefan George u. O. z. L., 1935;
    B. Rang, Vorläufer d. Expressionismus, in: Expressionismus, hrsg. v. H. Friedmann u. O. Mann, 1956;
    W. Kugel, Weltbild u. Lyrik O. z. L.s, 1959;
    E. Lewy, O. z. L., in: Kleine Schir., 1961;
    Soergel-Hohoff (P);
    H. Röttger, O. z. L., 1970 (W-Verz.);
    RGG² (Charon);
    Kosch, Lit.-Lex.;
    Klinisch;
    Kindlers Lit.-Lex. XII, S. 10 552 (Charont. Mythus);
    C. Heselhaus, Dt. Lyrik d. Moderne v. Nietzsche bis I. Goll, ²1962, S. 56-63.

  • Porträts

    Kohlezeichnung v. P. Gehlofen (im Nachlaß Düsseldorf).

  • Autor/in

    Walter Schmitz
  • Zitierweise

    Schmitz, Walter, "Linde, Otto zur" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 581-583 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118773283.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA