Lebensdaten
1919 – 1994
Geburtsort
Essen
Sterbeort
Tübingen
Beruf/Funktion
Soziologe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118756451 | OGND | VIAF: 24615690
Namensvarianten
  • Tenbruck, Friedrich Heinrich Wilhelm
  • Tenbruck, Friedrich Heinrich
  • Tenbruck, Friedrich Heinrich Wilhelm
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Tenbruck, Friedrich Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118756451.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich, Syndikus, später Geschäftsführer d. „Norddt. Holzhandelsges.“, Dir. d. „Rhein. (später: Vereinigten) Stahlwerke AG“ in E. u. d. „Essener Steinkohlen AG“, zuletzt in Kronberg (Taunus);
    M Gertraud Meßmann;
    2 Schw Irmgard Pressler, Gertrud Bunten;
    1) Marburg/Lahn 1946 1953 Helene (1919–83), T d. Eberhard v. Sick (1883–1978), Landwirt, Oberst, u. d. Else Franck (* 1890), 2) Waterloo (County of Seneca, New York,|USA) 1958 Kora Schröner (1929–99), aus Gotha, Dipl.-Ing., Architektin;
    1 T aus 1) Maximiliane (* 1950), 2 T aus 2) Katharina (* 1961, Achim Hettinger), Friederieke (* 1963, Harald Wolber);
    Gvv d. 1. Ehefrau Alfred v. Sick (1845–1906), württ. Gen. d. Kav. (s. BJ XI, Tl.; NDBA).

  • Biographie

    T. wuchs in Hannover und Essen (Abitur 1939) auf. Seit 1939 studierte er Philosophie, Geschichte und Germanistik in Freiburg (Br.), Berlin, Köln und Greifswald, seit 1941 /42 in Marburg u. a. bei Julius Ebbinghaus (1885–1981); bei diesem wurde er 1943 über „Die transzendentale Deduktion der Kategorien nach der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft“ promoviert. Nach Kriegsdienst 1943–45 und mehreren Lazarettaufenthalten war T. 1945–50 wiss. Hilfskraft am Phil. Seminar der Univ. Marburg. 1950/51 ging er zum Studium der amerik. Sozialwissenschaften und ihrer empirischen Methoden an die Univ. of Virginia in Charlottesville und wurde nach seiner Rückkehr „Consultant“, „Staff Assistant“ und „Advisor“ in Higher Education für den Aufbau des hess. Universitätssystems durch die US-Wissenschaftsverwaltung. 1952/53 wirkte er als Assistent von Max Horkheimer (1895–1973) an dessen Studien über die dt. Hochschulen in Frankfurt/M. am Institut für Sozialforschung mit. 1953–57 war er Assistent und Studienleiter am Institut für Vergleichende Sozialwissenschaften der George-Washington-Stiftung in Stuttgart, 1957–62 Assistant Professor für Soziologie an den Hobart and William Smith Colleges in Geneva (New York). 1960 mit einem Habilitationsstipendium der DFG nach Deutschland zurückgekehrt, ging er als Lehrbeauftragter nach Freiburg (Br.), wo er sich 1963 bei Arnold Bergstraesser (1896–1964) habilitierte (Gesch. u. Ges., 1986). 1963 wurde er gegen den massiven Widerstand von Theodor W. Adorno (1903–69) als Professor für Soziologie und Direktor des Seminars für Gesellschaftslehre nach Frankfurt/M. berufen. 1967 wechselte T. nach Tübingen (Nachfolge v. Ralf Dahrendorf), wo er bis zu seinem Tod als Professor für Soziologie wirkte. Aufgrund seiner politischen Positionen massiv angegriffen und bedroht, geriet T. in Tübingen in die Isolation und nahm daher seit 1969 gleichzeitig Lehraufträge in Zürich und Heidelberg an; 1972 /73 hatte er die Theodor-Heuss-Gastprofessur an der Graduate Faculty der New School for Social Research in New York inne. Nach seiner Emeritierung 1987 lebte T. in Tübingen.

    T. ging seit seiner Marburger Zeit davon aus, daß die klassischen dt. Geisteswissenschaften, insbesondere die Philosophie, u. a. aus methodischen Gründen keine adäquaten Antworten auf die Probleme moderner Gesellschaften geben könnten. Seine Studien zu Wilhelm Dilthey, Georg Simmel und Max Weber sowie seine Habilitationsschrift sind die Grundlage seiner soziologischen Arbeit, er beschäftigte sich u. a. mit Jugendsoziologie und Religionssoziologie. Dem von Weber und Simmel entwickelten umfassenden Verständnis von Soziologie folgend, kritisierte T. die zeitgenössischen Sozialwissenschaften, v. a. in zahlreichen Aufsätzen die Forschung zu Max Weber, der er mangelndes Verständnis Webers bei gleichzeitiger Abhängigkeit von dessen Leitideen vorwarf. Trotz seiner Verdienste um die Neubelebung und institutionelle Etablierung der Kultursoziologie im Rahmen der Dt. Gesellschaft für Soziologie nach dem 2. Weltkrieg hatte T.s Werk keine anhaltende Wirkung in der akademischen Soziologie. Nicht zuletzt aufgrund seiner scharfen Kritik an der zeitgenössischen Entwicklung seines Faches blieb T. eher am Rande der Disziplin. Auch seine ehemaligen Mitarbeiter und Schüler, u. a. Clemens Albrecht, Michael Bock, Alois Hahn, Harald Homann und Volker Kalisch, konnten seinem Werk keine breite wissenschaftliche Rezeption verschaffen. Jedoch zeigt T.s Entwicklung vom Philosophen geisteswissenschaftlicher Orientierung über einen an amerik. Methoden und Theorien geschulten Sozialwissenschaftler hin zum Kultursoziologen exemplarisch wesentliche Zäsuren der Soziologie in Deutschland nach 1945.

  • Auszeichnungen

    A Gründungsmitgl. d. Bunds Freiheit d. Wiss. (1970);
    Mitgl. im Wiss. Beirat d. Walter-Raymond-Stiftung (1975), d. Görres-Ges. (1983);
    Gastprof. an d. Univ. degli Studi di Siena, Arezzo, Italien (1991);
    Dr. phil. h. c. (Lecce 1993).

  • Werke

    Weitere W Jugend u. Ges., 1962, ²1965;
    Zur Kritik d. planenden Vernunft, 1972;
    Die unbewältigten Soz.wiss., 1984;
    Die Soz.wiss. als Mythos d. Moderne, 1985;
    Die kulturellen Grundlagen d. Ges., 1989, ²1990;
    Perspektiven d. Kultursoziol., Gesammelte Aufss., hg. v. C. Albrecht, W. Dreyer u. H. Homann, 1996;
    Das Werk Max Webers, Gesammelte Aufss., hg. v. H. Homann, 1999;
    Die intellektuelle Gründung d. Bundesrep., 1999 (mit G. C. Behrmann, M. Bock u. H. Homann).

  • Literatur

    L Festgabe f. F. H. T. z. 70. Geb.tag am 22. Sept. 1989, zus.gestellt v. V. Kalisch, 1989 (vollst. W-Verz.);
    A. Hahn, In memoriam F. H. T. (22. 9. 1919–9. 2. 1994), in: Kölner Zs. f. Soziol. u. Soz.psychol. 46, 1994, S. 365–69;
    K. Adam, Scheu vor d. Schema, Zum Tod v. F. H. T., in: FAZ v. 12. 2. 1994 H. Homann, Einl. zu: F. T., Das Werk Max Webers, Gesammelte Aufss., hg. v. H. Homann, 1999, S. VII– XXIV;
    ders., Wiedergänger, Zur Aufklärung d. Anti-Soziol. am Bsp. F. H. T.s., in: P.-U. Merz-Benz u. G. Wagner (Hg.), Soziol. u. Antisoziol., 2001, S. 61–|88;
    D. Kaesler, Die Zeit d. Außenseiter in d. dt. Soziol., in: K.-L. Ay u. K. Borchardt (Hg.), Das Faszinosum Max Weber, 2006, S. 169–95;
    F. Akalin, „Nicht Aufklärung durch d. Sozialwissenschaften brauchen wir, sondern Aufklärung über d. Sozialwissenschaften“, F. T. u. d. Soziologie (in Frankfurt), in: Soziologie in Frankfurt, Eine Zw. bilanz, hg. v. F. Herrschaft, 2010, S. 179–203;
    Marcon-Strecker (W, P); Qu F.-H.-T.-Archiv, seit 1995 in d. Univ.bibl. Trier

  • Autor/in

    Dirk Kaesler
  • Zitierweise

    Kaesler, Dirk, "Tenbruck, Friedrich Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 26-28 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118756451.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA