Lebensdaten
1885 – 1946
Geburtsort
Fleinhausen bei Augsburg
Sterbeort
Nürnberg
Beruf/Funktion
NS-Politiker ; Gauleiter von Franken
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118619233 | OGND | VIAF: 15562465
Namensvarianten
  • Streicher, Julius Sebastian
  • Streicher, Julius
  • Streicher, Julius Sebastian

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Zitierweise

Streicher, Julius, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118619233.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich, Volksschullehrer;
    M Anna Weiß;
    8 Geschw;
    1) 1913 Kunigunde Roth († 1943), T e. Bäckerei- u. Brauereibes. in Bamberg, 2) 1945 Adele Tappe, Sekr. v. S.;
    2 S aus 1).

  • Biographie

    Nach achtjähriger Volksschulausbildung besuchte S. ein Schullehrerseminar in Lauingen, war 1902–07 als Aushilfslehrer und nach seinem Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger seit 1909 als Volksschullehrer in Nürnberg tätig. Den Kriegsdienst 1914–18 beendete S. als Leutnant. Mit Kriegsende begann seine politische Karriere: Seit 1918 engagierte sich S. als „völkischer“ und v. a. antisemitischer Agitator in Franken. Als versierter Redner und Herausgeber verschiedener nationalistischer Zeitungen avancierte er rasch zu einer lokalen politischen Führungsfigur im Großraum Nürnberg. Herausragende Bedeutung für die NSDAP erlangte S. 1922, als er die 1919 von ihm mitbegründete Deutsch-soziale Partei geschlossen in die NSDAP überführte und für diese damit das breite nationalistische Wählerreservoir in Franken erschloß. Als Teilnehmer des „Hitlerputsches“ 1923 und unermüdlicher Demagoge konnte S. mit Rückendeckung Hitlers eine Vormachtstellung innerhalb der nordbayer. NSDAP erringen. 1925 beauftragte ihn Hitler mit der Organisation der NSDAP in den Regierungsbezirken Mittel-, Ober- und Unterfranken. Der von ihm selbst gewählte Titel „Frankenführer“ ist bezeichnend für S.s Selbstverständnis und Herrschaftsstil: Sein antisemitisches Sendungsbewußtsein war verbunden mit einer propagandistisch inszenierten Überhöhung der eigenen Person und äußerster Brutalität bei der Durchsetzung politischer Ziele. In den 1920er Jahren handelte sich S. sowohl Geld- und Haftstrafen als auch die Rivalität zahlreicher Parteigenossen und NS-Spitzenfunktionäre ein. Folge seiner extremen politischen Agitation war die Suspendierung vom Schuldienst 1923 und seine endgültige Entlassung 1928. Parteiinterne Querelen führten im selben Jahr zu einer Reduzierung seines politischen Einflusses auf den Gau Franken (Mittelfranken). Auch aus diesem Grund blieb S. nach 1933 bei der Verteilung der höchsten Staats- und Parteiämter unberücksichtigt. Ohne entsprechende Funktionen im staatlichen Apparat stützte sich S. nach der „Machtergreifung“ in seinem Gau auf eine ihm treu ergebene Clique, deren Loyalität auf Ämterpatronage und finanziellen Zuwendungen basierte. 1938–40 verlor S. wegen der ständigen Eskapaden und Skandale zunehmend die Rückendeckung Hitlers. Seit 1940 war er nur noch zum Tragen des Titels „Gauleiter“ berechtigt, die Machtbefugnisse des Amtes wurden ihm entzogen, nachdem sich korrupte Angehörige der fränk. Parteispitze mit sog. „Arisierungserlösen“, die durch Ausplünderung der jüd. Bevölkerung v. a. 1937–39 entstanden waren, massiv bereichert und damit dem NS-Staat Finanzen entzogen hatten.

    Die eigentliche Bedeutung S.s für das NS-Regime lag in seiner Funktion als ideologischer Wegbereiter und treibende Kraft bei der Verfolgung der jüd. Bevölkerung. Publizistischer Ausdruck von S.s exzessiv ausgelebtem Judenhaß war v. a. das von ihm seit 1923 herausgegebene vulgäre antisemitische Hetzblatt „Der Stürmer“ mit einer Auflage von bis zu ca. ½ Mio. Exemplaren. Flankiert wurde die Wochenzeitung von weiteren Publikationen des Stürmerverlages, u. a. antisemitischen Kinderbüchern (etwa „Der Giftpilz“). Als Leiter des „Boykott-Komitees“ trat S. im April 1933 als maßgebliche Kraft bei dem Angriff auf die Wirtschaftstätigkeit der jüd. Bevölkerung auf und initiierte zahlreiche weitere gewalttätige Übergriffe auf Juden und andere „Regimegegner“. Nach Kriegsende geriet S. auf der Flucht im Raum Berchtesgaden in US-amerik. Kriegsgefangenschaft. Im Hauptkriegsverbrecherprozeß von Nürnberg angeklagt, wurde S. durch das alliierte Tribunal zum Tode verurteilt und am 16. 10. 1946 hingerichtet.

  • Auszeichnungen

    A EK I u. II;
    Österr. Verdienstkreuz am Band d. Tapferkeit;
    MdL (Bayern, 1924–33);
    Stadtrat in Nürnberg (1924/29–32);
    Ortsgruppenleiter d. Ortsgruppe Nürnberg d. NSDAP (1925–33);
    MdR (1932–45);
    Gauarbeitsführer E. h. (1935);
    Ehrenmitgl. d. Ak. f. dt. Recht (1935);
    SA-Obergruppenführer (1937);
    Vors. d. Nord. Ges., Sektion Franken;
    Leiter dt. Sektion d. antijüd. Weltliga;
    Mitgl. d. Verteidigungsausschusses Wehrkreis XIII (1939/40);
    Ehrenbürger u. a. v. Schwabach (1933), Windsbach (1933) u. Treuchtlingen (1934).

  • Werke

    Was soll mit den Juden geschehen?, 1936 (mit A. Hitler);
    Kampf d. Weltfeind, 1938;
    Ruf z. Tat, Aufss. aus d. Kampfjahren 1920–1922, 1937;
    Hg. (Stürmer-Verlag): E. Bauer, Trau keinem Fuchs auf grüner Heid u. keinem Jud b. seinem Eid, Ein Bilderbuch f. Groß u. Klein, 1936;
    P. Deeg, Hofjuden, 1939;
    E. Hiemer, Der Giftpilz, Ein Stürmerbuch f. Jung u. Alt, hg. v. P. Rupprecht, 1938.

  • Literatur

    P. Hüttenberger, Die Gauleiter, 1969;
    R. Lenman, J. S. and the Origins of the NSDAP in Nuremberg, 1918–1923, in: A. Nicholls u. E. Matthias (Hg.), German Democracy and the Triumph of Hitler, 1971, S. 129–59;
    U. Grieser, Himmlers Mann in Nürnberg, 1974;
    C. J. Ehlers, Nuremberg, J. S. and|the Burgeois Transition to Nazism, 1918–1924, 1975;
    R. T. Bytwerk, J. S. and the Impact of Der Stürmer, in: The Wiener Library Bull. 29, 1976, S. 41–46;
    ders., J. S., 1983;
    R. Hambrecht, Der Aufstieg d. NSDAP in Mittel- u. Oberfranken (1925–1933), 1976;
    J. W. Baird, Das pol. Testament J. S.s, Ein Dok. aus d. Papieren d. Hptm. Dolibois, in: VfZ 26, 1978, S. 660–93;
    ders., J. S., Der Berufsantisemit, in: R. Smelser, E. Syring u. R. Zitelmann (Hg.), Die Braune Elite, II, ²1999, S. 231–42;
    F. Hahn, „Lieber Stürmer.“ Leserbriefe an d. NS-Kampfbl. 1924–1945, 1978;
    D. E. Showalter, Little Man, what now? Der Stürmer in the Weimarer Republic, 1982;
    ders., The Politics of Bureaucracy in the Weimarer Republic: The Case of J. S., in: German Studies Review 6, 1983, S. 101–18;
    ders. Jews, Nazis, and the Law: The Case of J. S., in: Simon Wiesenthal Center Annual 6, 1989, S. 143–63;
    I. E. Wahler, An Exposé of ,Der Stürmer` German Anti-Semitic Weekly, in: H. Schultheis, Ein Streifzug durch Frankens Vergangenheit, 1982, S. 373–412;
    F. Pöggeler, Der Lehrer J. S., 1991;
    Ch. Kuller u. A. Drecoll, Inszenierter Volkszorn, ausgebliebene Empörung u. d. Sturz J. S.s, in: M. Sabrow (Hg.), Skandal u. Diktatur, 2004, S. 77–101;
    F. Ruault, „Neuschöpfer d. dt. Volkes“, J. S. im Kampf gegen d. „Rassenschande“, 2006;
    ders., Tödl. Maskeraden, J. S. u. d. „Lösung d. Judenfrage“, 2009;
    A. Drecoll, Der Fiskus als Verfolger, Die steuerl. Diskriminierung d. Juden in Bayern 1933–1941/1942, 2008;
    W. Ziegler, Das Selbstverständnis d. bayer. Gauleiter, in: H. Rumschöttel u. W. Ziegler (Hg.), Staat u. Gaue in d. NS-Zeit, 2004, S. 77–125;
    Stadtlex. Nürnberg;
    Stadtlex. Erlangen;
    Lilla, MdR;
    Lilla, Bayer. LT.

  • Autor/in

    Axel Drecoll
  • Zitierweise

    Drecoll, Axel, "Streicher, Julius" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 534-535 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118619233.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA