Lebensdaten
1822 – 1884
Geburtsort
Heinzendorf Bezirk Troppau (Österreichisch Schlesien)
Sterbeort
Brünn
Beruf/Funktion
Vererbungsforscher ; Augustiner
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118580698 | OGND | VIAF: 7455283
Namensvarianten
  • Gregor, Johann
  • Mendel, Gregor
  • Gregor, Johann
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Mendel, Gregor, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118580698.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Anton (1789–1857), Bauer in H., S d. Bauern Valentin (1754–1828) in H. u. d. Elisabeth Marie Blaschke (1753–1829);
    M Rosine (1794–1862), T d. Gärtners Martin Schwirtlich (1751–1820) in H. u. d. Rosine Kasper (1754–1829).

  • Biographie

    Kurz nach 1900 tauchte in der wissenschaftlichen Literatur der jahrelang vergessene Name des Augustinerabtes und Naturforschers M. auf. Mit ihm ist die Entstehung einer neuen biologischen Disziplin – der Vererbungslehre – untrennbar verbunden. 1865 hielt M. in zwei Sitzungen des Naturforschenden Vereins in Brünn einen Vortrag „Versuche über Pflanzenhybriden“. Im folgenden Jahre wurde seine Arbeit im 4. Band der „Verhandlungen“ dieses Vereins veröffentlicht. Doch weder in Brünn noch anderswo war sich damals jemand der Bedeutung dieser Arbeit bewußt, obwohl 133 Exemplare der „Verhandlungen“ an verschiedene naturforschende Vereinigungen in Europa und Amerika gesandt wurden und M. selbst eine Reihe von Sonderdrucken an führende Botaniker verschickt hatte. Erst nach 1900 erkannte man, aufgrund der Arbeiten von H. de Vries, C. E. Correns und E. Tschermak, die Bedeutung der Erkenntnisse M.s, die in der Folgezeit als Vererbungsgesetze oder Vererbungsregeln bekannt wurden.

    Der begabte M. absolvierte sechs Klassen des Gymnasiums in Troppau und verbrachte anschließend, unter schwierigen materiellen Bedingungen, zwei Jahre am Philosophischen Institut in Olmütz. 1843 wurde er als Mönch ins Augustinerkloster in Brünn, das damals ein Kulturzentrum von großer Bedeutung war, aufgenommen und erhielt den Klosternamen Gregor. Im Kloster wurde M. die besondere Fürsorge und Förderung des allseitig gebildeten und liberalen Abtes F. C. Napp zuteil, der sich als Funktionär der Ackerbaugesellschaft für die Veredlung der Pflanzen durch künstliche Befruchtung und für die Vererbung interessierte. Während des Studiums der Theologie hörte M. auch Vorlesungen über Naturgeschichte und Landwirtschaftslehre. Nach dem Studium war er ein Jahr Krankenseelsorger, was ihn physisch überforderte. Der Abt erfüllte M.s Wunsch, Lehrer zu werden, und entsandte ihn 1849 an das Gymnasium in Znaim, wo er Mathematik und Griechisch unterrichtete. Am Ende des Schuljahres bemühte sich M. ohne Erfolg, die vorgeschriebene Lehramtsprüfung in Naturgeschichte und Physik abzulegen. Wegen seiner guten physikalischen Kenntnisse schickte ihn Napp zur weiteren Ausbildung in diesem Fach nach Wien. Dort hörte M. 1851-53 an der Universität neben Physik und Mathematik auch Chemie und die damals gelehrten biologischen Disziplinen, insbesondere die Pflanzenphysiologie.

    Nach seiner Rückkehr unterrichtete M. seit 1854 Physik und Naturgeschichte an der Staatsoberrealschule Brünn. Seine freie Zeit widmete er biologischen Experimenten mit Pflanzenhybriden. 1856 bemühte er sich, neben seiner Tätigkeit als Lehrer und seinen Versuchen, erneut erfolglos, die Lehramtsprüfung in Wien abzulegen. Die Ursache des abermaligen Scheiterns ist bis jetzt nicht geklärt. Um so erfolgreicher waren seine Forschungsarbeiten mit Erbsen, denen er eine immer größere Aufmerksamkeit widmete.

    1863 beendete M. seine Erbsenversuche, schrieb im Laufe des Jahres 1864 seine Ergebnisse nieder und veröffentlichte sie. Einen Sonderdruck sandte er auch an Professor Carl Nägeli in München, mit dem er später in mehrjähriger wissenschaftlicher Korrespondenz stand. Seit 1865 setzte M. seine Hybridisationsversuche mit 14 anderen Pflanzengattungen fort. Über die Ergebnisse informierte er Nägeli, der aber weder M.s neue Forschungsmethode noch seine Interpretation der Ergebnisse anerkannte. Als M. 1868 zum Abt des Augustinerklosters in Brünn gewählt|wurde, fand er nur mehr wenig Zeit, seine Versuche fortzusetzen.

    Schon als Lehrer war M. Mitglied der Naturforschenden Gesellschaften in Brünn und Wien. Seit 1857 galt er als Experte für Meteorologie; er veröffentliche auch zehn Aufsätze über meteorologische Beobachtungen. Später war er auch aktives Mitglied der Gartenbausektion, des Bienenzuchtvereins und als Abt auch Mitglied des Ausschusses der Ackerbaugesellschaft. In sein vielseitiges Leben als Abt griff sehr ungünstig das 1874 erlassene Gesetz ein, wonach Klöster einen wesentlich höheren Beitrag in den Religionsfonds zu zahlen hatten. M. betrachtete diese Steuer als ungerecht und verweigerte die Bezahlung, was einen langwierigen Streit mit den Behörden zur Folge hatte, der seine Gesundheit zerrüttete.

    Fragen der Vererbung interessierten den Menschen seit ältesten Zeiten, denn man beobachtete die Übertragung der Merkmale der Eltern auf die Kinder. Die verschiedenen Merkmale der Eltern schienen sich in den Nachkommen zu vermischen, was in der Literatur seit der Zeit der Antike als Verschmelzung der Erbeigenschaften beschrieben wurde. Noch M.s Zeitgenosse Darwin konnte sich von dieser Vorstellung nicht lösen.

    M. begann seine Versuche mit Erbsen (Pisum sativum) um „ein allgemein gültiges Gesetz der Bildung und Entwicklung der Hybriden aufzustellen“; dabei ging er von der Existenz allgemeiner, mathematisch faßbarer, auch im biologischen Bereich gültiger Naturgesetze aus. Als Modell für seine Forschung wählte er die Erbse, die als geeignet für Hybridisationsversuche schon beschrieben worden war. In zehnjährigen Untersuchungen analysierte er die Übertragung der leicht und sicher unterscheidbaren Merkmale von Samen und Pflanze von einer Generation auf die andere. In den einfachsten Versuchen kreuzte M. Pflanzen, die sich nur in einem Merkmalspaar unterschieden, wobei er sieben verschiedene derartige Merkmalspaare untersuchte. In der Hybridverbindung erschien immer nur ein Merkmal, das M. als dominierend (heute: dominant) bezeichnete. Das zweite Merkmal, das erst wieder unter den Nachkommen der Hybriden erschien, bezeichnete er als rezessiv. Es war völlig gleichgültig, ob das dominierende Merkmal der Samen- oder der Pollenpflanze angehörte. Unter je vier Pflanzen in der Generation der Nachkommen der Hybriden enthielten drei das dominante und eine das rezessive Merkmal. Die rezessiven Merkmale blieben in ihren Nachkommen konstant. Von den Pflanzen mit dem dominanten Merkmal gaben zwei Teile Nachkommen, die das dominante und rezessive Merkmal im Verhältnis 3: 1 trugen, ebenso wie die Hybriden. Nur ein Teil blieb mit dem dominanten Merkmal konstant. Diesen Sachverhalt hat M. algebraisch als einfache Entwicklungsreihe dargestellt:

    A + 2 Aa + a

    Dabei symbolisiert A das dominante, a das rezessive Merkmal. In weiteren Versuchen prüfte M. die Gültigkeit dieser Verteilung, wenn zwei differierende Merkmale im Hybrid vereinigt werden. Er kam zu dem Schluß, daß hier ebenfalls eine Kombinationsreihe vorliegt, in welcher die beiden Entwicklungsreihen für die Merkmale A und a, B und b (A, B dominante, a, b rezessive Merkmale) gliedweise verbunden sind. Anschließend demonstrierte M. noch eine Kombinationsreihe, die aus drei einfachen Entwicklungsreihen zusammengestellt war, und folgerte, daß konstante Merkmale, welche bei verschiedenen Formen einer Pflanzensippe vorkommen, auf dem Wege der wiederholten künstlichen Befruchtung in alle Verbindungen treten können, die nach den Regeln der Kombinatorik möglich sind. Damit hatte M. die Mathematik in die biologische Forschung eingeführt. Seine Schlußfolgerung war, die Merkmale werden unabhängig voneinander vererbt, d. h. sie vermischen sich nicht, sondern bleiben nebeneinander bestehen.

    Weiter beschrieb M. die einfach, aber äußerst sinnreich angelegten Vesuche, in denen er die Hybridformen mit den konstant dominanten und nachher rezessiven Merkmalen kreuzte. Dadurch demonstrierte er, daß die Merkmale der Eltern durch die Keim- und Pollenzellen während des Prozesses der Befruchtung auf die Nachkommen übertragen werden. Zugleich konnte er zeigen, daß zur Befruchtung einer Eizelle ein einziges Pollenkorn ausreicht. Dieses Ergebnis, 1870 in einem Brief an Nägeli wiederholt, stand im Widerspruch zur herrschenden Meinung und blieb weitgehend unbeachtet. Die stoffliche Grundlage der Merkmale nannte M. „Elemente“, heute spricht man von „Genen“. Als erster hat M. das Verhalten von Genen einwandfrei aus Versuchen erschlossen und präzise beschrieben. Gene sind demnach Merkmalsträger, die durch die Generationen erhalten bleiben und sich weder vermischen noch gegenseitig verändern.

    Nach 1865 setzte M. seine Hybridisierungsexperimente mit 14 anderen Pflanzenarten fort, wobei er seine Regeln auch bei einigen|dieser Pflanzenarten bestätigt fand. Später widmete er sein Hauptaugenmerk der Kreuzung verschiedener Arten der Gattung Habichtskraut (Hieracium), bei der damals der große Formenreichtum und die Erscheinung der konstanten Hybridenformen diskutiert wurden. M. wollte dieses Problem durch seine Versuche klären, was indes zunächst nicht gelang. Im Wege stand dabei besonders die apogamistische Vermehrung dieser Gattung, die erst 1903 aufgeklärt wurde. Aus den Briefen an Nägeli sieht man, daß M. diese Versuche bis 1873 fortsetzte und die Probleme der Hybridisierung auch unter dem Gesichtspunkte der Ökologie der Befruchtung und der Entstehung neuer Arten erforschte; ferner, daß er in den Versuchen mit anderen Pflanzenarten verschiedene erst nach 1900 geklärte Phänomene der Vererbung ebenfalls bereits beobachtet hatte. M. war überzeugt, daß seine Arbeiten auch für die Entwicklungsgeschichte der organischen Formen von Bedeutung seien. Mit der Idee der Evolution war er schon während des Studiums vertraut gemacht worden. Seine Versuche mit Pisum begann er, bevor Darwin seine Evolutionstheorie 1859 veröffentlichte. Später studierte M. die Bücher von Darwin und stimmte der Theorie der natürlichen Zuchtwahl zu; Darwins provisorische Hypothese der Pangenesis, d. h. der Vererbung, lehnte er jedoch ab.

    Erst um 1900 begann die Aneignung der bahnbrechenden Theorie M.s im System der experimentellen biologischen Wissenschaften. In der weiteren Entwicklung der Genetik mußte noch das Verhältnis der Evolutionstheorie zur Vererbungslehre geklärt werden, was nicht ohne Auseinandersetzungen vor sich ging. Heute ist M. allgemein als Begründer der Genetik anerkannt.

  • Werke

    Weitere W u. a. Bemerkungen zu d. graph.-tabellar. Uebersicht d. meteorolog. Verhältnisse v. Brünn, in: Verhh. d. naturforsch. Ver. Brünn 1, 1863, S. 246-49;
    Ueber einige aus künstl. Befruchtung gewonnenen Hieracium-Bastarde, ebd. 8, 1870, S. 26-31;
    weitere Veröff. mit meteorolog. Beobachtungen 1863-66 u. 1869;
    G. M.s Briefe an Carl Nägeli, 1866–73, hrsg. v. C. Correns, in: Abhh. d. math.-physikal. Kl. d. Sächs. Ak. d. Wiss. 29, 1905, S. 189-265.

  • Literatur

    H. Iltis, G. J. M., Leben, Werk u. Wirkung, 1924;
    H. Nachtsheim, G. J. M., in: Der Erbarzt 10, 1942, S. 147-54;
    O. Richter, J. G. M., wie er wirklich war, 1943;
    A. Barthelmess, Vererbungswiss., 1952;
    A. Kühn, in: Die gr. Deutschen III, 1956, S. 406-14 (P);
    H. J. Becker, G. M., 100 J. Erbforschung, in: Umschau 1965, S. 761-65;
    Homann, J. G. M., Fam. u. Leben, in: Archiv f. Sippenforschung 31, 1965, H. 20, S. 274-81;
    J. Kříženecký, G. J. M. 1822-84, 1965 (mit M.s „Autobiogr.“ [1850] u. d. „Versuchen üb. Pflanzen-Hybriden“ nach d. Original-Ms.);
    I. Krumbiegel, G. M. u. d. Schicksal seiner Entdeckung, ²1967;
    R. Gicklhorn, G. M.s Lehramtsprüfung u. Studienzeit in Wien, in: Biolog. Rdsch. 7, 1969, S. 145-59;
    dies., ebd. 11, 1973, S. 73-84;
    J. Sajner, J. G. M., Leben u. Werk, 1974;
    Symposium z. 160. Wiederkehr d. Geb.tages d. Genetik-Gründers, München 1982;
    H. Altner, J. G. M., Schicksal u. Folgen e. naturwiss. Entdeckung, in: Veröff. d. Institutum Bohemicum 4, 1984, S. 51-70;
    H. J. Becker, J. G. M. (1822-84) u. d. Folgen, in: Praxis d. Naturwiss. (Biologie) 33, 1984, S. 257-61;
    E. Mayr, Die Entwicklung d. biolog. Gedankenwelt, 1984, S. 568-81;
    V. Orel, M., 1984;
    A. K. D. Meijer, J. G. M., Ergänzende Dokumente z. seiner Abtswahl u. z. seinem Tod, in: Augustiana 34, 1984, S. 213-35;
    P. Sladek, Zur inneren Gestalt J. G. M.s, ebd., S. 236-43;
    G. Czihak, Dokumentierte Biogr. u. Kat. z. Gedächtnisausst., Salzburg 1984;
    Killy;
    Folia Mendeliana (Brünn), jährl. seit 1966.

  • Porträts

    Denkmal in Brünn;
    Büste v. L. Hafner, 1983 (Walhalla b. Regensburg).

  • Autor/in

    Vitězslav Orel
  • Zitierweise

    Orel, Vitězslav; Orel, Vitezslav, "Mendel, Gregor" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 40-42 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118580698.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA