Lebensdaten
1861 – 1920
Geburtsort
Marienburg (Westpreußen)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Gewerkschafter ; sozialdemokratischer Politiker ; Reichstagsabgeordneter
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 11857101X | OGND | VIAF: 74645061
Namensvarianten
  • Legien, Carl
  • Legien, C.
  • Legien, Carl R.
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Zitierweise

Legien, Carl, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11857101X.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Rudolf ( 1867?), Steueraufseher;
    M Maria N. N. ( vor 1867); ledig.

  • Biographie

    Nach dem frühen Tod seiner Eltern verbrachte L. seine Kindheit und frühe Jugend 1867-75 im Waisenhaus in Thorn. Ende 1875 kam er in Thorn in die Drechslerlehre. Sie währte 5 Jahre, weil er sich als Waisenkind Kost und Logis selbst verdienen mußte. Auch nach seiner Freisprechung als Geselle im September 1880 blieb er noch für ein halbes Jahr in der Werkstatt seines Meisters. Seine im April 1881 begonnene Gesellenwanderung wurde durch den dreijährigen Militärdienst (Nov. 1881-Sept. 1884) unterbrochen. Nach seiner Entlassung arbeitete er als Drechslergeselle in Berlin (bis Juli 1885), Frankfurt/Main, Deutz b. Köln und schließlich, seit Okt. 1886, in Hamburg.

    L.s politische Heimat wurde die Sozialdemokratische Partei, der er 1885 in Frankfurt beigetreten war. Ein Jahr später fand er in Hamburg den Weg zur Gewerkschaftsbewegung, die nun zu seinem Lebensinhalt wurde und ihm auch privat einen Ersatz für das Zeit seines Lebens schmerzlich empfundene Fehlen familiärer Geborgenheit bot. Nach seinem Beitritt zum örtlichen Fachverein der Drechsler machte er sich innerhalb kürzester Zeit als begabter, unermüdlicher Organisator und überzeugender Agitator einen Namen. Als im August 1887 die „Vereinigung der Drechsler Deutschlands“ gegründet wurde, wählte sie L. zu ihrem – unbesoldeten und weiter voll berufstätigen – Verbandsvorsitzenden. Selbst nachdem ihm seit dem 1.1.1889 eine geringe Entschädigung gezahlt wurde, mußte er zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes weiter halbtags als Drechsler arbeiten. Bei der Gewerkschaftskonferenz vom 17./18.11.1890, auf der nach dem Fall des Sozialistengesetzes die Weichen für einen Zusammenschluß der Gewerkschaftsorganisationen gestellt wurden, trat L. als Wortführer der Vertreter eines Berufsverbandsprinzips hervor. Die von der Konferenz bestellte siebenköpfige „Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands“ (mit Sitz in Hamburg, seit 1903 in Berlin) berief den energischen, tatkräftigen 28jährigen L. zum 1.1.1891 zu ihrem besoldeten Vorsitzenden. In dem seit dem 20.1.1891 erscheinenden „Correspondenzblatt“ schuf er der Generalkommission ein wirkungsvolles Publikationsorgan und initiierte den Aufbau einer bald als mustergültig und unentbehrlich anerkannten Gewerkschaftsstatistik. Nach harten Konflikten mit den „Lokalisten“ und selbstbewußten Großverbänden setzte L. sein Konzept einer leistungsfähigen, gemeinsamen Spitze durch. In den drei Jahrzehnten, in denen er an der Spitze der Freien Gewerkschaftsbewegung stand, prägte er ihr Profil nachhaltig.

    L.s Wirken für die Gewerkschaftsbewegung reichte über die Grenzen Deutschlands hinaus. Es war vor allem sein Verdienst, daß seit 1901 die Grundlagen für eine supranationale Kooperation der Gewerkschaften gelegt wurden. Seit 1903 leitete er ein internationales Sekretariat. Bei der Gründung des Internationalen Gewerkschaftsbundes 1913 wurde er dessen erster Präsident. Er übte dieses Amt bis 1919 aus. Als Abgeordneter für den Wahlkreis Kiel vertrat er von 1893 bis zu seinem Lebensende mit einer Unterbrechung (1898–1903) die Sozialdemokratische Partei im Reichstag. Ungeachtet seines starken Engagements für die Partei beharrte er ihr gegenüber mit Nachdrude auf der Neutralität und Unabhängigkeit der Gewerkschaften. Mit dem sog. Mannheimer Abkommen von 1906 sah er ihre Anerkennung als gleichrangige Partner endgültig durchgesetzt.

    Beim Ausbruch des 1. Weltkriegs gehörte L. zu den konsequentesten Verfechtern der „Burgfriedenspolitik“. Abweichler bekämpfte er mit unnachsichtiger Härte als Disziplinbrecher. Sein Name verbindet sich mit dem Abschluß der Zentralarbeitsgemeinschaft mit den Arbeitgeberverbänden vom 15.11.1918, dem Kampf mit der 1919 erstarkenden Gewerkschaftsopposition und dem Eintreten für eine betont eigenständige Rolle der Gewerkschaften in Wirtschaft und Politik der Nachkriegszeit. Auf dem 10. Gewerkschaftskongreß in Nürnberg Anfang Juli 1919 wurde L. zum Vorsitzenden des neugegründeten Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) gewählt. Höhepunkt seines Wirkens war die Abwehr des Kapp-Lüttwitz-Putsches vom März 1920, als L. mit Mut und Umsicht den Generalstreik lenkte und sich an die Spitze der auf demokratische und soziale Reformen drängenden Bewegung stellte. Schwer krank nahm L. im Nov. 1920 noch am Internationalen Gewerkschaftskongreß in London teil. Mit seinem Tode verlor die Arbeiterbewegung eine ihrer herausragendsten Gestalten.

  • Werke

    Die Organisationsfrage, Ein Btr. z. Gesch. d. Dt. Gewerkschaftsbewegung, 1891;
    Der Streik d. Hafenarbeiter u. Seeleute in Hamburg-Altona, 1897;
    Das Koalitionsrecht d. dt. Arbeiter in Theorie u. Praxis, 1899;
    Die dt. Gewerkschaftsbewegung, 1900, ²1911;
    Aus Amerikas Arbeiterbewegung, 1914;
    Warum müssen d. Gewerkschaftsfunktionäre sich mehr am inneren Parteileben beteiligen?, 1915. -
    Hrsg. (mit F. Thimme): Die Arbeiterschaft im neuen Dtld., 1915.

  • Literatur

    Th. Leipart, C. L., Ein Gedenkbuch, 1929 (P);
    A. Knoll, in: Internat. Hdwb. d. Gewerkschaftswesens II, 1932, S. 1051 ff.;
    Staatslex. V, 1960, Sp. 332 f.;
    J. A. Moses, C. L.s Interpretation d. demokrat. Sozialismus, Ein Btr. z. Sozialist. Ideengesch., 1966;
    H. J. Varain, Freie Gewerkschaften, Sozialdemokratie u. Staat, Die Pol. d. Gen.komm. unter d. Führung C. L.s (1890-1920), 1956;
    F. Osterroth, Biogr. Lex. d. Sozialismus, 1960;
    Gesch. d. dt. Arbeiterbewegung, Biogr. Lex., 1970;
    Altpr. Biogr. III;
    DBJ II;
    W. Blumenberg. C. L., 1959.

  • Porträts

    Marmorbüste v. K. Trumpf, 1927 (am Legiendamm in Berlin [West]);
    Radierung v. M. Liebermann, 1919;
    Zeichnung v. K. Kollwitz „Auf dem Totenbett“, 1920, beide abgeb. b. Leipart, s. L.

  • Autor/in

    Heinrich Potthoff
  • Zitierweise

    Potthoff, Heinrich, "Legien, Carl" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 61-63 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11857101X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA