Lebensdaten
1528 – 1589
Geburtsort
Wolfenbüttel
Sterbeort
Wolfenbüttel
Beruf/Funktion
Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118558714 | OGND | VIAF: 22933406
Namensvarianten
  • Julius von Braunschweig
  • Julius
  • Julius von Braunschweig
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Zitierweise

Julius, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118558714.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hzg. Heinrich d. J. v. B.-L.-W. ( 1568, s. NDB VIII);
    M Marie ( 1541), T d. Gf. Heinrich I. v. Württemberg ( 1519, s. ADB XI);
    Stief-M Sofie ( 1575), T d. Kg. Sigismund v. Polen ( 1548);
    B Hzg. Karl Victor u. Hzg. Philipp Magnus (beide Schlacht b. Sievershausen 1553);
    Schw Katharina ( 1574, Mgf. Johann v. Brandenburg-Küstrin, 1571, s. NDB X);
    - 25.2.1560 Hedwig (1540–1602), T d. Kf. Joachim II. v. Brandenburg ( 1571, s. NDB X);
    4 S, 7 T, u. a. Hzg. Heinrich Julius v. B.-L.-W. ( 1613, s. NDB VIII), Philipp Sigismund ( 1623), Bischof v. Verden u. Osnabrück, Sophia Hedwig ( 1631, Hzg. Ernst Ludwig v. Pommern-Wolgast, 1592, s. NDB IV), Maria ( 1626, Hzg. Franz II. v. Sachsen-Lauenburg, 1619), Elisabeth ( 1618, Gf. Adolf XIII. v. Holstein-Schauenburg, 1601), Dorothea Auguste ( 1625), Äbtissin zu Gandersheim;
    E Hzg. Friedrich Ulrich v. B.-L.-W. ( 1634, s. NDB V), Hzg. Christian d. J. ( 1626, s. NDB III), Administrator v. Halberstadt.

  • Biographie

    Jugend und Erziehung J.s wurden bestimmt durch eine scharfe Kontroverse mit seinem kath. Vater. Grund dieser Auseinandersetzung war ein körperlicher Schaden des Sohnes (verkrüppelte Füße) sowie dessen frühzeitige Neigung zu Luthers Lehre. J. wuchs abseits des konventionellen Hofbetriebes auf und sollte als nachgeborener Prinz mit geistlichen Pfründen abgefunden werden (1542 Kanonikat in Köln, 1553 postulierter Bischof von Minden). 1549 hielt er sich zum Studium in Frankreich auf (Bourges), anschließend in den Niederlanden (Löwen 1550–52). Da auch nach seiner Rückkehr und dem Tod seiner beiden älteren Brüder der Vater zu einem Ausgleich nicht bereit war und J. sein Leben in Wolfenbüttel bedroht sah, floh er 1558 zu seinem Schwager, dem Mgf. Johann von Küstrin. Dieser führte ihn in die Verwaltung und Bewirtschaftung der Domänen ein. Der Vater söhnte sich mit J. erst nach dessen Heirat aus und wies ihm das Amt Hessen zu, das dieser selbständig verwaltete.

    Geprägt durch diese Erfahrungen, zeigte sich J. nach seiner Regierungsübernahme 1568 als unternehmerisch-schöpferischer Fürst, dessen spezielle Begabung in der Wirtschaftspolitik lag. In der Ausrichtung aller Kräfte auf die innere Stärkung der territorialen staatlichen Macht, in der Entfaltung der Wirtschaft seines Landes sah er die Ziele seiner Politik.

    Zunächst führte er im Hzgt. Wolfenbüttel die Reformation durch, richtete zu diesem Zweck Visitationskommissionen und das Konsistorium ein (1569) und übernahm nach württ. Vorbild Kirchenordnung und Kirchenrat als Zentralbehörde. Zur Ausbildung von Geistlichen wie von Beamten gründete er 1576 in Helmstedt eine Landesuniversität. Dadurch schuf er ein an Leistung und Staatsinteressen orientiertes Beamtentum. Mängel in der Landesverwaltung behob er durch Neuorganisation: Die große Kanzleiordnung von 1575 trennte die geheimen Kammersachen des Fürsten von den Angelegenheiten des Landes. In der Finanzverwaltung blieb J. der oberste Beamte des Landes, der zugleich die Aufsicht über Amts-, Bau- und Bergverwaltung führte. Mit der Festigung des territorialen Staates entfaltete J. seine Wirtschaftspolitik. Durch den Bau von Land- und vor allem Wasserstraßen gestaltete er die Infrastruktur des Landes um; er ließ nicht nur das Herzogtum systematisch nach Bodenschätzen absuchen, sondern verbesserte auch im Bergbau und Hüttenwesen die Produktionsverfahren; die Forstwirtschaft wurde nach rationollen Gesichtspunkten ausgerichtet, ebenso Salinen und Steinbrüche gefördert. Zugleich erhoffte er sich die Vermittlung neuer Erkenntnisse durch die Beschäftigung von Alchimisten. Durch seine organisatorischen Fähigkeiten schuf er weitreichende Handelsbeziehungen und erschloß somit für die Produkte seines Landes neue Absatzmärkte. Der Erfolg dieser Bemühungen war die Entschuldung des Landes, die Wiedereinlösung zahlreicher verpfändeter Ämter und ein stattliches Vermögen für seinen Nachfolger.

    In seiner Außenpolitik erwies sich J. als konservativ. Er sah sich nicht in der Rolle des Reichsfürsten, der die deutsche Politik zu beeinflussen suchte. Gegenüber Calvinisten und Nichtlutheranern übte er starke Zurückhaltung, Unionspläne ev. Fürsten lehnte er ab; er war nicht bereit, ohne Wissen und Willen des Kaisers in ein Bündnis gegen Spanien einzutreten (1572), denn Freundschaft verband ihn mit Maximilian II. – J. verstand sich als Friedensfürst, darin unterschied sich seine Politik von der seines machiavellistischen Vaters; territoriale Vergrößerungen des Landes – 1584 Anfall des Fürstentums Calenberg – erfolgten ohne sein Zutun.

  • Literatur

    ADB 14;
    A. Rhamm, Die betrügl. Goldmacher am Hofe d. Hzg. J. v. B., 1883;
    O. v. Heinemann, Gesch. v. Braunschweig u. Hannover II, 1886;
    J. Merkel, J., Hzg. zu B. u. L, in: Zs. d. Ges. f. niedersächs. KG 1, 1896;
    P. J. Meier, Unterss. z. Gesch. d. Stadt Wolfenbüttel, in: Jb. d. Gesch.ver. f. d. Hzgt. Braunschweig 1, 1902;
    P.|Zimmermann, Hzg. J. zu B. u. L. in volkswirtsch. Beziehung, in: Hans. Gesch.bll., 1904/05;
    W. Ohnsorge, Zur Gesch. d. Kanzlei u. d. Hofgerichts zu Wolfenbüttel im 16. u. 17. Jh., 1954;
    H. Reller, Vorref. u. ref. Kirchenvfg. im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, 1959;
    F. Thöne, Wolfenbüttel, Geist u. Glanz e. alten Residenz, 1963, ²1968, S. 46-55 (L, P);
    M. Tielemann, Jugend u. Erziehung d. Hzg. Philipp Sigismund zu Braunschweig u. Lüneburg, späteren Bischofs v. Verden u. Osnabrück, in: Braunschweig. Jb. 49, 1968;
    P. Baumgart, Die Anfänge d. Univ. Helmstedt im Spiegel ihrer Matrikel (1576–1600), ebd. 50, 1969.

  • Porträts

    Brustbild halbrechts, Öl auf Kupfer (Wolfenbüttel, Hzg.-August-Bibl.);
    Brustbild v. vorn, J. mit s. Söhnen, linker Flügel e. Altarbildes, 1590, H. Vredemann de Vries zugeschr. (ebd.).

  • Autor/in

    Hans-Joachim Kraschewski
  • Zitierweise

    Kraschewski, Hans-Joachim, "Julius" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 654-655 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118558714.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Julius, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, wurde als jüngster von den drei Söhnen des Herzogs Heinrich des Jüngern und seiner Gemahlin Marie am 29. Juni 1528 zu Wolfenbüttel geboren. Sein Vater hatte ihn als jüngeren Sohn für eine geistliche Laufbahn bestimmt, um so mehr, da eine schwache Gesundheit und nach inwendig gewachsene Füße, Folgen eines durch Sorglosigkeit der Wärterin geschehenen Falles, ihn zum Kriegsdienste untauglich machten. Schon als Kind erhielt er eine Domherrnstelle in Köln, später (1553) das Bisthum Minden, das er aber schon nach einem Jahre wieder resignirte. Er verlebte eine traurige, freudlose Jugend. Am 28. December 1541 verlor er die Mutter; im folgenden Jahre wurde sein Vater Von den Schmalkalden seiner Lande beraubt. Julius wurde zuerst nach Gandersheim, von dort nach Kalenberg zu der edlen Herzogin Elisabeth, Wittwe Herzog Erichs des Aelteren, dann an das Hoflager des Herzogs Franz von Lauenburg und zuletzt nach Köln geschickt. Als Heinrich nach der Schlacht bei Mühlberg in seine Lande zurückgekehrt war, sandte er den Sohn auf Reisen nach Frankreich und den Niederlanden; längere Zeit blieb J. in Löwen, wo er auf der damals blühenden Universität den Studien oblag. Auch einer schmerzhaften Operation seiner Füße unterwarf er sich zu dieser Zeit in Herenthals, jedoch leider mit unbedeutendem Erfolge. Bei dem Begräbnisse seiner Brüder Karl Victor und Philipp Magnus, welche beide in der Schlacht bei Sievershausen am 9. Juli 1553 den Tod gefunden hatten, war er schon wieder in Wolfenbüttel. Wit scheelem Auge blickte auf ihn der Vater. Diesem schien der schwächliche Jüngling als Nachfolger seiner Herrschaft ein schlechter Ersatz zu sein für die gefallenen ritterlichen Brüder. Noch schlimmer dünkte ihn, daß J. sich dem evangelischen Glauben zuwandte, welcher dem eifrig katholischen Fürsten ein Gräuel war. Wann und durch wessen Einfluß J. für denselben gewonnen wurde, ist noch nicht aufgeklärt; unerschütterlich hielt er an ihm fest, wenn auch das Verhältniß zu seinem Vater sich immer feindseliger dadurch gestaltete. Dieser hielt den Sohn so knapp, daß er vor wirklicher Noth nicht geschützt war; gar zu gern hätte er ihn von der Thronfolge ausgeschlossen. Aber eine zweite Ehe, die er mit Sophie, einer Tochter Sigismunds I. von Polen, am 22. Februar 1556 einging, blieb kinderlos. Auch der Plan, Eitel Heinrich v. Kirchberg, seinen und der Eva v. Trott natürlichen Sohn, legitimiren zu lassen und zum Erben einzusetzen, mißlang: edelmüthig lehnte Eitel Heinrich selbst die ihm zugedachte Ehre von sich ab; ihn verband mit J. nach wie vor eine beide ehrende Freundschaft. Schon hatte Heinrich seinen Sohn zeitweise in Haft gehalten. Am Osterfeste 1558 hatte er dann dem Vater gegenüber in Gandersheim die Theilnahme an der katholischen Abendmahlsfeier standhaft abgelehnt. Er fürchtete nun das Schlimmste und suchte sich dem, von Freunden gewarnt, durch die Flucht zu entziehen. Er flieht nach Cüstrin zu dem Gemahl seiner Schwester Katharina, dem Markgrafen Johann von Brandenburg. Auf die Fürsprache verschiedener Fürsten, auf die Bitten seiner Gattin und Töchter entschließt sich Heinrich, durch eine schwere Krankheit milder gestimmt, in die Rückkehr seines Sohnes zu willigen. Im Februar 1559 kehrte J. nach Wolfenbüttel zurück. Er hatte sich inzwischen mit Hedwig, der Tochter des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg, verlobt. Auch das genehmigte der Vater, und am 25. Februar 1560 ward die Hochzeit gefeiert. Dem jungen Paare wurden zum Unterhalte die Häuser Hessen und Schladen angewiesen. Es führte ein bescheidenes Hoflager zu Hessen, trotz sparsamer Wirtschaft doch mitunter nicht vor drückendem Mangel geschützt und zu Anleihen bei fremden Fürsten gezwungen. Am 1. December 1561 wurde ihnen die erste Tochter Sophie Hedwig und am 15. October 1564 der erste Sohn Heinrich Julius geboren. Diesem wandte sich die volle Liebe des Großvaters zu. „Du|faßt nu,“ sagte er zu ihm, „myn leeve Soen sien, avest dyn vaarde — — nig.“ Das Verhältniß zwischen Vater und Sohn blieb kühler, aber es nahm doch erträgliche Formen an. Blieben sie auch in ihren religiösen Ansichten einander fern, so waren sie doch in politischer Beziehung einer Ueberzeugung. Beider Politik beherrschte treue Anhänglichkeit an das Haus Habsburg. Auf der Taufe seines Enteis ließ sich Heinrich der Jüngere von seinem Sohne feierlich geloben, keinem Bündnisse gegen die Häuser Oesterreich und Burgund sich anzuschließen. Auch in den Regierungsfragen des Landes war, soweit sie nicht die Kirche betrafen, kein Grund des Zwiespalts zwischen beiden: hier hat J. alle die Arbeiten fortgesetzt, die Heinrich d. J. begonnen. Ueber die reformatorischen Bestrebungen aber dachte Heinrich am Ende seiner Tage ruhiger als vordem, da seine Hoffnung, durch ein Concil alle Streitigkeiten beigelegt, alle Mißbräuche abgeschafft zu sehen, sich nicht verwirklichte. Am 11. Juni 1568 starb Heinrich d. J. Wohl hatte er sich eifrig bestrebt, ein geregeltes Staatswesen in seinem Lande zu entwickeln; er erkannte sehr klar, daß der alte Patrimonialstaat, wie er sich aus der Grundherrschaft des Mittelalters entwickelt hatte, in der neuen Zeit unhaltbar war; er suchte ein kräftiges Territorialfürstenthum zu begründen und zu dem Ende vornehmlich das Kriegswesen, das Finanzwesen, das Rechtswesen zeitgemäß umzugestalten. Aber die Hindernisse, die ihm hier entgegentraten, die Selbstsucht der Stände, die nur ihre Sonderrechte, nicht das Wohl des Staates vor Augen hatten, die reichsstädtischen Bestrebungen der Stadt Braunschweig, die sich am liebsten ganz seiner Hoheit entzogen hätte, waren zu mächtig; sein ganzes Leben hindurch war er zu sehr in auswärtige wie innere Kriege, in die großen politischen und religiösen Fragen der Zeit verwickelt, war er bei den häufigen Geldforderungen zu sehr auf den guten Willen der Stände angewiesen, als daß er alle seine Pläne für die Umgestaltung seines Staatswesens mit Leichtigkeit hätte durchführen können. Er mußte seinem Sohne ein bedeutendes Stück der Arbeit zurücklassen. Auch auf dessen Sohn Heinrich Julius ging sie noch über. Die für das Land so segensreiche Thätigkeit dieser drei Fürsten greift aufs Schönste in einander: der Nachfolger führt die Erfolge des Vorgängers zweckbewußt weiter. Daß sie in Friedrich Ulrich mährend wildbewegter Zeiten einen Nachfolger fanden, der seiner Aufgabe nicht im Entferntesten gewachsen war, ist für die Entwicklung des Braunschweigischen Staatswesens ein großes Unglück gewesen. — Herzog Heinrich d. J. war bei seinen vielen Kriegen nie aus drückender Geldnoth herausgekommen. Als Julius die Regierung antrat, war ein großer Theil des Domanialguts verpfändet in den Händen des Adels. Beharrlich wollten die Stände die Nothwendigkeit, eine feste Ordnung in das Steuerwesen zu bringen, nicht anerkennen; die verwilligten Geldschatzungen waren nicht dauernd und nicht ausreichend; man sah nicht ungern den Fürsten in Schulden gerathen, um bei Bewilligung von Steuern, die man thunlichst auf die Hinterfassen abzuwälzen suchte, neue Privilegien von ihm zu erpressen. J. war nun aufs Eifrigste bemüht, alle Stände gleichmäßig nach ihrem Vermögen die Staatslasten tragen zu lassen und die Zahl der Steuerfähigen nach Möglichkeit zu vermehren. Er rechnete die Schulden des Regenten, im Landesinteresse gemacht, zu den Lasten, die auf das Land übernommen werden müßten; er suchte von seinen ritterlichen Vasallen, da deren Kriegsdienste in der neueren Zeit werthlos geworden waren, eine zeitgemäße Ausgleichung für die ihnen verliehenen Güter zu erhalten. Den Bestand des Kirchenguts wollte er unversehrt erhalten wissen; er gebot den Geistlichen eine gute Bewirthschaftung desselben. Er schützte die Unterthanen vor Ungerechtigkeiten der Gutsherren; er untersagte die Steigerung der Meiergefälle, ordnete Erlaß für den Fall des Mißwachses an, übertrug seinen Beamten die Aufsicht über das Verfahren des Gutsherren gegen|seine Hintersassen und ließ Erbregister anlegen, wodurch die Zubehörungen der Bauerhöfe und die dem Landesherrn wie dem Gutsherrn zu leistenden Abgaben festgestellt wurden. Unter seinem Nachfolger wurde in dem wichtigen Landtagsabschiede vom 3. Juni 1597 zum Landesgrundgesetze erhoben, daß jeder Meier, der seinen Hof ordentlich bewirthschaftet hat, auch nach Ablauf der im Meierbriefe festgesetzten Zeit auf seiner Stelle gelassen werden solle und nicht ohne richterliche Entscheidung daraus entfernt werden könne. Dadurch wurde der Grund zu dem Wohlstande des Braunschweigischen Bauernstandes gelegt. Der Aufnahme der Juden war er günstig gesinnt. Der veränderten Kriegführung suchte er durch Einrichtung einer Art Landwehr Rechnung zu tragen. Nach dieser mußte jeder Hauswirth bewaffnet sein und im Landgerichte seine Waffen vorzeigen. Dann wurden Musterungen abgehalten und unter Leitung der Herzogl. Beamten und kampferfahrener Personen Kriegsübungen veranstaltet. Der Rechtspflege hatte schon Heinrich d. J. eingehende Sorgfalt zugewandt, unter Mithülfe seines tüchtigen Kanzlers Münsinger v. Frundeck, der auch noch unter J. der Kanzlei bis 1573 vorstand, wo er entlassen wurde und Franz Mutzeltin als Kanzler folgte. J. erneuerte des Vaters Hofgerichtsordnung; er ließ eine Kanzleiordnung abfassen, sowie eine Ordnung der Ober- oder Hals- und der Niederoder Erbgerichte, wodurch der Geschäftskreis der Gerichtsbehörden näher festgestellt ward. Ein gemeinsames Hofgericht für die Wolfenbütteler und Calenbergischen Lande sowie für die Grafschaft Hoya ward 1587 in Gandersheim eingesetzt. Den Uebergang vom sächsischen zum römischen Rechte suchte er namentlich im Calenbergischen, wo sich jenes länger erhalten hatte, in geeigneter Weise zu vermitteln. Auch eine umfassende Polizeiordnung ließ er ausarbeiten, die jedoch die Zustimmung der Landstände nicht erhielt. Die Streitigkeiten mit der Stadt Braunschweig glaubte der Herzog durch einen am 10. August 1569 geschlossenen Vertrag endgültig beigelegt zu haben; in demselben Jahre leistete die Stadt die Huldigung. Aber bald erwachten in Braunschweig, das stolz auf seinen Reichthum und die Festigkeit seiner Mauern pochte, wiederum die alten reichsständischen Gelüste. Die Stadt will die Reichssteuer unmittelbar in die Reichskasse zahlen, nicht „Erbstadt“ genannt sein u. a. Sie wußte sich für Geld von den Kaisern Maximilian II. und Rudolf II. mancherlei Privilegien zu verschaffen. Das erhöhte die Erbitterung auf herzoglicher Seite, die auch durch mancherlei andere Umstände noch genährt wurde. Man schritt zu Gegenmaßregeln, beschränkte die städtische Ausfuhr, besonders des Bieres, durch hohe Accise, machte der Stadt durch Anlegung von Brauereien auf den Aemtern Concurrenz u. s. w. Die Stadt suchte dem Herzoge in Allem das Widerspiel zu halten; die gegenseitigen Reibereien nahmen kein Ende; Processe beim Reichskammergericht gingen daneben her. Viel trugen zur Erschwerung eines gegenseitigen Verständnisses die städtischen Syndiken bei, die selbst bei dem Streite nichts aufs Spiel zu setzen hatten und die Ansprüche der Stadt kühn in die Höhe schroben. In einer an den Kaiser gerichteten Eingabe vom 30. August 1583 stellt der Stadtfsyndicus die Forderungen zusammen, zu denen die Stadt berechtigt sei. Darunter waren offenbar solche, welche, wie das Geleitsrecht, das Einigungsrecht mit anderen Fürsten, ein gewissenhafter Landesherr niemals zugestehen durfte; die Stadt wäre dadurch aus dem Staatsverbande vollständig losgelöst worden. Wo solche Wünsche zu Grunde lagen, konnte ein ehrlicher Friede niemals zu Stande kommen. Unter Heinrich Julius entbrannte daher der Kampf wieder mit furchtbarer Heftigkeit. — Von diesen Streitigkeiten abgesehen verlief die Regierung des Herzogs J. in ungestörtem Frieden. Er konnte ganz auf die materielle und geistige Hebung seiner Länder bedacht sein, die unter den schweren Kriegsdrangsalen der vorigen Regierung stark gelitten hatten. Noch mehr bedurften aber einer sorgsamen|Pflege die Calenbergischen Lande, die ihm 1584 durch den Tod des Herzogs Erich II. zufielen, der fern von der Heimath, die ihn selten gesehen und keinen Segen von seiner Herrschaft gespürt hat, zu Pavia sein ruheloses, abenteuerndes Leben beschloß. Alles war hier in der furchtbarsten Verwirrung; die Schulden des Landes beliefen sich auf fast eine Million Thaler. Schon 1582 war J. und Erich gemeinsam die obere Grafschaft Hoya zugefallen; 1583 erhielt J. die Anwartschaft auf die Halberstädter Lehen der Grafschaft Blankenburg-Reinstein. Meisterhaft verstand es nun Herzog J., die wirtschaftlichen Schäden seiner Lande zu heilen und neue Hülfsquellen denselben zu erschließen. Er führte in den Amtshaushaltungen überall eine verständige, sparsame Wirtschaft ein und controlirte die Beamten selbst auf das Genaueste. Er drang auf eine geregelte Forstwirthschaft. Ganz besonders aber war er, wie auch schon sein Vater, bestrebt, das Berg- und Hüttenwesen zu heben, das ihm namentlich in den Bergwerken des Harzes überaus reiche Erträge brachte. Zu ihrer rationellen Ausbeutung berief er aus der Fremde sachkundige Männer, wie Hans Fischer aus der Pfalz, Erasmus Ebener aus Nürnberg, der auch schon Heinrich d. J. diente, die Herstellung des Messings aus einer Verbindung von Schlacken Galmei mit Kupfer erfand und die Anlage einer Messinghütte bei Bündheim veranlaßte. Die Goslarischen Hütten lieferten besonders Kupfer und Blei (1569 nicht weniger als 60 000 Ctr.). Auf der Eisenhütte zu Gittelde wurden die Rohre für Handfeuerwaffen und Geschütze geschmiedet; die Eisenschlacken wurden zur Anfertigung von Kugeln verwandt. Der Bau der alten Salzwerke wurde eifrig fortgesetzt, der neuer, wie der Saline Juliushall, eröffnet. Auch Steinkohlenbergwerke wurden an verschiedenen Orten in Gang gebracht; nach neuen Erd- und Steinlagern, die zu verwerthen wären, wurde eifrig geforscht, so nach Mergel, über dessen Verwendung für die Felder Herzog J. eine Abhandlung schrieb; Alabaster- und Marmorbrüche wurden angelegt. So gewann und häuste J. ungeheuere Materialien in seinen Factoreien, besonders auf dem Factoreihofe in Wolfenbüttel, an. Um dieselben nun auch für sich und sein Land gewinnbringend machen zu können, sorgte er für guten Zustand und Sicherheit der Nerkehrsstraßen; vorzüglich war er zum Zweck billiger Ausfuhr derselben auf Anlage von Wasserstraßen bedacht. Sein Plan ging dahin die Oker schiffbar zu machen und durch den großen Bruchgraben mit der Elbe zu verbinden. Dann hätte er seine Harzproducte zu Wasser nach Wolfenbüttel und Braunschweig und weiter die Aller und Weser hinab, andererseits aber nach Magdeburg und die Elbe hinunter führen können. Zur Ausführung dieses Projekts berief er den berühmten niederländischen Ingenieur Wilhelm de Raet. Die Landstände waren nicht geneigt, das Unternehmen zu unterstützen; auch eine „Compagnie“, für welche man besonders auf Engländer und Niederländer rechnete, war nicht dafür zusammen zu bringen. So mußte denn J. aus eigenen Mitteln die Kosten der Ausführung des Plans bestreiten. 1577 wurde die Radau flößbar, die Oker bis Wolfenbüttel schiffbar gemacht. Hier scheiterte die Weiterführung des Werks an dem Widerstande des eifersüchtigen Braunschweig, das seinen Handelsverkehr durch die geplante Wasserstraße gefährdet glaubte. An anderen Orten trat ihm die Mißgunst und Eifersucht fremder Territorialherrn hindernd entgegen, so daß er nur einen Theil seines kühnen Projektes verwirklichen konnte. Ausgezeichnet wußte er nun aber auch seine Produkte zu Gelde zu machen. Hierbei entwickelte er ein ganz vorzügliches kaufmännisches Talent; selbst schließt er die Contracte mit Fürsten, Agenten und Kaufleuten an den verschiedensten Orten ab; er bietet ihnen seine Waaren an; mit Vorliebe läßt er sich auch auf Tauschgeschäfte mit ihnen ein. Auf diese Weise erreichte es Herzog J., daß er nicht nur die vorgefundenen, bedeutenden Schulden vom Lande abwälzte und viele Schlösser vom Adel einlöste,|sondern auch seinem Nachfolger einen Schatz von mehr als 700 000 Thalern hinterließ. Auch mit Hülfe der Alchymie suchte er Geld zu erwerben. Er theilte mit den Meisten seiner Zeit den Glauben, daß man das Goldmachen lernen und den Stein der Weisen finden könnte. Durch den Eifer, ja den Eigensinn, mit dem er diesem Bestreben nachging, fiel er einer betrügerischen Rotte in die Hände, die seine Leichtgläubigkeit Jahre lang aufs frechste ausnutzte. Es war Gesindel aus aller Herren Länder, z. Th. Grumbach'scher Anhang, ihr Haupt Frau Anna Marie Schumpach, geb. Zieglerin. Ein langwieriger, kulturgeschichtlich sehr interessanter Proceß wurde gegen die Uebelthäter geführt, die Meisten derselben wurden hingerichtet. Dem Herzog erwuchsen neben großen Kosten dadurch viele ärgerliche Händel mit Nürnberg, Braunschweig, dem Könige von Dänemark und dem Kurfürsten August von Sachsen. Trotz dieser alchymistischen Neigungen war J. dem Hexenglauben gegenüber freisinnig; die Hexenverfolgungen scheinen unter seiner Regierung so ziemlich geruht zu haben. — Auch die geistigen Interessen fanden bei J. eifrige Pflege. Hier schieden sich jedoch seine Wege von denen seines Vaters: er gab seinem Lande endlich die lang ersehnte Reformation. Nichts lag dem Fürsten mehr am Herzen. Bald nach seinem Regierungsantritte berief er die angesehensten lutherischen Theologen der Zeit zu sich, um mit ihrem Rath und ihrer Mitwirkung das Werk zu vollführen; aus Braunschweig den dortigen Superintendenten Martin Chemnitz, der zum Kirchen- und Consistorialrath ernannt wurde, aus Tübingen den Kanzler Jakob Andreä u. A. Schon am 1. August 1568 erließ er ein Ausschreiben, in dem er befahl, mit der papistischen Messe aufzuhören und sich bis auf weitere Verordnung der Augsburgischen Confession gemäß zu Verhalten. Noch in demselben Jahre fand eine Visitation des ganzen Landes statt; die Geistlichen wurden examinirt und zur Unterschrift der Augustana aufgefordert. Die Unwissenheit, die sich bei ihnen hier herausstellte, veranlaßte Chemnitz zur Abfassung eines deutschen Lehrbuches des christlichen Glaubens. Im Ganzen ging die Reformirung ohne großen Widerspruch vor sich. Am 1. Januar 1569 erschien dann eine Kirchenordnung, welche genaue Vorschriften über Lehre, Liturgie und kirchliche Organisation enthielt. Der Landesherr hat die Kirchengewalt allein; er übt sie aus durch das bei seiner Kanzlei befindliche Consistorium, unter dem 5 Generalsuperintendenten stehen, welchen wiederum 18 Specialsuperintendenten untergeordnet sind. Dazu kamen später noch 2 General- und 13 Specialsuperintendenten für Calenberg und Hoya. Zur Entscheidung höchster kirchlicher Fragen traten seit 1573 Generalconsistorien zusammen. Die Klostergüter wurden nicht eingezogen, aber es wurden den Prälaten gewisse Verpflichtungen auferlegt, so vor Allem die Unterhaltung der Klosterschulen. Um stüchtige Geistliche für sein Land ausbilden zu können, gründete J. 1571 im Barfüßerkloster zu Gandersheim ein Pädagogium das aber schon 1574 nach Helmstedt verlegt wurde. Hier ward dasselbe dann 1576 zu einer Universität erweitert. Diese war Julius Lieblingsschöpfung. Eifrig betheiligte er sich an der Berathung der Statuten, an welcher auch David Chyträus, aus Rostock herbeigerufen, Theil nahm. Er wußte ein kaiserliches Privileg (vom 9. Mai 1575) für die Schule zu erwirken, das ihr ehrenvolle Nechte und Freiheiten vor andern Universitäten bewilligte. Der Abt von Marienthal schenkte der Stiftung ein seinem Kloster gehöriges, in Helmstedt gelegenes Gebäude. Große Geldsummen verwandte der sonst so sparsame Fürst auf seine Universität. Denn die Kosten derselben mußte er selbst herbeischaffen; die Landstände bewilligten nur ein Kapital (100 000 Goldgulden). Zum Unterhalt armer Studenten errichtete er ein Convictorium. Er stiftete einen botanischen Garten, ein Anatomiegebäude, ließ für dasselbe Instrumente aus Nürnberg, Skelette aus Paris kommen, ordnete die regelmäßige Ablieferung von Leichen an.|Vor Allem aber suchte er tüchtige Professoren zu gewinnen. Am 15. October 1576 wurde die Universität in Gegenwart des fürstlichen Hofes feierlich eröffnet; als Vertreter des Kaisers fungirte der ehemalige Kanzler Münsinger von Frundelk, dem eine juristische Professur zugedacht war; er überreichte das kaiserliche Diplom dem ersten Rector, des Herzogs Sohne Heinrich Julius. Der Herzog hatte noch die Freude, mehr als 600 Studenten auf seiner Hochschule versammelt zu sehen. Bei der Besetzung theologischer Professuren, wie überhaupt geistlicher Stellen war besonders Chemnitz' Einfluß maßgebend. Sie erfolgte fast sämmtlich im Geiste streng lutherischer Orthodoxie; Leute, die wie Selnecker, Malsius u. A. einer freieren und friedlicheren Anschauung im Geiste Melanchthon's huldigten, mußten vor dieser Richtung bald das Feld räumen. Männer, wie Timotheus Kirchner, Daniel Hofmann, Tileman Heshufen, Basilius Sattler traten an ihre Stelle. Der Herzog selbst beförderte diese Richtung; er verabscheute die Calvinisten. Sein eifrigstes Streben war darauf gerichtet, unter den streitenden Lutheranern die lang ersehnte Eintracht zu Stande zu bringen. Zu dem Zwecke unterstützte und betrieb er emsig die Bearbeitung der Concordien-formet, von welcher er die Beilegung allen Zwiespalts leider nur zu vergeblich erhoffte. Nicht weniger als die Summe von 54 000 Thalern hat er auf dieses Werk verwandt. Schon hatte er dieselbe 1577 mit den meisten Geistlichen des Landes unterschrieben, als er mit den eifrigen lutherischen Geistlichen auf immer zerfiel. Er ließ seinen Sohn Heinrich Julius, der, schon als zweijähriges Kind zum Bischof von Halberstadt erwählt, 1578 sein Amt antreten sollte, da das Stift der Reformation sehr abgeneigt war, von dem Abte von Huyseburg in allen Gebräuchen der alten Kirche einführen und zugleich seinen beiden jüngeren Söhnen, die er mit geistlichen Gütern versorgen wollte, die Tonsur ertheilen. Das erregte den größten Unwillen bei den lutherischen Höfen wie bei der Geistlichkeit. Jene schickten Vorstellungen, diese griffen ihn auf das Maßloseste selbst auf den Kanzeln an. Das kränkte des Herzogs hohes Fürstengefühl; er war aufs Aeußerste darüber erbittert. Er löste das Dienstverhältniß mit Chemnitz; er entließ Kirchner, der ihn in einer Predigt unglimpflich behandelt hatte, aus dem Dienste. Für die Concordienformel war er nicht wieder zu gewinnen. Auf einer Versammlung kursächsischer, kurbrandenburgischer und braunschweigischer Abgeordneter zu Quedlinburg (1583) sagten sich die Letztern förmlich von der Partei los. Von der Concordienformel war fürderhin im Braunschweigischen nicht mehr die Rede; es blieb bei den Bekenntnissen, die schon 1576 als corpus doctrinae Julium herausgegeben waren. Wie im Lande so auch auf der Universität Helmstedt. Dadurch kam die letztere den anderen lutherischen Universitäten gegenüber in eine isolirte Stellung. Einer freieren Richtung war damit die Bahn geöffnet. Unter Herzog J. machte sich eine solche noch nicht geltend; wohl aber begann sie, als sein Sohn Heinrich Julius gleich nach Antritt seiner Regierung den berühmten Humanisten Johann Caselius, der einen Ruf seines Vaters ausgeschlagen hatte, aufs neue berief, und dieser in Helmstedt eine fruchtbare Thätigkeit begann. Seitdem ist Helmstedt fast stets einer der Haupthorte freier theologischer Forschung geblieben. — So zeigt sich J. in seinem rastlosen Bestreben, das materielle, geistige und sittliche Wohl seiner Unterthanen in einem fest gegliederten und sicher begründeten Staatswesen zu befördern als guter Landesvater im wahren Sinne des Worts. Was hier aber sich als Tugend bei ihm darstellt, das gereicht ihm nicht selten zum Nachtheil bei seiner Stellung in der äußern Politik. Er hatte bei seinem Vater sattsam gesehen, wie verderblich für sein Land die Theilnahme an den großen Händeln der Welt gewesen war. Er trug daher eine ängstliche Scheu, die mit Liebe und Umsicht begründete Ordnung, den unverkennbaren materiellen und geistigen Aufschwung|seines Landes aufs Spiel zu setzen und sich offen und entschieden in das Getriebe der Parteien seiner Zeit zu begeben. Neben seiner emsigen Sorgfalt für seines Landes Wohlergehen hatte er nicht den scharfen politischen Blick, die große Gefahr richtig zu schätzen, die von katholischer Seite den evangelischen Ständen drohte, konnte er sich nicht zu energischer, wenn auch gefahrvoller Parteinahme für die evangelische Sache aufraffen. Er vermochte sich nicht loszumachen von einer höchst bedenklichen Vertrauensseligkeit und Anhänglichkeit gegen das Kaiserhaus. Seine äußere Politik erscheint gegenüber der von Männern wie den Pfalzgrafen und dem Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen hausbacken und kurzsichtig. Als die blutige Bartholomäusnacht zu Paris den Evangelischen über ihre gefährdete Lage die Augen öffnete, als der Pfalzgraf Friedrich III. und Wilhelm von Hessen zu festem Bündnisse der Evangelischen drängten, verhält sich J. kühl und ausweichend. Ein heimlich vor dem Kaiser geschlossener Bund erscheint ihm fast wie Rebellion. Er beruft sich auf Luther's Mahnwort, daß man in Religionssachen nicht gewaltsam verfahren dürfe. Dabei zeigt er sich religiös befangen calvinistisch gesinnten Männern gegenüber. Auch das trübt nicht unwesentlich seinen politischen Blick. So verharrt er in einer unthätigen Politik ganz in Uebereinstimmung mit dem Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg. Diesem und sich schreibt er die Verhinderung eines festen, evangelischen Schutzbündnisses als ein Verdienst zu. Daß den eifrigen Bestrebungen der katholischen Restauration gegenüber auf protestantischer Seite so wenig ausgerichtet wurde, daran trägt mit anderen Fürsten auch Herzog J. einen guten Theil der Schuld. Nicht ganz ein Jahr vor seinem Tode läßt er sich von seinem Sohne Heinrich Julius geloben, kein Bündniß, zumal gegen das Haus Oesterreich, einzugehen, es sei denn zum Schutze „unser waren Religion der Augspurgischen Confession, auch der altherbrachten teutschen Freyheit“. Für diesen Fall macht er ihm mannhaftes Einstehen mit Gut und Blut zu einer heiligen Pflicht. Aehnliche Ermahnungen finden sich auch in seinem Testamente; hier hält er seinen Söhnen warnend das Schicksal ihres Ahnherrn Heinrichs des Löwen vor. Sehr eingehend beschäftigt sich Herzog J. mit dem Plane einer umfassenden Reichsreorganisation. Von seiner Hand 1573 oder etwas später geschrieben enthält ein Aktenstück eine ganze Reihe von hierauf bezüglichen Vorschlägen von hohem Interesse. Er fordert die Errichtung von 4 Generalconsistorien, die in allen geistlichen Sachen entscheiden sollten, von 4 Hauptmünzstätten, 4 Kammergerichten und 4 Hauptfestungen. Er macht Vorschläge in Bezug auf das Kriegswesen, wo er unter Anderem die Errichtung einer Miliz, ein einheitliches Kaliber für die Gewehre etc. fordert, auf die Verwaltung, das Steuerwesen, das Verkehrswesen u. a. Scharf spricht er sich über den Adel aus, der den Landesfürsten bei Einführung einer verständigen Finanzwirthschaft nicht unterstützen wolle; er ist bedacht auf Hebung der unteren Stände, „der lieben Armuth“, die er vor Bedrückungen möglichst sicher stellen will. Manche dieser Projecte sind sehr eingehend ausgeführt, — In den letzten Jahren von Steinschmerzen heftig geplagt, starb J. am 3. Mai 1589. Sein treffendes Sinnbild war ein brennendes Licht mit dem Wahlspruche: aliis inserviendo consumor, der bei ihm zur Wahrheit geworden. Streng gegen sich, treu in seiner Pflicht, rastlos thätig, eine mehr arbeitsame als geniale Natur, forderte er auch von seinen Dienern strenge Pflichterfüllung und Fleiß. Alles mußte er selbst anordnen, nachsehen, richten und strafen. Hier scheute er bisweilen selbst vor bedenklichen Mitteln, wie dem Erbrechen von fremden Briefen, vor oft ungerechten Härten nicht zurück. In der Jugend schon wegen seiner Ueberzeugungstreue in der Schule der Leiden gestählt, war er in der Ausführung gefaßter Entschlüsse beharrlich, mitunter bis zur Halsstarrigkeit. Selbstbewußt und von dem Gefühle seiner Fürstenwürde erfüllt, ertrug er Widerspruch nicht gern. Er war keineswegs gelehrt, aber er|wußte, was für einen Staatslenker weit wichtiger ist, den Werth der Bildung zu schätzen und suchte sie in seinem Lande nach Kräften zu verbreiten. Ihn beseelte echt religiöse Frömmigkeit; er war streng lutherisch, aber keineswegs abhängig von der Herrschsucht seiner Theologen. Sehr wohl erkannte er diese Gefahr. „Wir wollen uns aber“, sagt er, „den Theologen nicht unter die Füße legen, die einen Fuß auf der Kanzel und den andern auf der fürstlichen Rathstube haben wollen.“ Musterhaft war er in seinem häuslichen Leben. Er führte eine sparsame bescheidene Hofhaltung; er war froher Geselligkeit nicht abhold, aber ein großer Feind der damals nicht zum Mindesten an den Höfen herrschenden Zechlust. In seinen Bedürfnissen anspruchslos, war er ein Feind der Verschwendung; hohles Etikettenwesen war ihm verhaßt. Er nennt sich selbst „einen groben alten Braunschweigischen Sachsen der alten deutschen Art“. Er war ein treuer Gatte, ein liebevoller Vater; die Erziehung seiner Söhne überwachte er mit emsiger Sorgfalt. Seine Gattin Hedwig überlebte ihn um 13 Jahre, in stiller Zurückgezogenheit auf ihrem Witthum zu Hessen, den Werken christlicher Barmherzigkeit ergeben. Was Herzog J. sich selbst als schönsten Lohn seines Strebens sehnlichst erwünschte, dankbare Anerkennung seiner Verdienste, ist ihm bei der Nachwelt mit Recht zu Theil geworden.

    • Literatur

      Vgl. v. Praun, Biblioth. Brunsv.-Luneb. 71 u. 91. Erath, Conspectus hist. Brunsv.-Luneb. 60—61. E. Henke. Georg Calixt und seine Zeit, Bd. I. 8—38. Dess. Artikel „Julius“ in Ersch und Gruber. Encyclopädie II. Sect. 27. Th. S. 353 ff. und die dort angeführten Schriften. W. Havemann, Gesch. der Lande Braunschw. u. Lüneb. II. Th. Sack in Zeitschr. d. Harzver. Bd. II. 4. Heft S. 40 f., Bd. III. S. 305 ff. E. Bodemann's Aussätze in Müller's Ztschr. s. deutsche Kulturgeschichte. N. F. Bd. I. S. 197—238. Bd. V. S. 1—86. Von Letzterem steht eine eingehende Biographie zu erwarten.

  • Autor/in

    P. Zimmermann.
  • Zitierweise

    Zimmermann, Paul, "Julius" in: Allgemeine Deutsche Biographie 14 (1881), S. 663-670 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118558714.html#adbcontent

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