Lebensdaten
1727 – 1779
Geburtsort
Braz (Vorarlberg)
Sterbeort
Pondorf bei Regensburg
Beruf/Funktion
katholischer Theologe ; Exorzist
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 116450274 | OGND | VIAF: 40130130
Namensvarianten
  • Gaßner, Johann Joseph
  • Gassner, Johann Joseph
  • Gassner, Joannes Josephus
  • mehr

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen im NDB Artikel

Verknüpfungen auf die Person andernorts

Aus dem Register von NDB/ADB

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Gaßner, Johann Joseph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116450274.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Josef (* 1700), S d. Martin u. d. Maria Tschol;
    M Agnes (* 1697), T d. Jos. Graß.

  • Biographie

    Nach Studien in Prag und Innsbruck wurde G. 1750 zum Priester geweiht. Als Seelsorger wirkte er in Dalaas und Klösterle. Nach 4jähriger Tätigkeit im Bistum Regensburg starb er als Dekan in Pondorf. - Berühmt wurde G. durch die sonderbare Art, wie er Kranke heilen zu können glaubte. Stätten seiner Tätigkeit waren vor allem Klösterle, Oberschwaben, Ellwangen und zuletzt Regensburg und Sulzbach bei Amberg. Er vertrat die Auffassung, daß, wo nicht alle, so doch die meisten Krankheiten auf dämonische Kräfte zurückzuführen seien. Die Patienten könnten demnach nur durch den Exorzismus von ihrem Übel befreit werden. Ob eine Krankheit durch den Teufel verursacht sei, glaubte er durch ein Verfahren, das er als Probeexorzismus bezeichnete, feststellen zu können. Er gebot dabei dem Teufel, sich durch Erweckung von bestimmten Krankheitssymptomen zu verraten. Auf Befehl des Pfarrers, in lateinischer Sprache erteilt oder auch nur in Gedanken, zeigten sich in der Regel die gewünschten Phänomene. Lehre und Praxis des Pfarrers erregten so viel Aufsehen, daß in kurzer Zeit eine wahre Flut von Streitschriften erschien, in denen sich Anhänger und Gegner des Pfarrers heftig bekämpften. Auch die zuständigen weltlichen und kirchlichen Behörden sahen sich zu einer Stellungnahme gezwungen. Ein für den „Teufelsbanner“ sehr günstig lautendes Gutachten von 4 Ingolstädter Professoren führte zu energischem Einschreiten des bayerischen Kurfürsten Maximilian III. Joseph. Auf Anweisung Kaiser Josephs II. mußte schließlich G. aus der Reichsstadt Regensburg weichen. Papst Pius VI. verwarf im Breve vom 20.4.1776 G.s Lehre als falsch und untersagte die Vornahme der aufsehenerregenden Krankenbeschwörungen. - Zu Unrecht hat man G., der zum Teil einen massiven Aberglauben vertrat, als Schwindler bezeichnet. Der Pfarrer glaubte, durch seine Verfahren den leidenden Mitmenschen helfen zu können, und tat dies uneigennützig. Die Erfolge bei seinen Kuren, in der Regel nur von kurzer Dauer, sind der ungewöhnlich starken suggestiven Kraft zuzuschreiben, die seine Patienten sehr oft in den hypnotischen Schlaf sinken ließ. Die Unkenntnis solcher Erscheinungen verschaffte ihm den Ruf eines Wundermannes.

  • Werke

    Des wohlehrwürdigen Herrn J. J. G. … Weise fromm u. gesund zu leben, auch ruhig u. gottselig zu sterben, od. nützlicher Unterricht wider d. Teufel zu streiten, Kempten 1774, 121782;
    Antwort auf d. Anm., welche in d. Münchner Intelligenzbl. v. 12.11. wider s. Gründe u. Weise zu exorzieren, wie auch v. d. dt. Chronik u. a. Ztg.-schreibern gemacht worden, Augsburg 1774, Ellwangen 1775.

  • Literatur

    ADB VIII; Zeitgenöss. Streitschrr. 55 für, 31 gegen G.;
    J. A. Zimmermann, J. J. G., der berühmte Exorzist, 1878;
    H. Fieger, P. Don Ferdinand Sterzinger, Bekämpfer d. Aberglaubens u. Hexenwahns u. d. Pfarrer G.schen Wunderkuren, 1907;
    G. Pfeilschifter, Des Exorzisten G. Tätigkeit in d. Konstanzer Diözese im J. 1774, in: HJb. 52, 1932, S. 401-41;
    K. Bittel, G.s Teufelsaustreibungen zu Mörsburg u. Salem, in: Bodenseegesch.ver., Heimatkundl. Mitt. 3, Nr. 4, Nov. 1939;
    J. Hanauer, Der Exorzist J. J. G. (1727-79), Diss. Würzburg 1949 (ungedr.).

  • Porträts

    Regensburg, Ordinariatsarchiv (Pfarrei Pondorf a. D., Präsentation, Nachlaßakten);
    München, Bayer. Staatsbibl., Cgm 3732.

  • Autor/in

    Joseph Hanauer
  • Zitierweise

    Hanauer, Joseph, "Gaßner, Johann Joseph" in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 84-85 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116450274.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Gaßner: Joh. Jos. G., Exorcist und Teufelsbanner, geb. 1727 im Dorfe Braz bei Bludenz in Vorarlberg, studirte Theologie zu Innsbruck und Prag, wurde Frühmessner zu Dalys und 1758 Pfarrer zu Klösterle, einer kleinen Ortschaft am Fuße des Arlberges. Hier begann G. leibliche Uebel an kranken Leuten, die zu ihm vertrauensvoll die Zuflucht nahmen, durch Exorcismen und Segnungen zu heilen, da er behauptete, sehr viele Krankheiten kommen nicht von natürlichen Ursachen, sondern seien Wirkungen des Teufels und in diesem Falle könnten also Arzneien nichts helfen, wol aber Gebete und Beschwörungen. Ob eine Krankheit natürlich oder diabolisch sei, habe ein erleuchteter Priester zu entscheiden; ihm müsse der Leidende unbedingt folgen. Der Ruf der Gaßner’schen Wundercuren wuchs so rasch, daß das stille Klösterle der Sammelpunkt großer Schaaren Volkes aus benachbarten und entfernteren Gegenden wurde. Das zuständige Ordinariat von Chur untersuchte die Sache und erklärte sich im Princip mit dem Verfahren Gaßner's einverstanden. Doch äußerten manche Geistliche, besonders im Bisthum Constanz, wo G. zu Mörsburg seine Wunderheilungen theilweise ohne Erfolg versucht hatte, ihre Mißbilligung. Einen mächtigen Gönner fand G. am damaligen Bischof von Regensburg, Anton Jgn. Gfn. v. Fugger, der ihn zu seinem Hofcaplan und geistlichen Rath erhob und, da der genannte Herr auch Propst zu Ellwangen war, ihn dahin berief, wo G. alsbald an sogen. Besessenen und anderen widernatürlichen Kranken, die plötzlich in ganz erstaunlicher Anzahl zu Tage traten, durch Benedictionen, Handauflegung und Exorcismen, Heilungen vornahm. Der Zulauf der auf einmal von den seltsamsten Vorkommnissen bedrängten Gläubigen war so groß, daß allein im December 1774 die Zahl der Patienten über 2700 Personen betrug. In demselben Jahre gab G. ein Büchlein heraus: „Nützlicher Unterricht wider den Teufel zu streiten“ (1774), welches in der Folge und noch im Laufe des Jahres 1775 unter dem besonderen Titel: „Weise, fromm und gesund zu leben, nützlicher Unterricht“, elf Auflagen erlebte. Als dann in Münchener und Augsburger Blättern abfällige Urtheile über G. erschienen, vertheidigte er sich in einer eigenen Schrift: „Antwort auf die Anmerkungen, welche in dem Münchnerischen Intelligenzblatt vom 12. Nov. wider seine Gründe und Weise zu exorciren gemacht worden“, 1774 (1775 in 3 Aufl.). Im folgenden Jahre zog G. nach Regensburg, auch hier strömte viel Volk von allen Seiten herbei, bis Kaiser Joseph II. dem Bischof von Regensburg auftrug, Gaßner'n den gemessensten Befehl zu ertheilen, sich dieser Thätigkeit inskünftig gänzlich zu enthalten; die baierische Regierung verbot dessen Schriften und die Erzbischöfe von Prag und Salzburg warnten in Pastoralschreiben ihren Clerus. Zwar wendete sich der Bischof von Regensburg nach Rom, allein Pius VI. sprach sich, obwol den Exorcismus im Princip nicht negirend, doch tadelnd dagegen aus, daß G. denselben mit solcher Ostentation betrieb und dabei vom römischen Rituale abwich. G. zog sich gehorsam zurück, erhielt von seinem Gönner die Pfarrei Bendorf (in der Diöcese Regensburg), wo er 1779 ganz verschollen starb. Sein Auftreten ist durch einen Wirbelwind von Broschüren begleitet, welche sein wahres Bild vielfach verhüllen; zu seinen Gläubigen gehörten der kaiserl. Leibarzt Ant. v. Haen und Lavater; dagegen schrieb (aber ohne seinen Namen) sein unversöhnlicher|Antipode Ferd. Sterzinger: „Die aufgedeckten Gaßnerischen Wundercuren aus authentischen Urkunden beleuchtet und durch Augenzeugen bewiesen“, 1775. Vgl. das weitere Material in der (von G. W. Zapf anonym herausgegebenen) „Zauberbibliothek“, Augsb. 1776. In neuerer Zeit nahmen ihn Eschenmayer, Ennemoser und Justinus Kerner insoferne in Schutz, daß G. unbewußt im Besitze magnetischer Kräfte gewesen (wozu sein ganzes Gebahren ziemlich zu passen scheint); dagegen versetzte ihn E. Sierke in die übelste Gesellschaft der „Schwärmer und Schwindler zu Ende des 18. Jahrhunderts“ (Leipzig 1874, S. 222—287). Sierke hält freilich Alles für Hocuspocus. Aber G. glaubte an sich und seine Wunderkraft; ihn als absichtlichen Betrüger hinzustellten, ist unpsychologisch. G. that alles aus uneigennütziger Menschenliebe; „daß er für seine Euren Belohnungen oder gar Bezahlungen empfangen habe, wird ihm selbst nicht von seinen heftigsten Gegnern zur Last gelegt“ (Sierke S. 272).

    • Literatur

      Vgl. Wurzbach, Biogr. Lexik. V. 99. L. Rapp, Hexenprocesse, Innsbr. 1874, S. 130 ff. etc. Vgl. auch Zimmermann, J. J. Gaßner. Kempten 1878.

  • Autor/in

    Hyac. , Holland.
  • Zitierweise

    Holland, Hyacinth, "Gaßner, Johann Joseph" in: Allgemeine Deutsche Biographie 8 (1878), S. 407-408 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116450274.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA