Lebensdaten
1784 – 1869
Geburtsort
Bruck bei Erlangen
Sterbeort
Münster
Beruf/Funktion
Rabbiner
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 102688850 | OGND | VIAF: 61318943
Namensvarianten
  • Abraham ben Samuel (bis 1808)
  • Sutro, Abraham
  • Abraham ben Samuel (bis 1808)
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Zitierweise

Sutro, Abraham, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd102688850.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus fränk. Landjudenfam.;
    V Samuel (* 1762);
    M Esther, T d. Baruch in B.;
    3 B Loeb Samuel (* um 1780), Vorsänger, Simon (* um 1795), Emanuel (um 1800–48), 3 Schw Sarah, Vereth, Adelheid (1806–46, Hermann Weinberg);
    1811 Rebecca Culp (1793–1852), aus Wanfried (Hessen);
    5 S u. a. Samuel (1813–93, Baruch (1829–60), Feldmesser u. Bauleiter, Semajo (* 1831), RA u. Notar in Meschede, 6 T u. a. Rachel (* 1814, Abraham Windmuller, * 1791), Sarah (* 1821, Aaron Elkan).

  • Biographie

    Aufgewachsen und erzogen in der Tradition des fränk. Judentums, studierte S. an den Talmudhochschulen (Jeschiwa) in Fürth, Prag und Aschaffenburg. 1799 erhielt er in Fürth das Chawer-Diplom durch Rabbiner Abraham Wolf Hamburg (1770–1850); das Prager und das Aschaffenburger Diplom folgten 1806 und 1808. Zudem wirkte S. als Hauslehrer in Prag und Aschaffenburg sowie 1809 in Kassel, bevor er dort als jüd. Religionslehrer angestellt wurde. Seine Rabbiner-Diplome erhielt S. 1808 in Kassel und 1810 in Paderborn. Beeinflußt durch Moses Mendelssohn (1729–86), betrieb S. private Studien in Geschichte, Geographie und Naturwissenschaften; er beherrschte fünf Sprachen in Wort und Schrift.

    1810 wurde S. durch das Westphäl. Konsistorium der Israeliten zum Lehrer und Rabbinatsadjunkt in Reichensachsen bei Eschwege ernannt und während der franz. Herrschaft zum Lehrer in Beverungen bei Höxter und Rabbinatsadjunkt im Sprengel Warburg. 1813 wurde er zum Rabbiner in Warendorf für den Bezirk Rheda berufen. Nach dem Ende der Befreiungskriege 1815 ernannte ihn Ludwig v. Vincke (1774–1844), dem sich S. durch preuß.-patriotische Predigten empfohlen hatte, provisorisch zum Oberrabbiner von Münster, der Gfsch. Mark und der Gfsch. Limburg (1828 kam Paderborn hinzu). S.s Aufgabe bestand v. a. darin, bei der Neuordnung des Verhältnisses zwischen jüd. Gemeinden und staatlicher Obrigkeit als Sachverständiger und in den jüd. Gemeinden als Berater und Richter in Kultus- und Schulfragen zu wirken. Da die jüd. Gemeinden nach der Gründung der Provinz Westfalen, mit Ausnahme des Regierungsbezirks Arnsberg, lediglich als private Vereinigungen toleriert und ihre Geistlichen nicht als gleichberechtigt mit den christl. Geistlichen anerkannt wurden, besaß S. keinerlei Autorität. Die jüd. Gemeinden hatten S. zwar gewählt, offiziell als Landrabbiner anerkannt wurde er aber nur 1828 in dem ehemaligen Fürstentum Paderborn. Im übrigen Westfalen gelang ihm dies noch für die Gebiete der ehemaligen Gfsch. Mark, Rheda und des Fst. Münster.

    Vor dem Hintergrund des grundlegenden Richtungsstreits zwischen Reformern und Orthodoxen profilierte sich S. überregional als herausragender Vertreter der orthodoxen Richtung. Hatte er bis 1830 noch einige Neuerungen im Kultus akzeptiert – z. B. predigte S. auf Deutsch und ließ in den Synagogen Orgeln und Konfirmationsfeiern nach prot. Vorbild zu –, so setzte er sich später energisch gegen eine Angleichung des jüd. Kultus an den christl.-prot. Gottesdienst ein. Er sah zentrale Glaubenssätze der jüd. Religion durch Reformpositionen bedroht, wie sie v. a. Alexander Haindorf (1784–1862) und Levi Lazar Hellwitz (1786–1860) vertraten. Als Landrabbiner verfocht er die kulturelle Eigenständigkeit der jüd. Minderheit und setzte sich für die Erhaltung des altjüd. Ritus ein. Außerdem trat S. als Vorkämpfer für die Emanzipation und rechtliche Gleichstellung der Juden hervor und engagierte sich mit zahlreichen Petitionen an die Regierung für die Belange der jüd. Bevölkerung. Sein Verständnis des Judentums formulierte S. in seinem bedeutendsten Werk, der Kampfschrift „Milchamot Haschem“ (Kämpfe des Ewigen, 4 Bde., 1836–64), die tiefe Einblicke in das Selbstverständnis eines selbstbewußten orthodoxen Judentums gibt. Je stärker sich allerdings die Reformbewegung in Westfalen durchsetzte, desto mehr isolierte sich S. auch innerhalb der Gemeinde. Nachdem sich diese zeitweilig in eine orthodoxe und eine reformerische Teilgemeinde gespaltet hatte, setzten sich schließlich die Reformer durch. Vermittelt durch seinen Schüler Isaac Leeser (1806–68) fanden S.s Ideen allerdings im orthodoxen USamerik. Judentum großen Anklang.

  • Auszeichnungen

    A Roter Adlerorden 4. Kl. (1861).

  • Werke

    Weitere W Rede, gehalten am 7. Pessachtag 5574 (1814) in d. Synagoge zu Beverungen, über d. Sieg d. Verbündeten u. deren Einzug in Paris, 1814;
    Widerlegung d. Schr. d. Herrn H. B. H. Cleve „Geist des Rabbinismus oder mein Uebertritt v. Judenz. Christenthume“ (…), 1824;
    Die Judenfrage im preuß. Volkshause, Abdr. d. Verhh. d. Rabbiners S. zu Münster, 1859;
    Nachlaß:
    Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem;
    Centrum Judaicum Berlin: StA Münster;
    Jüd. Mus. Frankfurt/M. (P);
    Leo Baeck Inst., New York.

  • Literatur

    A. Herzig, in: Judentum u. Emanzipation in Westfalen, 1973, S. 43–52;
    B. Brilling, A. S. (1784–1869), Ein Btr. z. Leben u. Wirken d. letzten münsterschen Landrabbiners, in: Westfäl. Zs. 123, 1973, S. 51–64;
    ders., Btrr. z. Biogr. d. letzten Landrabbiners v. Münster, A. S., in: Udim, Zs. d. Rabbinerkonf. in d. Bundesrep. Dtld. 3, 1972, S. 31–64;
    ders., Briefe d. Kgl. Westfäl. Konsistoriums d. Israeliten in Kassel an d. Rabbiner A. S. u. Marcus Baer Adler (1809–1812), ebd. 4, 1974, S. 39–57;
    ders., Das jüd. Schulwesen in Westfalen im 19. Jh., Ein Kap. aus d. Kampf um d. Gleichberechtigung d. jüd. Rel., ebd. 5, 1975, S. 11–37;
    ders., Zur Gesch. d. Rabbinats v. Paderborn v. 1809–1869, ebd. 7/8, 1977/78, S. 25–45;
    R. Schlautmann-Overmeyer, in: Jüd. Porträts, Graph. Bildnisse prominenter Juden Mitteleuropas, hg. v. H. Galen, 1993, S. 60–62 (P);
    L. J. Sussmann, Isaac Leeser and the Making of American Judaism, 1995;
    S. Freund, Jüd. Bildungsgesch. zw. Emanzipation u. Ausgrenzung, 1997;
    M. Zimmermann, Gesch. d. Juden im Rheinland u. in Westfalen, 1998;
    A. Herzig (Bearb.), Jüd. Qu. z. Reform u. Akkulturation d. Juden in Westfalen, 2005 (P);
    Enc. Jud. 1971;
    E. G. Lowenthal, Juden in Preußen, ²1982, S. 222;
    A. Herzig, Neues Lex. d. Judentums, 1998, S. 438;
    Hdb. d. jüd. Gemeinden in Westfalen u. Lippe 2, 2007;
    BBKL XI (L);
    Biogr. Hdb. Rabbiner (W, L)

  • Porträts

    | Foto, um 1862/65 (Privatbes. G. Kreuer-Waldi), Abb. in: Jüd. Porträts, 1993 (s. L);
    Foto v. B. Wohlmuth, 1859 (New York, Leo Baeck Inst.).

  • Autor/in

    Iris Nölle-Hornkamp
  • Zitierweise

    Nölle-Hornkamp, Iris, "Sutro, Abraham" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 715-716 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd102688850.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA