Wellershoff, Dieter
- Lebensdaten
- 1925 – 2018
- Geburtsort
- Neuss
- Sterbeort
- Köln
- Beruf/Funktion
- Schriftsteller ; Essayist ; Lektor ; Lektor <Verlag> ; Drehbuchautor
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 118630814 | OGND | VIAF: 68946413
- Namensvarianten
-
- Wellershoff, Dieter
- Wellerschoff, Dieter
- Wellershof, Dieter
- 벨러스호프, 디터
- Wellershoff, Diether
- Wellerschoff, Diether
- Wellershof, Diether
Vernetzte Angebote
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- Nordrhein-Westfälische Bibliographie (NWBib)
- * Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin
- Personen im Fachinformationsdienst Darstellende Kunst
- Index Theologicus (IxTheo)
- * Jahresberichte für deutsche Geschichte - Online
Verknüpfungen
Personen in der NDB Genealogie
- Adolf Gerhard Ludwig von Thadden
- Anna Barbara von Thadden , geb. Blank
- Bodo Witzke (geb. 1955)
- Ehrengard Pauline von Thadden-Trieglaff, geb. von Gerlach (1868–1909)
- Gerald Wellershoff
- Gottfried Benns (1886–1956)
- Irene Astrid Wellershoff
- Maria Hildegard Wellershoff , geb. von Thadden-Trieglaff
- Marianne Wellershoff , verh. May
- Martin May (geb. 1961)
Personen im NDB Artikel
Personen in der GND - familiäre Beziehungen
Orte
Symbole auf der Karte




Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.
-
Wellershoff, Dieter
1925 – 2018
Schriftsteller, Essayist, Lektor
Dieter Wellershoff gehört zu den herausragenden Autoren der Bundesrepublik. Mit Hör- und Fernsehspielen, Erzählungen, Novellen und Romanen, aber auch als Lektor und mit literatur- und kulturwissenschaftlichen Essays prägte er das Feld bundesdeutscher Literatur der Nachkriegszeit außerhalb der dominierenden Gruppe 47.
Lebensdaten
Dieter Wellershoff, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Timpe (InC) -
Autor/in
→Werner Jung (Langweiler/Essen)
-
Zitierweise
Jung, Werner, „Wellershoff, Dieter“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118630814.html#dbocontent

Wellershoff besuchte seit 1936 das Gymnasium in Neuss, ehe er sich 1943 freiwillig zum Kriegsdienst meldete. Obwohl er später aussagte, nie einen Aufnahmeantrag gestellt zu haben, wurde er seit April 1944 in der Mitgliederkartei der NSDAP geführt. An der Ostfront eingesetzt, wurde Wellershoff 1944 in Litauen verwundet und geriet 1945 kurzzeitig in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft. 1946 erhielt er das Abitur für Kriegsteilnehmer und studierte anschließend Germanistik, Psychologie und Kunstgeschichte an der Universität Bonn. Hier 1952 mit einer Arbeit über Gottfried Benn (1886–1956) zum Dr. phil. promoviert, arbeitete er danach als Redakteur der „Deutschen Studentenzeitung“ in Bonn und lebte seit 1955 als freier Schriftsteller in Heidebergen (heute Bonn-Beuel). Von 1959 bis 1981 war Wellershoff als Lektor für Wissenschaft und deutsche Literatur beim Verlag Kiepenheuer und Witsch in Köln angestellt. Dabei entwickelte er u. a. das Konzept der „Neuen Wissenschaftlichen Bibliothek“, in der Standardtexte aus Philosophie, Sozialwissenschaften, Geschichte und Politologie in preiswerten Paperback-Ausgaben auf den Markt gebracht wurden. Außerdem war er für die neuere deutsche Literatur zuständig und entdeckte für den Verlag eine Reihe von Autorinnen und Autoren, die er förderte, etwa Rolf Dieter Brinkmann (1940–1975), Nicolas Born (1937–1979), Renate Rasp (1935–2015) und Günter Steffens (1922–1985). Während dieser Zeit und danach übernahm er mehrere Poetik-Dozenturen. Wellershoff schuf im Lauf der 1950er und zu Beginn der 1960er Jahre eine Reihe z. T. preisgekrönter Hörspiele, die vom Existenzialismus dieser Zeit beeinflusst waren und die Lebens- und Denkweisen von Menschen während der „Wirtschaftswunderjahre“ in der Bundesrepublik thematisierten: den Kampf um Wohlstand und Zufriedenheit, das restaurative Klima der Adenauerjahre (etwa die Abtreibungsproblematik) und Kommunikationsprobleme zwischen den Geschlechtern.
Diese Sujets entwickelte Wellershoff seit Mitte der 1960er Jahre in seinen Prosatexten weiter, in denen er immer darum ging, Lebenskrisen zu verdeutlichen, Beziehungsmuster infrage zu stellen, das Leiden der Menschen an sich selbst und an den anderen, an der Umwelt und der Gesellschaft literarisch auszuleuchten. Der Protagonist etwa aus „Schattengrenze“ (1969), Wellershoffs zweitem Roman, lässt sich in dunkle Machenschaften und Geschäfte verstricken. Wellershoffs Kommissar Bernhard in „Einladung an alle“ (1972) scheitert daran, ein Buch zu schreiben und findet seine Bestimmung in der Jagd auf einen Kleinkriminellen. Die Hauptfigur in „Die Schönheit des Schimpansen“ (1977) leidet an einer tiefen, unverarbeiteten Kränkung, die ihn zum Mörder einer Unbekannten und zum Selbstmörder werden lässt. Der scheinbar erfolgreiche Unternehmer Ulrich Vogtmann aus „Der Sieger nimmt alles“ (1983) wird von windigen Partnern in riskanten Geschäften um sein Firmenimperium, die Familie und das eigene Leben gebracht. Das Scheitern von Beziehungen machte Wellershoff in seinem 2006 verfilmten Bestseller „Der Liebeswunsch“ (2000) am Beispiel zweier Paare zum Thema. Diese Variationen beschädigter Existenzen, die Wellershoff in insgesamt sieben Romanen, zwei Novellen und zahlreichen Erzählungen entwarf, trugen ihm bei der Literaturkritik den Vorwurf ein, ein Vertreter der sog. Neuen Subjektivität zu sein.
Parallel zu seinen Prosaarbeiten entwickelte Wellershoff seine Poetologie. 1965 argumentierte er in „Neuer Realismus“ (in: Die Kiepe 13, S. 1) gegen etablierte Schreibverfahren und richtete sich sowohl gegen die Autorinnen und Autoren der Gruppe 47 als auch gegen Anhänger der Stuttgarter Schule von Max Bense (1910–1990) sowie Vertretern der Konkreten Poesie. Entscheidend für seine Poetik des Neuen Realismus waren die Erlebnisse des Zweiten Weltkriegs, über die Wellershoff in etlichen Arbeiten, Essays, Vorträgen, autobiografischen Erzählungen schrieb (u a. „Der Ernstfall“, 1997). Sie hatten ihm ebenso die Zufälligkeit der menschlichen Existenz vor Augen geführt und ihm eine grundsätzliche Aversion vor Totalitarismen eingebracht wie einen Optimismus im Blick auf die Möglichkeiten in einer offenen, liberalen Gesellschaft gepaart mit einem kritisch-abwägenden Blick auf die faktischen Verhältnisse. In diesem Sinne wies Wellershoff wiederholt darauf hin, dass Literatur für den Leser gefährlich sein könne, weil sie ihn mit Erfahrungen konfrontiere, die er in den Routinen und Begrenzungen seines alltäglichen Lebens gewöhnlich zu vermeiden versuche.
1961 | Hörspielpreis der Kriegsblinden |
1962 | Förderpreis für Literatur des Landes Nordrhein-Westfalen |
1969 | Deutscher Kritikerpreis des Verbandes der deutschen Kritiker e. V. |
1988 | Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln |
1989 | Professor, Landesregierung Nordrhein Westfalen |
1995 | Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen |
2001 | Joseph-Breitbach-Preis der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, und der Stiftung Joseph Breitbach, Vaduz (mit Ingo Schulze und Thomas Hürlimann) |
2001 | Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg vor der Höhe |
2002 | Großes Stadtsiegel in Silber der Stadt Neuss |
2002 | Niederrheinischer Literaturpreis der Stadt Krefeld |
2005 | Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik |
2007 | Großer Kulturpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland für das literarische Gesamtwerk |
2014 | Hörbuch des Jahres 2014 des Hessischen Rundfunks und des Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel für „Ans Ende kommen. Dieter Wellershoff erzählt über Altern und Sterben“ |
2018 | Dieter-Wellershoff-Stipendien der Stadt Köln und des Literaturhauses Köln (jährlich) |
Nachlass:
Historisches Archiv der Stadt Köln.
Weitere Archivmaterialien:
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, BDC-Personalaktenregistratur. (namentliche Mitgliedskarte der NSDAP)
Gottfried Benn. Phänotyp dieser Stunde, 1958.
Prosa:
Ein schöner Tag, 1966, franz. 1969, slowak. 1971,
Die Schattengrenze, 1969, als Spielfilm 1978, Regie: Wolf Gremm.
Einladung an alle, 1972, franz. 1974, ungar. 1974, tschech. 1976, dän. 2000.
Doppelt belichtetes Seestück und andere Texte, 1974.
Die Schönheit des Schimpansen, 1977, norweg. 1978, schwed. 1978, finn. 1979, dän. 1979, als Spielfilm 1989, Regie: Michael Lähn.
Glücksucher, 1979, als Spielfilm 1977, Regie: Peter Beauvais.
Die Sirene, 1980, 42004, norweg. 1981, serbokroat. 1985, poln. 2006, finn. 2010.
André Gelpke/Dieter Wellershoff, Fluchtgedanken, 1983.
Der Sieger nimmt alles, 1983, zahlr. Neuaufl., norweg. 1984, russ. 1986, vietnames. 2001, als Spielfilm 1985 u. d. T. Pattbergs Erbe, Regie: Marianne Lüdcke.
Die Arbeit des Lebens, 1985.
Flüchtige Bekanntschaften, 1987, als Spielfilm 1982, Regie: Marianne Lüdcke.
Blick auf einen fernen Berg, 1991.
Pan und die Engel. Ansichten von Köln, 1990.
Im Lande des Alligators. Floridanische Notizen. Ein Reisebericht, 1992.
Stephan Geiger/Dieter Wellershoff, Inselleben. Zum Beispiel Juist, 1993.
Tanz in Schwarz, 1993.
Die Abenteuer des Augenblicks, 1993.
Der Ernstfall, 1995.
Zikadengeschrei. Novelle, 1995.
Der Liebeswunsch, 2000, niederl. 2002, ungar. 2003, franz. 2004, als Spielfilm 2006, Regie: Torsten C. Fischer.
Das normale Leben. Erzählungen, 2005.
Der Himmel ist kein Ort. Roman, 2009.
Hörspiele:
Am ungenauen Ort, 1960.
Anni Nabels Boxschau, 1962.
Bau einer Laube, 1965.
Die Bittgänger. Die Schatten, 1968.
Drehbücher:
Glücksucher, 1977.
Die Freiheiten der Langeweile, 1978.
Phantasten, 1979.
Flüchtige Bekanntschaften, 1982.
Ein ungleiches Paar, 1988.
Essays:
Der Gleichgültige, 1963.
Neuer Realismus, in: Die Kiepe 13 (1965), S. 1.
Fiktion und Praxis, 1969.
Literatur und Veränderung, 1969.
Literatur und Lustprinzip, 1973.
Die Auflösung des Kunstbegriffs, 1976.
Das Verschwinden im Bild, 1980.
Die Wahrheit der Literatur, 1980. (Gespräche)
Das Geschichtliche und das Private, 1986.
Wahrnehmung und Phantasie, 1987.
Franz Kafka, 1988.
Der Roman und die Erfahrbarkeit der Welt, 1988.
Double, Alter ego und Schatten-Ich. Schreiben und Lesen als mimetische Kur, 1991.
Das geordnete Chaos. Essays zur Literatur, 1992.
Das Schimmern der Schlangenhaut. Existentielle und formale Aspekte des literarischen Textes. Frankfurter Poetik-Vorlesungen, 1996.
Das Kainsmal des Krieges, 1998.
Die Entstehung eines Romans, 2000.
Der verstörte Eros. Zur Literatur des Begehrens, 2001.
Die Frage nach dem Sinn. Rede an die Abiturienten des Jahrgangs 2003, 2003.
Was die Bilder erzählen. Ein Rundgang durch mein imaginäres Museum, 2013.
Lyrik:
Zwischenreich. Gedichte, 1993.
Werkausgabe und Sammlungen:
Das Schreien der Katze im Sack, 1970.
Doppelt belichtetes Seestück und andere Texte, 1974.
Werke, 9 Bde., 1996–2011.
Im Dickicht des Lebens. Ausgewählte Erzählungen, 2015. (P)
Die ungeheure Vielfalt der Welt festhalten. Zu Wellershoffs 90. Geburtstag hg. v. der Stadtbibliothek Köln. Ausgew., zusammengest. u. bearb. v. Gabriele Ewenz/Werner Jung, 2015.
„Verborgene Texte des Lebens“. Dieter Wellershoff . Ein Lesebuch. Nachgelassene Texte, hg. v. Werner Jung, 2022. (P)
Herausgeberschaft:
Dieter Wellershoff/Maria Wellershoff, Gottfried Benn, Gesammelte Werke, 4 Bde., 1958–1961, erw. Ausg. in 8 Bdn., 1968.
Bibliografien:
Thorsten Bügner, Lebenssimulationen. Zur Literaturtheorie und fiktionalen Praxi von Dieter Wellershoff, 1993, S. 285–370.
Manfred Durzak/Hartmut Steinecke/Keith Bullivant (Hg.), Dieter Wellershoff. Studien zu seinem Werk, 1990, S. 297–388.
Werner Jung, Im Dunkel des gelebten Augenblicks. Dieter Wellershoff, Erzähler, Medienautor, Essayist, 2000, S. 347–374.
R. Hinton Thomas (Hg.), Der Schriftsteller Dieter Wellershoff. Interpretationen und Analysen, 1975.
Hans Helmreich, Dieter Wellershoff, 1982.
Christa Merkes, Wahrnehmungsstrukturen in Werken des Neuen Realismus. Theorie und Praxis des Neuen Realismus und des nouveau roman, 1982.
Heinz Ludwig Arnold (Hg.), Dieter Wellershoff (Text und Kritik 88), 1985.
Manfred Durzak/Hartmut Steinecke/Keith Bullivant (Hg.), Dieter Wellershoff. Studien zu seinem Werk, 1990. (W, L, P)
Jan Sass, Der magische Moment. Phantasiestrukturen im Werk Dieter Wellershoffs, 1990.
Ulrich Tschierske, Das Glück, der Tod und der „Augenblick“. Realismus und Utopie im Werk Dieter Wellershoffs, 1990.
Thorsten Bügner, Lebenssimulationen. Zur Literaturtheorie und fiktionalen Praxis von Dieter Wellershoff, 1993. (W, L)
Bernd Happekotte, Dieter Wellershoff. Rezipiert und isoliert. Studien zur Wirkungsgeschichte, 1995.
Werner Jung, Im Dunkel des gelebten Augenblicks. Dieter Wellershoff, Erzähler, Medienautor, Essayist, 2000. (W, L)
Werner Jung (Hg.), Literatur ist gefährlich. Festschrift für Dieter Wellershoff zum 85. Geburtstag, 2010. (P)
Werner Jung, Wellershoff, Born und die Kölner Schule, in: Jan-Pieter Barbian/ Erhard Schütz, Die ‚Utopie des Alltäglichen‘. Nachdenken über Nicolas Born (1937–1979), 2019, S. 17–33.
Werner Jung (Hg.), „Verborgene Texte des Lebens“. Dieter Wellershoff. Ein Lesebuch, 2022.
Peter Henning, Vom Leben berührt. Erinnerungen an Dieter Wellershoff, 2025.
Markus Schwering, Krise und Utopie. Dieter Wellershoff. Leben und Werk, 2025.
Nachrufe:
Alexander Cammann, Dieter Wellershoff. Der besessene Erinnerer, in: Zeit Online v. 15.8.2026. (P) (Onlineressource)
Gisa Funk, Verhängnis-Erforscher der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Zum Tod von Dieter Wellershoff, in: Deutschlandfunk v. 15.6.2018. (P) (Onlineressource)
Peter Henning, „Ich lief noch spät abends zu ihm, bloß, um ihm nah zu sein“. Zum Tod von Dieter Wellershoff, in: Spiegel-online v. 15.6.2018. (P) (Onlineressource)
Dokumentarfilme:
Zum Thema – Literaturbetrieb. Wie verstehen sich Schriftsteller. 4 Befragungen. Wellershoff im Gespräch mit Jürgen Becker, Günter Wallraff, Heinz-Werner Höber, Franz Mon, WDR 1971.
Ludwig Brundier, Aus der Arbeit des Schreibens. Dieter Wellershoff im Portrait, WDR 1985. (Onlineressource)
Michael Rutschky, Das Leben ist eine Versuchsstrecke. Dieter Wellershoff im Interview, BR 2005. (Onlineressource)