Treichl, Heinrich
- Lebensdaten
- 1913 – 2014
- Geburtsort
- Wien
- Sterbeort
- Wien
- Beruf/Funktion
- Bankier ; Generaldirektor ; Jurist ; Politiker
- Konfession
- römisch-katholisch
- Normdaten
- GND: 124945600 | OGND | VIAF: 3418896
- Namensvarianten
-
- Treichl, Heinrich
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Treichl, Heinrich
1913 – 2014
Bankier, Generaldirektor
Heinrich Treichl hatte Spitzenpositionen im österreichischen Bankwesen inne. Als Generaldirektor der Creditanstalt-Bankverein AG strukturierte er die Bank zu einer Universalbank um, weitete die Geschäftsfelder aus und trieb die Auslandsexpansion voran. Er engagierte sich daneben als langjähriger Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes.
Lebensdaten
Heinrich Treichl, Österreichische Nationalbibliothek (InC) -
Autor/in
→Charlotte Natmeßnig (postume Publikation)
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Zitierweise
Natmeßnig, Charlotte, „Treichl, Heinrich“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/124945600.html#dbocontent

Ausbildung und Zweiter Weltkrieg
Treichl besuchte Schulen in Wien und Frankfurt am Main, wo er 1931 das Abitur erhielt. Anschließend studierte er an der Universität Wien Rechtswissenschaften bis zur Promotion zum Dr. iur. utr. 1936 und absolvierte mehrmals Volontariate bei der Filiale des Comptoir d’Escompte de Genève in Neuchâtel (Kanton Neuenburg). 1936 begann er seine Karriere als Devisenhändler bei der Banque des Pays de l’Europe Centrale in Paris, ein Jahr später wechselte er zur Mercurbank in Wien, die 1938 mit der Länderbank Wien AG fusioniert wurde. Während des Zweiten Weltkriegs war Treichl zur Deutschen Wehrmacht eingezogen; er desertierte 1944 nach Paris und geriet im August 1944 in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft. Im Oktober 1944 kam er über Boston in das Kriegsgefangenlager in Concordia (Kansas), 1945 wurde er in das Reorientation Camp for Selected Prisoners of War (Fort Getty auf Rhode Island) verlegt. Bis zu seinem Rücktransport im Januar 1946 nahm Treichl an Kursen teil, die im Camp von amerikanischen Wissenschaftlern gehalten wurden, und beschäftigte sich v. a. mit Friedrich von Hayeks (1899–1992) Werk „The Road to Serfdom“, das seine wirtschaftsliberale Überzeugung prägte.
Berufstätigkeit bis 1956
1946 übernahm Treichl auf Drängen seines Schwiegervaters Fritz Ross (1889–1964) von 1946 bis 1948 die kaufmännische Leitung der Druckerei Waldheim-Eberle, die bis 1938 zu dem in diesem Jahr „arisierten“ Ullstein-Verlag gehört hatte. Mit der Umwandlung und Verpachtung der Druckerei in eine neu gegründete Gesellschaft 1948 musste Treichl seine Tätigkeit aufgeben, blieb aber Geschäftsführer und Gesellschafter des von Ross nach der Restituierung in Österreich neu aufgebauten Ullstein-Verlags, der 1956 in dem in Berlin restituierten Ullstein-Verlag aufging. Treichl wechselte 1956 zur im selben Jahr gegründeten Verwaltungsholding für die Verstaatlichte Industrie, wo er eine der beiden Finanzabteilungen mit Zuständigkeit für das Berichtswesen, die Bilanzpolitik und die Erstellung der Schilling-Eröffnungsbilanz leitete.
Tätigkeit bei der Creditanstalt-Bankverein AG und weitere Ämter
1956 hatte Treichl erste Kontakte zu dem Generaldirektor der Creditanstalt-Bankverein AG (CA), Josef Joham (1889–1959), trat im März 1958 als einer von 13 Direktoren in die Bank ein und leitete die Kreditabteilung. Unter Treichls Federführung erfolgte die Einführung des Privatkundenkredits auf der Basis des Versicherungsprinzips, der ein gewinnbringender Bestseller für die Bank wurde. Ebenso gelang es ihm, gegen die Bedenken einiger Vorstandskollegen die Exportfinanzierung in der CA einzuführen, beruhend auf verschiedenen Garantie- und Kredittypen sowie dem Hausbankenprinzip.
Im Dezember 1962 wurde Treichl Vorstandsmitglied mit Zuständigkeit für die Auslandsabteilung. Er knüpfte Kontakte zu Mitgliedern der European Banks International Company (EBIC), wodurch die CA Mitglied der Brüsseler Banque Européenne de Crédit (BEC) werden konnte; damit öffnete Treichl den Eurodollar-Markt für Österreich. Er erreichte auch die Mitgliedschaft der CA im Institut International d’Etudes Bancaires, einem Netzwerk von Vertretern europäischer Banken, sowie 1971 die Aufnahme der CA als erster österreichischer Bank in die EBIC.
Im November 1970 wurde Treichl Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der CA, die er bis 1981 leitete. Die von seinem Nachfolger, dem ehemaligen Finanzminister Hannes Androsch (1938–2024) (SPÖ), als „monetäre Visitenkarte Österreichs“ bezeichnete Bank zählte als Großaktionärin zu ihrem Konzern die zweitgrößte Industriegruppe Österreichs und stieg während Treichls Amtszeit im internationalen Ranking von Platz 152 (1967) auf Platz 82 (1977) der größten Finanzkonzerne der Welt auf. Treichl öffnete die Industriebank für Privatkunden (ca. 300 000 Privatkonten, Spareinlagen von zuletzt 28,5 Milliarden Österreichische Schilling), steigerte die Bilanzsumme von 32,9 Milliarden auf 203 Milliarden Österreichische Schilling, verdreifachte die Zahl der Zweigstellen auf 151 und errichtete 1976 in Budapest die erste Repräsentanz einer österreichischen Bank im kommunistischen Ostblock.
Treichl, der sich als „militanten Liberalen“ bezeichnete, geriet immer wieder in Konflikte mit Bundeskanzler Bruno Kreisky (1911–1990) (SPÖ), da er die mangelnde Privatisierung und den Einfluss der Politik auf die Banken Österreichs kritisierte. 1981 wurde die Verlängerung seines Vertrags aufgrund Kreiskys Intervention abgelehnt. Im selben Jahr wechselte Treichl in den Aufsichtsrat der CA und übte daneben weitere Ehren- und Verbandsämter aus, darunter die 25jährige Präsidentschaft des Österreichischen Roten Kreuzes. In dieser Funktion förderte er humanitäre Aktionen wie in den 1990er Jahren die erfolgreiche Kampagne gegen Anti-Personen-Minen.
1970–1992 | Mitglied des Generalrats der Österreichischen Nationalbank |
1970–1985 | Präsident des Verbandes österreichischer Banken und Bankiers |
1970–1985 | Obmann der Bundessektion Bank und Versicherungen in der Wirtschaftskammer, Wien |
1974–1999 | Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes (1999 Ehrenpräsident) |
1981–1991 | Mitglied des Aufsichtsrats der Creditanstalt-Bankverein AG |
1993 | Heinrich-Treichl-Stiftung des Österreichischen Roten Kreuzes |
1994 | Heinrich-Treichl-Preis des Österreichischen Roten Kreuzes für humanitäre Leistungen |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Österreichische Nationalbibliothek, Literaturarchiv 15/B767/1-2, B1084, Korrespondenz mit Hilde Spiel, Manuskripte.
Universitätsbibliothek Basel, Briefwechsel zwischen Dr. Heinrich Treichl und Prof. Dr. Edgar Salin, handschriftlich, 1963–1972, Nachlass Edgar Salin.
Wienbibliothek, Tagblattarchiv, TP-052 679, F19 111.
Gedanken zur künftigen Bankpolitik. Vortrag in der Versammlung der Mitglieder der Vereinigung Österreichischer Industrieller am 16. April 1971, 1971.
Finanzplatz Wien. Ausführungen bei der ordentlichen Hauptversammlung der Creditanstalt-Bankverein vom 21. März 1972, 1972.
Gedanken zur Struktur des österreichischen Kreditwesens. Reprint from International Economics and Banking, 1974.
Chancen und Gefahren für Österreichs Wirtschaftspolitik. Vortrag vor der Vereinigung Österreichischer Industrieller, Landesgruppe Steiermark, am 18. Juni 1975 in Graz, 1975.
Fast ein Jahrhundert, 2003. (Autobiografie)
Aufsätze und Sammelwerke:
Christoph Kraus/Barbara Lamprechter/Kurt R. Leube (Hg.), Festschrift für Heinrich Treichl, 2003.
Franz Kubik, Creditanstalt-Bankverein. Von der führenden Bank des Landes zur internationalen monetären Visitenkarte Österreichs, in: Oliver Rathkolb/Theodor Venus/Ulrike Zimmerl (Hg.), Bank Austria Creditanstalt. 150 Jahre österreichische Bankengeschichte, 2005, S. 415–436.
Peter Mooslechner, Vom „ruinösen Wettbewerb“ zur wettbewerbsfähigen Position auf einem um Osteuropa erweiterten Heimmarkt. Banken und Bankpolitik in Österreich seit den 1970er Jahren, in: Oliver Rathkolb/Theodor Venus/Ulrike Zimmerl (Hg.), Bank Austria Creditanstalt. 150 Jahre österreichische Bankengeschichte, 2005, S. 401–414.
Zeitungsartikel und Medienbeiträge:
Heinrich Treichl ernannt, in: Die Presse v. 4.11.1970.
Was Dr. Heinrich Treichl aus der CA machte, in: Ecco Nr. 15 v. 16.4.1975.
Wie CA-Chef Treichl für die SPÖ unbequem wurde, in: Kurier v. 21.12.1975.
CA-Chef Heinrich Treichl, Kapitaler Hirsch. Der Streit um den CA-Thron ist ein Kampf um die Herrschaft über Österreichs Wirtschaft, in: Profil v. 30.3.1976.
Spiel der Mächtigen, in: Profil v. 30.3.1976.
Dr. Heinrich Treichl. Menschen hinter großen Namen, in: Kurier v. 26.2.1976.
Blick zurück, nicht ohne Zorn. 90-jährig hat sich Heinrich Treichl entschlossen, seine Erinnerungen zu veröffentlichen, Ein Liberaler aus Überzeugung, in: Die Presse v. 21.7.2003.
Sibylle Zehle, Die fabelhafte Welt der Treichls, in: manager magazin 5, 2008, S. 193–200. (Onlineressource) (P)
Dieter Kindermann, Ein Grandseigneur – Heinrich Treichl, in: Krone Bunt v. 20.12.2009, S. 52 f.
Christian Höller, Treichl. Ein militanter Liberaler ist 100 Jahre alt, in: Die Presse v. 3.8.2013. (P) (Onlineressource)
Johannes Kübeck, Als ein Banker noch als tadellos galt, in: Kleine Zeitung v. 30. 7.2013.
Martina Bachler/Miriam Koch, Die Treichl-Saga. Keine andere Familie hat Österreichs Bankenlandschaft mehr geprägt als die Treichls. Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs, in: Format, Nr. 30 v. 26.7.2013, S. 24–29.
Georg Markus, Ein Grandseigneur wird 100 Jahre alt, in: Kurier vom 5.5.2013, S. 8 f.
Fotografie v. Barbara Pflaum (1912–2002), 1975. (Onlineressource)