Meinhof, Ulrike
- Lebensdaten
- 1934 – 1976
- Geburtsort
- Oldenburg
- Sterbeort
- Stuttgart-Stammheim
- Beruf/Funktion
- Journalistin ; Mitgründerin der Roten Armee Fraktion (RAF) ; Terroristin
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 118580175 | OGND | VIAF
- Namensvarianten
-
- Meinhof, Ulrike Marie
- Meinhof, Ulrike
- Meinhof, Ulrike Marie
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Meinhof, Ulrike Marie
1934 – 1976
Journalistin, Mitgründerin der Roten Armee Fraktion (RAF), Terroristin
Ulrike Meinhof arbeitete als Journalistin, war von 1958 bis 1964 Mitglied der illegalen KPD und radikalisierte sich verstärkt in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Sie gehörte 1970 zu den Gründern der terroristischen Vereinigung Baader-Meinhof-Gruppe, die sich als Rote Armee Fraktion (RAF) bezeichnete. Vor und nach ihrer Festnahme 1972 rechtfertigte Meinhof in mehreren Schriften das Vorgehen der RAF. Sie beging 1976 in der Untersuchungshaft Suizid und galt für ihre Anhänger als Ikone des Widerstands gegen das kapitalistische System. Diese Mystifizierung hält teilweise bis heute an.
Lebensdaten
Ulrike Meinhof, Imago Images (InC) -
Autor/in
→Eckhard Jesse (Chemnitz)
-
Zitierweise
Jesse, Eckhard, „Meinhof, Ulrike“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118580175.html#dbocontent
Meinhof übersiedelte mit ihrer Familie 1936 von Oldenburg nach Jena, von 1946 an lebte sie nach einem kurzen Aufenthalt in Bad Berneck (Oberfranken) erneut in Oldenburg. Nach dem Tod ihrer Mutter 1949 wohnte sie als Vollwaise bei Renate Riemeck (1920–2003), einer Studienfreundin und Lebensgefährtin ihrer Mutter, ab 1952 in Weilburg bei Gießen. Nach ihrem Abitur 1955 begann Meinhof, gefördert von der Studienstiftung des deutschen Volkes, ein Studium der Psychologie, Pädagogik und Kunstgeschichte in Marburg an der Lahn, vom Wintersemester 1957/58 an in Münster. Politisiert durch die linke Aktivistin Riemeck, die sich früh gegen die Wiederbewaffnung engagierte, radikalisierte Meinhof sich allmählich. Sie trat als Sprecherin des Studentischen Arbeitskreises für ein kernwaffenfreies Deutschland und Mitglied des Sozialistischen Studentenbundes bei Großkundgebungen gegen die atomare Bewaffnung der Bundesrepublik auf. Ihre einstige Nähe zum protestantischen Milieu ging verloren. Im Mai 1958 lernte sie Klaus Rainer Röhl (1928–2021) kennen, den Chefredakteur der von der illegalen KPD und der DDR finanzierten Monatszeitschrift „konkret“.
Röhl gewann Meinhof für die KPD, in die sie im Herbst 1958 eintrat. Auf einem Berliner Studentenkongress gegen Atomrüstung im Januar 1959 setzte sich die „konkret“-Position mit dem Plädoyer für eine Anerkennung der DDR nicht zuletzt aufgrund von Meinhofs Engagement durch. Im selben Jahr zog sie nach Hamburg, wo sie 1961 zur Chefredakteurin von „konkret“ avancierte. Ihr Dissertationsvorhaben im Fach Pädagogik brach sie im Dezember 1960 ab. 1964 verließ Meinhof die „konkret“-Redaktion - im selben Jahr hatte die KPD die finanzielle Unterstützung des Periodikums eingestellt. Röhl und Meinhof traten daraufhin aus der Partei aus. Meinhof arbeitete fortan v. a. für den Rundfunk, schrieb aber weiter für „konkret“, insbesondere gegen die mangelnde Aufarbeitung des Nationalsozialismus und die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, gegen den „CDU-Staat“ und die Große Koalition. Ende 1967 zog Meinhof nach Berlin-West und verfasste immer radikalere Texte, inspiriert durch die Studentenbewegung und die Bekanntschaft mit Andreas Baader (1943–1977) und Gudrun Ensslin (1940–1977): Die Bundesrepublik sei auf dem Weg in den Faschismus, und Gewalt gegen Sachen sei zu bejahen, z. B. die Aktionen gegen den Springer Verlag nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke (1940–1979) im April 1968. Im April 1969 stellte sie ihre Tätigkeit für „konkret“ wegen des „konterrevolutionären“ Kurses der Zeitschrift ein.
Im Februar 1970 versteckten sich die untergetauchten Brandstifter Baader und Ensslin in der Berliner Wohnung Meinhofs. Nach Baaders Festnahme wurde dieser mit Meinhofs Hilfe am 14. Mai 1970 befreit; dieser Tag gilt als Gründungszeitpunkt der Roten Armee Fraktion (RAF). Meinhof ging mit Baader, Ensslin und dem Rechtsanwalt Horst Mahler (1936–2025) in den Untergrund, um das als „faschistisch“ empfundene „System“ der Bundesrepublik gewaltsam zu bekämpfen. Die Gruppe floh in ein jordanisches Palästinenserlager und nahm dort an Schießübungen teil. Zurück in Berlin-West, überfiel die RAF unter Beteiligung Meinhofs Banken. Nach einer Reihe von sechs Sprengstoffanschlägen der RAF, der sog. Mai-Offensive 1972 mit vier Todesopfern, wurde Meinhof im Juni in Langenhagen bei Hannover festgenommen. In Köln-Ossendorf einer strengen Einzelhaft ausgesetzt, wurde sie 1974 nach Stuttgart-Stammheim verlegt, mit erleichterten Haftbedingungen und Kontaktmöglichkeiten zu den dort inhaftierten RAF-Terroristen. In der Untersuchungshaft beteiligte sich Meinhof mehrfach an Hungerstreiks. Im November 1974 wurde sie vom Landgericht Berlin zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren wegen versuchten Mordes bei der Befreiung Baaders 1972 verurteilt. Durch die Geiselnahme in der bundesdeutschen Botschaft in Stockholm im April 1975 sollte u. a. ihre Freilassung erpresst werden. Am 21. Mai 1975 begann vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der Prozess gegen sie und die anderen RAF-Terroristen u. a. wegen Mordes, Mordversuchs und der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Meinhofs Wahlverteidiger war Otto Schily (geb. 1932). Meinhof erhängte sich, psychisch zermürbt auch durch die aggressive persönliche Kritik Ensslins, in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1976 in ihrer Zelle.
Trotz der plakativen Nennung ihres Namens in der Öffentlichkeit (Baader-Meinhof-Gruppe) gehörte Meinhof nicht zu den treibenden Kräften innerhalb der RAF, rechtfertigte jedoch in mehreren Schriften deren Aktionen und auch die Ermordung der israelischen Geiseln bei dem Olympia-Attentat in München im September 1972 durch eine palästinensische Terrorgruppe, zu deren Forderungen die Freilassung Meinhofs gehört hatte. Prominente Persönlichkeiten wie Gustav Heinemann (1899–1976) und Helmut Gollwitzer (1908–1993) hatten vergeblich versucht, sie zur Aufgabe ihrer terroristischen Aktivitäten zu bewegen. In Teilen der linken Szene setzte nach ihrem Tod eine idealisierte Darstellung ein - mit Vergleichen zu Jeanne d’Arc (1412–1431), Rosa Luxemburg (1871–1919) und Sophie Scholl (1921–1943), wovon Filme, Kunstwerke und Musikstücke zeugen.
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Innenministerium, Abteilung II: Landespolizeipräsidium, Anarchistische Gewalttäter, besonders Baader-Meinhof-Gruppe, Vorbereitung und Durchführung von Strafprozessen, bis 1977 und ab 1977. (weiterführende Informationen)
Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Ludwigsburg EL 300 II, Oberlandesgericht Stuttgart: Tonbandmitschnitte aus dem „Baader-Meinhof-Prozess“, 1975–1977. (weiterführende Informationen)
Gedruckte Quellen:
Pieter Bakker Schut (Hg.), Das Info. Briefe der Gefangenen aus der RAF 1973–77, 1987.
Texte für konkret, 1959–1969.
Deutschland, Deutschland unter anderm. Aufsätze und Polemiken, 1967, Taschenbuchausg. 1995, Neuaufl. 2012, neugriech. 2010.
Bambule. Fürsorge, Sorge für wen? Mit einem Nachw. v. Klaus Wagenbach, 1971, Taschenbuchausg. 1972, 52009, Regiebuch mit einer Einf. v. Clemens von Wedemeyer, 2023, span. 1978. (Drehbuch, verfilmt 1970, Regie: Eberhard Itzenplitz, Erstausstrahlung 1994)
Die Würde des Menschen ist antastbar. Aufsätze und Polemiken. Mit einem Nachw. v. Klaus Wagenbach, 1980, 32010.
Das Konzept Stadtguerilla, 1971, in: Martin Hoggmann (Hg.), Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, 1997, S. 27–48.
Dem Volke dienen. Stadtguerilla und Klassenkampf, in: ebd., S. 112–144.
Die Aktion des Schwarzen September in München. Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes, 1972, in: ebd., S. 151–177.
Monografien:
Stefan Aust, Der Baader-Meinhof Komplex, 1985, 42020. (P)
Klaus Rainer Röhl, Fünf Finger sind keine Faust, 1974, 31998.
Peter Brückner, Ulrike Meinhof und die deutschen Verhältnisse, 1976.
Marion Krebs, Ulrike Meinhof. Ein Leben im Widerspruch, 1988. (P)
Alois Prinz, Lieber wütend als traurig. Die Lebensgeschichte der Ulrike Marie Meinhof, 2003. (P)
Bettina Röhl, So macht Kommunismus Spaß. Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte konkret, 2006. (P)
Kristin Wesemann, Ulrike Meinhof. Kommunistin, Journalistin, Terroristin. Eine politische Biografie, 2007. (W)
Jutta Ditfurth, Ulrike Meinhof. Die Biographie, 2007. (W)
Sara Hakemi/Thomas Hecken, Ulrike Meinhof. Leben, Werk, Wirkung, 2010.
Alexander Gallus (Hg.), Meinhof, Mahler, Ensslin Studienjahre dreier „Hochbegabter“. Die Akten der Studienstiftung des deutschen Volks, 2016.
Bettina Röhl, „Die RAF hat euch lieb“. Die Bunderepublik im Rauch von 68. Eine Familie im Zentrum der Bewegung, 2018, Taschenbuchausg. 2024.
Aufsätze:
Eckhard Jesse, Biographisches Porträt: Ulrike Marie Meinhof, in: Uwe Backes/Eckhard Jesse (Hg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie 8 (1996), S. 198–213. (Onlineressource)
Joachim Fest, Die Verzweiflung des Gedankens. Extempore über Ulrike Meinhof, in: ders., Begegnungen. Über nahe und ferne Freunde, 2004, S. 249–270. (P)
Jürgen Seifert, Ulrike Meinhof, in: Wolfgang Kraushaar (Hg.), Die RAF und der linke Terrorismus, Bd. 1, 2006, S. 350–371.
Spielfilme:
Stammheim, 1986, Regie: Reinhard Hauff.
Der Baader-Meinhof-Komplex, 2008, Regie: Uli Edel.
Stammheim – Zeit des Terrors, 2025, Regie: Niki Stein/Muriel Amstalden.
Theaterstücke:
Johann Kresnik, Ulrike Meinhof, Choreographisches Theater, 1990, Uraufführung Bremen 1990, Choreograph: Johann Kresnik. (weiterführende Informationen, Videoclip)
Elfriede Jelinek, Ulrike Maria Stuart, 2005, Uraufführung 28.10.2006 Thalia Theater Hamburg, Regie: Nicolas Stemann.
Jutta Brückner, Bräute des Nichts. Der weibliche Terror: Magda Goebbels und Ulrike Meinhof, 2008. (Video-Theater-Performance)
Fotografie auf Fahndungsplakat, 1970, Digitales Bildarchiv des Bundesarchivs. (Onlineressource)