Lebensdaten
1906 – 1945
Geburtsort
München
Sterbeort
Hameln
Beruf/Funktion
KZ-Kommandant ; Nationalsozialist
Konfession
römisch-katholisch, seit 1937 konfessionslos
Normdaten
GND: 124550169 | OGND | VIAF: 46788182
Namensvarianten
  • Kramer, Josef Theodor
  • Kramer, Josef
  • Kramer, Josef Theodor
  • mehr

Biografische Lexika/Biogramme

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Zitierweise

Kramer, Josef, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd124550169.html [18.04.2024].

CC0

  • Als SS-Funktionär und Kommandant mehrerer nationalsozialistischer Konzentrations- und Vernichtungslager war Josef Kramer im „Dritten Reich“ verantwortlich für den Tod hunderttausender Menschen. Er wurde 1945 als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und hingerichtet.

    Lebensdaten

    Geboren am 10. November 1906 in München
    Gestorben am 13. Dezember 1945 (hingerichtet) in Hameln
    Grabstätte Friedhof „Am Wehl“ in Hameln
    Konfession römisch-katholisch, seit 1937 konfessionslos
    Josef Kramer, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC)
    Josef Kramer, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC)
  • Lebenslauf

    10. November 1906 - München

    Von - Bis - Ort

    Ereignis

    Institution

    1913 - 1920 - München; Augsburg

    Schulbesuch

    Volksschule

    1921 - 1922 - Augsburg

    Elektrikerlehre

    Technikerschule

    1922 - 1924 - Augsburg

    Buchhalterlehre

    Handelsschule

    1925 - 1933 - Augsburg

    Arbeitslosigkeit, unterbrochen von Gelegenheitstätigkeiten

    1931 - 1945

    Mitglied

    NSDAP

    1932 - 1945

    Mitglied (zuletzt 1942 SS-Hauptsturmführer)

    SS

    1933 - 1934 - Augsburg

    Verwaltungsangestellter

    Stadtverwaltung

    1934 - Dachau

    Verwaltungsangestellter

    SS-Hilfswerk

    1934 - 1936 - Esterwegen

    SS-Totenkopfverband „Ostfriesland“; Tätigkeit in der Lagerkommandantur

    KZ Esterwegen

    1936 - 1937 - Dachau

    Schreibdienst in der Lagerkommandantur

    KZ Dachau

    1937 - 1938 - Oranienburg

    Leiter der Poststelle in der Adjutantur

    KZ Sachsenhausen

    1938 - 1940 - Mauthausen (Oberösterreich)

    Adjutant des Lagerkommandanten

    KZ Mauthausen

    1940 - 1940 - Auschwitz (Schlesien, heute Oświęcim, Polen)

    stellvertretender Lagerkommandant

    KZ Auschwitz I

    1940 - 1941 - Dachau

    Ausbildungslehrgang zum Schutzhaftlagerführer

    KZ Dachau

    1941 - 1944 - Natzwiller (Frankreich)

    Schutzhaftlagerführer, seit 1942 Kommandant

    KZ Natzweiler

    1944 - 1944 - Auschwitz

    Kommandant

    KZ Auschwitz II -Birkenau

    1944 - 1945 - Bergen bei Celle

    Kommandant

    KZ Bergen-Belsen

    1945 - Lüneburg

    Kriegsverbrecherprozess; Verurteilung zum Tode

    Britisches Militärtribunal

    1945 - Hameln

    Hinrichtung durch den Strang

    Zuchthaus

    13. Dezember 1945 (hingerichtet) - Hameln
  • Genealogie

    Vater Theodor Kramer 1931/32 verbeamteter Rechnungsprüfer in München
    Mutter Maria Kramer
    Geschwister keine
    Heirat 16.10.1937
    Ehefrau Rosina Kramer, geb. Bauer geb. 1914 Stenotypistin; Lehrerin
    Kinder zwei Söhne, eine Tochter
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Kramer, Josef (1906 – 1945)

    • Vater

      Theodor Kramer

      1931/32 verbeamteter Rechnungsprüfer in München

      • Großvater väterlicherseits

      • Großmutter väterlicherseits

    • Mutter

      Maria Kramer

      • Großvater mütterlicherseits

      • Großmutter mütterlicherseits

    • Heirat

      • Ehefrau

        Rosina Kramer

        geb. 1914

        Stenotypistin; Lehrerin

  • Biografie

    Kramer wuchs in einer kleinbürgerlich-katholischen Familie in München, seit 1913 in Augsburg auf. Auf eine Elektrikerlehre und Ausbildung zum Buchhalter folgten von 1925 bis 1933 lange Phasen der Arbeitslosigkeit. 1931 trat er in Augsburg der NSDAP bei und wurde 1932 Mitglied der SS. Seine wirtschaftliche Lage besserte sich entscheidend, als er 1934 eine hauptamtliche Anstellung beim SS-Hilfswerk im KZ Dachau erhielt. Seitdem wurde Kramer planmäßig auf die Übernahme von Führungsaufgaben im nationalsozialistischen Konzentrationslagersystem vorbereitet: Bis Ende 1940 hauptsächlich für Bürotätigkeiten, u. a. als Schreiber, Poststellenleiter und Adjutant, in den Konzentrationslagern Esterwegen, Dachau, Mauthausen und {Auschwitz eingesetzt, wurde er anschließend in den Dienst als Schutzhaftlagerführer eingewiesen. In einem zehnwöchigen Lehrgang durchlief er 1940/41 die von Theodor Eicke (1892–1943) konzipierte „Dachauer Schule“, die auf Anwendung brutaler Gewalt gegen Häftlinge ausgelegt war, und erlernte so die auf systematischem Terror beruhenden Methoden der Lagerbeherrschung.

    Im Frühjahr 1941 wurde Kramer in das KZ Natzweiler versetzt, wo er die Aufgaben des Schutzhaftlagerführers und Arbeitseinsatzführers übernahm und seit Februar 1942 als kommissarischer Kommandant fungierte, ehe er im Oktober desselben Jahres zum Lagerkommandanten aufstieg. Im August 1943 ließ er 86 aus dem KZ Auschwitz überstellte Häftlinge in einer eigens gebauten Gaskammer ermorden und die Leichname zur Anlage einer „Schädel- und Skelettsammlung“ an das Anatomische Institut der Reichsuniversität Straßburg übermitteln. Im Mai 1944 wurde Kramer Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und verantwortete dort mit dem Standortältesten Rudolf Höß (1901–1947) die Ermordung von mehr als 400 000 ungarischen Juden binnen weniger Wochen.

    Nachdem Kramer im Dezember 1944 als Kommandant in das KZ Bergen-Belsen versetzt worden war, verschlechterten sich unter seiner Leitung die dortigen Lebensverhältnisse dramatisch. Als das Lager gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Ziel etlicher „Evakuierungstransporte“ aus anderen, geräumten Konzentrationslagern wurde, reagierte Kramer teilnahmslos auf die resultierende katastrophale Überbelegung, den Zusammenbruch der Nahrungsmittelversorgung und die grassierenden Seuchen. Bis zur Befreiung Bergen-Belsens durch britische Truppen am 15. April 1945 verstarben Tausende von Häftlingen an Hunger, Kälte, Entkräftung und Krankheiten. Die von britischen Militärfotografen dokumentierten Zustände nach der Übernahme des Lagers – eines der wenigen KZ, das die SS nicht geräumt hatte – prägten langfristig das internationale Bild des nationalsozialistischen KZ-Systems.

    Im Herbst 1945 musste sich Kramer im ersten Bergen-Belsen-Prozess mit 44 weiteren Beschuldigten vor einem britischen Militärtribunal in Lüneburg verantworten. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, als Mitglieder des Wach- und Kommandanturpersonals mittels eines gemeinschaftlichen Vorhabens („Concerted Action“) Kriegsverbrechen in den Konzentrationslagern Bergen-Belsen und Auschwitz begangen zu haben. Während er in der britischen Öffentlichkeit als „The Beast of Belsen“ bezeichnet wurde, bestritt Kramer vor Gericht jegliche persönliche Beteiligung an Misshandlungen oder Morden und schob alle Verantwortung auf seine Vorgesetzten ab, namentlich auf den Leiter des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamts (WVHA), Oswald Pohl (1892–1951), und auf den Leiter der Inspektion der Konzentrationslager im SS-WVHA („Amtsgruppe D“), Richard Glücks (1889–1945).

    Aufgrund der erdrückenden Beweislast wurde Kramer am 17. November 1945 schuldig gesprochen und zum Tod durch den Strang verurteilt. Nachdem ein Gnadengesuch, in dem er sein Handeln erneut mit einem angeblichen Befehlsnotstand zu rechtfertigen versuchte, vom britischen Field Marshal Bernard Montgomery (1887–1976) abgewiesen worden war, wurde das Urteil am 13. Dezember 1945 im Zuchthaus Hameln vollstreckt.

    Nach dem Plan der britischen Besatzungsmacht sollte dem Bergen-Belsen-Prozess als erstem großen Strafverfahren gegen NS-Täter eine exemplarische Bedeutung zukommen; beabsichtigt war, im Sinne einer juristischen bzw. moralischen Läuterung die Voraussetzung für ein neues, demokratisches Deutschland zu schaffen. Dieses Ziel wurde trotz vorbildlicher Verhandlungsführung und ausführlicher medialer Berichterstattung verfehlt. Auch die Durchführung des kurze Zeit später anlaufenden Internationalen Militärtribunals gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg und die Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts nach 1945 wurden von dem Prozess kaum beeinflusst.

  • Auszeichnungen

    1943 Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse
    1945 Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse
  • Quellen

    Nachlass:

    nicht bekannt.

    Weitere Archivmaterialien:

    Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, Bestand BDC. (u. a. undatierter, handschriftlicher Lebenslauf für die Zeit bis 1933)

    National Archives, Washington, DC, G 338 und A3343 SSO-206A. (SS-Personalakten)

    National Archives, London, WO 309/113 u. 435, WO 235/14. (Verhöre Kramers in britischer Untersuchungshaft; Mai–September 1945)

  • Literatur

    Tom Segev, The Commanders of Nazi Concentration Camps, 1977, S. 279–287.

    Danuta Czech, Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939–1945, 1989.

    N. N., Art. „Kramer, Josef“, in: Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, hg. v. Israel Gutman/Eberhard Jäckel/Peter Longerich/Julius H. Schoeps, Bd. 2, 1995, S. 811 f.

    Eberhard Kolb, Bergen-Belsen. Vom „Aufenthaltslager“ zum Konzentrationslager 1943–1945, 51996.

    Wacław Długoborski/Franciszek Piper (Hg.), Auschwitz 1940–1945. Studien zur Geschichte des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, 5 Bde., 1999.

    French L. MacLean, The Camp Men. The SS Officers Who Ran the Nazi Concentration Camp System, 1999, S. 134.

    Karin Orth, Die Konzentrationslager-SS. Sozialstrukturelle Analysen und biographische Studien, 2000.

    Alexandra Eileen Wenck, Zwischen Menschenhandel und „Endlösung“. Das Konzentrationslager Bergen-Belsen, 2000.

    John Cramer, Belsen Trial 1945. Der Lüneburger Prozess gegen Wachpersonal der Konzentrationslager und Bergen-Belsen, 2011, bes. S. 217–234.

    Margaretha Franziska Vordermayer, Justice for the Enemy? Die Verteidigung deutscher Kriegsverbrecher durch britische Offiziere in Militärgerichtsprozessen nach dem Zweiten Weltkrieg (1945–1949), 2019, S. 125–132.

  • Onlineressourcen

    Jewish Virtual Library.

    Law Reports of Trial of War Criminals, Volume II, The Belsen Trial, English Edition, 1947. (gekürzte Fassung der Protokolle des Prozesses gegen Kramer und 44 Mitangeklagte vor einem britischen Militärtribunal in Lüneburg vom 17. 9.–17. 11. 1945)

    Welt im Film“ v. 9.11.1945. (darin Sequenz „Belsen und Nürnberg“, Min. 14:05–15:16, mit Aufnahmen des ersten Bergen-Belsen-Prozesses und des befreiten KZs Bergen-Belsen)

  • Porträts

    Fotografie, Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sammlung Heinrich Hoffmann.

    Fotografien, April 1945, Imperial War Museum, London, u. a. BU 3748 (Onlineressource), BU 3749 (Onlineressource) und BU 9710 (Onlineressource).

  • Autor/in

    John Cramer (Regesbostel)

  • Zitierweise

    Cramer, John, „Kramer, Josef“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/124550169.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA