Lebensdaten
1922 – 1982
Geburtsort
Dresden
Sterbeort
Nizza
Beruf/Funktion
Marktpsychologe ; Kritischer Sozialpsychologe ; Hochschullehrer ; Psychologe ; Schriftsteller
Konfession
römisch-katholisch,seit 17.·Oktober 1972 konfessionslos
Normdaten
GND: 118515888 | OGND | VIAF: 41959806
Namensvarianten
  • Brückner, Friedrich Peter
  • Brückner, Peter
  • Brückner, Friedrich Peter
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Brückner, Peter, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515888.html [28.04.2024].

CC0

  • Als Lehrstuhlinhaber für Psychologie wirkte Peter Brückner von 1967 bis 1982 an der Universität Hannover. Bis zu seinem Tod analysierte und kommentierte er die psychische Verfasstheit der bundesdeutschen Gesellschaft. Aufgrund seiner politischen Haltung gilt er seit den 1970er Jahren als „Ikone der linken Protestbewegung“ sowie als „Vaterfigur der APO“.

    Lebensdaten

    Geboren am 13. Mai 1922 in Dresden
    Gestorben am 10. April 1982 in Nizza
    Grabstätte Cimetière de l’Est, Grab-Nr. 134 526, Case 39 in Nizza
    Konfession römisch-katholisch; seit 17. Oktober 1972 konfessionslos
    Peter Brückner (InC)
    Peter Brückner (InC)
  • Lebenslauf

    13. Mai 1922 - Dresden

    1929 - 1936 - Dresden

    Schulbesuch

    Volksschule

    1936 - Februar 1941 - Zwickau

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Staatliche Oberschule; Robert-Schumann-Gymnasium

    April 1941 - Mai 1941 - Leipzig

    Studium der Rechtswissenschaften; Studienverbot

    Universität

    Herbst 1941 - Frühjahr 1944 - Österreich, u. a. Wien

    Kriegsdienst; seit Herbst 1942 Anschluss an österreichische Widerstandskreise

    Dienststelle des Arbeitsamts in einem österreichischen Kriegsgefangenenlager

    Frühjahr 1944 - Februar 1945 - Ungarn; Niederösterreich

    Desertion wegen drohender Verhaftung; Leben im Untergrund

    März 1945 - 8.5.1945 - Zwickau

    Unterstützung der US-amerikanischen Streitkräfte; Rückkehr

    1946 - Oktober 1948 - Leipzig

    Studium der Medizin und Psychologie; Exmatrikulation

    Universität

    1947 - 29.12.1948 - Zwickau; Berlin-Ost; Leipzig-Dösen; Berlin-West

    Krankenhausaufenthalte; Aufenthalt in einer Psychiatrie; Flucht

    Februar 1949 - Vlotho (Nordrhein-Westfalen)

    Übersiedlung

    1.4.1949 - 15.10.1949 - Ilten bei Hannover

    Klinisch-psychologisches Praktikum bei Hans Werner Janz (1906–2003)

    Heil- und Pflegeanstalt Dr. F. Wahrendorff

    Wintersemester 1949/50 - 15.5.1953 - Münster

    Studium der Psychologie (Abschluss: Diplom-Psychologe)

    Universität

    1951 - 1953 - Münster

    wissenschaftliche Hilfskraft bei Wolfgang Metzger (1899–1979)

    Lehrstuhl für Psychologie der Universität

    1953 - Ende 1953 - Münster

    wissenschaftlicher Mitarbeiter

    Erziehungsberatungsstelle des Psychologischen Instituts der Universität

    Anfang 1954 - 1955 - Münster

    Praktikantenjahr für Psychologen

    Sprechgestörten-Abteilung der HNO-Universitäts-Klinik

    Sommersemester 1955 - Münster

    Mitarbeiter bei pharmako-psychologischen Untersuchungen

    Universitäts-Nervenklinik

    Wintersemester 1955/56 - Münster

    wissenschaftliche Hilfskraft

    Psychologisches Institut; Institut für textile Marktforschung

    23.2.1957 - Münster

    Promotion (Dr. phil.)

    Universität

    1957 - Ende 1961 - Frankfurt am Main

    Lehrbeauftragter für projektive Techniken und Psychologische Diagnostik bei Edwin Rausch (1906–1994)

    Universität

    1958 - Mannheim

    Mitarbeiter

    Institut für Marktpsychologie

    Sommersemester 1961 - Wintersemester 1966/67 - Mannheim

    Lehrbeauftragter für Werbe- und Marktpsychologie

    Wirtschaftshochschule

    Frühjahr 1962 - 1966/67 - Frankfurt am Main

    psychoanalytische Ausbildung

    Sigmund-Freud-Institut

    Februar 1966 - Heidelberg

    Berater

    Arbeitsgemeinschaft für Sozial- und Wirtschaftsforschung

    1967 - 1982 - Hannover

    ordentlicher Professor für Psychologie; 1972/73 und 1977–1981 suspendiert

    TH (seit 1968 TU, seit 1980 Universität)

    10. April 1982 - Nizza
  • Genealogie

    Vater Karl Ludwig Gotthelf Brückner Ingenieur; Dozent an einer Ingenieurschule in Dresden; vor 1934 aus politischen Gründen entlassen; danach Handlungsreisender
    Mutter Constance Sarah Brückner, geb. Barlin Opernsängerin; emigrierte 1935 nach Verfolgung wegen ihrer jüdischen Vorfahren nach Großbritannien; kehrte 1945 als Mitglied der Young Women’s Christian Association mit den britischen Truppen nach Deutschland zurück
    Geschwister zwei ältere Halbbrüder mütterlicherseits emigrierten 1935 nach Großbritannien
    1. Heirat 24.12.1945 in Zwickau
    Ehefrau Ingeborg Asta Brückner, geb. Albrecht 25.10.1934–15.6.1994 aus Zwickau
    Scheidung 5.2.1949 in Zwickau
    2. Heirat 16.10.1951 in Münster
    Ehefrau Erika Johanna Brückner, geb. List 9.9.1927–7.7.2002 aus Pürsten (Sachsen); römisch-katholisch; Psychologin; 1974–1984 Gründerin und Leiterin der Feldabteilung des Zentrums für Umfragen, Methoden und Analysen in Mannheim; 1984–1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin-West
    Schwiegervater Friedrich Karl August List Oberlehrer
    Schwiegermutter Margaretha Minna List, geb. Friedrich
    Sohn Karl Tobias Brückner 3.1.1954–20.6.2002 Informatiker in Mannheim
    Tochter Mirjam Constance Brückner geb. 1.10.1955 Übersetzerin; Kunstmalerin in Bologna
    Tochter Sophie Ruth Hanna Brückner geb. 6.12.1958 Professor of Social Research and Public Policy an der New York University Abu Dhabi
    Sohn Wolfgang Ulrich Benjamin Brückner geb. 10.2.1965 Fotograf; Musiker
    Scheidung 19.8.1970 in Heidelberg
    3. Heirat 21.1.1982 in Hannover
    Ehefrau Barbara Sichtermann, verh. Brückner geb. 21.2.1943 aus Erfurt; Publizistin, Schriftstellerin in Berlin
    Schwiegervater Siegfried Herbert Sichtermann geb. 1916 Dr. iur.; Jurist
    Schwiegermutter Ilse Marie (Illa) Blaue , geb. Schultze, gesch. Sichtermann 3.5.1919–5.6.2018 Malerin; 1954 geschieden; seit 1956 in 2. Ehe verh. mit Alwin Blaue (1896–1958), Maler, Grafiker, Bildhauer
    Schwägerin Marie Sichtermann geb. 1944 Dr. iur.; Juristin, Heilpraktikerin; 1986 Mitgründerin von "Geld & Rosen GbR", Unternehmensberatung für Frauen und soziale Einrichtungen
    Schwager Kai Sichtermann geb. 1951 Musiker; Bassist der Band „Ton Steine Scherben“
    Sohn Simon Brückner geb. 26.6.1978 Dokumentarfilmer in Berlin
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Brückner, Peter (1922 – 1982)

    • Vater

      Karl Brückner

      Ingenieur; Dozent an einer Ingenieurschule in Dresden; vor 1934 aus politischen Gründen entlassen; danach Handlungsreisender

    • Mutter

      Constance Sarah Brückner

      Opernsängerin; emigrierte 1935 nach Verfolgung wegen ihrer jüdischen Vorfahren nach Großbritannien; kehrte 1945 als Mitglied der Young Women’s Christian Association mit den britischen Truppen nach Deutschland zurück

    • 1.·Heirat

      in

      Zwickau

      • Ehefrau

        Ingeborg Brückner

        25.10.1934–15.6.1994

        aus Zwickau

    • 2.·Heirat

      in

      Münster

      • Ehefrau

        Ingeborg Brückner

        25.10.1934–15.6.1994

        aus Zwickau

    • 3.·Heirat

      in

      Hannover

      • Ehefrau

        Ingeborg Brückner

        25.10.1934–15.6.1994

        aus Zwickau

  • Biografie

    Brückner wuchs in Dresden auf. Nach der Emigration der von Verfolgung aus antisemitischen Motiven bedrohten Mutter und wegen der häufigen Abwesenheit des als Handlungsreisenden tätigen Vaters kam er im Herbst 1936 auf das Internat der Staatlichen Oberschule Zwickau, das er 1939 infolge von Verstößen gegen die Schulordnung verlassen musste. Anschließend besuchte er das Robert-Schumann-Gymnasium in Zwickau, erwarb 1941 das Abitur und schrieb sich an der Universität Leipzig für Rechtswissenschaften ein, wurde aber bereits sechs Wochen nach der Immatrikulation wegen seiner, einer jüdischen Herkunft verdächtigten Mutter relegiert.

    Im Herbst 1941 erfolgte Brückners Einberufung zum Kriegsdienst nach Österreich und noch während der Grundausbildung die Überstellung an eine Arbeitseinheit des Heeres nach Wien, da die Frage seiner „rassischen Belastung“ ungeklärt war. Nach mehrfachen, kurzen Inhaftierungen wurde er in das Arbeitsamt eines österreichischen Kriegsgefangenenlagers versetzt, wo er 1942 Anschluss an Widerstandskreise im Umfeld der Kommunistischen Partei Österreichs fand. Einer drohenden Verhaftung entzog er sich im Frühjahr 1944 durch Desertion und hielt sich bis Februar 1945 in Ungarn und Niederösterreich versteckt, ehe er im März 1945 für US-amerikanische Streitkräfte tätig wurde. Am 8. Mai 1945 kehrte Brückner nach Zwickau zurück.

    Seit 1946 studierte Brückner – unterbrochen von einem längeren Krankenhausaufenthalt – Psychologie und Medizin an der Universität Leipzig und engagierte sich als Mitglied der KPD in der Hochschulpolitik. Weil er die Zusammenlegung von KPD und SPD zur SED ablehnte, wurde ihm mit Parteiausschluss gedroht und sein Stipendium gestrichen, weshalb er sein Studium 1948 abbrach. Zu dieser Zeit wurde Brückner in Krankenhäusern in Zwickau und Berlin-Ost behandelt und begab sich, psychisch wie physisch angeschlagen, in eine psychiatrische Klinik in Leipzig-Dösen. Seine Mutter organisierte Ende 1948 die Flucht nach Berlin-West, von wo er im Februar 1949 in die britische Besatzungszone übersiedelte und seit dem Wintersemester sein Psychologiestudium bei dem Gestaltpsychologen Wolfgang Metzger (1899–1979) an der Universität Münster fortsetzte. Nach bestandener Diplom-Prüfung im Mai 1953 wurde Brückner im Februar 1957 bei Metzger mit einer Arbeit zum Rorschach-Test zum Dr. phil. promoviert. In dieser Zeit baute er mit seiner zweiten Ehefrau in Münster die erste Erziehungsberatungsstelle der Bundesrepublik auf und unternahm Reisen durch Südeuropa. Um seine finanzielle Situation zu verbessern, war er zudem seit 1958 in dem 1949 von Bernt Spiegel (geb. 1926) gegründeten Fachinstitut für Werbewissenschaftliche Untersuchungen (seit 1956 Institut für Marktpsychologie, umgangssprachlich auch „Spiegel-Institut“), einem Marktforschungsunternehmen in Mannheim, v. a. für die Lebensmittel- und Automobilbranche, tätig.

    Neben seiner beruflichen Tätigkeit absolvierte Brückner vom Frühjahr 1962 bis 1966/67 eine psychoanalytische Ausbildung am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt am Main. Unter dem Einfluss Alexander Mitscherlichs (1908–1982), der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule und der Lektüre Marxscher Texte sowie politisch bewegt von Benno Ohnesorgs (1940–1967) gewaltsamem Tod entwickelte er in dieser Zeit eine originäre Form einer auf Vorurteilsforschung ausgerichteten Kritischen Sozialpsychologie, in deren Zentrum das Postulat des Verstehens und einfühlenden Verhaltens gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten und Außenseitern stand. In den späteren Bänden wie „Ulrike Marie Meinhof und die deutschen Verhältnisse“ (1976), „Die Mescalero-Affäre. Ein Lehrstück für Aufklärung und politische Kultur“ (1977) und „Über die Gewalt. Sechs Aufsätze zur Rolle der Gewalt in der Entstehung und Zerstörung sozialer Systeme“ (1979) analysierte er differenziert v. a. die politischen Aktionen der gewaltbereiten Gruppierungen und stellte dabei die Ausübung staatlicher Gewalt in einen historischen Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus. Die Kritik an seiner eigenen Gesellschaft, verbunden mit dem Rückblick auf die autoritäre Gesellschaft in der Zeit des „Dritten Reichs“ prägte auch Brückners Werk „Versuch, uns und anderen die Bundesrepublik zu erklären“ (1978) sowie den autobiografischen Text „Das Abseits als sicherer Ort. Kindheit und Jugend zwischen 1933 und 1945“ (1980).

    1967 folgte Brückner einem Ruf auf den Lehrstuhl für Psychologie an die TH (seit 1968 TU, seit 1980 Universität) Hannover, wo er sich nach Ohnesorgs Tod am 2. Juni 1967 in Berlin-West mit den Zielen der Studentenbewegung öffentlich solidarisierte und zu ihrem Protagonisten unter den Hochschullehrern wurde. Nach späterer eigener Einschätzung erlebte Brückner die „frühen Jahre der Protestbewegung (1966–1968)“ als eine Zeit des „Public Happiness“ („Über Krisen von Identität und Theorie“, in: ders., Zerstörung des Gehorsams. Aufsätze zur politischen Psychologie, 1983, S. 188); er befürwortete den anti-autoritären Ansatz der „68er“, deren aus der Gesellschaftskritik entwickelte radikale Moral sowie sozialistische und antifaschistische Positionen, wovon seine Studien „Die Transformation der Demokratie“ (mit Johannes Agnoli, 1967) und „Provokation als organisierte Selbstfreigabe“ (in: Politische Aktion und politisches Lernen, in: Hermann Giesecke u. a., 1970, S. 175-235) zeugen. Darin untersuchte Brückner auch die komplexen psychischen Prozesse solidarisch handelnder Individuen, deren Ziel die Umwälzung der ihm zufolge durch „erworbene Innerlichkeit“ (Staatsfixiertheit, präreflexive Gehorsamsbereitschaft) geprägten Gesellschaft war. Brückner schuf der „68er“-Bewegung mit seinen Schriften maßgebliche theoretische Grundlagen.

    Nach ihrem Abtauchen in den Untergrund gewährte Brückner der steckbrieflich gesuchten Ulrike Meinhof (1934–1976) 1972 in seiner Wohnung kurzzeitig Unterkunft, was ihm zunächst den Vorwurf der Unterstützung der Rote Armee Fraktion (RAF) und damit eine Suspendierung von seinem Professorenamt für zwei Semester durch den niedersächsischen Kultusminister Peter von Oertzen (1924–2008) eintrug. Nach der strafrechtlichen Herabstufung auf Begünstigung wurde die Suspendierung aufgehoben. Brückner wurde disziplinarrechtlich mit 4.800 D-Mark Geldstrafe belegt.

    Im „heißen Herbst“ 1977 wurde Brückner durch das von Eduard Pestel (1914–1988) geführte Ministerium für Wissenschaft und Kunst im Zusammenhang mit der „Mescalero-Affäre“ ein zweites Mal suspendiert. Dabei wurden ihm seine Mitherausgeberschaft der unter dem Autornamen Mescalero publizierten, den Terror der RAF kritisierenden Schrift „Buback – Ein Nachruf“ (1977) und weitere öffentliche Äußerungen als Dienstvergehen angelastet. In dem „Nachruf“ bekundet der Autor eine „klammheimliche Freude“ wegen der Vorfälle, sagt aber auch terroristischer Gewalt ab. In den Medien sowie politischen und staatsanwaltlichen Verlautbarungen wurde ausschließlich die „klammheimliche Freude“ zitiert; gegen die Herausgeber wurden Strafverfahren angestrengt, die mit Freisprüchen endeten. Bei Brückner blieb als Vorhalt ein „disziplinarrechtlicher Überhang“. Nach der Aufhebung aller Disziplinarmaßnahmen 1981 kehrte Brückner aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in sein Professorenamt zurück.

    In seinem ersten Hauptwerk, „Zur Sozialpsychologie des Kapitalismus“ (1972), untersuchte Brückner, wie im Laufe der geschichtlichen Entwicklung die Arbeiterklasse gesellschaftlich integriert und der Klassengegensatz auf der Ebene gesellschaftlicher Widersprüche zum Verschwinden gebracht wurde. In dem postum erschienenen Werk „Psychologie und Geschichte“ (1982) analysierte er historisch weiter ausholend und differenzierter die Herrschaftsstrategien, die seiner Ansicht nach dazu geführt haben, dass die scheinbare Widerspruchsfreiheit der kapitalistischen Gesellschaft unter den Bedingungen der kulturellen Hegemonie des Bürgertums als gesellschaftliche Normalität erscheint.

    Brückner war als Psychologe und Publizist ein wichtiger Diskussionspartner und Theoretiker der „Neuen Linken“ und der Emanzipationsbewegungen, die sich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre formierten. Aufgrund seiner politischen Haltung, seiner radikalen Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft und der Absicht, mit seinen Schriften die Entfremdung der menschlichen Existenz nicht nur zu erkennen, sondern sie mit seinem provokanten Wirken als öffentlicher Intellektueller zu überwinden, zählte er zu den umstrittensten Vertretern seiner Zunft.

  • Auszeichnungen

    1958 Mitglied der Internationalen Rorschach-Gesellschaft
    1959 Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychologie
    1962 Mitglied der Werbewissenschaftlichen Gesellschaft
    1962 Mitglied des Sigmund-Freud-Instituts, Frankfurt am Main
  • Quellen

    Nachlass:

    Technische Informationsbibliothek, Hannover, Peter-Brückner-Archiv.

    Weitere Archivmaterialien:

    Archiv der Technischen Informationsbibliothek, Universitätsarchiv Hannover, Best. 5, Nr. 4057 (Personalakte) u. Akz. 2009/07 (Personalakte, Unterakte Disziplinarverfahren).

    Universitätsarchiv Leipzig, Quästur Brückner 01, Quästur Brückner 02 A u. StuA 064 247.

  • Werke

    Monografien:

    Inhaltsdeutung und Verlaufsanalyse im Rorschach-Verfahren, Eine Untersuchung an jugendlichen Enuretikern, 1957. (Diss. phil.)

    Freiheit, Gleichheit, Sicherheit. Von den Widersprüchen des Wohlstands, 1966.

    Die informierende Funktion der Wirtschaftswerbung, Probleme und Problemwandel, 1967.

    Peter Brückner/Johannes Agnoli, Die Transformation der Demokratie, 1967.

    Peter Brückner/Thomas Leithäuser/Werner Kriesel, Psychoanalyse, Zum 60. Geburtstag von Alexander Mitscherlich, 1968.

    Zur Sozialpsychologie des Kapitalismus, Sozialpsychologie der antiautoritären Bewegung, 1972.

    Peter Brückner/Alfred Krovoza, Was heißt Politisierung der Wissenschaft und was kann sie für die Sozialwissenschaften heißen?, 1972.

    Peter Brückner/Alfred Krovoza, Staatsfeinde, Innerstaatliche Feinderklärung in der BRD, 1972.

    Peter Brückner/Barbara Sichtermann, Gewalt und Solidarität, Zur Ermordung Ulrich Schmückers durch Genossen, Dokumente und Analysen, 1974.

    Erklärung vor den Studenten der V. Fakultät der TU Hannover zu meiner Suspendierung & ihrer Aufhebung, 1974.

    „... bewahre uns Gott in Deutschland vor irgendeiner Revolution!“. Die Ermordung des Staatsrats v. Kotzebue durch den Studenten Sand, 1975.

    Ulrike Marie Meinhof und die deutschen Verhältnisse, 1976.

    Die Mescalero-Affäre. Ein Lehrstück für Aufklärung und politische Kultur, 1977.

    Versuch, uns und anderen die Bundesrepublik zu erklären, 1978.

    Über die Gewalt. Sechs Aufsätze zur Rolle der Gewalt in der Entstehung und Zerstörung sozialer Systeme, 1979.

    Das Abseits als sicherer Ort. Kindheit und Jugend zwischen 1933 und 1945, 1980, Neuausg. mit einem Vorw. v. Barbara Sichtermann, 2019. (Autobiografie)

    Psychologie und Geschichte, Vorlesungen im „Club Voltaire“, 1980/81, hg. v. Axel-R. Oestmann, 1982.

    Peter Brückner/Axel-R. Oestmann, „Über die Pflicht des Gelehrten auch als Bürger tätig zu sein“. Zum Disziplinarverfahren des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kunst gegen Peter Brückner, 1982.

    Selbstbefreiung, Provokation und soziale Bewegungen, hg. v. Axel-R. Oestmann, 1983.

    Zerstörung des Gehorsams, Aufsätze zur politischen Psychologie, hg. v. Axel-R. Oestmann, 1983.

    Vom unversöhnlichen Frieden, Aufsätze zur politischen Kultur und Moral, hg. v. Axel-R. Oestmann, 1984.

    Radiosendungen:

    Heinrich Bracht/Peter Brückner/Max Horkheimer/Alexander Mitscherlich/Hans Götz, Das Ende der Illusion? Gespräch über Atheismus. Referate von Alexander Mitscherlich und Max Horkheimer mit einer Diskussion der Referenten und Heinrich Bracht S.J. und Peter Brückner, WDR 3 v. 25.5.1963.

    Peter Brückner/Horst Krüger/Wilhelm Loch/Alexander Mitscherlich, Der Widerstand gegen die Psychoanalyse, in: SWF, Nachprogramm v. 6.3.1963.

    Die Politisierung der Hochschulen. Überlegungen eines Sozialpsychologen zur studentischen Opposition, in SWF 2 v. 15.1.1968.

    Radio-Kolleg. Der Traum Zugang zum Unbewußten. 1 und 2, in: Deutschlandfunk v. 12.9.1968 u. 19.9.1968.

    Zur Disposition. Verteidigung in der Wohlstandsgesellschaft [Vortrag in Loccum], in: NDR 3, Kulturelles Wort v. 8.2.1969.

    Kindesmißhandlungen. Ein zumeist verschleiertes Delikt. Seelische und soziale Ursachen, in: HR 2 v. 2./3.3.1971.

    Peter Brückner/Friedrich Hacker/Richard Lange/Klaus Roxin, Terroristen: Idealisten, Kranke, Verbrecher?, in: Deutschlandfunk v. 25.6.1976.

    Zwei deutsche Lebensläufe. Stephan Lohr im Gespräch mit den Autoren Peter Brückner und Hansferdinand Döbler, in: NDR 3 v. 13.1.1981.

    Peter Brückner/Lothar Fend, Gespräch mit dem Psychologen Peter Brückner über das Ausgrenzen von nicht-konformen Minderheiten, in: WDR v. 2.10.1981.

    Meine Schallplatten, in: NDR 3 v. 11./12.3.1982.

    Peter Brückner/Barbara Sichtermann, Festlich heiter glänzt der Himmel und farbig die Erde, in: Sender Freies Berlin 3 v. 30.5.1982 und NDR, gesendet 11.6.1984.

  • Literatur

    Monografien und Sammelbände:

    Theo Becker, „... wurde denn überhaupt Theorie gemacht?“. Sonderheft zu Peter Brückner, hg. v. d. Redaktion „Psychologie und Gesellschaftskritik“/Klaus-Jürgen Bruder, 1980.

    Alfred Krovoza, Zum Beispiel Peter Brückner, Treue zum Staat und kritische Wissenschaft, 1981.

    Peter Brückner zum Gedenken. Das Disziplinarverfahren, Urteil der Disziplinarkammer, Kommentare zum Urteil, Würdigung. Brückner und wir, hg. v. Komitee für Grundrechte und Demokratie, 1982.

    Klaus-Jürgen Bruder (Hg.), Sozialpsychologie des Kapitalismus – heute, Zur Aktualität Peter Brückners, 2013.

    Verlag Klaus Wagenbach (Hg.), Das unbefangen Menschliche, Peter Brückner lesen, 2022.

    Aufsätze und Artikel:

    Hans Mayer, Professor Brückner und die Staatstreue, in: Frankfurter Hefte (1972), H. 4, S. 246–256.

    Oskar Negt, Geschichte als Gegenwartsbewältigung. Peter Brückners „Versuch, uns und anderen die Bundesrepublik zu erklären“, in: Frankfurter Rundschau v. 26.5.1979, ZB S. 2.

    Fritz J. Raddatz, Kindheit und Jugend unter dem Faschismus. Nein zur Macht, Ja zum Ich. Peter Brückner, Das Abseits als sicherer Ort. Kindheit und Jugend zwischen 1933 und 1945, in: Die Zeit Nr. 23 v. 30.5.1980, S. 45.

    Axel-R. Oestmann, Versuch eines richtigen Lebens in der verkehrten Welt. Zur Politisierung des ironischen Bewußtseins eines deutschen Intellektuellen. Peter Brückner, in: Freibeuter. Vierteljahreszeitschrift für Kultur und Politik 5 (1980), S. 23–36.

    Alfred Krovoza, Am 13. Mai wäre Peter Brückner 60 Jahre alt geworden, in: Hannover uni intern (Mai/Juni 1982), S. 1113.

    Hans Mayer, Peter Brückner. Leben und Denken. Selbstbefreiung in der normalisierten Welt, in: Die Zeit Nr. 48 v. 23.11.1984, S. 61 f.

    Alfred Krovoza/Christian Schneider, Anmerkungen zum Verhältnis von psychoanalytischer Technik und Sozialpsychologie, in: fragmente. schriftenreihe zur psychoanalyse 22 (1986), S. 29–48.

    Axel-R. Oestmann, Psychoanalyse und intellektuelle Arbeit. Zur politischen Psychologie Peter Brückners, in: WERKBLATT (Salzburg) 3 (1986), H. 8/9, S. 27–44.

    Hans-Martin Lohmann, Ein deutsches Trauma. Erinnerung an Peter Brückner und das, was er unter „Gewalt“ verstand, in Frankfurter Rundschau v. 28.3.1987, S. ZB 3, Wiederabdr. in: Freibeuter. Vierteljahreszeitschrift für Kultur und Politik 31 (1987), S. 3–14.

    Axel-R. Oestmann, Politische Psychologie, politische Identität. Zur Methode der Politischen Psychologie Peter Brückners, in: Günter Rexilius (Hg.), Psychologie als Gesellschaftswissenschaft. Geschichte, Theorie und Praxis kritischer Psychologie, 1988, S. 276–297.

    Barbara Sichtermann, Geschichte und Lebensgeschichte, in: Freibeuter. Vierteljahreszeitschrift für Kultur und Politik 68 (1996), S. 27–33.

    Wolfram Stender, Posthistoire und Revolte. Peter Brückner liest Gehlen, in: WERKBLATT (Salzburg) 41 (1998), H. 2, S. 108–127.

    Christoph Jünke, Selbstbefreiung. Am 10. April wäre der Sozialpsychologe Peter Brückner achtzig geworden, in: Junge Welt v. 10.4.2002.

    Christoph Jünke, Das große Tabu. Einübung in die Klassengesellschaft. Peter Brückners „Zur Sozialpsychologie des Kapitalismus“ neu aufgelegt, in: Junge Welt v. 1.4.2005, S. 12.

    Markus Brunner, Zerstörung des Gehorsams. Zur Aktualität der politischen Psychologie Peter Brückners, gerade im Hinblick auf die Uniproteste, in: Psychologie und Gesellschaftskritik 33/34 (2009/10), S. 25–44.

    Christoph Jünke, Peter Brückners Versuch, uns und anderen die BRD zu erklären, in: Gerhard Hanloser (Hg.), Deutschland. Kritik, 2015, S. 323–350.

    Radio-Features:

    Axel-R. Oestmann, Das einsam wandelnde Nashorn. Der Sozialpsychologe Peter Brückner, in: Deutschlandfunk v. 13.5.1997.

    Roman Herzog, „....dem Schwindel von Herrschaft nicht erliegen“. Peter Brückner und die deutschen Verhältnisse. Feature, in: SWR 2 v. 6.9.2007.

    Dokumentarfilm:

    Aus dem Abseits, 2015, Regie: Simon Brückner. (weiterführende Informationen)

  • Onlineressourcen

  • Autor/in

    Andreas Lütjen (Hannover) / Theo Becker (Hannover)

  • Zitierweise

    Lütjen, Andreas / Becker, Theo, „Brückner, Peter“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118515888.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA