Aschoff, Jürgen
- Lebensdaten
- 1913 – 1998
- Geburtsort
- Freiburg im Breisgau
- Sterbeort
- Freiburg im Breisgau
- Beruf/Funktion
- Chronobiologe ; Physiologe
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 104631406 | OGND | VIAF
- Namensvarianten
-
- Aschoff, Jürgen Walther Ludwig
- Aschoff, Jürgen
- Aschoff, Jürgen Walther Ludwig
- Aschoff, Jürgen Walter Ludwig
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- Jürgen Zulley (geb. 1945)
- Ken-Ichi (geb. 1946)
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- Rütger Wever (1923–2010)
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- Serge Daan (1940–2018)
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Aschoff, Jürgen Walther Ludwig
1913 – 1998
Chronobiologe, Physiologe
Jürgen Aschoff entwickelte als Direktor des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Seewiesen (Pöcking) und Erling-Andechs (beides Oberbayern) in den 1960er Jahren Bunkerversuche, mit denen bei gesunden, in einem unterirdischen Versuchslabor eingeschlossenen Probanden die zirkadiane Rhythmik ohne Tageslicht und externe Zeitgeber bei Menschen untersucht wurde. Aschoff entdeckte, dass endogene Mechanismen unterschiedliche Körperfunktionen rhythmisch ablaufen lassen, womit er zu einem Begründer der neu entstehenden Wissenschaft von der Chronobiologie wurde.
Lebensdaten
Jürgen Aschoff, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Timpe (InC) -
Autor/in
→Till Roenneberg / Jürgen Zulley / Reimer Lund (alle München)
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Zitierweise
Roenneberg, Till / Zulley, Jürgen, „Aschoff, Jürgen“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/104631406.html#dbocontent
Aschoff wuchs in Freiburg im Breisgau auf, wo er nach Privatunterricht und Grundschule seit 1922 das humanistische Friedrich-Gymnasium besuchte. Nach dem Abitur 1931 studierte er Medizin an der Universität Bonn. 1934 zur Wehrmacht gemeldet, beendete Aschoff den Dienst 1935, um den klinischen Teil seines Medizinstudiums zu absolvieren. 1937 schloss er das Studium ab und wurde mit der Dissertation „Blutalkoholkurve und Gewöhnung“ zum Dr. med. promoviert. Anschließend arbeitete Aschoff – unabkömmlich gestellt – am Physiologischen Institut der Universität Göttingen unter Hermann Rein (1898–1953) zur Temperaturregulation des Menschen, womit er sich 1944 an der Universität Göttingen für Physiologie habilitierte. Seine Forschungen ergaben eine erste Beschreibung des Tagesgangs der menschlichen Wärmeabgabe. Fragen zu tageszeitlichen Veränderungen verschiedener Körperfunktionen führten Aschoff zu einer lebenslangen Beschäftigung mit biologischen Rhythmen.
Nach Kriegsdiensteinsätzen, zuletzt 1944/45 zur Entwicklung von Hochfrequenz-Waffen in der Sanitäts-Ersatz- und Ausbildungs-Abteilung der Luftwaffe, wechselte Aschoff, der Mitglied der SA und seit 1942 des NS-Dozentenbunds war, zum Oktober 1947 als kommissarischer Leiter des Instituts für Physiologie an die Universität Würzburg. 1949 zum außerplanmäßigen Professor für Physiologie an der Universität Göttingen ernannt, kehrte er zu Rein zurück und führte seine Forschungsarbeiten fort, dehnte sie auf Tierexperimenten basierend auf die Biologie aus. Als Rein 1952 den Ruf an das Max-Planck-Institut für medizinische Forschung nach Heidelberg annahm, folgte Aschoff ihm. Nach Reins Tod wurde Aschoff 1953 stellvertretender bzw. kommissarischer Direktor des Max-Planck-Instituts für Physiologie in Heidelberg.
Aschoffs Beschäftigung mit biologischen Rhythmen brachte ihn mit dem Ornithologen Gustav Kramer (1910–1959) und dem Zoologen Erich von Holst (1908–1962) zusammen. Nach der Gründung des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Seewiesen (Pöcking, Oberbayern) schlug Kramer Aschoff vor, eine Arbeitsgruppe bestehend aus Aschoffs Team und Kramers Vogelwarte zu bilden. 1958 wurde Aschoff zum wissenschaftlichen Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft gewählt und zum Direktor am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie ernannt. Nach Kramers Tod zog das Institut 1960 nach Erling-Andechs bei Seewiesen um. Die für Aschoff neu gegründete Abteilung wurde ausgebaut, u. a. entstand 1962 ein eigenes unterirdisches Versuchslabor, der „Bunker“, der sich zu einem weltweit anerkannten Zentrum der Chronobiologie entwickelte.
Aschoff, Erwin Bünning (1906–1990) und Colin Pittendrigh (1918–1996) waren 1960 die Hauptinitiatoren des „Cold Spring Harbor Symposiums für biologische Uhren“. Zwischen 1964 und 1989 erforschten Aschoff und seine Mitarbeiter die Tagesrhythmik des Menschen unter kontrollierten Bedingungen in vollkommener zeitlicher Isolation und zeigten in den berühmten „Bunker“-Experimenten, dass auch der Mensch eine endogene Uhr besitzt. In vielen non-invasiven Tierversuchen entschlüsselten sie, wie sich biologische Tagesuhren mit der 24-Stunden-Umwelt synchronisieren. Sie untersuchten, wie sich der zirkadiane Zyklus für tag- und nachtaktive Lebewesen bei dauernder Beleuchtung bzw. Verdunklung ändert (Aschoff-Regeln). Der Begriff Zeitgeber für die synchronisierenden Umweltsignale stammt von Aschoff. Eine Tagung auf Schloss Ringberg am Tegernsee 1976 gilt als Anfang der Fusion von Chronobiologie und Schlafforschung. Diese Erkenntnisse legten die Grundsteine für das heutige Wissen über biologische Rhythmen mit seinen vielfältigen Anwendungsgebieten bis hin zur modernen zirkadianen Medizin. Aschoff gilt somit als Pionier und Vater der Chronobiologie. Nach seiner Emeritierung 1981 blieb er bis zu seinem Tod wissenschaftlich und als Mentor tätig. Er wurde vielfach ausgezeichnet und über Jahrzehnte für den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin vorgeschlagen.
Zu Aschoffs Schülern und Mitarbeitern zählen u. a. Serge Daan (1940–2018), Eberhard Gwinner (1938–2004), Reimer Lund, Ernst Pöppel (geb. 1940), Till Roenneberg (geb. 1953), Rütger Wever (1923–2010), Anna Wirz-Justice (geb. 1940) und Jürgen Zulley (geb. 1945). Seit Vortrags- und Forschungsreisen 1965 in die USA und nach Japan pflegte Aschoff intensive Kollaborationen in beiden Ländern, so mit Ken-Ichi (geb. 1946) und Sato Honma (geb. 1947) von der Hokkaido University (Sapporo, Japan) sowie dem britischen, später US-amerikanischen Biologen Pittendrigh; mit vielen seiner Kollegen verband er über den wissenschaftlichen Austausch hinaus enge Freundschaften.
1958 | Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft |
1961 | außerplanmäßiger Professor, Universität München |
1972 | Alexander Agassiz Visiting Professor of Zoology, Harvard University (Massachusetts, USA) |
1972–1976 | Senator der Max-Planck-Gesellschaft |
1976 | korrespondierendes Mitglied der American Ornithologists’ Union (1981 Ehrenmitglied) |
1976 | Ehrenmitglied der Italian Society of Experimental Biology |
1977 | Dr. phil. h. c., Universität Umeå (Schweden) |
1978 | Mitglied der Leopoldina |
1978 | Tracy and Ruth Storer Lecturer der University of California, Davis (Kalifornien, USA) |
1980 | Jessie and John Storer Lecturer der University of Washington, Seattle (Washington, USA) |
1980 | Annual Colston Lecture der University of Bristol (Großbritannien) |
1982 | Dr. med. h. c., Universität Gießen |
1983 | Feldberg Prize der Feldberg Foundation for Anglo-German Scientific Exchange |
1984 | ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (seit 1987 korrespondierendes Mitglied) |
1984 | Aschoff and Honma Prize, seit 2012 von der Aschoff and Honma Memorial Foundation, Hokkaido University, Sapporo (Japan) (zweijährlich) |
1985 | Ehrenmitglied der Deutschen Physiologischen Gesellschaft |
1986 | Ehrenmitglied der European Society for Chronobiology |
1991 | Vorsitzender der Biologisch-Medizinischen Sektion der Max-Planck-Gesellschaft |
1991 | Ehrenmitglied der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft |
1993 | Dr. med. h. c., Hokkaido University, Sapporo (Japan) |
2012 | Aschoff and Honma Memorial Foundation, University Hokkaido, Sapporo (Japan) (weiterführende Informationen) |
Nachlass:
Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem, III. Abt., Rep. 155.
Weitere Archivmaterialien:
Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Kartei der Reichsärztekammer, R 4901/24140 u. NSDAP Mitgliederkartei, R 9361-II / 20549.
Blutalkoholkurve und Gewöhnung, in: Zeitschrift für die gesamte experimentelle Medizin 103 (1938), H. 2, S. 350–362. (Diss. med.)
Jürgen Aschoff/Rütger Wever, Kern und Schale im Wärmehaushalt des Menschen, in: Die Naturwissenschaften 45 (1958), H. 20, S. 477–485.
Exogenous and Endogenous Components in Circadian Rhythms, in: Cold Spring Harbor Symposia on Quantitative Biology 25 (1960), S. 11–28. (Onlineressource)
Comparative Physiology. Diurnal Rhythms, in: Annual Review of Physiology 25 (1963), H. 1, S. 581–600. (Onlineressource)
Circadian Rhythms in Man, in: Science 148 (1965), H. 3676, S. 1427–1432.
Circadian Rhythms. Influences of Internal and External Factors on the Period Measured in Constant Conditions, in: Zeitschrift für Tierpsychologie 49 (1979), S. 225–249. (Onlineressource)
Circadian Activity Pattern with Two Peaks, in: Ecology 47 (1966), H. 4, S. 657–662.
Jürgen Aschoff/Mária Fatranská/Henner Giedke/Patricia Doerr/Dankwart Stamm/Hermann Wisser, Human Circadian Rhythms in Continuous Darkness. Entrainment by Social Cues, in: Science 171 (1971), H. 3967, S. 213–215.
Jürgen Aschoff/Klaus Hoffmann/Heiko Pohl/Rütger Wever, Re-Entrainment of Circadian Rhythms after Phase-Shifts of the Zeitgeber, in: Chronobiologia 2 (1975), H. 1, S. 23–78.
Biological Rhythms, 1981. (Hg.)
Thermal Conductance in Mammals and Birds. Its Dependence on Body Size and Circadian Phase, in: Comparative Biochemistry and Physiology Part A Physiology 69 (1981), H. 4, S. 611–619.
J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 7a, 1956, S. 60 und Bd. 8, 1996, S. 141–147. (W)
Eberhard Gwinner, Nachruf Jürgen Aschoff, in: Max-Planck-Gesellschaft. Jahrbuch (1999), S. 901–903. (P)
Dietrich Schneider, Nachruf Jürgen Aschoff, in: Jahrbuch Bayerische Akademie der Wissenschaften 1999 (2000), S. 252–256. (Onlineressource)
Serge Daan, „Die innere Uhr des Menschen“, Jürgen Aschoff (1913–1998). Wissenschaftler in einem Bewegten Jahrhundert, 2017.