Lebensdaten
um 1430 – 1504
Geburtsort
Memmingen
Sterbeort
Nürnberg
Beruf/Funktion
Astronom ; Kaufmann ; Humanist
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118806092 | OGND | VIAF: 59880500
Namensvarianten
  • Walther, Bernhard
  • Walterus, Bernardus
  • Walter, Bernhard
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Zitierweise

Walther, Bernhard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118806092.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Wohl aus Ende d. 13. Jh. als Anhänger d. Habsburger aus d. Schweiz vertriebener u. in Südwestdtld. eingewanderter Fam.;
    V Jos (v. 1405–n. 1450), in M.;
    M Anna, T d. Hans Geil (Gail), Weber in M.;
    B Hans (wohl v. 1439–1503), Pfarrer in M., Erhard (wohl v. 1439–1503), Pfarrer in Kißlegg, 1482 Dekan d. Kapitels Isny, Jos (Jobst) (wohl v. 1439– v. 1520), Schreiber d. Landger. Marstetten, 1461 Stadtschreiber in Lindau/ Bodensee, Erbe v. W. (s. Gen. 2), Schw Margarethe ( Hans Zangmeister d. Ä.), Ursula, Anna ( N. N. Zehentmair), Stief-B (?) Hieronymus Walther (v. Walthersweil?) ( n. 1546, 1] Rosina Preusser, 2] Katharina Preutigam), in Leipzig;
    Christine Ammann ( 1498 / 99);
    kinderlos;
    Schwager Hans Ammann ( 1497), Bürger in Dinkelsbühl, Schwägerin Margarethe Ammann ( Heinz Schmid, in Wöhrd b. N.);
    Gr-N Bernhard (s. 2).

  • Biographie

    Nach dem Schulbesuch in Memmingen war W. als erfolgreicher, häufig reisender Faktor der dortigen Handels- und Finanzgesellschaft „Vöhlin-Gesellschaft“ tätig, die im 15. Jh. zu den größten und einflußreichsten im süddt. Raum gehörte. Als Vertreter dieses Handelshauses siedelte er nach Nürnberg um, wo er 1467 das Bürgerrecht erwarb (1501 Mitgl. d. Gr. Rats). 1487 kaufte er den „Aislinger Hof“ am Hauptmarkt. Nachdem er diesen 1501 verkauft hatte, erwarb er 1503 ein repräsentatives Haus in der Zistelgasse – auch um seine astronomischen Beobachtungen weiterzuführen –, das 1509 von Albrecht Dürer gekauft wurde.

    W. wurde Mäzen, Schüler und Freund von Johannes Regiomontan (1436–76), der seit 1471 in Nürnberg lebte, und den er unterstützte, eine mechanische Werkstatt, Druckerei und einfache Sternwarte einzurichten. Angeregt von Regiomontan und mit diesem führte W. systematische Planeten-, Sonnen- und Himmelsbeobachtungen durch, die er nach dessen Tod fortsetzte. W. erwarb 1478 / 79 Regiomontans astronomische Instrumente und dessen Bibliothek. Als einer der ersten Astronomen verwendete W. eine Räderuhr zur genaueren Bestimmung der Beobachtungszeiten. Soweit heute bekannt, ermittelten Regiomontan und W. 746 Sonnenhöhen sowie 615 Mond- und Planetenpositionen in|Länge und Breite. Außerdem führten sie 1472 und 1500 Bahnbestimmungen von Kometen durch. W. gilt als der erste frühneuzeitliche Astronom, der den Einfluß der Refraktion des Lichts in der Erdatmosphäre auf seine astronomischen Höhenmessungen berücksichtigte. Nicolaus Copernicus (1473–1543) verwendete in „De revolutionibus“ drei Beobachtungen des selten sichtbaren Merkur, die er jedoch Johannes Schöner (1477–1547) zuschrieb, der sie ihm offenbar vor einer gedruckten Publikation (1544) der Beobachtungsergebnisse W.s mitgeteilt hatte. Systematische astronomische Beobachtungen wurden erst von Tycho Brahe wieder aufgenommen, der W.s Messungen überprüfte und korrigierte.

    Aufgrund seiner systematischen Beobachtungen beim Nürnberger Rat hoch angesehen, wurde W. mit Berechnungen der Tageslängen nach „gleichen Stunden“ beauftragt, die als Grundlage der Reform von 1489 dienten, die mit der „Großen Nürnbergischen Uhr“ verwirklicht wurde. Daneben gilt W. mit Regiomontan als einer der Pioniere einer regelmäßigen Wetterbeobachtung in Deutschland. Die 1473 von W. für Regiomontan eingerichtete Offizin diente bis 1475 v. a. zur Publikation von astronomischen Werken und Beobachtungsergebnissen.

    W.s lat. Übersetzung der Kegelschnittlehre des Apollonius von Perge und eine Abhandlung über die Herstellung von Sonnenuhren mit Hilfe von Kegelschnitten gelten als verschollen. Der von ihm sorgfältig gehütete wissenschaftliche Nachlaß Regiomontans und seine eigenen Aufzeichnungen wurden von seinen Erben nicht aufbewahrt; Teile davon kauften Schöner, Dürer, der Nürnberger Rat und Willibald Pirckheimer (1470–1530), der 1512 ein Verzeichnis des Nachlasses anfertigte.

  • Auszeichnungen

    |Mondkrater W. (1935).

  • Werke

    |Observationes sumpte per regulas Ptolomei de motu Solis [undatierte Abschrift], Bayer. Staatsbibl. München, Clm 24103, fol. 47r–54r;
    J. Schöner, Scripta Clarissimi Mathematici M. Ioannis Regiomontani, De Torqueto, Astrolabio armillari, Regula magna Ptolemaica, Baculoq[ue] Astronomico, & Observationibus Cometarum […], Nürnberg, 1544;
    W. Snell (Hg.), Coeli et siderum in eo errantium observaciones hassiacae [Anhang], Leiden 1618;
    Ioannis de Monteregio et Bernardi Waltheri eius Discipuli ad Solem observationes [und] Observationes factae per doctissimum virum Bernardum Waltherum Norimbergae, in: J. Regiomontanus, Opera Collectanea, hg. v. F. Schmeidler, 1972, S. 627–41 u. 661–94.

  • Literatur

    |ADB 41;
    D. de Beaver, B. W., Innovator in Astronomical Observation, in: Journ. for the Hist. of Astronomy 1, 1970, S. 39–43;
    J. M. Steele u. F. R. Stephenson, Eclipse Observations by Regiomontanus and W., ebd. 29, 1998, S. 331–44;
    R. Kremer, B. W.s Astronomical Observations, ebd. 11, 1980, S. 174–91;
    ders., The Use of B. W.s Astronomical Observations, Theory and Observation in Early Modern Astronomy, ebd. 12, 1981, S. 124–32;
    ders., War B. W., Nürnberger astronom. Beobachter d. 15. Jh., auch e. Theoretiker?, in: G. Wolfschmidt (Hg.), Astronomie in Nürnberg, 2010, S. 157–84;
    K. Pilz, B. W. u. seine astronom. Beobachtungsstände, in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 57, 1970, S. 176–88;
    R. Eirich, B. W. (1430–1504) u. seine Fam., ebd. 74, 1987, S. 77–128;
    H. Gaab, Regiomontanus, B. W., Johann Philipp v. Wurzelbau u. d. gr. Nürnbergische Uhr, in: Regiomontanusbote 14, 2001, H. 1, S. 20–28;
    ders., Zum 500. Todestag v. B. W., ebd. 17, 2004, H. 1, S. 18–22, H. 3, S. 32–35, H. 4, S. 10–23 u. ebd. 18, 2005, H. 3, S. 33–38, H. 4, S. 20–26;
    ders., Die gr. Nürnbergische Uhr, in: Btrr. z. Astronomiegesch. 8, 2006, S. 43–90;
    ders., Ein Zeitgenosse Martin Behaims, d. Kaufm. B. W. (1430–1504), Liebhaberastronom u. Vorbes. d. Albrecht-Dürer-Hauses, in: Norica 3, 2007, S. 69–77;
    Stadtlex. Nürnberg.

  • Autor/in

    Andreas Kühne
  • Zitierweise

    Kühne, Andreas, "Walther, Bernhard" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 369-370 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118806092.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Walther: Bernhard W., Astronom, geboren zu Nürnberg um 1430, ebenda Ende Mai 1504. Daß W. ein Patricier gewesen sei, wie man zum öfteren liest, ist unzutreffend, wol aber gehörte er einem geachteten, rathsfähigen Bürgergeschlechte an. Vierzig Jahre seines Lebens verflossen, ohne daß die Geschichte ihr Augenmerk auf ihn gerichtet hätte, da brachte das Jahr 1471 eine durchgreifende Aenderung. Damals traf nämlich der große Astronom Joh. Müller (s. A. D. B. XXII, 564), genannt Regiomontanus, in Nürnberg ein, um hier dauernden Aufenthalt zu nehmen, und mit seiner Anwesenheit beginnt sich das|über W. lagernde Dunkel zu lichten. Er wurde der Mäcen des genialen Gastes und stellte demselben reichliche Mittel zur Verfügung, um eine mechanische Werkstätte, eine Druckerei und die bekannte Sternwarte (auf dem Hause Walther's in der Rosengasse) einzurichten. Nachdem Regiomontan Nürnberg verlassen hatte, um bald nachher zu Rom einen allzu frühen Tod zu finden, setzte W. die Beobachtungen auf eigene Hand fort und suchte auch dadurch das Andenken des verblichenen Freundes in Ehren zu halten, daß er dessen Instrumente und nachgelassenen Bücher auskaufte; dabei war ihm, wie eine handschriftlich auf uns gekommene Notiz Th. v. Murr's besagt, der Umstand behülflich, daß Walther's Schwester den Bürgermeister Schirling in Müller's Geburtsstadt Königsberg i/F. geheirathet hatte. Diese Bibliothek muß, dem von Petz gegebenen Verzeichnisse zufolge, außerordentlich reichhaltig gewesen sein; kein mathematischer Classiker des Alterthums fehlte ihr, und auch die wichtigsten orientalischen Werke waren in Handschrift vorhanden; allein von Walther's Erben wurde der Bücherschatz in unverantwortlichster Weise verschleudert. Er selbst scheint über denselben bei Lebzeiten geizig gewacht zu haben, denn Niemand durfte denselben benützen, und es mag dabei der unfreundliche Charakter des alten Junggesellen wol stark zum Ausdruck gekommen sein. Der treffliche Werner wenigstens (s. d. Artikel), der so gerne diesen Hort für die Wissenschaft ausgenützt hätte, sich aber immer abgewiesen sah, nennt deshalb W. einmal einen „melancholischen Hüter des ihm anvertrauten Gutes“ und ein zweites Mal „einen harten, gänzlich unerbittlichen Menschen“. Was den alternden Mann bewogen hat, noch mit dreiundsiebzig Jahren seine lange besessene Wohnung mit einer andern zu vertauschen, kann nicht aufgeklärt werden. W. starb unbeweibt als letzter seines Geschlechtes. Als der Rath merkte, wie wenig gewissenhaft mit Walther's Hinterlassenschaft verfahren wurde, schritt er ein und rettete durch Ankauf noch mancherlei. Einige Manuscripte Regiomontan's gab nachmals Schöner heraus; ein paar andere zählen noch jetzt zu den Kimelien der Nürnberger Stadtbibliothek. So wurden auch die Beobachtungen erhalten, welche Müller und W. zusammen vier Jahre lang angestellt hatten; sie wurden von Schöner 1544 zu Nürnberg und von Snellius 1618 zu Leiden herausgegeben. Sie erwiesen sich vielfach nützlich, wie denn Coppernicus und Tycho Brahe aus der Handschrift selber wichtige Daten für die Bahnbestimmung des selten sichtbaren Merkur entnommen hatten.

    Aus unserer Darstellung könnte vielleicht geschlossen werden, daß W. einzig und allein in der Unterstützung seines Freundes und in der Pflege Regiomontan’scher Ueberlieferungen aufging, aber ein solcher Schluß müßte als voreilig bezeichnet werden. W. ist der erste, der die Nothwendigkeit erkannte, daß auf die von den Griechen bloß physikalisch erkannte Strahlenbrechung in der Luft auch bei astronomischen Höhenmessungen Rücksicht genommen werden müsse. Ihm eignet ferner das große Verdienst, die Räderuhr in die praktische Astronomie eingeführt zu haben; infolge dessen dürfte auch in Nürnberg seit 1488 neben der üblichen (antiken) Tageseintheilung in ungleiche Stunden (zwölf je auf den Tag- und Nachtbogen der Sonne entfallend) die heute allgemein gebrauchte Zeitmessung sich Eingang verschafft haben. Endlich sagt Wolf: „W. scheint auch der erste gewesen zu sein, der statt des Mondes die Venus zur Ortsvergleichung mit der Sonne anwandte, was bei guter Constellation und scharfem Auge wirklich schon vor Erfindung des Fernrohrs ausführbar war.“ Man sieht, W. war durch seinen Freund und Lehrer auch zu selbständiger Gedankenarbeit und Erfinderthätigkeit erzogen worden.

    • Literatur

      Doppelmayr, Historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern, Nürnberg 1730, S. 23 ff. — v. Wurzelbau, Uranies Noricae basis astronomico-geographica, Nürnberg 1719, S. 37 ff. —
      Petz, Mittheilungen des Vereines für Geschichte Nürnbergs, 7. Heft, S. 122 ff. — R. Wolf, Geschichte der Astronomie, München 1877, S. 87, 118, 153, 157 ff., 181 ff.

  • Autor/in

    Günther.
  • Zitierweise

    Günther, "Walther, Bernhard" in: Allgemeine Deutsche Biographie 41 (1896), S. 97-99 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118806092.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA