Dates of Life
unbekannt
Occupation
böhmische Großindustrielle
Religious Denomination
katholisch
Authority Data
GND: 139987487 | OGND | VIAF: 103306418
Alternate Names
  • Tschinkel

Relations

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Citation

Tschinkel, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd139987487.html [19.04.2024].

CC0

  • Biographical Presentation

    Der aus Schönfeld (Krásné Pole, heute Ortsteil v. Chřibská, Kreibitz, Böhmen) gebürtige August (1772–1833) betrieb einen Hausierhandel mit Zwirnen und Leinwand. In Bayern lernte er die Herstellung von Surrogatkaffee kennen, insbesondere aus der Zichorienwurzel und der Runkelrübe, die in Brenntrommeln geröstet und in Handmühlen zerkleinert wurden. 1806 erhielt er für Schönfeld die behördliche Genehmigung zur Produktion von Kaffeersatz, für den wegen der Kontinentalsperre großer Bedarf bestand, scheiterte aber zunächst an der Beschaffung von ausreichendem Rohmaterial, das aus Deutschland importiert werden mußte. Ein weiterer Versuch 1812 war erfolgreich, August konnte in den 1830er Jahren bereits 10 Zentner Surrogate täglich erzeugen. Er begründete damit ein Großunternehmen mit dem Stammhaus in Schönfeld. Seine älteren Söhne Anton ( 1892) und Emanuel (1814–71), die schon bisher bei ihm mitgearbeitet hatten, bauten die Firma, nach dem Tod Augusts unter dem Namen „August Tschinkel Söhne“, weiter aus. Emanuel trieb die entscheidenden Entwicklungen voran: Er führte den Anbau von Zichorienwurzeln im großen Stil in Österreich ein und förderte nach einem erfolgreichen Versuch 1844 mit der Magdeburger Zuckerrübe den Zuckerrübenanbau im böhm. Mittelgebirge bei Lobositz/Elbe (Lovosice). 1846 gründeten Anton und Emanuel gemeinsam mit ihrem jüngsten Bruder Franz ( 1889) unter dem Namen „Brüder Tschinkel“ eine weitere Firma zum Anbau von Zichorien und Zuckerrüben. In den nächsten Jahrzehnten entstand in Westböhmen ein Konglomerat von 17 meist einander ergänzenden Betrieben, die v. a. Genußmittel herstellten. 1873 bestanden in Schönfeld die Kaffeesurrogatfabrik, die 1857 gegründete Schokoladefabrik, die erste ihrer Art in Nordböhmen, beide mit Dampfkraft betrieben, sowie eine Kunstmühle. In Lobositz gehörten zum Unternehmen eine Kaffeesurrogat-, eine Schokolade- und eine Zuckerfabrik, in Prosmik (Prosmyky) eine Dampfmühle, auf der 1869 erworbenen ehem. Herrschaft Tschischkowitz (Č ížkovice) mit Schloß eine Bierbrauerei und Malzfabrik, in Hüttengrund eine Tafelglasfabrik, eine Flachsgarnspinnerei und eine Brettsäge. Bei Dux (Duchkov) besaß das Unternehmen Braunkohlewerke sowie in Laibach, Herzogtum Krain (Ljubljana, Slowenien), Fabriken für Feigen- und Zichorienkaffee, seit 1870 auch für Kanditen, da es Feigen über Triest importierte und Obst aus Südtirol bezog. Erzeugt wurden damals im gesamten Unternehmen je 15 000 Zentner Feigenkaffee und Zichorienkaffee-Surrogate sowie 2000 Zentner kandierte Südfrüchte jährlich. Emanuel förderte auch den Bau der böhm. Nordbahn, an deren Strecke er 1869 den Kurort Kleinsemmering (Malý Semerink) gründete. Anton baute 1863 in Eichwald (Dubí) eine Wasserheilanstalt auf und erweiterte den Kurbereich durch Zukauf von Grundstücken, worauf später das „Theresienbad“ entstand. Außerdem gründete er dort eine Majolikafabrik, die seit 1874 Porzellan mit blauem Dekor erzeugte. Er wurde 1865 mit dem Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens ausgezeichnet. Nach dem Tod Emanuels 1871 trat dessen ältester Sohn Raimund in die Firma ein.

    Der in den 1870er Jahren einsetzenden wirtschaftlichen Depression, die auch die Zuckerindustrie traf, konnten die T., auch wegen der unübersichtlichen Unternehmensstruktur mit mehreren Direktionen, nicht erfolgreich entgegentreten. Es kam zu finanziellen Engpässen und 1885 zur Insolvenz, die 1886 zu einem Zwangsausgleich führte. Die Fa. „Brüder Tschinkel“ wurde aufgelöst, Antons Besitzungen in Eichwald gingen verloren. Mitglieder der Familie, darunter Emanuels Sohn Theodor (1844–1905), bildeten eine Kommanditgesellschaft mit der Bezeichnung „August Tschinkel Söhne“, die als k. u. k. Hoflieferant bis 1903 Schokolade- und Kanditenfabriken in Schönfeld, Wien und Laibach betrieb und dann von der „k. k. priv. Schokolade- und Zuckerwarenfabriks-AG“, Lobositz, übernommen wurde.

  • Literature

    L ADB 38;
    Tagesbote aus Böhmen v. 7. 7. 1871;
    Leitmeritzer Ztg. v. 15. 7. 1871;
    Laibacher Ztg. v. 9. 1. 1885;
    Prager Tagbl. v. 22. u. 23. 7. 1886 u. v. 6. 12. 1892;
    M. Engel u. a. (Hg.), Biogr. Lex. d. Wiener Weltausst., o. J., [1873], S. 116 ff. (P);
    W. F. Exner, Btrr. z. Gesch. d. Gewerbe u. Erfindungen Österr., 1873, S. 209 f.;
    A. Lehmann’s allg. Wohnungsanz. 14, 1876, S. 577, 45, Bd. 1, 1903, S. 480;
    Statist. Ber. d. Handels- u. Gewerbekammer in Laibach über d. volkswirtschaftl. Zustände in Krain (…) f. d. J. 1880, S. 375 f.;
    F. Hantschel, Biogrr. dt. Industr. aus Böhmen, o. J., S. 82 ff.;
    A. Anschiringer (Hg.), Album d. Ind. d. Reichenberger Handelskammer-Bez. 1885, Bd. 1, S. 27 f., Bd. 2, S. 18 u. 26;
    R. Lahmer, Industr. Briefe aus Nordböhmen, 1886, S. 29–34;
    Die österr.-ungar. Monarchie in Wort u. Bild|15/2: Böhmen, 1896, S. 658 f.;
    Die Großind. Österr. V, 1898, S. 190 ff.;
    K. M. Brousek, Die Großind. Böhmens 1848–1918, 1987, S. 75 f.; ÖBL.

  • Author

    Josef Mentschl
  • Citation

    Mentschl, Josef, "Tschinkel" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 478-479 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd139987487.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographical Presentation

    Tschinkel: August T., einer der hervorragendsten Großindustriellen Oesterreichs und der Begründer der berühmten Firma „August Tschinkel's Söhne“, stammte aus Schönfeld bei Kreibitz in Böhmen, von wo aus er den Hausirhandel mit Zwirnen nach Baiern betrieb. Dort lernte er die Fabrikation von Cichorienkaffee und anderen Surrogaten für den Kaffee kennen, der zur Zeit der Continentalsperre einen kaum noch erschwinglichen Preis erreicht hatte, und faßte den Plan, diese Fabrikation auch in Oesterreich einzuführen. Er verschaffte sich also Kenntnisse von der Productionsweise und erwarb sich im Jahre 1806 die Erlaubniß, in Schönfeld Kaffeesurrogate erzeugen zu dürfen. Aber obwohl er unermüdlich arbeitete, hatte er doch mit solchen unüberwindlichen Schwierigkeiten, namentlich bei Beschaffung des Rohmaterials, der Zuckerrüben und Cichorienwurzeln, die aus Deutschland bezogen werden mußten, zu kämpfen, daß er bereits nach kurzer Zeit den Versuch aufgeben und zu seiner früheren Hantirung zurückkehren mußte. Als er jedoch nach sechsjähriger Unterbrechung die Fabrikation wieder aufnahm, war er mehr vom Glück begleitet, so daß er und seine Söhne hinreichend Arbeit fanden und sie sich mit der Zeit auch verbesserte Betriebsmaschinen anschaffen konnten. Das Geschäft hatte bereits eine solche Ausdehnung gewonnen, daß|täglich 10 Centner Surrogate erzeugt wurden, als August T. im Jahre 1833 starb. Die Witwe und die drei Söhne Augusts, Emanuel (geb. am 1. Jan. 1814 zu Schönfeld), Anton und Franz übernahmen nun seine Weiterführung und gaben ihm eine solche Ausdehnung, daß sich die Nothwendigkeit herausstellte, die nöthigen Rohproducte im Lande selbst zu erbauen. Nachdem die ersten Proben in Schönfeld mißlungen waren, machte man im Jahre 1844 bei Lobositz die ersten Anbauversuche mit Magdeburger Zuckerrüben. Das Ergebniß war zufriedenstellend und so konnten die Brüder in Lobositz eine neue Cichorienfabrik mit der Firma „Brüder Tschinkel“ anlegen, die sie bereits im Jahre 1857 um das Doppelte vergrößerten. Ein Jahr darauf eröffneten sie gleichfalls in Lobositz eine Zuckerfabrik und um dieselbe Zeit in Schönfeld auch eine Chokoladenfabrik. Seitdem nahmen die Unternehmungen der Brüder die größte Ausdehnung an, so daß sie bald zu den bedeutendsten Großindustriellen in Oesterreich gezählt werden mußten. Im Jahre 1869 kauften sie die Herrschaft Tschischkowitz mit Trebnitz und Kostialow an und verlegten sich nunmehr auch auf die Bierbrauerei. Außerdem begründeten sie noch Brodbäckereien, Dampfmühlen und Canditenfabriken und betheiligten sich in der Duxer Gegend am Kohlenbergbau und in Hüttengrund bei Teplitz an der Tafelglasfabrikation. Sie beschäftigten ein Heer von circa 4000 Arbeitern und die entsprechende Anzahl von Beamten. Der eigentliche Leiter des Geschäftes scheint Emanuel T. gewesen zu sein. Er erwarb sich für ganz Nordböhmen bleibende Verdienste, da er energisch für den Bau der Nordbahn eintrat. Er starb am 5. Juli 1871.

    • Literature

      Vgl. Mittheilungen der Nordböhmischen Excursionsclubs VI, 262—265. Böhm.-Leipa 1883. — Wurzbach XLVIII, 49—52.

  • Author

    H. A. Lier.
  • Citation

    Lier, Hermann Arthur, "Tschinkel" in: Allgemeine Deutsche Biographie 38 (1894), S. 720-721 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd139987487.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA