Lebensdaten
um 1618 – 1683
Geburtsort
wahrscheinlich Absam (Tirol)
Sterbeort
Absam (Tirol)
Beruf/Funktion
Geigenbauer
Konfession
katholisch?
Normdaten
GND: 118752596 | OGND | VIAF: 228613594
Namensvarianten
  • Stainer, Jacobus
  • Steiner, Jacobus
  • Stainer, Jacob
  • mehr

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Stainer, Jacob, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118752596.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hans († 1652), Bergmann in Hall;
    M Barbara Ponberger ( vor 1621);
    Absam 1645 Margarete (1624–89), T d. Georg Holzhammer, Bergmeister d. Salzamts Hall in A.;
    9 K (4 früh †) u. a. T Maria (⚭ Blasius Keil, 1711, Salzbergsoffz. in Hall).

  • Biographie

    Über S.s Jugend- und Lehrzeit ist nichts bekannt. Stilistische Merkmale seiner Instrumente deuten auf eine Ausbildung in Cremona, möglicherweise bei Nicolo Amati (1596–1684), hin. Dokumentarisch belegt sind Aufenthalte in Salzburg (1644) und München (1645), wo S. Aufträge für die dort ansässigen Kapellen erledigte. 1645 kehrte er nach Absam zurück und gründete eine Familie. Als mit Ehzg. Ferdinand Karl 1646 ein prunk- und musikliebender Fürst die Regierungsgeschäfte im nahe gelegenen Innsbruck übernahm, wurden bei S. mehrere Instrumente bestellt. Trotzdem trat er kurz danach eine Reise nach Venedig an, von der er erst im folgenden Jahr zurückkehrte. Es folgten keine weiteren Aufträge durch die Hofkapelle; S. reiste 1648/49 nach Kirchdorf (Oberösterr.), Bozen und Brixen. Nach seiner Rückkehr erwarb er 1656 durch Tausch ein Haus in Absam, das bis heute erhalten ist. Er nahm neuerlich Kontakt zum Hof auf, erreichte aber erst 1658 eine Ernennung zum „erzfürstlichen Diener“. Dieser weder mit Privilegien noch mit einer Anstellung verbundene Ehrentitel erlosch 1662 mit dem Tod des Landesfürsten. S. war inzwischen jedoch weit über die Landesgrenzen bekannt und erhielt wiederholt Bestellungen aus den benachbarten Ländern.

    Einen deutlichen Einschnitt in S.s Leben markiert eine Anzeige wegen Häresie im Sommer 1668. Nach dem Vorwurf ketzerischer Reden wurden bei einer Durchsuchung seines Hauses indizierte Bücher gefunden. Die Untersuchung und der Prozeß durch das ebfl. Konsistorium in Brixen dauerten über ein Jahr; S. befand sich währenddessen einige Monate in Haft. Trotz seiner Unschuldsbeteuerungen wurde er verurteilt und mußte dem ketzerischen Glauben abschwören. Er kam jedoch während dieser Zeit Aufträgen aus Italien und Nürnberg sowie der Stifte Rottenbuch und Lambach nach.|S. stand mit zahlreichen Musikern seiner Zeit in Kontakt, insbesondere mit Heinrich Ignaz Franz Biber (1644–1704). Auf dessen Einfluß dürfte 1670/71 ein Großauftrag vom Stift Kremsier zurückgehen, der zu einer umfangreichen, teilweise erhaltenen Korrespondenz führte. Diese erlaubt Einblick in S.s Arbeitsweise, Geschäfts- und Preispolitik. Aufträge aus Salzburg (1671), Meran (1674, 1678) und vom Münchener Hof (1679/80) folgten, wobei in der Korrespondenz zu letzterem von einer geistigen Erkrankung S.s die Rede ist. Während der letzten drei Lebensjahre wechselten produktive Phasen mit solchen der Umnachtung, wodurch sich die wirtschaftliche Lage der Familie dramatisch verschlimmerte. S.s Todesdatum ist nicht überliefert; am 13. 11. 1683 beantragte seine Witwe die Abhandlung der Verlassenschaft. Das mit Schulden belastete Haus wurde von den Gläubigern an S.s Schwiegersohn Blasius Keil verkauft.

    S. ist der bedeutendste Geigenbauer zur Zeit des klassischen Geigenbaus nördlich der Alpen. In bezug auf das Korpusmodell, gewisse Details seiner Arbeitsweise und auch den hellen, leuchtenden Lack ist der Einfluß Cremonas nicht zu übersehen. S.s Instrumente sind hoch gewölbt und besitzen eine helle, oft als „silbern“ bezeichnete Klangfarbe. Sein Schaffen, das sich über vier Jahrzehnte erstreckte, weist eine ungewöhnlich hohe Stilkonstanz auf, was freilich auch die chronologische Einordnung seiner Arbeiten erschwert. Zudem wurden viele der in seinen Geigen angebrachten gedruckten Etiketten aus geschäftlichen Interessen durch gefälschte handschriftliche ersetzt.

    S. war schon zu Lebzeiten berühmt; bis zum Ende des 18. Jh. übertrafen seine Geigen preislich jene Stradivaris. Schüler S.s konnten bis heute nicht namhaft gemacht werden; sein Modell wirkte allerdings stilbildend und lieferte bis ins späte 18. Jh. das Vorbild für die Mehrzahl der im dt.sprachigen Raum tätigen Geigenbauer.

  • Literatur

    ADB 35;
    W. Senn, J. S., der Geigenmacher zu Absam, 1951;
    ders., Musik u. Theater am Hof zu Innsbruck, 1954, S. 261 f. u. 330 f.;
    ders. u. K. Roy, J. S., Leben u. Werk d. Tiroler Meisters, 1986;
    W. L. v. Lütgendorff, Die Geigen- u. Lautenmacher v. MA bis z. Gegenwart, Bd. 2, 1975, S. 478–81;
    ders. u. Th. Drescher, dass., Bd. 3, 1990, S. 579–81;
    W. Salmen (Hg.), J. S. u. seine Zeit, 1984;
    W. Hamma, Geigenbauer d. Dt. Schule d. 17. bis 19. Jh., Bd. 2, 1986, S. 309–43;
    Alte Geigen u. Bogen, Ausgew. Meisterwerke aus d. dt. Kulturraum, hg. v. d. Entente Internat. des Maîtres Luthiers et Archetiers d`Art (EILA), 1997, S. 34–45;
    R. Hopfner, Adapt and Survive, J. S.s Viols, in: The Strad 114, Nr. 1359, Juli 2003, S. 726–31;
    ders., J. S.s älteste erhaltene Violine? Anmm. zu e. Schlüsselinstrument im Schaffen d. Absamer Meisters, in: FS Otto Biba z. 60. Geb.tag, hg. v. I. Fuchs, 2006, S. 613–26;
    J. S., „. . . kayserlicher diener und geigenmacher zu Absom“, Ausst.kat. Kunsthist. Mus. Wien, 2003;
    MGG;
    MGG²;
    New Grove;
    New Grove² .

  • Autor/in

    Rudolf Hopfner
  • Zitierweise

    Hopfner, Rudolf, "Stainer, Jacob" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 39-40 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118752596.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Stainer: Jacobus St. (Steiner), der ausgezeichnetste deutsche Geigenmacher, geboren am 14. Juli 1621 im tiroler Dorfe Absam bei Hall, wurde als Knabe zur Erlernung des Orgelbaues nach Innsbruck gegeben. An Geschick für diesen Beruf fehlte es ihm nicht, wol aber an den dafür erforderlichen Körperkräften, weshalb er seinen Lehrmeister bald wieder verließ, um sich dem weniger anstrengenden Streichinstrumentenbau zu widmen. Durch den Absamer Ortsgeistlichen, welcher sich für St. interessirte, wurde es demselben ermöglicht, nach Cremona, der Metropole des italienischen Geigenbaues zu gehen. Dieser Ort hatte damals bereits große Berühmtheit durch die Thätigkeit der Amati's erlangt, und als St. sich dahin begab, stand gerade der bedeutendste Sproß jener Familie, Nicolaus Amati, geboren 1596, gestorben 1684, auf dem Höhepunkt seines Wirkens. Es wird behauptet, daß St. Schüler desselben wurde. Doch erscheint dies zweifelhaft, da die Form der Stainer’schen Instrumente sich in wesentlichen Punkten von der des Amati unterscheidet. Indessen dürfte St. sich|die sorgfältige und äußerst saubere Ausführung der Amati-Geigen zum Vorbild genommen haben. Man unterscheidet in Stainer's Thätigkeit drei verschiedene Zeiträume. Der erste derselben fällt mit seinem Ausenthalt in Italien zusammen, der zweite (1650—67) betrifft die mittlere und der dritte die letzte Periode seiner Arbeitszeit. Die in der ersten und letzten Epoche entstandenen Instrumente gelten als die besten, während die dazwischen gebauten von geringerer Güte sind, weil sie fabrikmäßig hergestellt wurden. Vornehmlich verfertigte St. Violinen. Violen und Gamben. Violoncelle sind von ihm mit Sicherheit nicht nachzuweisen. Eine Anzahl seiner Gamben hat man aber, nachdem diese außer Gebrauch kamen, zu Violoncellen umgewandelt. Eine Besonderheit vieler Stainer’scher Instrumente besteht darin, daß sie anstatt der Schnecke einen geschnitzten Löwenkopf haben. Durch seine Leistungen wurde St. der Begründer einer specifisch deutschen Geigenbauschule, die heute noch in dem bairischen Orte Mittenwald fortlebt.

    Von den Zeitgenossen wurden Stainer's Erzeugnisse sehr geschätzt, wie auch seine 1669 erfolgte Ernennung zum kaiserlichen Hofinstrumentenmacher beweist. Gegenwärtig erkennt man seinen Violinen, die einen zwar angenehmen, aber kleinen und etwas spitzen Ton haben, keinen besonderen Werth mehr zu. Aber noch bis zum Beginn unseres Jahrhunderts waren sie außerordentlich beliebt, und Manche stellten sie sogar über die Stradivari-Geigen, welche jetzt bekanntlich als die besten und kostbarsten gelten.

    Das äußere Leben Stainer's war kein glückliches. Nachdem er im Alter von etwa zwanzig Jahren aus Italien heimgekehrt war, und sich in seinem Geburtsorte Absam niedergelassen hatte, schloß er 1645 mit Margarethe Holzhammer die Ehe, welche reichlich mit Kindern gesegnet wurde. Da er aber für seine Instrumente nur sehr mäßige Preise erhielt, — angeblich bekam er für eine Violine nicht mehr als sechs Gulden —, so gerieth er allmählich in Bedrängniß und Noth. Dazu kam, daß er von selten des Clerus wegen vermeintlicher Ketzerei Verfolgungen zu erleiden hatte. Alle diese Widerwärtigkeiten versetzten ihn in tiefe Schwermuth, die sich schließlich bis zum Wahnsinn steigerte, welcher seinen Tod im J. 1683 herbeiführte.

  • Autor/in

    W. J. v. Wasielewski.
  • Zitierweise

    Riezler, Sigmund Ritter von, "Stainer, Jacob" in: Allgemeine Deutsche Biographie 35 (1893), S. 413 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118752596.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA