Lebensdaten
1600 – 1674
Geburtsort
Ulm
Sterbeort
Straßburg
Beruf/Funktion
Straßburger Diplomat ; Jurist
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 121877078 | OGND | VIAF: 59951406
Namensvarianten
  • Ott, Marx
  • Otto, Marcus
  • Ott, Marx
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Zitierweise

Otto, Marcus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd121877078.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Marx (1570–1623), Tischler in U., S d. Marcus u. d. Maria Hedwig Benz;
    M Ursula Held;
    1637 Margarethe (1619–78), T d. Johann Georg Saladin, Apotheker u. Bürger in St., u. d. Magdalena Ringler; kinderlos; Verwandter Sebastian (1607–78), Dr., Jurist, Gesandter d. Städte U., Giengen, Aalen u. Bopfingen b. Westfäl. Friedenskongreß in Münster (s. L).

  • Biographie

    Nachdem O. das Gymnasium in seiner Heimatstadt besucht hatte, beendete er sein Studium der Philosophie und Philologie an der Akademie in Straßburg als Magister philosophiae. Nach einer Tätigkeit als Präzeptor studierte er seit 1623 u. a. in Tübingen, Basel, Freiburg (Br.) und Wien die Rechte, 1629 erwarb er an der (1621 eröffneten) luth. Univ. Straßburg mit der Dissertation „De Repressaliis“ den Doktorgrad. Am Reichskammergericht in Speyer vertrat O. als Anwalt die Interessen der Stadt Offenburg gegen den Landvogt von Ortenau. Bei seiner Rückkehr nach Straßburg wurde O. Geheimer Rat und Adjunkt des Stadtschreibers, 1633 Referendar des Großen Rats, Stadtregistrator und 1640 Advokat des Rates. 1650 verfaßte er eine Denkschrift über die jährliche Wahl der Ammeister und die Besetzung des Großen und|Kleinen Rats. Mehrere Angebote, Ämter am kaiserl. Hof oder am Reichskammergericht zu übernehmen, schlug O. aus.

    Seine Fähigkeiten als Diplomat, die er 1635/36 bei Verhandlungen über die Neutralität Straßburgs gezeigt hatte, veranlaßten den Rat, O. 1645 mit der Vertretung der Interessen der Reichsstadt auf dem Kongreß in Münster und Osnabrück zu betrauen. Außerdem besaß er das Mandat für die Städte Landau, Speyer, Weißenburg (Elsaß) und für den Rheingrafen Johann Casimir. O., der den Prager Frieden ablehnte, verteidigte dort mit bemerkenswertem Geschick die Interessen Straßburgs und des Elsaß. Er gewann einerseits die Unterstützung Frankreichs, andererseits bewies er gegenüber den franz. Ambitionen Standfestigkeit in der Frage der elsäß. Dekapolis und suchte eine engere Anlehnung an Schweden. Angesichts der drohenden Abtretung der Oberhoheit über das Elsaß favorisierte er den Vorschlag Mazarins, den Titel, nicht das Land, zu Lehen zu nehmen, was Kaiser Ferdinand III. zurückwies, um eine Vertretung Frankreichs im Reichstag zu verhindern. O. versuchte, Straßburg aus der im Vorvertrag vom 26.8.1646 beschlossenen und im Friedensvertrag festgelegten Abtretung des Elsaß herauszuhalten. Die Satisfaktionszahlungen an Schweden, welche später auf eine für Straßburg erdrückende Summe von 120 000 Goldgulden festgesetzt wurden, mußte er jedoch hinnehmen. Am 24. Okt. unterzeichnete O. in Münster den Friedensvertrag für den Rheinbann, die Städte Straßburg, Speyer, Weißenburg, Landau und Ulm.

    Auf dem Reichstag in Regensburg 1652/53 setzte sich O. ebenso geschickt für die Beschwerden der Dekapolis gegen Ansprüche des Grand Bailli an die Stadt Colmar wegen Steuerzahlungen ein und beteiligte sich an den Diskussionen der Reichsstände über Maßnahmen zur Verteidigung des Elsaß gegen die Truppen der lothring. Herzöge während der Fronde und über die Abtretung von Besançon im Tausch gegen die Festung Frankenthal. Nach seiner Rückkehr nach Straßburg 1649 bemühte er sich in enger Verbindung mit den franz. Residenten, eine Linie der politischen Neutralität aufrechtzuerhalten. Diese Politik scheiterte erst 1673/74, als Ludwig XIV. die zehn elsäß. Städte annektierte.

    Sein Vermögen verwandte O. für eine Stiftung, um Jungen aus armen Verhältnissen ein Studium zu ermöglichen; seine umfangreiche Bibliothek schenkte er der Univ. Straßburg.

  • Literatur

    ADB 25;
    Theatrum Europaeum VI, S. 425 (P);
    A. Overmann, Die Abtretung d. Elsass an Frankreich im Westfäl. Frieden, in: ZGORh NF 19, 1904, S. 434-78;
    W. Katterfeld, Die Vertretung d. Stadt Straßburg auf d. Westfäl. Friedenskongreß, Diss. Straßburg 1912;
    F. Dickmann, Der Westfäl. Frieden, 1938, ⁶1992;
    G. Buchstab, Reichsstädte, Städte, Kurie u. Westfäl. Friedenskongreß, 1976;
    J.-P. Kintz, La soc. strasbourgeoise 1560-1650, 1984, S. 523-28;
    G. Livet, Du Saint Empire au royaume de France, L'Intendance d'Alsace de la guerre de Trente ans à la mort de Louis XIV, ²1991, S. 114-22;
    ders., in: Die Friedenssäle in Münster u. Osnabrück u. ihre Gesandtenporträts, hg. v. K. G. Kastner u. G. Steinwascher, 1997, S. 288 f. (P);
    Der Westfäl. Friede, hg. v. H. Duchhardt u. F. J. Jakobi, II, 1996, S. 30;
    Sitzmann;
    NDBA;
    – Eigene Studien (Straßburg, Archives municipales u. Archives du Chapitre St.-Thomas);
    zu Sebastian:
    G. Gänßlen, Die Ratsadvokaten u. Ratskonsulenten d. Freien Reichsstadt Ulm, 1966.

  • Autor/in

    Georges Livet
  • Zitierweise

    Livet, Georges, "Otto, Marcus" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 708-709 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd121877078.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Otto*)Zu Bd. XXIV, S. 761. Das vom Herrn Verfasser richtig eingesandte erste Manuscript dieses Artikels ging leider verloren. D. Red.: Marcus O., oder wie er sich selbst gewöhnlich nennt, Marx Ott, wohl der bedeutendste Straßburger Diplomat im 17. Jahrhundert, wurde zu Ulm am 20. October 1600 geboren. Einer, wie es scheint, wenig wohlhabenden, jedoch angesehenen Bürgersfamilie angehörig, besuchte er zunächst das Gymnasium seiner Vaterstadt. Im J. 1619 bezog er die Straßburger Universität. Hier hörte er bis in den Sommer 1621 hinein philosophische und Philologische Collegien, wurde im Frühjahr 1620 mit Auszeichnung zum magister liberalium artium creirt und wandte sich dann mit voller Energie dem Studium der Jurisprudenz zu. Mit Hülfe fremder Unterstützungen wurde es ihm möglich, demselben bis zum Schluß des Jahres 1622 in Straßburg obzuliegen und ernstlich an eine größere Reise für seine weitere Ausbildung zu denken. Da entriß dem in die Heimath Zurückgekehrten im März 1623 der Tod den Vater und die Sorge um seiner Mutter Existenz und seine eigne Zukunft hielt ihn fast ein volles Jahr gefangen. Mit der Berufung in eine Hofmeisterstellung und dem Auftrag, den Zögling nach Straßburg zu geleiten, bekam sein Geschick eine unverhofft günstige Wendung. Schon im October 1624 erlangte er von der Straßburger juristischen Facultät die Erlaubniß, Privatcollegien, Disputationen und Repetitorien zu halten, auch lernte er eine Reihe fremder Universitäten kennen, nicht nur die nächstgelegenen Basel, Freiburg und Tübingen, auch Wien, Prag, Leipzig, Wittenberg und Jena. Nachdem er im Sommer 1629 das juristische Doctorexamen abgelegt und seine Inauguraldisputation „de repressaliis“ gehalten, begann er am Reichskammergericht zu Speyer sich in die advocatorische Praxis einzuarbeiten. In der Führung eines ihm von der Stadt Offenburg anvertrauten Processes, den diese gegen den Landvogt der Ortenau angestrengt hatte, war O. auch längere Zeit am kaiserlichen Hofe zu Wien thätig und fand Gelegenheit, hier seiner Vaterstadt wie der Stadt Straßburg ersprießliche Dienste zu leisten. Jedenfalls in Anerkennung derselben wurde er von der letztern im November 1630 in die städtische Verwaltung berufen und zunächst als Extraordinarius für das Archiv in Bestallung genommen.|1632 zum geheimen Secretarius sowie zum Adjuncten des Stadtschreibers, 1633 zum Referendar beim großen Rath befördert, wurde er bald mit wichtigen diplomatischen Missionen beauftragt. So führte er in den Jahren 1635 und 1636 die Unterhandlungen der Stadt mit dem Markgrafen Wilhelm von Baden, dem Kurfürsten von Sachsen und dem Landgrafen von Hessen, die sich um die Frage drehten, ob Straßburg, vom kaiserlichen General Gallas bedrängt, dem Prager Frieden beitreten, sich von dem schwedischen Bündniß lösen und dem Kaiser nähern sollte. Als dieselben sich zerschlagen hatten, erschien den Straßburgern die Neutralität um jeden Preis als der einzige Rettungsweg aus ihrer von den Franzosen, Schweden und den Oesterreichern bedrohten, in der That sehr exponirten politischen Lage. In diesem Sinne vertrat Marcus O. die Stadt auf dem die Friedensverhandlungen einleitenden Regensburger Reichstage 1641, zu dem sie übrigens vom Kaiser nicht einberufen war und von dessen Verhandlungen sie auch ausgeschlossen blieb. Für diese Mission war er kurz vorher, am 30. November 1640, zum Rath und Advocat der Stadt ernannt worden. Er muß dem schwierigen Auftrag, der ein besonderes diplomatisches Geschick erforderte, zur vollen Zufriedenheit seiner Oberen gerecht geworden sein, durch diese und andere Dienste, sowie durch seine 1637 geschlossene Ehe mit Margarethe Saladin, der Tochter eines Straßburger Apothekers, hatte er sich jedenfalls auch in den Herzen seiner Mitbürger das volle Straßburger Bürgerrecht erworben, kurz, er wurde allgemein, als der Friedenscongreß von Münster und Osnabrück eröffnet werden sollte, als der Vertrauensmann der Stadt bezeichnet, der sie allein würdig, an dem europäischen Areopag vertreten könnte.

    Am 15. März 1645 trat er seine Reise nach Osnabrück an, am 31. Januar 1649 kehrte er zurück. Diese vier Jahre bezeichnen unstreitig den Höhepunkt in Otto's Leben. Seine Berichte, deren er zum mindesten in der Woche einen, oft zwei an die Straßburger Regierung sandte, liegen uns bis zum Schluß des Jahres 1647 vollständig erhalten vor. Sie sind rein sachlich gehalten und informiren vortrefflich über den Verlauf der einzelnen großen Streitfragen, welche den Congreß bewegten. Im Vordergrund stehen die Gravamina der Reichsstände, die religiösen Fragen, die Amnestie, die Restitution u. s. w., die Verhandlungen der katholischen und der evangelischen Stände. Besonderes Interesse erregen noch heute die Mittheilungen über die Forderungen der Kronen Frankreich und Schweden, vor Allem über die satisfactio Gallica. Vom ersten Augenblicke ab, wo die Vorschläge Frankreichs bekannt werden, vom October 1645 ab zeigen sich der Straßburger Rath wie sein Gesandter von untilgbarem Mißtrauen gegen die Absichten dieser Macht erfüllt, das sich am besten in dem oft ausgesprochenen Worte verdichtet: „Francum amicum habeas non vicinum“. Die weiterzielenden Pläne der Franzosen entschleiern sich den Straßburgern sehr bald, sie sind sich bewußt, daß sie gegenüber den andern elsässischen Reichsstädten keinen andern Vortheil hätten als das „beneficium Ulissis von dem Polyphemo“. Gegen die bekannte zweideutige Clausel „ita tamen etc.“ im § 87 des Friedensinstruments verwahren sie sich bestimmt; indeß bei allen Bestrebungen, sich gegen die gefährliche Nachbarschaft zu sichern, so laut sie auch ihre Reichsangehörigkeit betonen, für die sie bei den schwedischen Gesandten vor allem Rückhalt suchen, niemals wagen sie die Freundschaft Frankreichs geradezu zu verscherzen. Nur einmal ertheilt O. dem französischen Botschafter, dem Grafen d'Avaux, den klaren Bescheid: „wir seyen Teutsche und reden Teutsch.“ Einen durchschlagenden Erfolg konnte die Straßburger Neutralitätspolitik natürlich auf diesem Boden erst recht nicht erringen, weder konnte O. die unklare Fassung des Friedensvertrages bezüglich der elsässischen Abtretungen verhindern, noch die Garantie der politischen und|religiösen Rechte der reichsunmittelbaren Stände im Elsaß zur An- und Aufnahme bringen.

    Auf dem Regensburger Reichstage des Jahres 1653, der die Ausführung der Bestimmungen des Westfälischen Friedens für das Reich regeln sollte, der aber nur die Proceßordnung des Reichskammergerichts erledigte, hat O. noch einmal die Stadt Straßburg vertreten. Von da ab scheint er zu größeren politischen Missionen nicht mehr verwandt worden zu sein. Sein Einfluß und seine Bedeutung scheinen sich aber eher noch gesteigert zu haben, wenn wir erfahren, daß im J. 1664 der Straßburger Bischof Franz Egon von Fürstenberg O. bei dem Rathe beschuldigte, er habe die Unterthanen des Schwarzwaldthales Harmersbach zur Auflehnung gegen die bischöfliche Herrschaft bewogen, sie mit dem Gewicht seiner juristischen Rathschläge unterstützt. Der Abend seines Lebens blieb von Betrübniß nicht frei. Wenigstens erzählt uns der Straßburger Chronist Reisseissen, daß die Schmähschriften, welche im Winter 1671 auf 1672 überall in der Stadt verbreitet wurden und als deren Autor der Procurator Georg Obrecht ermittelt und gerichtet wurde, den Ammeister Dietrich und Marcus O. angriffen. Näheres über den Inhalt dieser Pasquille ist nicht bekannt, jedenfalls aber bezichtigten sie beide Männer des Verraths ihrer Vaterstadt. Ein bitterer Undank für treue Dienste mochte sich nicht leicht finden; aber die allgemeine Hochachtung seiner Mitbürger durfte O. trösten. Sie spricht sich in den Trauergedichten und Leichenreden bei seinem Tode, der am 5. November 1674 erfolgte, unverkennbar aus. Wenn ihn eine derselben mit dem großen Straßburger Staatsmann des 16. Jahrhunderts Jakob Sturm in Vergleich letzt, so mag derselbe gelten, wenn man den grundverschiedenen Charakter beider Epochen auch an diesen beiden Männern mißt: dort schöpferische Initiative, große ideale Ziele, hier Zähe Beharrlichkeit, Gewandtheit in kleinen Mitteln, nächsterreichbare Zwecke. Aus den erhaltenen Bildern Otto's spricht Würde, nicht ohne einen Anflug von Steifheit, am anmuthendften wirken die großen klugen Augen mit den hochgeschwungenen Brauen.

  • Autor/in

    W. Wiegand.
  • Zitierweise

    Wiegand, Wilhelm, "Otto, Marcus" in: Allgemeine Deutsche Biographie 25 (1887), S. 787-789 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd121877078.html#adbcontent

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