Lebensdaten
1537 – 1604
Geburtsort
Kassel
Sterbeort
Marburg
Beruf/Funktion
Landgraf von Hessen-Marburg
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 119021854 | OGND | VIAF: 37717541
Namensvarianten
  • Ludwig der Ältere
  • Ludwig IV. der Ältere
  • Ludwig IV. von Hessen-Marburg
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Zitierweise

Ludwig IV., Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119021854.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Landgf. Philipp d. Großmütige v. H. ( 1567);
    M Christina (1505–49), T d. Hzg. Georg d. Bärtigen v. Sachsen ( 1539, s. NDB VI);
    B Landgf. Wilhelm IV. v. H.-Kassel (1532–92), Landgf. Philipp d. J. v. H. - Rheinfels (1541–83), Landgf. Georg I. v. H. - Darmstadt (1547–96);
    Schw Agnes (1527–55, 1] Kf. Moritz v. Sachsen [ 1553], 2] Hzg. Joh. Friedrich II. v. Sachsen-Coburg-Eisenach [ 1595]), Anna (1529–91, Pfalzgf. Wolfgang v. Zweibrücken [ 1569]), Elisabeth (1539–82, Kf. Ludwig VI. v. d. Pfalz [ 1583], s. NDB 15);
    - 1) Stuttgart 1563 Hedwig (1547–90), T d. Hzg. Christoph v. Württemberg (1515–68, s. NDB III), 2) Marburg 1591 Maria (* 1567), T d. Gf. Johann I. v. Mansfeld ( 1567); kinderlos;
    N Landgf. Moritz d. Gelehrte v. H.-Kassel (1572–1632), Landgf. Ludwig V. v. H. - Darmstadt (1577–1626).

  • Biographie

    Philipp d. Großmütige ließ seinem zweitältesten Sohn eine sorgfältige Erziehung zukommen: Angeleitet von seinen Lehrern Joh. Buch und Nikolaus Rhoding, wuchs L. am Kasseler Hof und in Marburg auf, wo er sich dem Universitätsstudium der alten Sprachen zuwandte. Der Schmalkaldische Krieg und die Gefangenschaft des Vaters (bis 1552) wirkten belastend. Während die Landgrafschaft lange an den Folgen der Niederlage Philipps trug, hielt sich L. 1561-65 am Stuttgarter Hof Hzg. Christophs auf, wo er sich ein unmittelbares Bild von der Dynamik des erneuerten Luthertums und seiner politischen Gestaltungskraft machen konnte. Dieser Aufenthalt bedeutete für ihn eine entscheidende persönliche Weichenstellung – konfessionell, politisch und dynastisch. Die Heirat mit der ältesten Herzogstochter Hedwig 1563 unterstrich die enge Verbindung zwischen den beiden Häusern.

    Auf Grund der innerdynastischen Probleme in Hessen (Versorgung der Kinder aus der Nebenehe) sah sich Philipp gezwungen, seinen einheitlichen Landesstaat unter seine vier legitimen Söhne aufzuteilen. Nach dem Tod Philipps 1567 erhielt L. das „Fürstentum an der Lahn“ mit Marburg als Residenz, der Landesfestung Gießen und den größeren Städten Alsfeld, Grünberg, Frankenberg, Nidda und Eppstein. Zusammen mit seinem älteren Bruder, Wilhelm IV. von Kassel, nahm L. in wichtigen politischen und kirchlichen Fragen eine Prärogative wahr, der sich die jüngeren Brüder in Darmstadt und Rheinfels in der Regel anschlossen. Das neue Regierungssystem in Hessen, das auf die letzten Testamente Philipps von 1560 und 1562 zurückging und in der Ziegenhainer Erbeinung der vier Brüder von 1568 sanktioniert wurde, stellte einen Ausgleich zwischen den dynastischen Zwängen und den staatlichen Interessen des Landes dar. Beamtenschaft, Geistlichkeit und Stände sollten zusammen mit dem fürstlichen Familienverband die Einheit des Gesamtterritoriums garantieren – sog. Samteinrichtungen (z. B. Landtage, Hofgericht, Universität und kirchliche Generalsynoden) waren als institutionelle Klammern der gemeinsamen Ordnung gedacht; Landgrafentage und Rätetage sollten eine praktikable Form des kollegialen Regierens ermöglichen. Obwohl die Teilung von 1567 die Einheit der Landgrafschaft stark gefährdete, bot die Regionalisierung der Herrschaftszentren die Chance, den territorialstaatlichen Ausbau in den vier hess. Landesteilen zu intensivieren. In seinem Marburger Fürstentum, flächenmäßig halb so groß wie Hessen-Kassel, erwies sich L. als fähiger Regent, dem es zügig gelang, seinen Hofstaat und die neuen Zentralbehörden institutionell und personell zu organisieren. Unter seinen politischen Räten dominierten der Statthalter Burghard v. Cramm ( 1599) und der Kanzler Dr. Johann Heintzenberger ( 1581). Das persönliche Regiment des Fürsten, besonders in der Kirchen- und Konfessionspolitik, war stark entwickelt. Analog zu Kassel ließ L. umfangreiche statistische Landesaufnahmen durchführen; er übernahm auch die Kasseler Rentkammerordnung von 1568. 1584 erließ er eine Berg-, 1588 eine Polizeiordnung. – In der territorialen Arrondierungspolitik war L. besonders erfolgreich: 1570 erwarb er von den Nassau-Weilburger Grafen die Fuldische Mark in der Wetterau, 1585 teilte er mit ihnen die Kondominate an der mittleren Lahn, 1584/88 fiel ihm die Herrschaft Itter zu. Zäh verteidigte er seine obrigkeitlichen Rechte gegen die reichsritterschaftlichen Bestrebungen im Busecker Tal und Breidenbacher Grund (Frankfurter Vertrag von 1576). Mit Kurmainz (Merlauer Vertrag von 1582) und dem Deutschen Orden (Karlstadler Vertrag von 1584) kam es unter L. zu einem Kompromiß über die umkämpften terrritorialen und hoheitlichen Positionen in Hessen. – Von der wirtschaftlichen Prosperität zeugt die rege Bautätigkeit: In Marburg ließ L. im Stil der Spätrenaissance neben der Rentkammer am Schloß (1572) eine neue Kanzlei (1573–76) für seine Behörden errichten. Sein Baumeister Ebert Baldwein war ebenso beteiligt am Bau des Zeughauses in Gießen (1586–90) wie an der Renovation der oberhess. Schlösser in Merlau, Rauschenberg, Wolkersdorf und Grünberg. Bezeichnend für das patriarchalische Herrschaftsverständnis L.s war der Bau des Brunnenhauses in Schröck (1596), auf dem die Wappen seiner Räte angebracht wurden.

    Die territoriale Vierteilung Hessens zog nach 1567 eine Regionalisierung der Landeskirchen nach sich: Die alte Brückenfunktion, die Hessen zwischen der sächs. und der oberdeutschen Reformation eingenommen hatte, ging ebenso verloren wie der konfessionelle Konsens unter den vier Brüdern. Die dezidiert luth. Position L.s in der Kirchen- und Bekenntnisfrage erwies sich als Sprengkraft|für die hess. Solidarität und damit für das einheitl. Verfassungsgefüge des Landes. Indem L. die Impulse der Erneuerung aus Württemberg aufnahm und in Marburg einen strengen Lutheranisierungskurs steuerte, verschärfte er die Konfrontation mit seinem lavierenden Bruder Wilhelm in Kassel, der die Tradition der überkonfessionellen Linie des Vaters verteidigte und Sympathien für das ref. Bekenntnis zeigte. Der konfessionelle Gegensatz führte 1582 zum Abbruch der gemeinsamen Generalsynoden. Obwohl die hess. Unterschrift unter dem Konkordienbuch von 1580 fehlte, setzte L. in seinem Landesteil die luth. Kirchenerneuerung konsequent fort. Die Berufung des württ. Theologen Ägidius Hunnius an die Marburger Universität 1576 verstärkte den luth. Formierungsprozeß beträchtlich. Mit Hunnius hielt der Geist der Tübinger Schule Andreäs und Heerbrands Einzug in die Marburger Theol. Fakultät, die seit den 1580er Jahren personell und dogmatisch (Ubiquitätslehre) streng lutherisch ausgerichtet war und sich zum entscheidenden Instrument der Konfessionalisierungspolitik ausformte. Der luth. Integrationskurs in Marburg, intellektuell durchdacht und als politisches System konzipiert, bedeutete faktisch das Scheitern des einheitlichen Kirchenregiments in Hessen, auch wenn rechtlich und formal die Einheit bis zum Tode L.s 1604 bestehen blieb. – Die konfessionelle Neuorientierung im Innern drückte sich auch in der Reichspolitik aus: L. schloß sich der kaisertreuen luth. Fürstengruppe um Kursachsen und Württemberg an, die auf der Grundlage des Augsburger Religionsfriedens das Funktionieren der Reichsverfassung gewährleisten half. Die Bedrängnis der Glaubensverwandten in Köln und Aachen verurteilte L., ohne jedoch aktiv einzugreifen. 1593 wurde er zu einem der kaiserl. Kommissare im Straßburger Kapitelstreit bestellt. Auf den Reichstagen führte er die zweite Stimme Hessens. L.s Verhalten war bis zu seinem Ende geprägt von luth. Bekenntnistreue, Loyalität zum Kaiser und strikter Einhaltung der Reichsverfassung.

    Da L. kinderlos blieb, verfügte er 1595 in seinem Testament die Aufteilung seines Landes, die zu gleichen Teilen an seine Neffen in Kassel und in Darmstadt erfolgen sollte und rechtlich mit der Garantie des Luthertums verknüpft war. Das Testament L.s wurde nach 1604 zum Ausgangspunkt des Erbfolgestreits in Hessen, der auch das Reich beschäftigte. Während Moritz von Kassel sich 1605 offen zum ref. Glauben bekannte, führte Darmstadt unter Ludwig V. die Marburger Kirchentradition fort und wurde so zum alleinigen Kontinuitätsträger des erneuerten Luthertums in Hessen.

  • Literatur

    H. Vultejus, Oratio de vita et morte illustrissimi et potentissimi Principis ac Domini, Domini Ludovici senioris, 1605;
    K. W. Justi, L. IV., Testator, in: Die Vorzeit, 1822, S. 1-42;
    Ch. v. Rommel, Gesch. v. Hessen V, 1835, VI, 1837, S. 1-83;
    H. Heppe, Gesch. d. Hess. Generalsynoden v. 1568–82, 1847, Neudr. 1969;
    C. Knetsch, Das Haus Brabant, 1918-31;
    H. Hermelink u. S. A. Kaehler, Die Philipps-Univ. zu Marburg 1527-1927, 1927;
    W. Kürschner, Gesch. d. Stadt Marburg, 1934;
    S. Voigt, Eberdt Baldwein, d. Baumeister Landgf. L.s IV. v. H.-M. 1567–92, 1939;
    W. Maurer, Bekenntnisstand u. Bekenntnisentwicklung in Hessen, 1955;
    Th. Niederquell, Im Kampf um d. Reichsunmittelbarkeit, Die Gesch. d. Dt.ordensballei Hessen vornehml. im 16. Jh., in: Hess. Jb. f. Landesgesch. 5, 1955, S. 193-232;
    F. P. Kahlenberg, Konsolidierung u. Arrondierung d. Territorialstaates in d. 2. Hälfte d. 16. Jh., Der Merlauer Vertrag v. 1582 zw. Hessen u. Mainz, ebd. 14, 1964, S. 123-98;
    K. E. Demandt, Die hess. Erbfolge in d. Testamenten Landgf. Philipps d. Großmütigen u. d. Kampf s. Nebenfrau um ihr Recht, ebd. 17, 1967, S. 138-90;
    H. Weissgerber, Aegidius Hunnius in Marburg 1576–92, in: Jb. d. hess. kirchengesch. Vereinigung 6, 1955, S. 1-89;
    W. Zeller, Frömmigkeit in Hessen, 1970;
    B. Diestelkamp, Das Verhältnis v. Gesetz u. Gewohnheitsrecht im 16. Jh. -
    aufgezeigt am Beispiel d. oberhess. Erbgewohnheiten von 1572, in: Rechtshist. Stud., Festschr. f. Hans Thieme, 1977, S. 1-33;
    P. Moraw, Kleine Gesch. d. Univ. Gießen 1607-1982, 1982;
    M. Rudersdorf, Der Weg z. Univ. gründung in Gießen, Das geistige u. pol. Erbe Landgf. L.s IV. v. H.-M., in: Academia Gissensis, 1982, S. 45-82;
    H. Philippi, Das Haus Hessen, 1983;
    V. Press, Hessen im Za. d. Landesteilung (1567–1655), in: W. Heinemeyer (Hrsg.), Das Werden d. Landes Hessen, 1986;
    eigene Archivstud.

  • Porträts

    Wandgrab f. L. u. Hedwig v. G. Wolff, 1590-93 (luth. Pfarrkirche Marburg);
    Gem. v. Ch. Jobst, um 1617 (Univ.mus. Marburg);
    Miniaturgem. (Hess. Landesmus. Kassel, Murhardsche Bibl. d. Stadt Kassel, Württ. Landesmus. Stuttgart, Kunsthist. Mus. Wien, Nat.bibl. Wien).

  • Autor/in

    Manfred Rudersdorf
  • Zitierweise

    Rudersdorf, Manfred, "Ludwig IV." in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 389-391 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119021854.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA