Lebensdaten
1645 – 1733
Geburtsort
Zürich
Sterbeort
Zürich
Beruf/Funktion
Mediziner ; Anatom ; Chirurg
Konfession
reformiert?
Normdaten
GND: 118585819 | OGND | VIAF: 59876646
Namensvarianten
  • Muralto, Johann de
  • Muralt, Johann von
  • Muralto, Johann de
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Verknüpfungen auf die Person andernorts

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Muralt, Johann von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118585819.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann Melchior (1614–88), Kaufm. in Z., S d. Johannes (1577–1645), Kaufm. (beide s. HBLS);
    1672 Regula Escher;
    S Johann Conrad (1673–1732), Stadtarzt in Z.

  • Biographie

    M. besuchte das Gymnasium Carolinum in Zürich und veröffentlichte schon mit 20 Jahren eine wissenschaftliche Schrift über das geistige Leben der Taubstummen (Schola mutorum ac surdorum). Im Rahmen akademischer Reisen studierte er Anatomie, Chirurgie und Geburtshilfe in Basel, Leiden, London, Oxford, Paris und Montpellier. Zu seinen Lehrern gehörten der bekannte Anatom C. Bauhin (Basel) und der Arzt F. Sylvius (Leiden). Mit der Dissertation „De morbis parturientum et accidentibus, quae partum insequuntur“ schloß M. 1671 seine akademische Ausbildung in Basel ab und ließ sich 1672 in Zürich als Chirurg und Geburtshelfer in eigener Praxis nieder. Die chirurgische Tätigkeit M.s und öffentliche Sektionen von Tieren in Zürich führten bald zu Unstimmigkeiten mit der dortigen Chirurgenzunft „Zum Schwarzen Garten“. Nach fünf Jahren war jedoch M.s Ruf als Arzt so gefestigt, daß man ihm erlaubte, auch Sektionen an den Leichen Hingerichteter vorzunehmen, ihn mit dem Namen „Aretäus“ in die Leopoldina aufnahm und zum Ehrenmitglied der Chirurgenzunft ernannte. Seit 1686 hielt M. anatomische Vorlesungen in deutscher Sprache vor Chirurgen, Studenten und gebildeten Laien. Die Thematik umfaßte Anatomie, Physiologie, Organpathologie, medizinische und chirurgische Therapie, den Gebrauch medizinischer Pflanzen sowie Instruktionen für Militärchirurgen. 1688 wurde er zum Stadtarzt (Archiater) ernannt und war somit für die Seuchenbekämpfung, das Hebammenwesen, die Apotheken und das Stadtkrankenhaus zuständig. M. führte selbst alle Fraktur-, Stein- und Katarakt-Operationen durch. 1691 erhielt er eine Physikprofessur am Chorherrnstift zum Großen Münster und eine Professur am Gymnasium. M. kann als Begründer des anatomischen Unterrichts in Zürich gelten, das durch ihn zu einem bedeutenden Zentrum für das Studium der Anatomie und Chirurgie wurde.

    Der Erfolg M.s beruhte hauptsächlich auf seinen außerordentlichen praktisch-chirurgischen Fähigkeiten und seiner scharfen Beobachtungsgabe. Zwar werden in M.s Schriften auch neuartige Behandlungsverfahren dargestellt, seine Veröffentlichungen sind jedoch mehr durch die Menge und Vielfalt des Materials gekennzeichnet als durch Erkenntnistiefe. Mit Anatomie, Medizin und Physiologie befassen sich 21 Werke und 13 mit Mineralogie, Zoologie und Botanik. Etwa 100 Aufsätze (Acta d. Leopoldin. Ak. I, II) waren der Anatomie der Tiere gewidmet. M.s naturhistorisches Hauptwerk ist das „Systema physicae experimentalis, integram naturam illustrans“ (4 Bd., 1705–14). Eine handschriftliche regionale Pharmakopoe M.s ist erhalten. M. äußerte die Vermutung, daß die Infektion mit der Pest auf „animalischen“ Ursachen beruhe. Nach seiner Auffassung sollten mikroskopisch kleine „Mücklein“ die Krankheit durch die Atemluft übertragen. Tatsächlich wird der Mensch durch Rattenflöhe mit dem Pestbakterium (Yersinia pestis) infiziert, was zur Beulenpest führt. Durch Tröpfcheninfektion mit dem Atem können dann andere Menschen mit der Lungenpest angesteckt werden. M. legte eine wohldurchdachte Darstellung der Pesterkrankung vor, die der u. a. auf Athanasius Kircher zurückgehenden Lehre von der lebendigen Natur des Pesterregers entsprach: Unter dem Mikroskop glaubte M. diese Erreger in Blut und Eiter der Erkrankten als kleine „Würmchen“ ausmachen zu können. In seiner Krankheitstheorie finden sich gelegentlich Elemente zeitgenössischer volksmedizinischer Glaubensvorstellungen, die er mit Erfolg in seine praktischen Behandlungskonzepte integrierte. Aus heutiger Sicht verdienstvoll war insbesondere sein Bestreben, naturwissenschaftliche Kenntnisse durch Lehre und anschauliche Darstellung weiterzuvermitteln.

  • Werke

    Weitere W Vademecum anatomicum sive clavis medicinae, 1677;
    Anatom. Collegium, 1687;
    Curationes medicae observationibus et experimentis anatomicis mixtae, 1688;
    Kinder- u. Hebammenbüchlein, 1689, 1697;
    Chirurg. Schrr., 1691 (P);
    Hippocrates helveticus od. d. Eydgenöss. Stadt-, Land- u. Hauss-Artzt, 1692;
    Eydgenöss. Lust-Garte, 1715 (P);
    Schrr. v. d. Wund-Artzney, 1711;
    Kriegs- u. Soldaten-Diaet, 1712;
    Sichere Anleitung wider d. dissmal grassirenden Rothen Schaden, 1712;
    Kurtze u. Grundlich Beschreibung d. ansteckenden Pest, 1721.

  • Literatur

    ADB 23;
    K. Meyer-Ahrens, Die Arztfam. v. M., insbes. J. v. M., in: Schweizer. Zs. f. Heilkde. 1, 1862, S. 268-89;
    ebd. 2, 1863, S. 25-47;
    C. Brunner u. W. v. Muralt, Aus d. Briefen hervorragender Schweizer Ärzte d. 17. Jh., 1919;
    O. Obschlager, Der Zürcher Stadtarzt J. v. M. u. d. med. Aberglaube seiner Zeit, Diss. Zürich 1926;
    U. Boschung (Hrsg.), J. v. M. 1645-1733, Arzt, Chirurg, Anatom, Naturforscher, Philosoph, 1983;
    Pogg. II;
    BLÄ;
    HBLS (P);
    DSB;
    Schweizer Lex. (P).

  • Porträts

    Kupf. v. C. N. Schultz, 1685, u. Johs. Meyer d. J., 1691 u. 1711.

  • Autor/in

    Eberhard J. Wormer
  • Zitierweise

    Wormer, Eberhard J., "Muralt, Johann von" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 602-603 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118585819.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Muralt: Johann v. M., Arzt, einer vornehmen italienischen Familie (de Muralto) entsprossen, welche von Mailand nach der Schweiz übergesiedelt war, ist 1645 in Zürich geboren. Er hatte zuerst in Basel, später in Leyden Medicin studirt, sich hier vorzugsweise Sylvius angeschlossen und unter dem Präsidium desselben 1668 seine Dissertation „De inflammatione et ulcere vesicae“ vertheidigt; dann hatte er sich nach Oxford, später nach Paris gewandt, um hier des anatomischen und geburtshilflichen Unterrichtes von Gayant und Mauriceau theilhaftig zu werden; 1671 war er nach Basel zurückgekehrt, war hier nach Vertheidigung seiner Inauguraldissertation „De morbis parturientium et accidentibus, quae partum insequuntur“ promovirt worden und siedelte dann nach seiner Vaterstadt über, wo er sich als Arzt, Chirurg und Geburtshelfer habilitirte, gleichzeitig aber auch streng wissenschaftlichen Bestrebungen nachging und die medicinische Bildung in seiner Vaterstadt nach Kräften zu fördern bemüht war, namentlich auf eine bessere Ausbildung der Chirurgen drang und gegen die Trennung der inneren Medicin von der Chirurgie eiferte, indem er erklärte, daß jeder Chirurg auch ein gebildeter Arzt sein müsse. Seine Bemühungen, den praktischen anatomischen Unterricht in Zürich einzuführen, scheiterten an dem Verbote der Behörden, menschliche Leichen für anatomische Zwecke zu benutzen, er war daher lediglich auf zootomische Untersuchungen angewiesen, und als die Behörden ihm 1677 die Erlaubniß ertheilt hatten, Sectionen an Leichen von Malefikanten und Personen, die mit merkwürdigen Krankheiten behaftet gewesen waren anzustellen, wurde ihm nicht gestattet, seine Schüler zu diesen Sectionen zuzuziehen, so daß er gezwungen war, nur theoretische Vorlesungen über Anatomie zu halten, an welchen sich übrigens später auch die Chirurgen betheiligten, nachdem sie den hohen Werth anatomischer Kenntnisse für ihre Kunst erkannt und sich mit den Angriffen, denen sie früher von M. ausgesetzt gewesen waren, ausgesöhnt hatten. Seine praktischen Leistungen hatten ihm schnell das Vertrauen seiner Mitbürger erworben und schließlich ließen auch die Behörden ihm alle Gerechtigkeit widerfahren; 1688 wurde er zum Stadtarzte und Chorherrn an dem Stifte zum großen Münster, und endlich auch zum Professor der Physik ernannt. Er ist im September 1732 in einem Alter von 87 Jahren gestorben. — Seine litterarischen Arbeiten betreffen vorzugsweise die Anatomie und Chirurgie; außer einem „Vademecum anatomicum“ (1677 und 1685) und einigen kleineren anatomischen Arbeiten (exercitationes), die in Form von Dissertationen ("De chylo et lacte“ — „De lympha et saliva“ — „De bile et excrementis biliosis u. a.) erschienen sind, hat er eine Reihe anatomischer und vergleichend anatomischer Artikel in den Acten der Leopoldinischen Akademie, deren Mitglied er war, und „Schriften von der Wundarzney“ (1691 u. 1711), ein Compendium der Chirurgie und eine große Zahl chirurgischer Beobachtungen|enthaltend, veröffentlicht. — Eine Schattenseite in dem Charakter dieses würdigen Mannes, für die man allerdings auch seine Zeit verantwortlich machen muß, liegt in seinem Aberglauben; der Teufel spielte in seinen Anschauungen keine kleine Rolle, und auch an Hexenprocessen ist er nicht ganz unbetheiligt gewesen.

    • Literatur

      Ueber sein Leben und seine Schriften vgl. Haller, Biblioth. anat. I, 573 und Biblioth. chirurg. I, 383. — Meyer-Ahrens, Schweizerische Zeitschr. f. Heilkunde 1862 II, 268. 423. 1863 III, 25.

  • Autor/in

    Aug. Hirsch.
  • Zitierweise

    Hirsch, August, "Muralt, Johann von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 23 (1886), S. 53-54 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118585819.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA